DAVID HUME DIALOGE ÜBER NATÜRLICHE RELIGION NEUNTER TEIL, SEITEN 73-78
DER A PRIORI BEWEIS DER EXISTENZ GOTTES UND SEINER UNENDLICHEN ATTRIBUTE S. 73-74 Demea : Die Schwächen des a posteriori Beweises : wie kann eine [endliche] Wirkung eine unendliche Ursache beweisen? es [ist] schwer, wenn nicht ganz unmöglich, die Einheit der göttlichen Natur lediglich aus der Betrachtung der Werke der Natur abzuleiten Der a priori Beweis : Alles, was ist, muss eine Ursache oder einen Grund seines Daseins haben es [ist] unmöglich, dass etwas sich selbst hervorbringt oder selbst die Ursache seines Daseins [ist] Entweder haben Kausalketten keinen Anfang und sind unendlich, oder wir müssen schliesslich zu einer letzten Ursache unsere Zuflucht nehmen, die notwendig existiert Die erste Möglichkeit (unendliche Kausalketten) ist absurd, weil die Frage, Warum existiert diese bestimmte Reihenfolge von Ursachen von Ewigkeit her und nicht eine andere oder überhaupt keine? immer noch einen vernünftigen Sinn hat Was war es denn, das entschied, dass etwas existiere, nicht nichts? Äussere Ursachen gibt es nach der Voraussetzung nicht. Zufall ist ein Wort ohne Sinn. War es das Nichts? Aber das kann nichts hervorbringen. Konsequenz : wir [müssen] auf ein notwendig existierendes Wesen zurückgehen, das den Grund seines Daseins in sich selbst trägt und dessen Nichtsein nicht ohne ausdrücklichen Widerspruch angenommen werden kann Schlussfolgerung : Folglich gibt es ein solches Wesen, d. h. es gibt eine Gottheit
KANN MAN EINE TATSACHE (DIE EXISTENZ EINES DINGS ODER EINES EREIGNISSES) A PRIORI BEWEISEN? S. 74-75 Cleanthes (erster Einwand): Tatsachen zu demonstrieren [d.h. nur durch Logik beweisen] oder durch Beweise a priori zu begründen ist absurd Nichts ist demonstrierbar, wenn sein Gegenteil [d.h. die Negation des logisch bewiesenen Satzes] nicht einen Widerspruch enthält Beispiel Prämisse 1 : Wenn x die Eigenschaft F hat, dann hat x auch die Eigenschaft G. [p q] Prämisse 2 : x hat die Eigenschaft F. [p] Konklusion : x hat die Eigenschaft G. [q] Test : Ist die Negation der Konklusion, hier x hat die Eigenschaft G nicht [ q] im Widerspruch zu den Prämissen 1 und 2? Antwort : Ja, weil es nicht möglich ist, das x die Eigenschaft G hat und auch nicht hat [q und q] In einem gültigen deduktiven Argument führt die Negation der Konklusion zu einem Widerspruch. Nichts, was klar vorgestellt werden kann, enthält einen Widerspruch klar vorstellen = die Bedeutung der Worte oder Sätze kennen. Alles, was wir als seiend vorstellen, können wir auch als nichtseiend vorstellen Konklusion 1 : Also gibt es kein Ding, dessen Nichtsein einen Widerspruch einschliesst Existenzaussagen können nicht a priori ohne empirische Prämissen bewiesen werden. Konklusion 2 : Die Worte notwendige Existenz haben daher keinen Sinn Wahre Existenzaussagen sind immer kontingent wahr, nie notwendig wahr.
WENN ETWAS NOTWENDIGERWEISE EXISTIEREN WÜRDE, WARUM WÄRE ES DANN GOTT? S. 75-76 Cleanthes (zweiter Einwand) : warum sollte nach dieser vorgeblichen Bedeutung von Notwendigkeit nicht das materielle Universum das notwendig existierende Wesen sein? Vielleicht hat die Materie unbekannte Eigenschaften die, wenn erkannt, ihre Nichtexistenz als einen ebenso grossen Widerspruch erscheinen liessen, wie dass zwei mal zwei fünf sind Argument gegen diese Hypothese : die Zufälligkeit der Welt, sowohl ihrer Materie als ihrer Form Samuel Clarke (1675-1729): Von jedem Teilchen der Materie kann vorgestellt werden, dass es vernichtet, und von jeder Form, dass sie verändert werde. Solche Vernichtung und Veränderung ist daher nicht unmöglich. Analogie Universum Gott : dasselbe Argument [kann] sich gleicherweise auf die Gottheit [erstrecken] der Geist kann sich wenigstens einbilden sie sei nichtseiend oder ihre Eigenschaften seien verändert Laut dem a priori Beweis müssen es unbekannte, unvorstellbare Eigenschaften sein, die ihr Nichtsein als unmöglich oder ihre Eigenschaften als unveränderlich erscheinen lassen könnten; und es kann kein Grund angegeben werden, warum diese Eigenschaften nicht der Materie zukommen sollten. Die Kriterien um festzustellen, ob etwas existiert oder nicht, sind die gleichen für die Materie und für Gott.
KANN ETWAS, DAS EWIG EXISTIERT, EINE URSACHE HABEN? S. 76 Cleanthes (dritter und vierter Einwand): Wenn man annimmt, das eine Kausalkette keinen Anfang hat (d.h. ewig existiert) stellt sich die Frage: Wie kann etwas, das von Ewigkeit existiert, eine Ursache haben, wenn doch diese Verhältnis [d.h. die Ursache-Wirkung Beziehung] Priorität in der Zeit und einen Anfang des Daseins einschliesst? Kausale Beziehungen sind temporale Beziehungen Warum sollte eine Kausalkette als Ganzes überhaupt eine Ursache haben? Wenn ich euch die besondere Ursache eines jeden einzelnen in einer Verbindung von zwanzig materiellen Teilen zeigte, so würde ich es sehr unvernünftig finden, wolltet ihr mich hernach fragen, was die Ursache aller zwanzig sei. Sie ist hinlänglich angezeigt in der Erklärung der Ursache aller Teile. Beispiel : Was erklärt die Tatsache, dass ich dieses Buch besitze? Antwort : U 1 = Absicht des Autors U 2 = Redaktion des Textes U 3 = Entscheidung des Autors, den Text zu publizieren U 4 = Entscheidung des Verlegers, den Text zu verlegen U 5 = Druck des Textes + U 6 = Buchbindung + U 7 = Verkauf des Buches U 8 = mein Wunsch, das Buch zu erwerben U 9 = mein Kauf des Buches Kausalketten erklären Dinge oder Ereignisse. Eine Erklärung der Erklärung ist überflüssig.
WAS WÜRDE FOLGEN, WENN ES NATÜRLICHE (UND NICHT NUR LOGISCHE) NOTWENDIGKEITEN GÄBE? S. 76-78 Philo : Hypothese : Vielleicht gibt es etwas in der Natur, das erklärt, warum eine bestimmte Ursache notwendigerweise diese Wirkung hat, und keine andere haben könnte. Wenn das so wäre, würde die Natur, die wir kennen, notwendigerweise existieren. Philos Analogie : Ordnung in der Arithmetik Beispiel : Für ganze Zahlen x und y gilt 9x Quersumme (Ziffernsumme) = 9y 9x Arithmetiker haben bemerkt, dass die Produkte von 9 allemal wieder 9 oder eine kleineres Produkt von 9 ergeben, wenn man alle Ziffern, aus denen das erste Produkt zusammengesetzt ist, addiert. So wird aus 18, 27, 36, welche Produkte von 9 sind, durch Addition von 1 und 8, 2 und 7, 3 und 6, 9. Ebenso ist 369 ein Produkt von 9, und wenn man 3, 6 und 9 addiert, hat man 18, ein kleineres Produkt von 9. Und möchte es nicht geschehen, dass wir, könnten wir in das innerste Wesen der Körper eindringen, statt die Ordnung der natürlichen Dinge anzustaunen, deutlich sähen, warum es absolut unmöglich ist, dass sie eine andere Ordnung annähmen? Notwendigkeit ausserhalb der Logik wäre kein Argument für die Existenz Gottes Warum der a priori Beweis nicht überzeugend ist Nur plausibel wenn man die Denkweise von der Mathematik, wo der Verstand oft durch Dunkelheit zu Wahrheiten führt auf Gegenstände überträgt, wo sie keinen Platz haben sollte.
FRAGEN Für den Vortrag in der Klasse (Studentengruppe, Präsentation mit Diapositiven) Fragen (92) bis (96)