Aggression, Autoaggression, SVV

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Transkript:

Aggression, Autoaggression, SVV Mag.a Elke Hecher Klinische und Gesundheitspsychologin elke@omega-graz.at Verein OMEGA

Aggressives Verhalten Inhaltsverzeichnis

Aggression (Petermann & Koglin,2013) Familiäre Belastungen Täter sind häufig auch Opfer Pathologisches Elternhaus Formen der Gewalt wie auch Vernachlässigung Probleme mit Alkohol und Drogen Eltern selbst aggressives Verhalten Psychische Ausnahmesituationen (Immigration: Übertragung von Traumata) 3

Aggression (Petermann & Koglin,2013) Störung des Sozialverhaltens Aggressives Verhalten gegenüber Menschen und Tieren Zerstörung von Eigentum Betrug oder Diebstahl Schwere Regelverstöße zb über Nacht unterwegs 4

Störung des Sozialverhaltens (Baving, 2006) Risikofaktoren im Psychosozialen Niedrige elterliche Bildung Geringes Einkommen Vernachlässigung Belastende Lebensereignisse Erziehungsverhalten Eltern-Kind-Beziehung Lernen am Modell - Gewaltspirale 5

Störung des Sozialverhaltens (Baving, 2006) Reizbarkeit und Irritierbarkeit Erhöhtes Angstniveau Verbale und visuell-räumliche Defizite Verzerrte Wahrnehmung im Sozialen Emotionale Unbeteiligtheit Viktimisierung durch andere Leistungsschwierigkeiten Zurückweisung durch Gleichaltrige Psychosoziale Faktoren wirken protektiv auf genetische Risikofaktoren 6

Störung des Sozialverhaltens (Baving, 2006) Häufig in Kombination ADHS Impulsstörungen Sprachstörungen 7

Inhaltsverzeichnis Aggressives Verhalten Selbstverletzendes Verhalten (SSV)

SVV (Petermann & Nitkowski,2005) SVV ist keine psychische Störung, sondern wird als Symptom im Rahmen verschiedener psychischer Störungen betrachtet ICD-10: F 63.9 Nicht näher bezeichnete abnorme Gewohnheit und Störung der Impulskontrolle Unabhängiges Störungsbild, oder Form von Impulskontrollstörung oder Form von substanzungebundener Abhängigkeit 9

SVV (Petermann & Nitkowski,2005) Jugendliche und junge Erwachsene >2% 15-35- Jährige Häufiger von Mädchen und Frauen berichtet Bei Jungen häufiger Schlagen und Treten gegen Gegenstände, Verletzungen nach Sport etc. Häufig in Kinderpsychiatrie und bei Inhaftierten zu beobachten (SSV und delinquentes Verhalten) 10

SVV (Petermann & Nitkowski,2005) Meistens ab 14 Jahre, manchmal schon früher Haut wird mit scharfen Gegenständen geritzt, geschnitten oder aufgekratzt Meistens Arme und Untergelenke Verbrennen der Haut mit Zigarette Treten oder schlagen harter Gegenstände Anschlagen von Körperteilen etc. 11

SVV (Petermann & Nitkowski,2005) Meistens ab 14 Jahre, manchmal schon früher Haut wird mit scharfen Gegenständen geritzt, geschnitten oder aufgekratzt Meistens Arme und Untergelenke Verbrennen der Haut mit Zigarette Treten oder schlagen harter Gegenstände Anschlagen von Körperteilen etc. 12

SVV (Petermann & Nitkowski,2005) Ablenkung von SVV durch Gespräche, körperliche Aktivität, Schreiben, Musizieren, Beschäftigung der Hände SVV mind 1/Woche kaum unterdrückbar Mangelnde Fähigkeit Handlungen aufzuschieben, zu reflektieren, bei pos/neg Gefühlen Handlung mehr aus dem Affekt 13

Inhaltsverzeichnis Aggressives Verhalten Selbstverletzendes Verhalten (SSV) SSV unter verschiedenen Gesichtspunkten

Impulskontrollstörung (Petermann & Nitkowski,2005) Handlung wird wiederholt ohne vernünftigen Grund Person hat keine Kontrolle über Verhalten Eigene oder andere Interessen werden beeinträchtigt Verhalten der Person wird als impulsiv erlebt Schwer abgrenzbar zu Zwangsstörung oder süchtigem Verhalten 15

SVV (Petermann & Nitkowski,2005) Parallelen zur Abhängigkeitsstörung (Nixon et al., 2002) Verlust von Kontrolle, Toleranzentwicklung Entzugserscheinungen Höheres Risiko bei Jugendlichen mit hohem Grad nach innen gerichtetem Ärger und schwerem SSV wie Kopfschlagen, Brechen von Knochen Körpereigene Opiate Verbesserung der Stimmung 16

Suizidalität und SVV (Petermann & Nitkowski,2005) Gemeinsamkeiten 50% mit SVV sind suizidal Täglich auftretende Suizidgedanken Serotonin-Unterfunktion, die mit Impulskontrollstörung zusammenhängt 17

Unterschiede Suizidalität und SVV (Petermann & Nitkowski,2005) SVV hat nicht das Ziel zu sterben, sondern mit Stressbelastungen umzugehen Schamgefühl und Selbstbestrafung bei SVV Entlastung und Erleichterung SVV anderes Motiv und Endziel als bei Suizid 18

Suizidalität und SVV Beides tritt auf bei (Petermann & Nitkowski,2005) Höherer Alkoholkonsum, Einsamkeit, Wut, riskantes und rücksichtsloses Verhalten Psychisch belasteter Geringer Selbstwert Trauma-Symptome Geringe Ressourcen wie soziale Unterstützung und familiärer Zusammenhalt 19

NSSV(Plener, 2015) SVV durch Schädigung der Körperoberfläche: Blutung, Quetschung, Schmerz wie Schneiden, Verbrennen, Stechen, Schlagen, Haut aufreiben Verbesserung eines neg Gefühls oder kognitiven Zustandes Wiederholendes Verhalten Prävalenz 4% im 15. Lebensjahr 20

NSSV (Plener, 2015) Häufig ICD-10 unter emotionale instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typus (BPS) Häufig bei Erwachsenen Bei Jugendlichen NSSV auch unabhängig dieser Diagnose BPS 21

NSSV(Plener, 2015) Komorbidität (Von Nock et al,2006) 42% Depression 24% PTSD 16% Generalisierte Angststörung 63% Störung des Sozialverhaltens 60% Substanzkonsum 22

BPS(Hofman, 2002) Defizite in der Wahrnehmung und Reflexion von Gefühlen und Ausdrucksvermögen Erinnerung von Gefühlen schwierig Unkontrollierbare innere Leere Wut unkontrollierbar Borderline-Angst (frühe Trennungs/Bedrohungs/Verlust/Versagensphantas ien) hat affektive Spannungen zur Folge Selektive Wahrnehmung von Personen, Beziehungssituationen und der eigenen Person 23

Bindungsstörung bei BPS(Hofman, 2002) Frühe psychische Traumatisierung Frühkindliche Misshandlung Rollenumkehr der Eltern-Kind-Beziehung durch Parentifizierung Trennungsängste Später Selbstbezichtigung und daraus Autoaggression und Selbstdestruktion Häufig borderline-typische Selbstwertstörung 24

Essstörungen bei BPS (Hofman, 2002) Fresssucht, Bulemie und Magersucht im späteren Kindesalter vor der Pubertät Frühe Regulationsstörung Frühe Trennungs- und Vernichtungsängste Ohnmacht und Aggression der Mutter in Verbindung mit Essen Identitätsstörung 25

Suchtstörungen/Trauma/SVV (Lüdecke et al., 2010) 10% w und 5% m entwickeln PTSD, höheres Risiko an Suchtstörungen zu erkranken Störung Lust-Unlust-Regulation Gefahrenabwehr durch die Symptome des PTSD Stressreduktion durch Alkohol, Drogen, Medikamente, exzessivem Sport, PC-Spiele, Essen etc. - wirkt auf das Belohnungssystem Vor Suchtverhalten häufig SVV, wirkt gegen die Dissoziation Einfluss durch Peer-Group 26

Praktische Erfahrungen exemplarisch Starke Traumatisierungen und Anpassungsdruck in Kombination mit Unsicherheiten (zb Status, Abschiebung ins Heimatland) können zu sehr starken Stressreaktionen führen Folgen: Aggression in Form von Schreien und Schlagen anderer und sich selbst, Hungern, akuter Mutismus (Tage des Schweigens), lang anhaltendes Weinen, Apathie, Panik, Haare reißen, Schlaflosigkeit, Albträume, Konzentrationsprobleme 27

Praktische Erfahrungen exemplarisch Erlebte Gewalt und Bindungsstörungen in Kombination mit prekären Lebenssituationen Folgen: Identitätskonflikte (Werte und Normen), Gewalt gegen andere und sich (Störungen des Sozialverhaltens und SSV), Risiko zu Suchtproblematik, innere Leere, depressive Verstimmungen, Selbst- und Fremdenhass, Bereitschaft für Kriegshandlungen 28

Danke für die Aufmerksamkeit! 29