Der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz I Aufbauschema Anfechtungs- und Verpflichtungsklage



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Transkript:

Der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz I Aufbauschema Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (In einer Klausur sind die Punkte 2, 4, 5, 6, 7, 9, 10, 11 ggf. auch nur mit einem Satz anzusprechen; weitere Punkte nur bei Anhaltspunkten für Probleme im Sachverhalt) I. Zulässigkeit 1. Vorliegen der deutschen Gerichtsbarkeit, 173 VwGO i.v.m. 18 ff. GVG Ausgenommen von der dt. Gerichtsbarkeit sind die sog. Exterritorialen, die nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts von der dt. G. befreit sind: ausländische Staaten und ihre Organe, soweit sie sich nicht wie Private am internationalen Wirtschaftsverkehr beteiligen, Mitglieder diplomatischer Missionen, überstaatliche Organisationen und deren Amtsträger. Allgem. Verwaltungsrecht - 11. VL 1

2. Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges, 40 Abs. 1 S. 1 VwGO Aufdrängende Sonderzuweisung, bspw. 54 BAföG, 54 BeamtStG (alle Klagen aus dem Beamtenverhältnis); liegt eine solche Sonderzuweisung an das VG vor, ist 40 nicht mehr zu prüfen, lex specialis), öffentlich-rechtliche Streitigkeit i.s.d. 40 VwGO nicht um eine rechtliche Streitigkeit handelt es sich bei politischen Auseinandersetzungen (z.b. um eine Regierungserklärung) oder bei Streit um Gnadenakte (fraglich), die Abgrenzung zum Privatrecht richtet sich nach der wahren Rechtsnatur des geltend gemachten Anspruchs (gehört die streitentscheidende Norm dem ÖR an? Abgrenzungstheorien), allerdings: wenn öffentlich-rechtliche Bindungen für privatrechtliches Handeln des Staates geltend gemacht werden (sog. Verwaltungsprivatrecht), qualifiziert die Rspr. die Streitigkeit als privatrechtlich: BGHZ 79, 111 f.: Rauchverbot in Berliner U-Bahn. nichtverfassungsrechtlicher Art (eine Streitigkeit ist nur dann verfassungsrechtlicher Art, wenn Verfassungsorgane oder organteile über die Anwendung von Verfassungsrecht streiten, = doppelte Verfassungsunmittelbarkeit), Allgem. Verwaltungsrecht - 11. VL 2

keine abdrängende Sonderzuweisung, bspw. 40 Abs. 2 VwGO, Art. 14 Abs. 3 S. 4 GG (Streitigkeit über Höhe von Enteignungsentschädigung Zivilgerichte); 33 FGO, 51 SGG (öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Abgabensachen Finanzgerichte, in Angelegenheiten der Sozialversicherung etc. Sozialgerichte) 3. Zuständigkeit des Gerichts, 45 ff. VwGO 4. Beteiligtenfähigkeit, 61 VwGO Fähigkeit, als Subjekt eines Prozessrechtsverhältnisses, d.h. als Kläger, Beklagter oder sonstiger Beteiligter am Verfahren teilzunehmen; (+) für alle natürlichen und juristischen Personen des privaten und des öffentlichen Rechts, Vereinigungen, soweit ihnen (im Hinblick auf konkreten Streitgegenstand) ein Recht zustehen kann, und Behörden, soweit das Landesrecht dies bestimmt (z.b. in NRW, Brdbg, nicht in Thür.). 5. Prozessfähigkeit, Prozessvertretung und Postulationsfähigkeit Prozessfähigkeit (Fähigkeit zur Vornahme von Vf-Handlungen, 62 Abs. 1 VwGO): alle nach bürgerlichem Recht Geschäftsfähigen; für Vereinigungen und Behörden handeln die gesetzlichen Vertreter ( 62 Abs. 3 VwGO). Allgem. Verwaltungsrecht - 11. VL 3

Postulationsfähigkeit ist die Fähigkeit, vor einem Gericht rechtswirksame Handlungen vornehmen zu können. Diese besitzt die Prozesspartei entweder selbst, oder sie kann sich vertreten lassen (i.d.r. Rechtsanwalt) oder sie muss sich vertreten lassen, 67 VwGO. 6. Ordnungsgemäße Klageerhebung, 81 ff. VwGO Schriftlich und in deutscher Sprache, auch: zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des VG; muss unterschrieben sein und die Beteiligten sowie das Begehren bezeichnen 7. Statthafte Klageart Anfechtungsklage (+), wenn sich das Begehren auf die Aufhebung eines VA durch das VG richtet. Besitzt die angefochtene/erstrebte Maßnahme VA-Charakter?, 42 Abs. 1 VwGO, Prüfung der sechs Elemente (Behörde, hoheitliche Maßnahme, auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, Einzelfall, Außenwirkung); detaillierte Prüfung kann bei Offensichtlichkeit des VA- Charakters entfallen VA muss wirksam geworden sein; 43 Abs. 2 VwGO gewährt die A-Klage allerdings auch, wenn VA nichtig ist, so dass der Kl. insoweit ein Wahlrecht zwischen der A-Klage und der Fest-stellungsklage hat. Allgem. Verwaltungsrecht - 11. VL 4

Der VA darf nicht erledigt, also aufgehoben oder durch Zeitablauf gegenstandslos geworden sein. o Verpflichtungsklage (+), wenn sich das Begehren auf die Verpflichtung der Verwaltung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen VA oder zum Erlass eines sachlichen Bescheids unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts durch das VG richtet. Als Versagungsgegenklage (Antrag auf VA-Erlass wurde zuvor abgelehnt) oder als Untätigkeitsklage (Antrag des Kl. wurde nicht in angemessener Frist beschieden, 75 VwGO). A-Klage und V-Klage schließen sich aus. Die Ablehnung einer Begünstigung ist i.d.r. nicht im Wege der A-Klage anzugreifen; aus Gründen der Prozessökonomie (Vermeidung zweier Prozesse) ist sogleich die Gewährung der Begünstigung im Wege der V-Klage zu verfolgen, dabei ist der Antrag zur Aufhebung der Versagung inzident mit gestellt (Ausn.: wenn der Kl. derzeit die Begünstigung noch nicht anstrebt, sondern nur die Versagung beseitigen möchte, sog. isolierte A-Klage). Allgem. Verwaltungsrecht - 11. VL 5

8. Klagehäufung, 44, 64 VwGO (hier nicht verlangt) 9. Klagebefugnis, 42 Abs. 2 VwGO schließt die Popularklage und die Interessentenklage aus; Kl. soll sich nicht als Sachwalter von Gemeinwohlbelangen betätigen, sondern ist (grundsätzlich) auf die Verfolgung der ihm von der Rechtsordnung zugewiesenen Befugnisse (subjektiv-öffentliche Rechte) beschränkt (ggf. Anwendung der Schutznormtheorie); das gilt gem. 42 Abs. 2 1. Halbs. VwGO nicht, soweit gesetzlich etwas anderes bestimmt ist, so gem. 12 HandwO zugunsten der Industrie- und Handelskammer, gem. 64 BNatSchG (sog. altruistische Verbandsklage) zugunsten anerkannter Naturschutzverbände, gem. 2 UmwRG zugunsten von anerkannten Umweltschutzvereinigungen, jeweils in bestimmten Verfahren. geltend macht, für die Bejahung der Kl.-befugnis reicht nicht die Behauptung einer Rechtsverletzung, vielmehr muss a) eine Norm tatsächlich ein subjektiv-öffentliches Recht begründen und b) es nach dem Sachvortrag des Kl. möglich (= nicht praktisch ausgeschlossen) erscheinen, dass es dem Kl. zusteht und verletzt ist (sog. Möglichkeitstheorie). Allgem. Verwaltungsrecht - 11. VL 6

In der Fallbearbeitung unzureichend sind Formulierungen wie Nach der Möglichkeitstheorie ist A klagebefugt. Vielmehr ist die Klagebefugnis, ggf. nach der Schutznormtheorie, im Einzelnen zu erörtern. Bei der Anfechtungsklage ist die Klagebefugnis im Ergebnis immer zu bejahen, wenn ein den Kl. belastender VA vorliegt. Der Kläger könnte zumindest in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit betroffen sein, Art. 2 Abs. 1 GG (sog. Adressatentheorie). Art. 2 Abs. 1 GG ist jedoch nur anwendbar, wenn kein gesetzlich oder untergesetzlich begründetes subjektives Recht und auch kein spezielles Grundrecht einschlägig ist. Das ist auch im Rahmen der Zulässigkeit der Klage zu prüfen. Die Formulierung A ist nach der Adressatentheorie klagebefugt ist in jedem Fall unzureichend. Rechtsfragen werden auf der Grundlage des Rechts, nicht auf der von Theorien beantwortet. Allgem. Verwaltungsrecht - 11. VL 7

10. Ordnungsgemäße Durchführung des Vorverfahrens, 68 ff. VwGO (wenn nicht aufgrund landesrechtlicher Regelung entbehrlich, 68 Abs. 1 S. 2 VwGO). Liegen keine Anhaltspunkte dagegen vor, so reicht der Satz Von der ordnungsgemäßen, aber erfolglosen Durchführung des Vorverfahrens ist auszugehen. Das Vorverfahren ist grundsätzlich bei jeder Anfechtungs- und Versagungsgegenklage zu erheben. In ihm werden die Rechtmäßigkeit und bei Ermessensakten auch die Zweckmäßigkeit des VA überprüft. Es ist einerseits Verwaltungs-verfahren und andererseits Sachentscheidungsvoraussetzung im Verwaltungsprozess. Entsprechend seiner Doppelnatur hat es auch zwei Zwecke: Rechtsschutz des Widerspruchsführers und Selbstkontrolle der Verwaltung, damit auch Entlastung der Gerichte. Vor der Entscheidung der Widerspruchsbehörde hat die Ausgangsbehörde Gelegenheit, dem Widerspruch abzuhelfen. Allgem. Verwaltungsrecht - 11. VL 8

Exkurs zum Widerspruch: Der Widerspruch hat einen Devolutiveffekt ( 73 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 VwGO) und einen Suspensiveffekt: Er hat aufschiebende Wirkung, aus dem VA darf also nicht vollstreckt werden ( 80 Abs. 1 VwGO). Wenn man einen Widerspruch isoliert prüft oder auch im Rahmen der Prüfung der A- und V-Klage, wenn die ordnungsgemäße Durchführung des Widerspruchsverfahrens genauer untersucht werden soll, sind dessen Zulässigkeit und Begründetheit zu prüfen Dabei ist zu beachten: Nach der Rspr. steht es der Zulässigkeit einer Klage nicht entgegen, wenn ein erforderlicher Widerspruch fehlt oder verfristet ist, sich der bekl. Hoheitsträger aber im Verwaltungsprozess zur Sache einlässt, ohne das Fehlen des Widerspruchsverfahrens zu rügen. Auch soll ein fehlender Widerspruch der Zulässigkeit der Klage nicht entgegenstehen, wenn sich aus dem Verhalten der Widerspruchsbehörde ergibt, dass der Widerspruch keinen Erfolg hätte. Lit.: damit würden das Widerspruchsverfahren und die Bestandskraft des VA zur Disposition der Beteiligten stehen, das ist in 68 ff. VwGO nicht vorgesehen. Allgem. Verwaltungsrecht - 11. VL 9

Zur Prüfung im Einzelnen: a) Form, 70 VwGO : schriftlich, W. muss nicht als solcher bezeichnet sein, b) Statthaftigkeit des Widerspruchs falls noch nicht geprüft: öffentlich-rechtliche Streitigkeit, einschlägige Klageart Anfechtungsklage, 68 Abs. 1 S. 1 VwGO, oder Verpflichtungsklage als Versagungsgegenklage (Verpflichtungswiderspruch), 68 Abs. 2 VwGO, entfällt in den Fällen des 68 Abs. 1 S. 2, 75 VwGO : bei VA einer obersten Bundes- und Landesbehörde, bei erstmaliger Beschwer durch Abhilfe- oder Widerspruchsbescheid, bei Ausschluss durch Spezialgesetz (z.b. bei VA aufgrund förmlicher Verfahren und bei VA aufgrund Planfeststellungsverfahren 70, 74 Abs. 1 S. 2 VwVfG) oder Landesrecht (z.b. Art. 15 BayAGVwGO, s. Anhang). c) Einlegung bei zuständiger Behörde (Ausgangs-/Widerspruchsbehörde), 70 VwGO; grunds. bei der Ausgangsbehörde, ausr. aber auch Wi-behörde. In 73 VwGO wird bestimmt, wer die Widerspruchsbehörde ist: Soweit nicht anders geregelt, ist es die nächsthöhere Behörde (deshalb Devolutiveffekt ). d) Beteiligtenfähigkeit des Widerspruchsführers, 79 VwVfG i.v.m. 11 VwVfG, Allgem. Verwaltungsrecht - 11. VL 10

e) Handlungsfähigkeit, Vertretung, 79 VwVfG i.v.m. 12, 14 VwVfG, f) Widerspruchsbefugnis, 42 Abs. 2 VwGO analog. Bei Ermessensentscheidungen geltend machen von Unzweckmäßigkeit ausreichend, g) Widerspruchsfrist, 70, 58 VwGO, einschlägig: 187 ff. BGB, der Tag der Zustellung wird danach in die Frist nicht einberechnet. Fehlte es an einer ordnungsgemäßen Bekanntgabe an den Betroffenen, kann der Widerspruch unbefristet erhoben werden. Das ist bei VA mit Drittwirkung ein Problem. Bsp: Baugenehmigung, die einen Nachbarn in seinen Rechten verletzen könnte, wird ihm nicht zugestellt wird, wohl aber dem Bauherren. Sie ist diesem gegenüber wirksam, gegenüber dem Dritten sind aber die Rechtsmittelfristen mangels Bekanntgabe nicht in Gang gesetzt. Bauherr muss noch nach Jahren mit einer Anfechtung rechnen, Grenze hier: Treu und Glauben und Verwirkung: Die Frist läuft auch dann, wenn der Nachbar von der Erteilung einer Baugenehmigung zuverlässig Kenntnis erlangt hat oder der Umstand sich ihm hätte aufdrängen müssen. Allgem. Verwaltungsrecht - 11. VL 11

Anwendbar ist dann im Ergebnis 58 Abs. 2 i.v.m. 70 VwGO (analog), nicht 58 Abs. 1 VwGO, denn eine Rechtsmittelbelehrung fehlt ja in jedem Fall. Wenn der Belastete ohne Verschulden verhindert war, die Widerspruchsfrist zu wahren, ist ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren: 70 Abs. 2 i.v.m. 60 Abs. 1 VwGO. h) Widerspruchsinteresse Häufiges Problem bei der Prüfung einer A-Klage: 79 VwGO bestimmt als Gegenstand der Anfechtungsklage den ursprünglichen VA, in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid erhalten hat, und den Abhilfe- bzw. Widerspruchsbescheid, wenn er eine eigene Beschwer enthält. Das spricht dafür, dass die Widerspruchsbehörde grundsätzlich befugt sein kann, eine Entscheidung zu treffen, die die Rechtsstellung des BF. verschlechtert => sog. reformatio in peius. Die Zulässigkeit der Verschlechterung richtet sich nach materiellem Recht: Hat die W.-behörde danach ein Selbsteintrittsrecht und darf der VA nach 48 ff. VwVfG aufgehoben werden? (A.A: es gilt nur das materielle Recht im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung, nicht 48 ff. VwVfG) Allgem. Verwaltungsrecht - 11. VL 12

11. Klagefrist, 74 VwGO: Ein Monat seit Bekanntgabe des VA bzw. Zustellung des Widerspruchsbescheids; Untätigkeitsklage gem. 75 VwGO ist i.d.r. erst nach 3 Monaten seit Einlegung des Antrags bzw. des Widerspruchs möglich. Frist beginnt gem. 58 VwGO nur bei ordnungsgemäßer Belehrung über die Rechtsmittel zu laufen. Sonst beträgt sie gem. 58 Abs. 2 VwGO 1 Jahr. Die Frist wird nur durch eine ordnungsgemäße Klageerhebung gewahrt. 12. Fehlende Rechtshängigkeit und entgegenstehende Rechtskraft, 90 Abs. 1, 121 VwGO: Nach wirksamer Klageerhebung ist eine erneute Klage (bei Identität von Beteiligten und Streitgegenstand) bei einem anderen Gericht unzulässig; nach Eintritt der Rechtskraft (durch Verstreichen der Rechtsmittelfrist oder Erschöpfung des Rechtswegs) ist eine neue Klage gleichfalls unzulässig. Allgem. Verwaltungsrecht - 11. VL 13

13. Allgemeines Rechtsschutzinteresse: ungeschriebenes Merkmal; nur zu prüfen, wenn zweifelhaft; entfällt, wenn Kl. sein Klageziel auf anderem Wege schneller, besser und billiger erreichen könnte (Behörde klagt, obwohl sie VA erlassen könnte). II. Begründetheit der Anfechtungsklage, 113 Abs. 1 S. 1 VwGO Die Anfechtungsklage ist begründet, soweit der VA rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt bei Änderung der Sach- und/oder Rechtslage: Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (i.d.r: Widerspruchsbescheid). Allgem. Verwaltungsrecht - 11. VL 14

1. Richtiger Beklagter ( Passivlegitimation, 78 VwGO) 2. In Betracht kommende Ermächtigungsgrundlage 3. formelle und materielle Rechtmäßigkeit des VA 4. Rechtsverletzung des Klägers 5. Entfallen des Aufhebungsanspruch gem. 46 VwVfG 113 Abs. 1 S. 2, 3, Abs. 4 VwGO: Neben der Aufhebung des VA ist die Verurteilung zur Rückgängigmachung der Vollziehung des VA zulässig. Damit wird ein Folgenbeseitigungsanspruch bzw. ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch durchgesetzt. Diese Ansprüche ergeben sich aus materiellem Recht, nicht aus 113 Abs. 1 S. 2 VwGO, FbA = Anspruch auf Beseitigung der tatsächlichen Folgen eines rechtswidrigen VA, ist gewohnheitsrechtlich aus Art. 20 Abs. 3 GG (Rechtsgebundenheit der Verwaltung) und den Grundrechten hergeleitet, Allgem. Verwaltungsrecht - 11. VL 15

Erstattungsanspruch = Anspruch auf Rückabwicklung einer rechtsgrundlos erbrachten Leistung oder sonstigen rechtsgrundlosen Vermögensverschiebung, wurde als allgemeiner Grundsatz des Verwaltungsrechts in Analogie zu 812 ff. BGB aus dem Rechtsstaatsprinzip entwickelt. III.Begründetheit der Verpflichtungsklage, 113 Abs. 5 VwGO Die Verpflichtungsklage ist begründet, soweit die Ablehnung/ Unterlassung des VA rechtswidrig, der Kl. dadurch in seinen Rechten verletzt und die Sache spruchreif ist. An der Spruchreife fehlt es, wenn die Behörde einen Ermessens- oder einen gerichtlich nicht überprüfbaren Beurteilungsspielraum hat oder das materielle Recht für den rechtmäßigen Erlass des begehrten VA die (bisher unterbliebene) vorherige Durchführung eines Verfahrens voraussetzt. Allgem. Verwaltungsrecht - 11. VL 16

Bei der Bescheidungsklage (Unterfall der Verpflichtungsklage) entfällt das Merkmal der Spruchreife. Besitzt die Behörde in der Sache Ermessen, kann das Gericht sie zu keiner bestimmten Entscheidung verpflichten. Vielmehr wird sie verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Gleiches gilt, wenn die Behörde noch überhaupt keine Entscheidung getroffen hat (Untätigkeitsklage, vgl. hierzu 75 VwGO), sie aber in der Sache ein Ermessen besäße. Wird Verpflichtungsklage erhoben, kommt aber nur ein Bescheidungsurteil in Frage, ist die Klage teilweise unbegründet. 1. Richtiger Beklagter ( Passivlegitimation, 78 VwGO) 2. Benennung der Anspruchsgrundlage 3. Prüfung des Anspruchs. Allgem. Verwaltungsrecht - 11. VL 17

Anhang: Beispiel für Entbehrlichkeit des Widerspruchs nach Landesrecht Art. 15 BayAGVwGO (1)Gegen einen nur an ihn gerichteten Verwaltungsakt kann der Betroffene 1. im Bereich des Kommunalabgabenrechts, 2. im Bereich des Landwirtschaftsrechts einschließlich des Rechts landwirtschaftlicher Subventionen sowie im Bereich des Rechts forstlicher Subventionen und jagdrechtlicher Abschussplanverfahren, 3. im Bereich des Schulrechts einschließlich des Rechts der Schulfinanzierung und Schülerbeförderung, 4. in den Bereichen des Ausbildungs- und Studienförderungsrechts, des Heimrechts, des Kinder- und Jugendhilferechts, der Kinder-, Jugend- und Familienförderung, des Kriegsopferfürsorgerechts, des Schwerbehindertenrechts, des Unterhaltsvorschussrechts, des Wohngeldrechts, des Rundfunkgebührenrechts und im Rahmen der Förderungen nach dem Europäischen Sozialfonds (ESF-Förderung), soweit jeweils der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist, Allgem. Verwaltungsrecht - 11. VL 18

5. in Angelegenheiten der Beamten mit Ausnahme des Disziplinarrechts, 6. bei personenbezogenen Prüfungsentscheidungen entweder Widerspruch einlegen oder unmittelbar Klage erheben; in den Angelegenheiten der Nr. 5 gilt Entsprechendes für Leistungs- und Feststellungsklagen. Richtet sich der Verwaltungsakt in diesen Bereichen an mehrere Betroffene, kann jeder von ihnen unmittelbar Klage erheben, wenn alle Betroffenen zustimmen. Wird unmittelbar Klage erhoben, bedarf es keiner Durchführung eines Vorverfahrens nach 68 VwGO. (2) Soweit in Abs. 1 nichts Abweichendes geregelt ist, entfällt das Vorverfahren nach 68 VwGO. (3) Die Abs. 1 und 2 gelten nur für Verfahren der Behörden des Freistaates Bayern, der Gemeinden und Gemeindeverbände und der sonstigen der Aufsicht des Freistaates Bayern unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts. 68 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 und 2 VwGO sowie sonstige abweichende Regelungen in anderen Gesetzen und Rechtsverordnungen bleiben unberührt. Allgem. Verwaltungsrecht - 11. VL 19