MINDERJÄHRIGE MUTTER NA UND?

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Transkript:

40 AUFGABENBEISPIELE Aufgabenbeispiel 8 MINDERJÄHRIGE MUTTER NA UND? Aufgabenstellung 1. Lies das Material 1. Arbeite die hier vorliegenden verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen den Personen heraus und stelle diese grafisch dar. 2. Beschreibe unter Einbezug von Material 2 die Einstellung der Eltern zur ungewollten Schwangerschaft ihrer Tochter und beurteile deren rechtlichen Mitentscheidungsmöglichkeiten. 3. Arbeite aus den Fallbeispielen im Material 3 den Umgang der beiden Mädchen mit einer ungewollten Schwangerschaft heraus und bewerte diesen aus rechtlicher Sicht. Setze dich vor dem rechtlichen Hintergrund mit den beiden Entscheidungsmöglichkeiten unter ethisch-moralischen Gesichtspunkten auseinander, begründe deine Position.

AUFGABENBEISPIELE 41 Material 1: Fallbeispiel Ich habe mich dafür entschieden Familie Müller lebt mit ihrer 15-jährigen Tochter Luise in einer Kleinstadt in Deutschland. Sie haben ein gutes Verhältnis zueinander und verstehen sich trotz einiger unterschiedlicher Vorstellungen vom Leben. So haben sie auch kein Problem damit, dass Luise seit einem halben Jahr einen festen Freund hat, den bereits 18-jährigen Oliver Schulze. Sie dulden auch, dass dieser regelmäßig bei ihnen, genauer gesagt im Bett ihrer Tochter übernachtet. Sie sind doch tolerant und wollen schließlich keine Spießer sein. Dann aber passiert das Unerhörte: Nach den kuscheligen und in mehrfacher Hinsicht heißen Sommerferien stellt Luise am Anfang der 9. Klasse fest, dass sie schwanger ist. Diese Nachricht schlägt bei allen ein wie eine Bombe. Oliver ist erst bestürzt, hält dann aber tapfer zu ihr. Er verspricht sogar, sie zu heiraten und natürlich die kleine Familie zu versorgen. Auch Luises Eltern sind entsetzt, haben sie doch ganz andere Dinge mit ihrer Tochter vor. Ihre Toleranz ist nun verschwunden, es fallen harte Worte. So fordern sie eine sofortige Abtreibung und drohen Luise bei einer Entscheidung für das Kind mit dem sofortigen Rauswurf und Entzug aller finanziellen Mittel. Luise bleibt aber standhaft, will und bekommt letztendlich auch ihr Kind. Am 20.02. wird Anton Müller geboren, ein gesunder und munterer Junge. Immer, wenn sie ihr Kind im Arm hat, ist sie glücklich und stolz, dass sie sich dafür entschieden hat.

42 AUFGABENBEISPIELE Material 2: Auszüge aus Rechtsquellen Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) 1626 Elterliche Sorge, Grundsätze (1) Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge). (2) Bei der Pflege und Erziehung berücksichtigen die Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln. Sie besprechen mit dem Kind, soweit es nach dessen Entwicklungsstand angezeigt ist, Fragen der elterlichen Sorge und streben Einvernehmen an. [ ] 1631 Inhalt und Grenzen der Personensorge (1) Die Personensorge umfasst insbesondere die Pflicht und das Recht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen. (2) Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig. [ ] Strafgesetzbuch (StGB) 171 Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht Wer seine Fürsorge- oder Erziehungspflicht gegenüber einer Person unter sechzehn Jahren gröblich verletzt und dadurch den Schutzbefohlenen in die Gefahr bringt, in seiner körperlichen oder psychischen Entwicklung erheblich geschädigt zu werden, einen kriminellen Lebenswandel zu führen oder der Prostitution nachzugehen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. 218 Schwangerschaftsabbruch (1) Wer eine Schwangerschaft abbricht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. 218a Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs (1) Der Tatbestand des 218 ist nicht verwirklicht, wenn 1. die Schwangere den Schwangerschaftsabbruch verlangt und dem Arzt durch eine Bescheinigung nach 219 Abs. 2 Satz 2 nachgewiesen hat, dass sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff hat beraten lassen, 2. der Schwangerschaftsabbruch von einem Arzt vorgenommen wird und 3. seit der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sind. (2) Der mit Einwilligung der Schwangeren von einem Arzt vorgenommene Schwangerschaftsabbruch ist nicht rechtswidrig, wenn der Abbruch der Schwangerschaft unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren nach ärztlicher Erkenntnis angezeigt ist, um eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden, und die Gefahr nicht auf eine andere für sie zumutbare Weise abgewendet werden kann.

AUFGABENBEISPIELE 43 Material 3: Erfahrungsberichte aus dem Internetportal Ich würde es nicht noch einmal tun Als Susanne mit 15 Jahren schwanger wurde, war sie sich ganz sicher, dass sie das Kind nicht haben wollte. Trotzdem war es schwer für sie, den Schwangerschaftsabbruch zu verarbeiten. Ich war damals in einer ziemlich chaotischen Situation. Meine Eltern hatten sich ein Jahr zuvor getrennt. Das machte mir noch sehr zu schaffen, obwohl ich zu meinem Vater nie ein gutes Verhältnis gehabt hatte. Meine Mutter und ich waren gerade in eine kleinere Wohnung umgezogen, das Geld war knapp geworden. Durch den ganzen Stress war es auch in der Schule rapide bergab gegangen, meine Versetzung war gefährdet. Und mitten in diesem Durcheinander stellte ich fest, dass ich schwanger war von einem Freund, den ich gerade mal ein paar Wochen kannte. Mein erster Gedanke war: Bloß kein Kind jetzt! Ich konnte mir nicht vorstellen, wie ich in meiner momentanen Situation ein Kind großziehen, ihm Wärme und Geborgenheit geben sollte. Für mich war schnell klar, dass ich einen Schwangerschaftsabbruch machen würde. Ich bin dann zur Schwangerschaftsberatung gegangen. Die haben mir noch mal alle Möglichkeiten aufgezeigt, wie ich mit einem Kind klarkommen könnte, aber das hat mich nicht überzeugt. Ich fühlte mich einfach nicht reif genug dafür. Von dem Eingriff selbst habe ich nichts gemerkt, da ich eine Vollnarkose hatte. Aber hinterher ging es mir sehr mies. Ich bin aufgewacht und dachte zuerst, dass alles nur ein böser Traum war. Da ist mir eigentlich erst bewusst geworden, was ich getan hatte. Tagelang habe ich praktisch nur geheult. Ich konnte auch nicht zur Schule gehen, hätte mich sowieso nicht konzentrieren können. Ich hatte nicht erwartet, dass mich der Abbruch so mitnehmen würde. Mein Freund konnte das überhaupt nicht verstehen. Wir hatten ja vorher über alles geredet, und schließlich war es ja meine eigene Entscheidung gewesen. Trotzdem hatte ich irgendwie einen Groll auf ihn und habe mich sehr abweisend verhalten. Insgeheim habe ich ihm vielleicht auch die Schuld an meinem Elend gegeben, obwohl das ja nicht ganz fair war. Unsere Beziehung hat das jedenfalls nicht überstanden. Kurz danach haben wir uns getrennt. Meine Mutter hat mich überredet, noch mal zu der Beratungsstelle zu gehen, wo ich auch den Beratungsschein für den Abbruch bekommen hatte. Die Beraterin hat mir dann wirklich sehr geholfen. Sie hat mich erst mal reden lassen und immer wieder mal nachgefragt. Allein durch ihre Fragen ist dann schon ein bisschen Ordnung in meinen Kopf gekommen. Mir ist klar geworden, dass ich mich eigentlich vorher viel zu wenig mit der ganzen Sache auseinandergesetzt habe. Ich hatte nur mit dem Verstand entschieden und nicht auf meine Gefühle gehört. Das musste ich jetzt nachholen. [ ] Mir ist dabei klar geworden, dass ich weder herzlos noch egoistisch war. In diesem Alter eine Schwangerschaft zu riskieren war verantwortungslos, aber mit meiner Entscheidung für den Abbruch habe ich doch am Ende Verantwortung übernommen. Trotzdem bin ich mir nach dieser Erfahrung ganz sicher, dass ich so etwas nicht noch einmal tun würde. Fundort: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, http://www.schwanger-unter-20.de/erfahrungsberichte/ ich-wuerde-es-nicht-noch-einmal-tun#c4555 (letzter Aufruf 5.12.2013)

44 AUFGABENBEISPIELE Ich stehe zu meiner Entscheidung Miriam P. war 14, als sie schwanger wurde. Damals hat sie sich für einen Schwangerschaftsabbruch entschieden. Auch heute, mit 19 Jahren, ist sie davon überzeugt, dass die Entscheidung richtig war. Mit vierzehn Jahren bin ich schwanger geworden, ungewollt natürlich. Ich war in der sechsten Woche, als mein Arzt es mir bestätigt hat. Ich musste dann allein entscheiden, was geschehen sollte. Mein Freund stand nicht hinter mir, wollte das Kind nicht. Meine Eltern waren zwar zuerst geschockt, aber sie haben mich zu nichts gedrängt. Sie haben mir auch versprochen, mir zu helfen, wenn ich das Kind behalten wollte. Aber ich habe mich dann doch für den Abbruch entschieden. Ich wollte doch auf jeden Fall die Schule zuende machen, und mit einem Kind konnte ich mir das nicht vorstellen. Ich hatte Angst, dass ich nicht stark genug sein würde, um das alles unter einen Hut zu bringen. Körperlich habe ich den Abbruch trotz Betäubung als sehr unangenehm in Erinnerung. In den ersten Tagen nach dem Abbruch hatte ich leichte Unterleibskrämpfe, ich habe mich einfach nicht gut gefühlt. Aber ich kann sagen, dass ich seelisch keine Schmerzen davongetragen habe. Das Ganze ist jetzt schon fünf Jahre her, und heute fällt es mir leichter, darüber zu reden. Aber ich habe auch damals keine schlimmen Reuegefühle gehabt oder mir selbst Vorwürfe gemacht. Nur wenn ich Schwangere gesehen habe, bin ich traurig geworden, erst recht wenn es Freundinnen oder Bekannte waren. Das geht mir manchmal heute noch so. Ich weiß nicht, was aus meinem Leben geworden wäre, wenn ich nicht einen Schwangerschaftsabbruch gemacht hätte. Mein Kind wäre jetzt fünf Jahre alt und käme nächstes Jahr in die Schule. Manchmal frage ich mich, ob ich es vielleicht doch hätte schaffen können. Aber es zerreißt einen zu sehr, wenn man sich zu oft vorstellt, wie das Leben aussehen würde, wenn man sich in bestimmten Momenten anders entschieden hätte. Jetzt bin ich bald fertig mit der Schule will ich erst mal eine Reise machen. Alles in allem bin ich mir sicher, dass es richtig war, das Kind nicht zu bekommen. Ich wäre wohl nicht da, wo ich heute stehe. Fundort: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, http://www.schwanger-unter-20.de/erfahrungsberichte/ ich-stehe-zu-meiner-entscheidung/ (letzter Aufruf 5.12.2013)

AUFGABENBEISPIELE 45 Erwarteter Stand der Kompetenzentwicklung Erwartete Schülerleistung AFB 1. Die Schülerinnen und Schüler erkennen und erklären die familiären Zusammenhänge, d. h. vorhandene Verwandtschaftsverhältnisse, und stellen diese übersichtlich grafisch dar. I + II 2. Die Schülerinnen und Schüler beschreiben die Verhältnisse innerhalb der Familie und erörtern mit Blick auf die gesetzlichen Regelungen die Einstellung der Eltern. Sie erkennen, dass die Eltern die Tochter nicht einfach hinauswerfen und zum Schwangerschaftsabbruch zwingen können, und begründen dies. Sie gehen auf die relevanten Rechte und Pflichten der Eltern ein, die sich aus der Personensorge ergeben, ebenso aber auf deren Grenzen. Dabei stellen sie heraus, dass das Recht der Aufenthaltsbestimmung des Kindes immer an dessen Wohlergehen gekoppelt ist, der Rauswurf der Tochter ihrer Fürsorgepflicht widerspricht (Vernachlässigung/ Beeinträchtigung der Pflege) und bei bestimmten Folgen ggf. sogar strafbar sein würde. In Hinblick auf den Schwangerschaftsabbruch erkennen sie die verschiedenen Rechtspositionen der Eltern und der Tochter. Die Eltern dürfen im Interesse des Kindes Entscheidungen treffen, welche die körperliche Unversehrtheit betreffen. Dafür müssen aber wichtige Gründe vorliegen (Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes). Da die Tochter bereits fünfzehn Jahre alt ist und keine gesundheitlichen oder seelischen Probleme erkennbar sind, scheiden diese Gründe aber aus. Dem elterlichen Willen steht neben dem ungeborenen Leben als schützenswertem Gut die Entscheidung einer Jugendlichen gegenüber, die durch ihr Lebensalter und die längere Beziehung zu einem Volljährigen sicher schon über ein gewisses Maß an Selbstständigkeit und Verantwortungsbewusstsein verfügt. Die Eltern können ihre Tochter unter diesen Umständen nicht in ihrem Selbstbestimmungsrecht einschränken. II + III 3. Die Schülerinnen und Schüler erkennen, dass die Mädchen diese Ent-scheidung im Rahmen ihres Selbstbestimmungsrechtes treffen durften. Sie erkennen zudem, dass sie sich an alle gesetzlichen Vorgaben (eigenes Verlangen, Beratungsgespräch, Eingriff durch einen Arzt innerhalb eines Zeitraums von zwölf Wochen nach Empfängnis) hielten, dadurch der Schwangerschaftsabbruch rechtlich legitim und somit nicht strafbar war. Sie setzen sich unter Abwägung der Rechtsgüter und Entscheidungsmöglichkeiten unter ethisch-moralischen Gesichtspunkten mit der Entscheidung der Mädchen zum Schwangerschaftsabbruch auseinander und beziehen begründet Position. II + III