Die notwendige Finanzreform in der Pflegeversicherung



Ähnliche Dokumente
Finanzierung der Pflegeversicherung: Was ist uns gute Pflege zukünftig wert? 4. DAK-Pflegetag am 29. März 2011 in Berlin

Reformoptionen zu Finanzierung der Pflegeversicherung und deren Bewertung

Barmer GEK-Pflegereport 2010: Demenz und Pflege Vorstellung des Barmer GEK-Pflegereports 2010 am in Berlin

Gestaltungs- und Finanzierungskonzepte der Pflegeversicherung Pressekonferenz der Hans Böckler Stiftung am 26. Juni 2007 in Berlin

Der Reformbedarf der Sozialen Pflegeversicherung AOK-Pflegeforum Die Zukunft der sozialen Pflegeversicherung? München, März 2010

Reformoptionen der Pflegeversicherung im Lichte von Eigenverantwortung und Solidarität

Die Zukunft der Pflege(versicherung)

Reformoptionen für die Finanzierung der Langzeitpflege

stationär Insgesamt Pflegestufe I Pflegestufe II Pflegestufe III Insgesamt

Der Pflegefall. -mich trifft das nicht?! Copyright Brigitte Tanneberger GmbH

Pflegeversicherung von AXA: Langfristige Erhaltung der Lebensqualität als zentrale Herausforderung

Die Zukunft der Langzeitpflege

Herzlich Willkommen! Reform der Pflegeversicherung 10 gute Nachrichten für Beitragszahler

Fakten zur geförderten Pflegezusatzversicherung.

Fakten zur geförderten Pflegezusatzversicherung.

Pflegefall wer bezahlt, wenn es ernst wird?

Die Pflegeausgabenentwicklung bis ins Jahr Eine Prognose aus Daten der privaten Pflege-Pflichtversicherung

Bezahlbare Beiträge PRIVATE KRANKENVOLLVERSICHERUNGEN AUCH IM ALTER. Beiträge im Alter kein Problem für privat Versicherte.

Bürgerversicherung: Für eine gerechte Patientenversorgung in Hamburg

Rechtzeitig vorsorgen damit Sie später gut umsorgt werden

Letzte Krankenkassen streichen Zusatzbeiträge

Pflegebedürftige. Pflegebedürftige. Pflegebedürftige insgesamt Pflegebedürftige in Heimen 29,7% ( )***

Vorsorge für den Pflegefall? Jetzt handeln und nicht später

4. Grundzüge der Wirtschaftspolitik. 4.3 Soziale Sicherung. Allgemeine Volkswirtschaftslehre. WiMa und andere (AVWL I) WS 2007/08

Workshop B Bevölkerungsentwicklung & Wachstum Norbert Reuter - ver.di-bereich Wirtschaftspolitik / RWTH Aachen -

Der Sozialausgleich.

Anlage 1 zur Arbeitshilfe zur Hilfe zur Pflege nach 61 SGB XII in Tagespflegeeinrichtungen. Berechnungsbeispiele zu Ziffer Stand

Vorsorge für den Pflegefall? Na klar, schon wegen der Kinder!

Bleiben Sie unabhängig im Pflegefall. PflegePREMIUM Plus

Stadt Ingolstadt Statistik und Stadtforschung. Pflege in Ingolstadt. Strukturen, Entwicklung 1999 bis 2013 und Prognose 2014 bis 2034

Medikalisierung oder Kompression? Wie die demographische Entwicklung auf die Krankenversicherung wirkt?

Sie haben die Wahl. Entscheiden Sie sich für Ihren Gesundheitsspezialisten.

Schützen Sie sich und Ihre Familie im Pflegefall. Ich vertrau der DKV KOMBIMED PFLEGE. ZUSATZVERSICHERUNG FÜR GESETZLICH UND PRIVAT VERSICHERTE.

Senkung des technischen Zinssatzes und des Umwandlungssatzes

Im Folgenden werden einige typische Fallkonstellationen beschrieben, in denen das Gesetz den Betroffenen in der GKV hilft:

ikk-classic.de Gesetzliches Krankengeld für Selbstständige Kein Zusatzbeitrag 2010 Da fühl ich mich gut.

Für 2,60 Euro mehr im Monat: sichern gute Renten. Rentenniveau sichern. Erwerbsminderungsrente verbessern. Rente mit 67 aussetzen. ichwillrente.

Ziel und Struktur einer geförderten Privat- Pflegezusatzversicherung

Fakten, die für die PKV sprechen.

Pflege ein großes Thema...

Geld vom Staat - Jetzt Pflegezulage sichern. Besser Barmenia. Besser leben. Deutsche-Förder- Pflege

Herzlich Willkommen Ihr

Die Renteninformation Alles klar! Oder doch nicht?

Generationen- vs. Bürgerversicherung: Welches Modell steht für f r mehr Nachhaltigkeit in der GKV?

Kostenrisiko Pflegefall

Das Rentenpaket der Bundesregierung. Fragen und Antworten

Methodenfehler im Morbi-RSA: Für alte und schwerkranke Menschen wird den Kassen zu wenig Geld zugewiesen

1. Was ist der Pflege - Bahr?

Gute Pflege kostet viel Geld Die Absicherung der individuellen Pflegelücke mit Pflegevorsorge Flex-U.

Kostenlos und einmalig am Markt mehr Rente ab Pflegestufe I

Die Lösung des Altenproblems der PKV. Nie wieder Angst vor explodierenden PKV-Beiträgen im Alter!

Berechnungsbeispiel 1 Kombination von häuslicher Pflege (Pflegesachleistung) und Pflegegeld

Vorsorge für den Pflegefall treffen.

Die aktuelle Pflegereform in der Generationenbilanz

Veränderungen in der Kranken- und Rentenversicherung. Dr. Felix Welti Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik in Europa der CAU

Gründe für fehlende Vorsorgemaßnahmen gegen Krankheit

Zahlen und Fakten zur Pflegeversicherung (01/05)

Reformoptionen für das Rentensystem in Zeiten

+ Sicherheit + Flexibilität + Preisvorteil. Berufsunfähigkeitsversicherung. neue leben. start plan GO

Berechnungen zu den finanziellen Wirkungen verschiedener Varianten einer Bürgerversicherung in der Gesetzlichen Krankenversicherung

Die Änderungen der Pflegeversicherung treten am in Kraft. Gewinner sind die Pflegebedürftigen!

Clever investieren und für den Pflegefall vorsorgen: Gothaer PflegeRent Invest

Pflegedossier für den Landkreis Potsdam-Mittelmark

Ihr plus An Besser versorgt sein

Die neue Pflegeversicherung zukunftsfest und generationengerecht

Schön, dass ich jetzt gut

Die Zusatzversicherung für Pflege Eine sinnvolle Ergänzung?

ULV und demographischer Wandel

Die Pflegelücke wird immer größer Mit AXA bieten Sie staatlich geförderten Schutz.

Schützen Sie sich und Ihre Familie im Pflegefall. Ich vertrau der DKV MIT DEN MASSGESCHNEIDERTEN KOMBIMED-PFLEGETARIFEN DER DKV

Berufsunfähigkeit? Da bin ich finanziell im Trockenen.

Der wachsende Berufsunfähigkeitsschutz SV Start-Easy-BU.

Fakten, die für die PKV sprechen.

2. Tag der saarländischen Versicherungswirtschaft

Jetzt Pflegezulage sichern!

Pflegebe- dürftige. Beschäftigte/ Ehrenamt. Pflege. Kommission Soziale Selbstverwaltung - Sozialpolitik 20. April

geben. Die Wahrscheinlichkeit von 100% ist hier demnach nur der Gehen wir einmal davon aus, dass die von uns angenommenen

Das Mackenroth-Theorem

Pflegetagegeld. Private Zusat zversicherungen

Wenn Sie gern günstige Gelegenheiten nutzen, haben wir eine gute Nachricht für Sie.

Fragen und Antworten: zusätzlicher Beitragssatz

Endlich Klarheit. Vertriebsinformation PKV

Was ist clevere Altersvorsorge?

Pflegestärkungsgesetz 1. Leistungsrechtliche Änderungen

Private Pflegeversicherung - nicht länger nur die Kür!

Rentensicherheit. Rente? Aber sicher!

Stabilisierung der Finanzierungsbasis und umfassender Wettbewerb in einem integrierten Krankenversicherungssystem

Die PKV als Wirtschaftsfaktor.

für Gründungszuschuss-, Einstiegsgeld- und andere Existenzgründer (4., aktualisierte und überarbeitete Andreas Lutz Businessplan

Im Pflegefall AUCH ZU HAUSE BESTENS VERSORGT. 60, EUR pro Jahr vom Staat dazu! Private Pflegezusatzversicherungen

Bleiben Sie unabhängig im Pflegefall.

Sonderbeitrag ab

Das heutige Umlagesystem der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) steht vor großen Problemen:

Seniorengenossenschaften in Sachsen. Einsparpotenziale in der Pflegeversicherung

Leistungen der Pflegeversicherung ab

Stellungnahme. zum. Gesetzentwurf des Gesetzes zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf (Referentenentwurf vom 9.

Für ein gerechtes, soziales, stabiles, wettbewerbliches und transparentes Gesundheitssystem

Schützen Sie sich und Ihre Familie im Pflegefall. Ich vertrau der DKV KOMBIMED PFLEGE. ZUSATZVERSICHERUNG FÜR GESETZLICH UND PRIVAT VERSICHERTE.

Demenz und Pflege. Der (Barmer) GEK Pflegereport Seit 2008 jährlicher erscheinender Report erstellt von Autorenteam aus dem ZeS der Universität Bremen

Transkript:

Die notwendige Finanzreform in der Pflegeversicherung Gesundheitspolitisches Kolloquium im Sommersemester 2011: Wie werden wir in Zukunft pflegen? Handlungsoptionen und Reformszenarien im Jahr der Pflege Prof. Dr. Heinz Rothgang Zentrum für Sozialpolitik, Universität Bremen

Überblick I. Pflege geht uns alle an: Prävalenzen und Projektionen II. III. IV. Baustellen der Pflegesicherung Aktuelle Finanzsituation Zukünftige Finanzbedarfe V. Optionen für eine Finanzreform VI. Fazit Prof. Dr. Heinz Rothgang 2

Überblick I. Pflege geht uns alle an: Prävalenzen und Projektionen 1. Prävalenz und Gesamtlebensprävalenz von Pflege 2. Demenz und Pflege 3. Projektion der Pflegefälle II. III. IV. Baustellen der Pflegesicherung Aktuelle Finanzsituation Zukünftige Finanzbedarfe V. Optionen für eine Finanzreform VI. Fazit Prof. Dr. Heinz Rothgang 3

I. Querschnitts- und Gesamtlebenszeitprävalenzen Derzeit: gut 2 Mio. Pflegebedürftige in Deutschland 2,5% der Bevölkerung 10-15% der Altenbevölkerung Ist Pflegebedürftigkeit also ein Thema für Minderheiten? Nein, denn Auch die heute (noch) nicht Pflegebedürftigen können morgen pflegebedürftig werden Zu fragen ist: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit jemals im Leben pflegebedürftig zu werden? Gesamtlebenszeitprävalenz Praktisch identisch: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit im letzten Lebensjahr pflegebedürftig zu sein? Erhebungsmethode: Retrospektive Betrachtung einer Verstorbenenkohorte Prof. Dr. Heinz Rothgang 4

I.1 Gesamtlebenszeitprävalenz Pflegeprävalenz im Sterbejahr Männer Frauen 80 70 60 60,2 61,9 64,3 65 66,7 50 40 40,3 41,6 43,5 45,4 47 30 20 10 0 2001 2003 2005 2007 2009 Jahr Prof. Dr. Heinz Rothgang 5

I.1 Gesamtlebenszeitprävalenz Pflegeprävalenz im Sterbejahr Männer Frauen 80 70 60 60,2 61,9 64,3 65 66,7 50 40 40,3 41,6 43,5 45,4 47 30 20 10 0 2001 2003 2005 2007 2009 Jahr Prof. Dr. Heinz Rothgang 6

I.2 Gesamtlebenszeitprävalenz von Demenz und Pflege heute Tabelle 33: Gesamtlebensprävalenz von Demenz und Pflegebedürftigkeit der Verstorbenen der Jahrgänge 2005-2009 hochgerechnet auf Deutschland, in % Pflegebedürftigkeit Männer Frauen Ja Nein Summe Ja Nein Summe Ja 25 4 29 44 3 47 Demenz Nein 29 42 71 29 24 63 Summe 54 46 100 73 27 100 29% der 2005-2009 verstorbenen Männer und 47% der in diesem Zeitraum verstorbenen Frauen waren dement fast jeder dritte Mann und jede zweite Frau werden dement! 58% der Männer und 76% der Frauen werden dement und/oder pflegebedürftig! Prof. Dr. Heinz Rothgang 7

I.3 Pflegebedürftigkeit heute und morgen (1/2) Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2010 Prof. Dr. Heinz Rothgang 8

I.3 Pflegebedürftigkeit heute und morgen (2/2) Die Wahrscheinlichkeit, pflegebedürftig zu werden (Inzidenzen), ist für die einzelnen Altersstufen rückläufig Von 2000-2008 um insgesamt 8% (Männer) bzw. 25% (Frauen) (nach Routinedaten der GEK) Aber: Die Überlebenszeit in Pflege hat zugenommen. Die altersspezifischen Pflegehäufigkeiten (Prävalenzen) sind von 1999 bis 2007 im wesentlichen konstant geblieben (nach Daten der amtlichen Statistik) Zwar nimmt die Prävalenz in Pflegestufe I zu und die in Stufe II und III ab bezüglich des Schweregrades gibt es positive Entwicklung Bei der für die Finanzentwicklung entscheidenden Gesamtprävalenz gibt es aber keine Entwarnung Prof. Dr. Heinz Rothgang 9

Überblick I. Pflege geht uns alle an: Prävalenzen und Projektionen II. III. IV. Baustellen der Pflegesicherung Aktuelle Finanzsituation Zukünftige Finanzbedarfe V. Optionen für eine Finanzreform VI. Fazit Prof. Dr. Heinz Rothgang 10

II. Baustellen der Pflegesicherung Wer hat Anspruch auf Pflegeversicherungsleistungen Pflegebedürftigkeitsbegriff Wer soll in Zukunft pflegen? Stützung der häuslichen Pflege Rekrutierung von Pflegekräften Pflegearrangements der Zukunft Wie kann Pflege und gesundheitliche Versorgung vernetzt werden? Versorgungslücken Wer soll das bezahlen? Finanzreform der Pflegeversicherung Prof. Dr. Heinz Rothgang 11

Überblick I. Pflege geht uns alle an: Prävalenzen und Projektionen II. III. IV. Baustellen der Pflegesicherung Aktuelle Finanzsituation Zukünftige Finanzbedarfe V. Reformoptionen VI. Fazit Prof. Dr. Heinz Rothgang 12

III. Aktuelle Finanzsituation: Ausgaben für Pflege Quelle: Pflegereport 2010 Tabelle 1: Ausgaben für Pflegebedürftigkeit nach Finanzierungsquelle in 2008 Ausgabenquelle in Mrd. als % der öffentl./ priv. Ausgaben Öffentliche Ausgaben 100 als % aller Ausgaben Soziale Pflegeversicherung 19,14 84,0 56,0 Private Pflegeversicherung 0,62 2,7 1,8 Sozialhilfe 2,75 12,1 8,0 Kriegsopferfürsorge 0,28 1,2 0,8 Private Ausgaben* 100 Pflegeheim 1) 9,28 81,3 27,1 häusliche Pflege 2,13 18,7 6,2 Insgesamt 34,2 100 *Schätzungen 1) Die verwendeten Heimentgelte stammen aus dem Jahr 2007. Quelle: BMG, soziale Pflegeversicherung; Verband der privaten Krankenversicherung e. V., Zahlenbericht 2007/2008; Statistisches Bundesamt, Sozialhilfestatistik, Kriegsoperfürsorgestatistik Prof. Dr. Heinz Rothgang 13

III. Finanzsituation: Bilanz (1/3) 5000 Bilanz der Sozialen Pflegeversicherung 4000 in Millionen 3000 2000 1000 0-1000 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 Überschüsse 3440 1180 800 130-30 -130-60 -380-690 -823-360 450-320 630 1000 Rücklagen 2.870 4.050 4.860 4.990 4.950 4.820 4.760 4.930 4.240 3.417 3.050 3.500 3.180 3.810 4.800 Quelle: eigene Berechnung basierend auf Daten des Bundesgesundheitsministeriums. Prof. Dr. Heinz Rothgang 14

III. Finanzsituation: Bilanz (1/3) 5000 Bilanz der Sozialen Pflegeversicherung 4000 in Millionen 3000 2000 1000 Zusatzbeitrag für Kinderlose 0-1000 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 Überschüsse 3440 1180 800 130-30 -130-60 -380-690 -823-360 450-320 630 1000 Rücklagen 2.870 4.050 4.860 4.990 4.950 4.820 4.760 4.930 4.240 3.417 3.050 3.500 3.180 3.810 4.800 Quelle: eigene Berechnung basierend auf Daten des Bundesgesundheitsministeriums. Prof. Dr. Heinz Rothgang 15

III. Finanzsituation: Bilanz (1/3) 5000 Bilanz der Sozialen Pflegeversicherung 4000 in Millionen 3000 2000 1000 Zusatzbeitrag für Kinderlose Vorziehen der Fälligkeit (13 Monatsbeiträge für 2006) 0-1000 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 Überschüsse 3440 1180 800 130-30 -130-60 -380-690 -823-360 450-320 630 1000 Rücklagen 2.870 4.050 4.860 4.990 4.950 4.820 4.760 4.930 4.240 3.417 3.050 3.500 3.180 3.810 4.800 Quelle: eigene Berechnung basierend auf Daten des Bundesgesundheitsministeriums. Prof. Dr. Heinz Rothgang 16

III. Finanzsituation: Bilanz (1/3) 5000 Bilanz der Sozialen Pflegeversicherung 4000 in Millionen 3000 2000 1000 Zusatzbeitrag für Kinderlose Vorziehen der Fälligkeit (13 Monatsbeiträge für 2006) Beitragsanhebung zum Juli 2008 0-1000 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 Überschüsse 3440 1180 800 130-30 -130-60 -380-690 -823-360 450-320 630 1000 Rücklagen 2.870 4.050 4.860 4.990 4.950 4.820 4.760 4.930 4.240 3.417 3.050 3.500 3.180 3.810 4.800 Quelle: eigene Berechnung basierend auf Daten des Bundesgesundheitsministeriums. Prof. Dr. Heinz Rothgang 17

III. Finanzsituation: Bilanz (2/3) Tabelle 3: Mehrbelastungen durch Maßnahmen des PfWG in Mrd. und Beitragssatzpunkten Jahr 2008 2009 2010 2011 2012 2015 2020 2030 Eckpunkte Mrd. 0,83 0,98 1,52 1,71 2,22 3,37 4,94 12,38 BSP* 0,09 0,09 0,15 0,16 0,2 0,28 0,36 0,68 Gesetzentwurf Mrd. 0,48 1,04 1,53 1,70 2,20 2009: Mehreinnahmen durch PfWG: 2,6 Mrd., Mehrausgaben: 1 Mrd. Überschuss: 1,6 Mrd. ; Tatsächlich: 1,0 Mrd. 600 Mio. Euro unter Plan 2010: Leistungserhöhung: 0,5 Mrd. Mehrausgaben 2011: Überschuss dürfte verschwunden sein! 2012: Erneute Leistungserhöhung Defizit! Prof. Dr. Heinz Rothgang 18

III. Finanzsituation: Bilanz (3/3) Durch das PfWG wird lediglich Zeit gewonnen Gemäß PfWG: Finanzierung gesichert bis 2014 Aber: inzwischen Finanzkrise Defizitfreiheit nur gesichert bis 2011, danach: Aufzehrung der Rücklagen Zusätzlich: weitere Ausgaben bei angemessener Dynamisierung Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff Notwendigkeit einer Finanzreform in dieser Legislaturperiode Prof. Dr. Heinz Rothgang 19

III. Aktuelle Finanzsituation: Ursachenanalyse Ursachen für Defizite: Das Ausgabenwachstum ist nicht exorbitant: Jährliche Rate des Fallzahlwachstums (1997-2004): 2,0% Jährliche Rate des Ausgabenwachstums (1997-2004): 2,2% Die Einnahmeseite ist das Hauptproblem: Jährliche Rate des Einnahmenwachstums: 0,8% Die Einnahmeentwicklung bleibt hinter der Inflationsrate (1,3% im gleichen Zeitraum) und den gängigen Prognosen zurück. Wir haben ein strukturelles Problem! Die Bemessungsgrundlage steigt langsamer als die Ausgaben und systematisch langsamer als das Sozialprodukt Dieses Problem bleibt auch nach dem PfWG bestehen! Prof. Dr. Heinz Rothgang 20

III. Aktuelle Finanzsituation: Ursachenanalyse Wachstum der beitragspflichtigen Einnahmen zur GKV und des BIP seit 1995 Quelle: Wille 2010, Datenquelle: Statistisches Bundesamt (2010), Bundesministerium für Gesundheit (2010) Prof. Dr. Heinz Rothgang 21

Überblick I. Pflege geht uns alle an: Prävalenzen und Projektionen II. III. IV. Baustellen der Pflegesicherung Aktuelle Finanzsituation Zukünftige Finanzbedarfe V. Optionen für eine Finanzreform VI. Fazit Prof. Dr. Heinz Rothgang 22

IV. Zusätzlicher Finanzbedarf: Pflegebedürftigkeitsbegriff Neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff Neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff soll (mehr) Leistungen für bisher vernachlässigte Gruppen (Demente!) garantieren Zur Finanzierung dieser Mehrleistungen müssen entweder a) bei bestimmten Gruppen von Leistungsbeziehern (rein somatische Fälle) Kürzungen durchgeführt werden oder b) mehr Mittel bereitgestellt werden. Option a) erscheint politisch nicht realistisch Kurzfristig: auf alle Fälle Mehrausgaben wegen Bestandsschutzregelungen Zusätzliche Finanzbedarfe entstehen. Prof. Dr. Heinz Rothgang 23

IV. Zusätzliche Finanzbedarfe: Leistungsdynamisierung (1/3) Jahr 2007 2012 in Veränderung Sachleistungen in % des Ausgangswertes 2007-2012 1996-2015 Stufe I 384 450 66 17,2 3,2 0,8 Stufe II 921 1.100 179 19,4 3,6 0,9 Stufe III 1.432 1.550 118 8,2 1,6 0,4 Pflegegeld Stufe I 205 235 30 14,6 2,8 0,7 Stufe II 410 440 30 7,3 1,4 0,4 Stufe III 665 700 35 5,3 1,0 0,3 vollstationär Durchschnittliche Wachstumsrate p.a. in % (geometrisches Mittel) Stufe I 1.023 1.023 0 0 0 0 Stufe II 1.279 1.279 0 0 0 0 Stufe III 1.432 1.550 118 8,2 1,6 0,4 insgesamt 7,1 1,4 0,4 1.7.2008: erstmals Leistungsanpassung positiv Differenzierte Steigerungsraten positiv wegen Förderung der häuslichen Pflege negativ, wegen Beschränkung auf ausgabenschwache Bereiche Keine nachholende Anpassung Prof. Dr. Heinz Rothgang 24

IV. Zusätzliche Finanzbedarfe: Leistungsdynamisierung (1/3) Jahr 2007 2012 in Veränderung Sachleistungen in % des Ausgangswertes 2007-2012 1996-2015 Stufe I 384 450 66 17,2 3,2 0,8 Stufe II 921 1.100 179 19,4 3,6 0,9 Stufe III 1.432 1.550 118 8,2 1,6 0,4 Pflegegeld Stufe I 205 235 30 14,6 2,8 0,7 Stufe II 410 440 30 7,3 1,4 0,4 Stufe III 665 700 35 5,3 1,0 0,3 vollstationär Durchschnittliche Wachstumsrate p.a. in % (geometrisches Mittel) Stufe I 1.023 1.023 0 0 0 0 Stufe II 1.279 1.279 0 0 0 0 Stufe III 1.432 1.550 118 8,2 1,6 0,4 insgesamt 7,1 1,4 0,4 1.7.2008: erstmals Leistungsanpassung positiv Differenzierte Steigerungsraten positiv wegen Förderung der häuslichen Pflege negativ, wegen Beschränkung auf ausgabenschwache Bereiche Keine nachholende Anpassung Ab 2015: alle 3 Jahre wird geprüft, ob angepasst wird. Anpassungshöhe maximal das Minimum von Inflation und Lohnsteigerung unzureichend Prof. Dr. Heinz Rothgang 25

IV. Zusätzliche Finanzbedarfe: Leistungsdynamisierung (2/3) Pflegeheime: Monatliche Kosten, Versicherungsleistungen und Eigenanteil in / Monat Pflegestufe (1) (2) (3) (4)=(1)+(2) (5) (6)=(1)-(5) (7)=(4)-(5) Pflegekosten Unterkunft Investitions- Gesamt- Versiche- Eigenanteil Eigenanteil und kosten entgelt rungs- Pflegekosten insgesamt Verpflegung leistungen Stufe I 1.307 608 352 2.267 1.023 284 1.244 Stufe II 1.733 608 352 2.693 1.279 454 1.414 Stufe III 2.158 608 352 3.118 1.432 726 1.686 Daten vom Dezember 2007 In Pflegeheimen reichen die Versicherungsleistungen inzwischen nicht einmal aus, um die Pflegekosten zu finanzieren. Insgesamt liegt der Eigenanteil in allen Stufen deutlich höher als die Versicherungsleistungen. Prof. Dr. Heinz Rothgang 26

IV. Zusätzliche Finanzbedarfe: Leistungsdynamisierung (3/3) Ziel der Pflegeversicherung: Pflegebedingte Kosten im Heim werden gedeckt 1996 wurde diese Ziel teilweise noch erreicht Bereits 1999: große Deckungslücken in allen Stufen 2007: Eigenbeteiligung von 300-700 Prof. Dr. Heinz Rothgang 27

IV. Zusätzliche Finanzbedarfe: Leistungsdynamisierung (3/3) Ziel der Pflegeversicherung: Pflegebedingte Kosten im Heim werden gedeckt 1996 wurde diese Ziel teilweise noch erreicht Bereits 1999: große Deckungslücken in allen Stufen 2007: Eigenbeteiligung von 300-700 Bis 2015: Weiterer Anstieg der Eigenbeteiligung in Stufe I und II Prof. Dr. Heinz Rothgang 28

IV. Zukünftige Finanzbedarfe: qualitative Abschätzung Einnahmensteigerung: Steigende Löhne und Gehälter (und Renten): Veränderung der Zahl der Erwerbstätigen (Rentner) Ausgabensteigerung Leistungsdynamisierung Steigende Fallzahlen Veränderung des Inanspruchnahmeverhaltens Relation: Steigerung der Löhne wird für Leistungsdynamisierung verwendet Erwerbstätigenzahl ist nicht steigend Es fehlt an einer Finanzierung für steigende Fallzahlen und Veränderung des Inanspruchnahmeverhaltens Dies entspricht einem ungedeckten Bedarf von 1-1,5% per anum = derzeit 200-300 Mio. Prof. Dr. Heinz Rothgang 29

IV. Zukünftige Finanzbedarfe: quantitative Abschätzung Vorausberechnung des BMG Jahr 2010 2014 2020 2030 2040 2050 Beitragssatz 1,95 % 2,1 % 2,3 % 2,5 % 2,5 % 2,8 % Quelle: BMG-Vorausberechnung von November 2010 Problem dieser Abschätzung Keine Berücksichtigung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs (Zu) geringe Dynamisierung womöglich (zu) positive Annahmen zur Wirtschaftsentwicklung Der Beitragssatzanstieg dürfte etwas höher ausfallen Soll dies vermieden werden: Notwendigkeit für Finanzreform Prof. Dr. Heinz Rothgang 30

Überblick I. Pflege geht uns alle an: Prävalenzen und Projektionen II. III. IV. Baustellen der Pflegesicherung Aktuelle Finanzsituation Zukünftige Finanzbedarfe V. Optionen für eine Finanzreform 1. Reformoption Einbeziehung weiterer Einkommen 2. Reformoption Einbeziehung der privat versicherten / Privatversicherung 3. Reformoption Kapitalfundierung VI. Fazit Prof. Dr. Heinz Rothgang 31

V.1 Reformoption Einbeziehung weiterer Einkommen (1/2) Derzeitiges System: Verstoß gegen vertikale Gerechtigkeit durch Beitragsbemessungsgrenze Verstoß gegen horizontale Gerechtigkeit durch Begrenzung der Beitragspflicht auf Arbeitseinkommen / Lohnersatzleistungen Abhängigkeit der Beitragshöhe von Verteilung des Haushaltseinkommens auf Ehegatten/Lebenspartnern Reformoption 1: Pauschalprämie Führt zur impliziten Einbeziehung aller Einkommensarten unabhängig von Haushaltstyp (horizontale Gerechtigkeit) Beseitigt vertikale Umverteilung Da Verlagerung ins Steuersystem für die Pflegeversicherung nicht einmal angedacht ist: kein sinnvolles Konzept Prof. Dr. Heinz Rothgang 32

V.1 Reformoption Einbeziehung weiterer Einkommen (2/2) Reformoption 2: Einbeziehung aller Einkommensarten, Beitragssplitting und Anhebung der BBG Führt zur expliziten Einbeziehung aller Einkommensarten unabhängig von Haushaltstyp (horizontale Gerechtigkeit) Verstärkt vertikale Umverteilung durch Anhebung der BBG hat begrenzten, aber wahrnehmbaren fiskalischen Effekt Fiskalischer Effekt (Einbeziehung aller Einkommensarten, Beitragssplitting, BBG auf Rentenversicherungsniveau) In der Krankenversicherung: 1,4 Beitragssatzpunkte (Modell 155) In der Pflegeversicherung: 0,17 Beitragssatzpunkte (Umrechnung per Dreisatz) Prof. Dr. Heinz Rothgang 33

V.2 Reformoption Einbeziehung der PPV (1/3) Derzeitiges System: Zuweisung von Versicherten in SPV und PPV PPV-Versicherten sind bessere Risiken Niedrigere altersspezifische Prävalenzen Günstigere Altersstruktur Bessere Einkommenssituation Ausgaben der PPV pro Versichertem: halb so hoch wie in SPV (bei Berücksichtigung der Beihilfe). Beitragspflichtige Einkommen der PPV-Versicherten: um die Hälfte höher als bei SPV-Versicherten Prof. Dr. Heinz Rothgang 34

V.2 Reformoption Einbeziehung der PPV (2/3) Anteil der Pflegebedürftigen an allen Versicherten im Jahr 2008 Quotient der Prävalenzraten 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% SPV PPV 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 Männer Frauen insgesamt SPV-Prävalenzen / PPV-Prävalenzen bis unter 15 15 bis unter 20 20 bis unter 25 25 bis unter 30 30 bis unter 35 35 bis unter 40 40 bis unter 45 45 bis unter 50 50 bis unter 55 55 bis unter 60 60 bis unter 65 65 bis unter 70 70 bis unter 75 75 bis unter 80 80 bis unter 85 85 bis unter 90 90 und älter bis unter 15 15 bis unter 20 20 bis unter 25 25 bis unter 30 30 bis unter 35 35 bis unter 40 40 bis unter 45 45 bis unter 50 50 bis unter 55 55 bis unter 60 60 bis unter 65 65 bis unter 70 70 bis unter 75 75 bis unter 80 80 bis unter 85 85 bis unter 90 90 und älter 40.000 Modellrechnung: Zahl der Pflegebedürftigen in der PPV bei Verwendung der PPV- und der SPV-Pflegehäufigkeiten 16% Anteil der Privatversicherten an einer Altersklasse 35.000 30.000 mit tatsächlichen Häufigkeiten mit SPV-Häufigkeiten 14% 12% 25.000 10% 20.000 8% 15.000 6% 10.000 4% bis unter 15 15 bis unter 20 20 bis unter 25 25 bis unter 30 30 bis unter 35 35 bis unter 40 40 bis unter 45 45 bis unter 50 50 bis unter 55 55 bis unter 60 60 bis unter 65 65 bis unter 70 70 bis unter 75 75 bis unter 80 80 bis unter 85 85 bis unter 90 90 und älter 5.000 0 2% 0% bis unter 15 15 bis unter 20 20 bis unter 25 25 bis unter 30 30 bis unter 35 35 bis unter 40 40 bis unter 45 45 bis unter 50 50 bis unter 55 55 bis unter 60 60 bis unter 65 65 bis unter 70 70 bis unter 75 75 bis unter 80 80 bis unter 85 85 bis unter 90 90 und älter insgesamt Prof. Dr. Heinz Rothgang 35

V.2 Reformoption Einbeziehung der PPV (3/3) Wenn die PPV eine Versicherung nach den Regeln der SPV betreiben würde, würde der Beitragssatz nur ein Drittel des SPV-Beitragssatzes betragen. Finanzausgleichszahlungen bei Einbezug in einen Risikostrukturausgleich Ca. 1 Mrd. auf der Einnahmenseite Ca. 900 Mio. auf der Ausgabenseite Aber: womöglich sinkendes Volumen, wenn PPV-Bestand altert Fiskalisch begrenzter Effekt, aber aus Gründen der Solidarität zwingend. Prof. Dr. Heinz Rothgang 36

V.3 Reformoption Kapitalfundierung: Grundfragen (1/2) Mit Kapitaldeckungselementen können zukünftige Lasten in die Gegenwart vorgezogen werden. Begründung hierfür: Generationengerechtigkeit Bewertung: m.e. nicht zwingend, aber auch nicht abwegig Intertemporale und intergenerative Umverteilung sind zu trennen Umstieg auf kapitalfundiertes System ist a) nicht möglich, wegen der Umstellungskosten und b) nicht sinnvoll, weil zu hohe andere Risiken entstehen Es kann nur um eine Teilkapitalfundierung gehen. Zentral sind Fragen der Ausgestaltung 1. Obligatorisch oder freiwillig? 2. Kollektiv oder individuell? 3. In der SPV oder als private Zusatzversicherung? 4. Mit oder ohne Einkommensbezug? Prof. Dr. Heinz Rothgang 37

V.3 Reformoption Kapitalfundierung: Grundfragen (2/2) Ad 1) Obligatorisch ist notwendig, sonst entstehen (weitere) Versorgungslücken Ad 2) Bei individualisierten Rücklagen geht die Versicherungsfunktion ( Dauer einer Pflegebedürftigkeit) verloren; Gefahr von Leistungen nach Sparfähigkeit. Ad 3) Kernproblem einer Demographierücklage in der SPV: Wie können die Rücklagen vor dem Zugriff der Politik gesichert werden? einer privaten Zusatzversicherung: neue Bürokratie, neue Schnittstellenprobleme, Verlust an Steuerungskapazitäten Ad 4) Einkommensunabhängige Prämien bergen die Gefahr der Umverteilung von unten nach oben, einkommensabhängige Prämie sind nur in der SPV realisierbar. Prof. Dr. Heinz Rothgang 38

V.3 Reformoption Kapitalbildung: wichtige Modelle PKV-Modell: Modellstruktur Einfrieren der SPV-Leistungen Private Pflegezusatzpflichtversicherung finanziert Dynamisierung Zusatzversicherung über jährlich steigende Kopfprämien Probleme Ausgaben für Leistungsdynamisierung steigen exponentiell, Einnahmen nur linear evtl. nur temporäre Kapitalbildung möglich Schnittstellenprobleme, problematische Leistungssteuerung, Zusatzbürokratie Prof. Dr. Heinz Rothgang 39

V.3 Reformoption Kapitalbildung: wichtige Modelle kollektive Demographiereserve : Modellstruktur Erhöhung des Beitragssatzes jetzt Kapitalbildung in der SPV Abschmelzung der Reserven später Untertunnelung Problem Untertunnelung geht nicht bei Hochplateau. Zwar nimmt ab 2055-60 die Zahl der Pflegebedürftigen ab, nicht aber das beitragssatzrelevante Verhältnis von Pflegebedürftigen zu Beitragszahlern der Beitragssatzsprung wird nur in die Zukunft geschoben Bei konstanter Fertilität (1,4 Kinder) ist im Umlageverfahren dauerhaft nur der Beitragssatz stabil, der zur demographischen Konstellation passt. Kann ein Zugriff des Finanzministers auf die kollektive Reserve in Notzeiten verhindert werden? Prof. Dr. Heinz Rothgang 40

V.3 Reformoption Kapitalbildung: wichtige Modelle Pflegeriester : Modellstruktur Obligatorisches (?) Sparen. Ersparnis kann nur zweckgebunden für Pflege eingesetzt werden. Kapital kann vererbt werden Problem Bei Vererbung des Kapitals geht Versicherungsfunktion (Ausgleich von Schwankungen der durchschnittlichen Pflegedauer ) verloren. Individuelle Sparfähigkeit entscheidet über Höhe der Leistungsansprüche bei Pflegebedürftigkeit entsolidarisierende Wirkung Letztlich: Privatisierung des Pflegerisikos. Modell kann nur sinnvoll sein, wenn Ersparnisse zur Finanzierung eines Zusatzbeitrags für Rentner verwendet werden (so in Rürup- Kommission) Prof. Dr. Heinz Rothgang 41

V.3 Reformoption Kapitalbildung: Karenzzeiten Neues Modell Raffelhüschen Grundidee: Es gibt kurze Pflegeepisoden Leistungen können aus eigenen Mitteln finanziert werden. Es gibt lange Pflegeepisoden hier werden Versicherungsleistungen gewährt nach einer Karenzzeit (z.b. 1 Jahr) Damit wird Umfang der umlagefinanzierten Pflegeversicherung reduziert, private Vorsorge ist möglich (verschiedene Optionen) Effekt: Pflegeversicherungsleistungen nur noch für Schwer- und Schwerstpflegebedürftige Unterstützung in frühen Pflegephasen fällt weg, beschleunigte Überforderung der Angehörigen, Gefahr des Heimsogs Prof. Dr. Heinz Rothgang 42

V.3 Reformoption Kapitalbildung: Staffelung nach Kinderzahl (1) Grundidee: nach BVerfG: Kindererziehung als eigener Realbeitrag Staffelung des monetären Beitrags (auch) nach Kinderzahl; dies wurde im KiBG nicht umgesetzt. Makroökonomisch: Vorsorge kann erfolgen durch Humankapitaldeckung oder durch Realkapitaldeckung. Wer nicht in Humankapital investiert (sprich: Kinder), der soll in Realkapital investieren (sprich: Sparen) Mögliche Ausgestaltung: Nach Kinderzahl gestaffelt wird eine Zusatzbeitrag erhoben, der positiv ist bei 0 und 1 Kind(ern) 0 ist bei 2 Kindern und negativ ist bei mehr als 2 Kindern Der Zusatzbeitrag wird in einer öffentlichen Kasse angespart, dort 25 Jahre angelegt und fließt dann an die Pflegeversicherung. Die Ansparfrist simuliert den Effekt der späteren Beitragszahlung der Kinder. Prof. Dr. Heinz Rothgang 43

V.3 Reformoption Kapitalbildung: Staffelung nach Kinderzahl (2) Vorteile: Logische Begründung für Zusatzbeitrag. Angemessene Umsetzung des BVerfG-Urteils von 2001 Kapitalstock wird nicht abgeschmolzen Nachteil: Mehreinnahmen erst in 25 Jahren, d.h. kein Beitrag zur Lösung der aktuellen Finanzprobleme, aber: dann beginnt die Phase mit höchster Zahl Pflegebedürftiger sinnvoll insbesondere in Kombination mit anderen kurzfristiger wirkenden Maßnahmen (Bürgerversicherung) Prof. Dr. Heinz Rothgang 44

VI. Fazit (1/3) 1. Pflege geht uns alle an! Mehr als die Hälfte von uns wird pflegebedürftig werden. 2. Die Pflegeversicherung ist der wichtigste Finanzierungsträger für die formelle Pflege aber nicht der einzige Wir müssen das Gesamtsystem im Blick behalten 3. Die Unterstützung der familialen Pflege ist die Conditio sine qua non für die Sicherstellung der Pflege Prof. Dr. Heinz Rothgang 45

VI. Fazit (2/3) 4. Wir brauchen mehr Geld in der Pflegeversicherung a) zum Ausgleich der ansonsten auflaufenden Defizite b) zur Sicherung einer angemessenen Dynamisierung c) zur Finanzierung von Mehrausgaben durch einen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff 5. Wir brauchen nicht (nur) ad hoc Maßnahmen, sondern eine strukturelle Reform, die die strukturellen Einnahmeschwäche beendet 6. Sinnvolle Elemente beinhalten die Integration der PPV / Finanzausgleich zwischen SPV und PPV sowie Einbeziehung aller Einkommensarten politisch derzeit wenig realistisch. Prof. Dr. Heinz Rothgang 46

VI. Fazit (3/3) 7. Koalitionsvertrag sieht ergänzende Kapitalfundierung vor. Zentral hierbei ist die Ausgestaltung! 8. Zur Sicherung von Solidarität sind Kopfprämienmodelle - wie im PKV-Vorschlag - zu vermeiden. 9. Wenn eine Lösung in der SPV angestrebt wird, dann bedarf es eines starken Schutzes gegen politischen Zugriff auf die Rücklagen 10.Wenn Elemente der Kapitalsdeckung eingeführt werden, dann ist eine kollektive Kapitaldeckung in der SPV mit Beiträgen in Abhängigkeit von der Kinderzahl bedenkenswert Prof. Dr. Heinz Rothgang 47

Schluss Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Prof. Dr. Heinz Rothgang 48