Fachtagung Weidelandschaften und Wildnisgebiete

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Transkript:

Lüneburger Erklärung Seite 1 von 5 Fachtagung Weidelandschaften und Wildnisgebiete - Vom Experiment zur Praxis Universität Lüneburg in Kooperation mit dem BfN und dem BMBF Lüneburger Erklärung zu Weidelandschaften und Wildnisgebieten < 24.9.2003 > Präambel Seit Jahrzehnten sucht der Naturschutz nach Wegen, auch durch extensive landwirtschaftliche Nutzungsformen Artenschutzziele zu erreichen und vielfältige Landschaften zu erhalten. Eine Vielzahl von Erfahrungen mit großflächigen, extensiven Weidesystemen hat gezeigt, dass vor allem ganzjährige Beweidungskonzepte mit großen Pflanzenfressern hervorragend geeignet sind, seltene bzw. gefährdete Arten des Offenlands und der Wald-Offenland-Übergänge und ihre Lebensräume zu erhalten, dynamische Prozesse zu initiieren und Pionierbiotope entstehen zu lassen, wertvolle Offenland-geprägte Landschaften zu erhalten, die unnatürlich scharfe Abgrenzung zwischen Wald und Offenland wieder aufzuheben, großflächig ausgewogene Nährstoffbilanzen zu schaffen, Perspektiven für eine nachhaltige Landnutzung peripherer Räume zu bieten und den Erlebniswert von Landschaften zu steigern. Es ist festzuhalten, dass großflächige extensive Beweidungssysteme künftig eine wichtige Rolle im Naturschutz spielen sollten, wenn es darum geht, Offenlandökosysteme, die zugehörigen Arten und die davon geprägten Landschaften zu erhalten. Sie stellen eine wesentliche Ergänzung der bisherigen naturschutzfachlichen Managementverfahren dar.

Lüneburger Erklärung Seite 2 von 5 Weiterhin sind großflächige Weidekonzepte geeignet, extensiven Formen der Grünlandnutzung neue Perspektiven zu eröffnen, wenn die dafür notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Solche Konzepte bieten Chancen, im Rahmen einer sinnvollen Entwicklung des ländlichen Raums ökonomische und ökologische Ansprüche zusammenzuführen. Insgesamt lassen sich zwei (idealisierte) Typen von Weidesystemen unterscheiden: Halboffene Hude- oder Weidelandschaften mit landwirtschaftlicher oder an Naturschutzzielen orientierter Weidenutzung Wildnisgebiete mit großen Pflanzenfressern und eindeutiger Naturschutz- (Prozessschutz-) Motivierung Während Hude- und Weidelandschaften als landwirtschaftliche Nutzungsform anzusehen sind, gibt es in Wildnisgebieten zunächst keinen Nutzungsanspruch. Dem Konzept der Wildnisgebiete liegt die Erkenntnis zugrunde, dass die großen Pflanzenfresser in Mitteleuropa, zu denen auch ausgerottete und verdrängte Vertreter wie Auerochse, Wildpferd oder Elch gehören, einen integralen Bestandteil natürlicher Ökosysteme darstellen. Große Pflanzenfresser induzieren auch dynamische Prozesse, die für viele bedrohte Pflanzen- und Tierarten existenziell sind. Je nach Konzeption und Motivation besteht bei beiden Ansätzen allerdings eine Reihe ökonomischer, rechtlicher und veterinärmedizinischer Hemmnisse, die einer breiten Anwendung in der Praxis entgegen stehen. Entsprechend sind folgende Forderungen zu erheben: 1. EU Agrarpolitik/-reform (1. Säule: Direktzahlungen) Mit dem Beschluss des EU-Agrarrates vom 26. Juni 2003 werden Änderungen der Förderpraxis einhergehen. Hier liegen große Chancen für die Erhaltung einer artenreichen Kulturlandschaft. Von entscheidender Bedeutung wird ein Votum für eine Regionalisierung (Art. 58) der entkoppelten, flächenbezogenen Betriebsprämien auf Länderebene sein. Dadurch können die Voraussetzungen für eine flächendeckend extensivere Nutzung der landwirtschaftlichen Flächen geschaffen werden. Gleichzeitig sollten Anreize geboten werden, großflächige extensive Weidesysteme einzurichten, mit dem Ziel viehextensive Betriebe zu stärken. Bei der regionalisierten, flächenbezogenen Prämienfestsetzung ist darauf zu achten, dass Grenzertragsstandorte nicht benachteiligt werden. Die Bewirtschaftung solcher Flächen, welche von besonderer Bedeutung für Naturschutz, Naherholung und Tourismus sind, würde dadurch erheblich attraktiver. Eine nach den Agrarratsbeschlüssen ebenfalls mögliche Betriebs-individuelle Prämie, die sich an der Höhe der im Zeitraum 2000 2002 gezahlten Beihilfe ausrichtet, hätte dagegen einen gegenteiligen Effekt und würde den Status quo festschreiben. Die bestehende Schere zwischen Nutzungsaufgabe und intensiver Bewirtschaftung würde aufrechterhalten.

Lüneburger Erklärung Seite 3 von 5 2. Ländliche Entwicklung (2. Säule, gemäß VO EG 1257/99) Die durch die Änderungen bei den Direktzahlungen (1. Säule) erzielten Effekte sollten durch weitere Maßnahmen ergänzt werden. Durch Programme, die aus Mitteln der Modulation oder der Envelope-Regelung finanziert werden, sollten ganzjährige Weidesysteme ihrer Bedeutung entsprechend bevorzugt werden. Für den Zeitraum bis 2007 wird ein Mix aus einem neuen, an die regionalen Besonderheiten angepassten Programm i. R. der Modulation (Programmtyp: Halboffene Weidelandschaft) und den derzeitigen Tierprämien als zielführend angesehen. Für den Zeitraum nach 2007 wird empfohlen, die für die ökologische Leistung einer halboffenen Weidelandschaft notwendigen Verfahrenskosten durch eine flächenbezogene Grünlandprämie aus der ersten Säule und einem Förderprogramm aus der Modulation zu kompensieren. Dafür ist es erforderlich, entsprechende Programme aufzulegen, die u.a. folgende Eckpunkte umfassen sollen: Ganzjährige oder andere naturschutzorientierte Weidesysteme mit einer regionenspezifischen Mindest-Beweidungsdichte Maximale Beweidungsdichte von etwa 0,6 GVE/ha (sollte aber in Abhängigkeit regional bestehender Standortsbedingungen gebietsspezifisch festgelegt werden) Abzugsfreier zulässiger Anteil an Gehölzen, Gewässern usw. bis 20 % der Fläche Mindestflächengröße: 10 ha, anzustreben sind deutlich größere Flächen Sofern es nicht gelingt, die regionalisierte Entkoppelung einzuführen, sind die ganzjährigen Weidesysteme vollständig durch die Agrarumweltprogramme der 2. Säule zu fördern. 3. Agrarinvestitionsprogramm Da die Einrichtung von extensiven Weidesystemen einen erheblichen Finanzbedarf bei Weidelogistik und Tierbestand erfordern kann, sollten in den Agrarinvestitionsprogrammen Möglichkeiten zu deren Förderung eingerichtet werden. Beispielgebend für einen möglichen Verfahrensweg ist die Förderung von Weidezäunen im Bundesland Bayern, die bis zu 50 % der Sach- und Baukosten abdeckt. Auch der Herdenaufbau sollte finanziell unterstützt werden. 4. Veterinärrechtliche Bestimmungen und Viehverkehrsverordnung (VVVO) Notwendig ist die Schaffung der rechtlichen Voraussetzungen für die Markierung und Meldung der Kälber erst bei der Entnahme von der Fläche oder einmal jährlich im Herbst beim Einfangen der gesamten Herde. Dasselbe gilt für das Ziehen von Blutproben. 5. Tierschutzrechtliche Bestimmungen Für großflächige Gebiete bedarf es einer Anpassung der einschlägigen tierschutzrechtlichen Bestimmungen:

Lüneburger Erklärung Seite 4 von 5 Lockerung des Gebots zur täglichen Kontrolle der Weidetiere auf großen, unübersichtlichen Arealen Entwicklung eines anerkannten Regelwerks für den Umgang mit kranken, verwundeten oder sterbenden Tieren, das einerseits die Großflächigkeit der Gebiete und andererseits die äußerst artgerechte Haltung wertend berücksichtigt Entwicklung von Standards zur Zufütterung und zur Anlage von Unterständen in Abhängigkeit vom jeweiligen Gebietstyp und den eingesetzten Rassen Beibehaltung der Möglichkeit, Flächen, auf denen neben Pferden auch andere Arten gehalten werden, mit Stacheldraht abzuzäunen Strikte Begrenzung des prophylaktischen Einsatzes von Präparaten zur Bekämpfung von Parasiten Zulassung des Abschusses als Methode der Entnahme für die anschließende Vermarktung 6. Rechtlicher Status von halbwilden Nutztieren in Wildnisgebieten Um die naturschutzfachlichen Ziele in großflächigen Wildnisgebieten erfüllen zu können, sind neben den wild vorkommenden großen Pflanzenfressern auch robuste Pferde- und Rinderrassen einzusetzen. Diese Tiere sollen sich weitestgehend unbeeinflusst in sozialen Herden frei im Gebiet entwickeln können. Damit für sie ähnliche rechtliche Bestimmungen gelten wie für Wildtiere, ist es erforderlich, einen eigenen rechtlichen Status als Halbwildtiere auch auf der EU-Ebene zu verankern. Darin sollte u.a. die Befreiung von den üblichen Kontrollen der Einzeltiere und von vorgeschriebenen Impfungen, die Aufhebung der Beseitigungspflicht verstorbener Tiere und die Entnahmen möglicher Überschüsse auch durch Abschuss geregelt werden. Für eine solche Regelung kommen u.a. Heck-Rinder, bestimmte Populationen weiterer Robustrinderrassen, Przewalski-Pferde, Exmoor-Ponies, Konik-Pferde und bestimmte Populationen weiterer Robustpferderassen in Frage. 7. Wiedereinbürgerung ausgerotteter bzw. verdrängter Großtiere Für die Einrichtung von Wildnisgebieten ist eine Vervollständigung der heimischen Wildtierfauna von Nöten: In ausgewählten Gebieten sollte daher der Wisent wieder eingebürgert werden. Eine Besiedlung geeigneter Bereiche Deutschlands durch Elch, Wolf und Luchs sollte durch konsequente Einhaltung jagdrechtlicher Bestimmungen und ggf. durch Wiederansiedlungsmaßnahmen zugelassen bzw. gefördert werden. Dem Rothirsch sollte eine Besiedlung aller geeigneter Bereiche Deutschlands ermöglicht werden. Wichtig sind dabei auch die Offenlandbiotope. 8. Naturschutzrechtliche Bestimmungen Bei der Einrichtung großflächiger extensiver Weidesysteme müssen gesetzlich geschützte Biotope (z.b. Hecken, Gräben oder kleine Fließgewässer) integriert und zur

Lüneburger Erklärung Seite 5 von 5 Wasserversorgung der Tiere auch Kleingewässer zugänglich gemacht werden. Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass bei extensiven großflächigen Weidesystemen dies nicht nur kein Problem darstellt, sondern umgekehrt durch die Schaffung von Pioniersituationen oftmals sogar ein ausgesprochen positiver Effekt zu beobachten ist. Notwendig ist daher die Zulassung von Ausnahmen bei gesetzlichen Verboten der Beweidung bestimmter Biotoptypen und eine Modifikation gesetzlicher Regelungen, damit großflächig extensiv genutzte Weidesysteme ohne Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen eingerichtet werden können, sofern entsprechende Biotopstrukturen in der Summe erhalten bleiben oder neu entstehen können. 9. Forstrechtliche Bestimmungen Bislang stehen in fast allen Bundesländern forstrechtliche Bestimmungen einer Einbeziehung von Wäldern in großflächige Weidesysteme entgegen. Werden Ausnahmegenehmigungen erteilt, so sind diese oft mit der Verpflichtung verknüpft, Ersatzanpflanzungen vorzunehmen. Bezüglich der forstrechtlichen Bestimmungen sind daher folgende Forderungen zu erheben: Schaffung von Ausnahmeregelungen für die Erhaltung und Schaffung von Hudewäldern Das Einbeziehen von Waldflächen in großflächige Weidesysteme darf nicht als Nutzungsänderung i.s. der Waldgesetze gelten, solange es der Umsetzung der Schutzziele dieser Gesetze selbst (Schutzfunktion gem. 1 BWaldG) dient und keine Vernichtung der Waldbestände zu erwarten ist, sondern nur ein anderer Waldtyp. 10. Öffentlichkeitsarbeit Die bislang mit großflächigen Weidesystemen im In- und Ausland gemachten Erfahrungen müssen einem breiten Publikum vermittelt werden. Neben dem Naturschutz sind insbesondere die Land- und Forstwirtschaft sowie der Tourismus über die Vorzüge aufzuklären. Die Unordnung von Wildnisgebieten stößt in der Bevölkerung, insbesondere im ländlichen Raum, vielfach auf Ablehnung. Daher muss für den naturschutzfachlichen Wert und die Schönheit von ungepflegten Wildnisgebieten offensiv geworben werden.