Städtische Abwasserentsorgung in der Türkei Situation, Rahmenbedingungen, Herausforderungen Dr. Matthias Hummel KfW Entwicklungsbank Schwerpunktteam Siedlungswasserwirtschaft Europa Workshop Wasser- und Naturschutzpolitik in der Türkei TU Berlin 12. November 2004
Einleitung Deutsche Förderung im Sektor Siedlungswasserwirtschaft in der Türkei KfW Entwicklungsbank ist im Auftrag der Deutschen Bundesregierung in den letzten 15 Jahren wichtigster internationaler Financier von Investitionen im Sektor Siedlungswasserwirtschaft in der Türkei Gesamtzusagen rd. EUR 700 Mio im Rahmen der deutschtürkischen Finanziellen Zusammenarbeit (FZ) für kommunale Projekte zur Verbesserung der o Wasserversorgung o Abwasserentsorgung o Abfallwirtschaft Projekte in rund 20 großen und mittelgroßen türkischen Städten 2
Einleitung FZ-Projekte im Bereich Siedlungswasserwirtschaft in der Türkei Laufende oder abgeschlossene Projekte Projekte in Vorbereitung 3
Gliederung Städtische Abwasserentsorgung in der Türkei Einleitung Situation und jüngste Entwicklungen Zukünftige Herausforderungen Fazit 4
Situation und jüngste Entwicklungen Allgemeine Rahmenbedingungen Erhebliche Investitionen aus Haushaltsmitteln in Ausbau der kommunalen Infrastruktur (seit 1980 Jahresdurchschnitt 1% des BIP) Zentrale Planung von kommunalen Investitionsmaßnahmen durch Staatliches Planungsamt (DPT) und Iller Bank (Bank d. Provinzen) o Gegenwärtig: Reform der Kommunalgesetzgebung Interne Finanzierung von Kommunalen Investitionen durch Iller Bank o Bislang: negative Zinssätze, Durchführung durch Iller Bank, lange DurchführungszeitenWeitgehende o Gegenwärtig: Reform der Iller Bank Externe Finanzierung durch KfW, EIB, Weltbank etc. o Bislang: de facto Freistellung der Kommunen vom Schuldendienst durch Garantie des Zentralstaats o Gegenwärtig: Restriktive Vergabe von Staatsgarantien an Kommunen gegen Sicherheiten 5
Situation und jüngste Entwicklungen Allgemeine Rahmenbedingungen Neues UVP-Gesetz seit 2001 angelehnt an EU-Verfahren Hohe Anforderungen des Türkischen Gesetzes zum Schutz der Wasserressourcen (1988), aber noch nicht vollständig im Einklang mit EU-Abwasserrichtlinie o Keine Bestimmungen für sensitive Gewässer o Mechanische und biologische Behandlung (1. und 2. Reinigungsstufe) erforderlich o Dritte Reinigungsstufe (Stickstoff- und Phosphorelimination) nicht erforderlich 6
Situation und jüngste Entwicklungen Städtische Abwasserversorgung Anschlussgrad der städtischen Bevölkerung (2001) o Abwasserkanalisation: 75% o Kläranlage: 17% Tatsächliche Klärung von weniger als 10% des anfallenden Abwassers (überwiegend rein mechanische Klärung) Häufig mangelnde Trennung von Abwasser- und Regenwasserkanalisation Schlechte Bauqualität sowie unzureichende Unterhaltung und Wartung Gesundheitsgefährdung durch mangelnde Siedlungshygiene Kontamination von Oberflächen- und Grundwasserressourcen 7
Situation und jüngste Entwicklungen Städtische Wasserversorgung Anschlussgrad der städtischen Bevölkerung an die öffentliche Wasserversorgung (2001): 92% Unzureichende Unterhaltung und Wartung der Versorgungsnetze 30-70% technische und administrative Wasserverluste Zeitweise Unterbrechungen der Wasserversorgung in einigen Städten ineffizienter Betrieb der Wasserversorgungssysteme 8
Situation und jüngste Entwicklungen Ökonomische und institutionelle Aspekte Angespannte finanzielle Situation der Kommunen Unzweckmäßige Aufbau- und Ablauforganisation der kommunalen Wasserver- und Abwasserentsorgung o keine institutionelle Trennung von den Stadtverwaltungen (außer in 16 formalen Großstädten) o kameralistische Rechnungslegung o Mangelhafte Managementinformationssysteme o Personelle Überkapazitäten Unzureichende Qualifikation des kommunalen Personals Mangelnder Erfahrungsaustausch zwischen Kommunen VerbesserungsfähigeTarifsysteme o Häufig mangelnde Anreize zur Ressourcenschonung o Meist keine Vollkostendeckung Erheblicher Bedarf zur Organisationsentwicklung und Qualifizierung der kommunalen Träger 9
Zukünftige Herausforderungen Fortgesetzte Dezentralisierungspolitik Konsequente Verlagerung der Planungshoheit für siedlungswasserwirtschaftliche Anlagen und Netze auf die Kommunen Klare institutionelle, personelle und budgetmäßige Trennung kommunaler Ver- und Entsorgungsbetriebe von den Stadtverwaltungen Restrukturierung der Iller Bank zu reiner Finanzierungsinstitution ohne Durchführungsaufgaben und -kapazitäten Verbesserung der Finanzausstattung der Kommunen durch Reform der kommunalen Steuern (insbesondere: Umweltsteuer) sowie des vertikalen und horizontalen Finanzausgleichs Weitgehende Tarifautonomie der kommunalen Ver- und Entsorger Erleichterung der Personalrekrutierung durch Reform des öffentlichen Dienstrechts 10
Zukünftige Herausforderungen Konsistente Sektorpolitik Formulierung einer konsistenten Sektorpolitik o Klare Definition von Entwicklungszielen, prioritären Maßnahmen und Zeitplänen o Festlegung von Planungs-, Service-, Betriebs- und Tarifstandards einschließlich entsprechender Richtlinien Koordiniertes Handeln aller sektorrelevanten Institutionen des Zentralstaats durch Ausrichtung an Sektorpolitik, insbesondere bei o Festlegung von Investitionsprioritäten (Planungsamt DPT) o Entscheidungen über Finanzierungen oder Staatsgarantie für kommunale Investitionen (Iller Bank, Schatzamt) o Genehmigung siedlungswasserwirtschaftlicher Anlagen (Umweltministerium, Provinzverwaltungen) o Genehmigung von Tarifen (Provinzverwaltungen) 11
Zukünftige Herausforderungen Anpassung an EU-Abwasserrichtlinie Anpassung des Türkischen Gesetzes zum Schutz der Wasserressourcen an die EU-Abwasserrichtlinie o gesonderte Bestimmungen für sensitive Gewässer o Anpassung der Einleitergrenzwerte (insbesondere BSB) o Festlegung von Einleitergrenzwerten für Stickstoff und Phosphor Aber: Realistische Fristen für phasierten Übergang zu EU-Standards notwendig, weil zu hohe Anforderungen als Hemmnis für notwendige Investitionen in Abwasserreinigungsanlagen wirken! 12
Zukünftige Herausforderungen Umsetzung der Umweltgesetzgebung Personelle und finanzielle Stärkung sowie Qualifizierung der Umweltaufsicht auf Provinzebene (Umweltdirektorate) Qualifizierung kommunaler Abwasserentsorgungsbetriebe zur effektiven Einleiterkontrolle Permanentes Umweltmonitoring und Durchsetzung der Umweltgesetze und Einleitervorschriften Erhöhung des Umweltbewusstseins in der Bevölkerung o Verstärkte Umweltaufklärung o Förderung wirtschaftlicher Entwicklung und Überwindung regionaler Entwicklungsunterschiede Schaffung von Anreizen für Maßnahmen des prozessintegrierten industriellen Umweltschutzes 13
Zukünftige Herausforderungen Einbindung des Privatsektors (PSP) Verbesserung der Rahmenbedingungen für Privatsektorbeteiligung bei Erstellung und Betrieb der Abwasserinfrastruktur (Dezentralisierung, konsistente Sektorpolitik etc.) Formulierung einer sektorbezogenen PSP-Politik und effektive Wahrnehmung zentralstaatlicher Aufsicht über PSP-Verträge Fortsetzung der konsequenten, stabilitätsorientierten Wirtschaftspolitik der türkischen Regierung 14
Zukünftige Herausforderungen Qualifizierung und Erfahrungsaustausch Qualifizierung kommunaler Ver- und Entsorgungsbetriebe zum effizienten Betrieb der Anlagen und Systeme Unterstützung des Zentralstaats bei der Formulierung der Sektorpolitik und der Koordination sektorrelevanter Institutionen Institutionalisierung des Erfahrungsaustauschs zwischen kommunalen Ver- und Entsorgungsbetrieben (Verband?) 15
Fazit Erhebliche externe Unterstützung nötig Erhebliche Neuinvestitionen (Kläranlagen) und Rehabilitierung bestehender Anlagen und Netze (einschließlich Wasserversorgung) erforderlich um EU-Umweltstandards zu erreichen (USD 700-900 Mio pro Jahr bis 2020 nach Schätzungen der Weltbank) Unterstützungsbedarf bei der Veränderung der rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen, der Qualifizierung von Sektorinstitutionen sowie von kommunalen Ver- und Entsorgungsbetrieben 16
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit