Es hat in der LAB Braunschweig nach heutiger Kenntnis keine Vertuschung von Sozialleistungsbetrug gegeben

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Transkript:

Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport Hannover, den 25.01.2017 Vorläufiger Bericht zu der Beschwerde vom 08.12.2016 zu Vertuschungsvorwürfen bei Verdachtsfällen von Sozialleistungsbetrug in der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen (LAB NI) Stand: 25.01.2017 I. Wesentliche Ergebnisse Das Land Niedersachsen hat frühzeitig und systematisch Vorkehrungen geschaffen oder entwickelt, um Asylbewerber zweifelsfrei identifizieren zu können Es hat in der LAB Braunschweig nach heutiger Kenntnis keine Vertuschung von Sozialleistungsbetrug gegeben Alle diesen Fall betreffenden Unterlagen sind im Juni 2016 vollständig der Polizei übergeben worden II. Ausgangslage Das Auftreten von Mehrfachidentitäten und damit möglichen Fällen des Sozialleistungsbetruges stehen im engen Zusammenhang mit der Situation im Herbst/Winter 2015. Seinerzeit war die Lage sowohl in tatsächlicher als auch in technischer und rechtlicher Hinsicht eine ganz andere als heute: Zugangssituation: bis zu 2.000 Menschen pro Tag Seit August 2015 stiegen die Zugänge von Flüchtlingen in Deutschland stark an. Insbesondere ab Anfang September 2015 kamen täglich in Spitzenzeiten bis zu 2.000 Menschen allein nach Niedersachsen, allein bis zum Jahresende 2015 wurden rund 100.000 Menschen, die vor Krieg, Verfolgung und großer Not Schutz suchten, im EASY-System registriert, in 2016 waren es rund 30.000 Menschen. Vordringlichste Aufgabe des Landes war dabei die Unterbringung und Versorgung dieser Menschen, um diese vor drohender Obdachlosigkeit zu bewahren. Vor diese Aufgabe waren insbesondere die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen (LAB NI) gestellt. Dazu zählten seinerzeit auch 270 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die von anderen Behörden an die LAB NI abgeordnet waren und über 200 Zeitarbeitskräfte.

- 2 - fehlende rechtliche Voraussetzungen, Überforderung des BAMF Auch die rechtlichen Voraussetzungen für ein einheitliches Identitätsmanagement, das auch wesentliche Grundlage für die Identifizierung und Aufdeckung von Mehrfachidentitäten ist, waren seinerzeit nicht gegeben. Diese wurden erst mit dem Datenaustauschverbesserungsgesetz geschaffen, das im Februar 2016 in Kraft getreten ist. Insbesondere war im Herbst 2015 das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nicht in der Lage, allen Asylsuchenden eine Asylantragstellung einschließlich einer erkennungsdienstlichen Behandlung mit Abnahme von Fingerabdrücken zu ermöglichen. Um den Asylantrag beim BAMF stellen zu können, war es damals aber zwingend erforderlich, nach Registrierung in Bundessystem EASY (Erstverteilung von Asylbegehrenden) und dem Landessystem NIAS (Niedersächsische Ausländersoftware) eine weitere Registrierung und eine erkennungsdienstliche Behandlung, bei auch (erst) die Fingerabdrücke erfasst wurden, im MARIS-System des Bundes vorzunehmen. Ziel war es ursprünglich (also im normalen Zeitablauf), die Registrierung in NiAS und die Registrierung in MARIS gleichzeitig oder an aufeinander folgenden Tagen durchzuführen. Diese zeitliche Nähe war jedoch durch den starken Anstieg der Zugangszahlen nicht mehr gegeben. So wurden z. B. im November 2015 in Niedersachsen durch das BAMF maximal 1.000 Asylanträge - also Registrierung und ED-Behandlung im MARIS-System des Bundes - pro Woche entgegengenommen. Dem standen allerdings Zugänge von über 1.000 Personen pro Tag in Niedersachsen gegenüber, sodass sich alleine in Niedersachsen der Rückstand des BAMF bei der Annahme von Asylanträgen um rund 6.000 Fälle pro Woche erhöhte. Problematisch war auch, dass zwischen dem Bundessystem MARIS einerseits und dem Landessystem NiAS keine digitale Schnittstelle bestand. Außerdem bestand keine ausreichende Rechtsgrundlage zum Austausch dieser Daten. Pilotprojekt Bramsche: Bearbeiterstraße Da für Niedersachsen ein solides Identitätsmanagement bereits damals wichtig war, war bereits im Oktober 2015 in Bramsche in einem Pilotverfahren zusammen mit dem BAMF eine sog. Bearbeiterstraße eingerichtet worden, in der die Registrierung in EASY und in NiAS durch Landespersonal und die ED-Behandlung in MARIS durch Bundespersonal in einem Büro und damit zeitgleich vorgenommen wurden. Ein vergleichbares System hat sich dann mit Einführung der Ankunftszentren bundesweit durchgesetzt.

- 3 - Pilotprojekt Braunschweig: FAST-ID Seit Februar 2016 wurden darüber hinaus am Standort Braunschweig der LAB NI zwei durch die Polizei zur Verfügung gestellte Fast-ID-Geräte zur Fingerabdruckprüfung im Rahmen der Registrierung als Pilotverfahren eingesetzt. Es handelt sich bei der Prüfung über Fast-ID nicht um eine erkennungsdienstliche Behandlung, sondern um eine Abfrage, ob die Fingerabdrücke der geprüften Person bereits in den polizeilichen Auskunftssystemen gespeichert sind. Datenaustauschverbesserungsgesetz schafft Grundlage; Einführung der PIK Erst durch das in Bundeszuständigkeit liegende Datenaustauschverbesserungsgesetz, für das sich Niedersachsen konsequent eingesetzt hat, und seine Umsetzung wird eine eindeutige Identifizierung von Asylsuchenden ab dem ersten Kontakt und nicht wie bisher erst bei Asylantragstellung BAMF sichergestellt. Die Asylsuchenden werden seitdem unmittelbar nach ihrer Ankunft durch das BAMF oder seit April 2016 auch durch die LAB NI elektronisch registriert. Hierfür stehen der LAB NI entsprechende technische Geräte, sogenannte Personalisierungsinfrastrukturkomponenten (PIK) zur Verfügung, die u. a. mit Fingerabdruck-Scannern ausgestattet sind. Sämtliche Datensätze (einschließlich der Fingerabdrücke) werden bundeseinheitlich an zentraler Stelle im Ausländerzentralregister (AZR) gespeichert, die Fingerabdrücke werden mittels Fast-ID mit den im automatisierten Fingerabdruckidentifizierungssystem für Ausländer (AFIS-A) gespeicherten Fingerabdrücken verglichen. Damit ist sichergestellt, dass keine Registrierungen unter verschiedenen Personalien mehr möglich sind. III. Zum Beschwerdevorbringen Vor dieser Ausgangslage ist nunmehr das Beschwerdevorbringen und die Berichterstattung des NDR der vergangenen Tage zu den Fällen der Mehrfachidentitäten und der Verdachtsfälle des Betruges von Sozialleistungen im Standort Braunschweig der LAB NI zu betrachten. Geregeltes Verfahren bei Verdachtsfällen Dabei ist zunächst festzuhalten, dass für entsprechende Verdachtsfälle bereits vor den jetzt streitgegenständlichen Vorgängen ein abgestimmtes Vorgehen zwischen LAB NI in Braunschweig und der Polizei bei entsprechenden Verdachtsfällen gab und nach wie vor gibt: Sobald eine mögliche Mehrfachidentität festgestellt wurde bzw. der Verdacht einer solchen aufkam, wurde sofort die Polizei darüber informiert. Feststellungen zu Mehrfachidentitäten wurden z. B. im Bereich der Aufnahme oder des Sozialen Dienstes, vorwiegend aber im Bereich des Sozialamtes bei Auszahlung des sog.

- 4 - Taschengeldes und Ausgabe von Bekleidungsgutscheinen bekannt, wenn die Person in der Regel vor den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der LAB NI stand. In diesen Fällen wurde die Person mit möglicher Mehrfachidentität dann durch die Mitarbeiterin bzw. den Mitarbeiter vor Ort gebunden, die Polizei umgehend informiert und die tatverdächtige Person in aller Regel zur Vernehmung und erkennungsdienstlichen Behandlung auf die Polizeidienststelle verbracht. Das Vorgehen wurde bereits vor Dienstantritt der Beschwerdeführerin festgelegt, weil von der Feststellung einer mutmaßlichen Mehrfachidentität im Bereich der Aufnahme oder des Sozialen Dienstes nicht unmittelbar auf das Vorliegen einer Straftat geschlossen werden konnte mitunter gab es einfache Erklärungen für vermeintliche Mehrfachidentitäten (falsche Schreibweise des Namens bei der ersten Registrierung, Verlust des Hausausweises usw.). Im Bereich der mehrfachen Inanspruchnahme von Sozialleistungen stand dagegen stets der Verdacht eines möglicherweise unberechtigten Vorgehens im Raum. In Niedersachsen wurden im Januar 2016 an Polizeidienststellen mit einem LAB NI Standort Sonderkommissionen nach dem Vorbild der SOKO ZErm eingerichtet, die sich unter anderem mit diesem Phänomen beschäftigen. Das Phänomen des Sozialleistungsbetrugs ist nicht neu und lässt sich in der Polizeilichen Kriminalstatistik nicht auf die Fälle, in denen der Betrug mittels Mehrfachidentitäten begangen wurde, eingrenzen. Nach Auswertung der Polizeilichen Kriminalstatistik wurden in Niedersachsen im Jahr 2016 2.644 Fälle des Sozialleistungsbetrugs bekannt. Dies ist nach 2014 (3.544 Fälle) der zweithöchste Wert der vergangenen 10 Jahre. Von diesen 2.644 bekannten Fällen wurden 487 Fälle durch Flüchtlinge begangen. Dies entspricht einer Steigerung von 351 Fällen zum Vorjahr. Die Fälle verteilen sich auf alle Polizeidirektionen, wobei die Polizeidirektion Braunschweig mit 166 Fällen in 2016 am stärksten betroffen war. Diese Steigerung steht sicherlich im Zusammenhang mit den hier in Rede stehenden Ermittlungen der SOKO ZErm der Polizeidirektion Braunschweig. Die durch die LAB NI Standort Braunschweig übergebenen Aktenordner enthielten ca. 520 Verdachtsfälle des Sozialleistungsbetrugs bei denen die Polizei Braunschweig aktuell von ca. 300 bis 350 Ermittlungsverfahren ausgeht. Bislang wurden 154 strafrechtlich relevante Sachverhalte identifiziert, von denen ca. 80 Vorgänge zuständigkeitshalber an andere Polizeidienststellen und 12 Vorgänge an die Staatsanwaltschaft Braunschweig abgegeben wurden. Zudem wurden ca. 65 Fälle zur weiteren Verifizierung an die LAB NI Standort Braunschweig zurückgegeben. Die Fälle, die nach Abschluss der Ermittlungen an die zuständige örtliche Staatsanwaltschaft abgegeben wurden, finden sich auch in der Polizeilichen Kriminalstatistik wieder.

- 5 - Aktuell wäre dieses Phänomen grundsätzlich nicht mehr möglich, da Mehrfachidentitäten bereits bei der Registrierung über Fast-ID auffallen würden. Bereits an dieser Stelle wird deutlich, dass entsprechenden Verdachtsfällen nachgegangen wird und schon aus diesem Grund zu keiner Zeit von einer Vertuschung von Straftaten durch Asylsuchende die Rede sein kann. Dieses Verfahren ist im Übrigen auch der Beschwerdeführerin bekannt, wie sie selbst in ihrer Beschwerde einräumt. MI erfährt von Vertuschungsvorwürfen am 13.12.2016 über Beschwerdestelle Die zuständige Fachabteilung des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport erfuhr von den Vertuschungsvorwürfen am 13.12.2016 über die Beschwerdestelle für Bürgerinnen und Bürger und Polizei durch eine Beschwerde vom 08.12.2016 einer ehemaligen Mitarbeiterin der LAB NI, die sich auch später im NDR zu Wort gemeldet hat. Die Fachabteilung hat unverzüglich begonnen, der Beschwerde nachzugehen und hat dazu die Betroffenen um entsprechende Stellungnahmen gebeten. Nach der Auswertung dieser stellt sich der Sachverhalt zum jetzigen Zeitpunkt wie folgt dar: Sachverhalt: Juni 2015 Zeitpunkt Sachverhalt Die Beschwerdeführerin tritt im Juni 2015 im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung (Zeitarbeit) am Standort Braunschweig ihren Dienst an. Der Vertrag ist befristet bis zum 30.06.2016. Sie wird im Bereich des Sozialamtes eingesetzt. Zu ihren Aufgaben gehört zuvorderst die Bearbeitung und Vorbereitung von Auszahlungen von Sozialleistungen. In der Hochphase der Zugangszahlen 2015/2016 waren in der LAB NI über 200 Zeitarbeitskräfte beschäftigt. Mit Schließung der sog. Notunterkünfte im Mai 2016 reduzierte sich deren Anzahl auf ca. 150. Darüber hinaus sprach sich der Personalrat der LAB NI gegen eine weitere Verlängerung der Verträge der Zeitarbeitskräfte aus. Eine Weiterbeschäftigung war somit nur in bestimmten Arbeitsbereichen mit hohem Arbeitsaufwand möglich. Nach dem 30.06.2016 waren nur noch 42 Zeitarbeitskräfte in der LAB NI beschäftigt. Auch die Abordnungen zur vorübergehenden Unterstützung wurden im

- 6 - letzten Jahr allesamt beendet. Viele der im Rahmen der Abordnung oder Arbeitnehmerüberlassung in der LAB NI eingesetzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wären übrigens gerne in der LAB NI geblieben. Angesichts des Rückgangs der Flüchtlingszahlen konnten aber nur einige wenige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterbeschäftigt werden. Ende Januar/Anfang Februar 2016 Die Beschwerdeführerin wendet sich von sich aus an die SOKO ZErm und teilt mit, dass es einen Aktenordner geben würde, in dem 30 Fälle von Sozialleistungsbetrug dokumentiert seien. Im Nachgang hierzu informiert die Beschwerdeführerin den Standortleiter der LAB NI Braunschweig und zeigt ihm den Ordner mit den 30 Fällen. Diese seien von ihr und einer weiteren Mitarbeiterin der LAB NI, die über ein fotografisches Gedächtnis verfüge, zusammengestellt worden. Der Standortleiter hat Zweifel an der Beweiskraft der in dem Aktenordner befindlichem Unterlagen zur Identifizierung von Mehrfachidentitäten, da sich in dem Ordner überwiegend qualitativ minderwertige Schwarzweißausdrucke von Fotos befinden, die aus seiner Sicht keinen sicheren Wiedererkennungswert zulassen. Der Standortleiter nimmt aus diesem Anlass gleichwohl Kontakt mit der SOKO ZErm auf. Im Hinblick auf den zweifelhaften Beweiswert verständigt man sich, den Ordner noch einmal gründlich zu sichten, bevor weitere Verfahrensschritte eingeleitet werden sollen. Dabei geht der Standortleiter auch davon aus, dass die SOKO ZErm noch einmal auf ihn zukommen würde. Die SOKO ZErm informiert in diesem Zusammenhang den Leiter des ZKD, der wiederum die zuständige Staatsanwaltschaft in Braunschweig über diese 30 Verdachtsfälle unterrichtet. Man verständigt sich darauf, die

- 7 - weitere Prüfung des Aktenordners durch die LAB NI abzuwarten. Bereits aus diesem Ablauf ist eindeutig erkennbar, dass von einer Vertuschung durch die LAB NI gerade nicht die Rede sein kann. Ansonsten wäre die Kontaktaufnahme zu SOKO ZErm geradezu kontraproduktiv. Hinsichtlich dieses bislang einen Aktenordners steht fest, dass es lediglich zu einem versteckten Dissens in der Kommunikation zwischen beiden Stellen hinsichtlich der weiteren Prüfung des Ordners gekommen ist. bis Mai 2016 Bis Mai 2016 stellt die Beschwerdeführerin eigenständig, ohne Kenntnis des Standortleiters oder der Behördenleitung der LAB NI hiervon, gemeinsam mit der anderen Mitarbeiterin der LAB NI weitere Ordner mit möglichen Verdachtsfällen zusammen. Dies gehört nicht zum Aufgabenkreis der Beschwerdeführerin. Bis Mai sind dies insgesamt 8 Ordner. Diese legt sie im Verlaufe des Mai dann dem Standortleiter der LAB NI vor. Auch diese Ordner bedürfen aus Sicht des Standortleiters der Durchsicht und Überprüfung vor der Übergabe an die Polizei. 24.05.2016 Am 24.05.2016 nimmt die Beschwerdeführerin erneut von sich aus Kontakt zur SOKO ZErm auf, ohne wiederum den Standortleiter zu informieren. Sie befürchtet nach ihren Gesprächen mit der Standortleitung wohl, dass in der Sache nichts veranlasst würde. Sie teilt der SOKO ZErm mit, dass es inzwischen diese acht Ordner mit entsprechenden Verdachtsfällen geben würde. Über dieses Gespräch informiert die SOKO ZErm den Leiter des ZKD.

- 8-25.05.2016 Am Folgetag (25.05.2016) nimmt die Beschwerdeführerin erneut, diesmal telefonisch, Kontakt zu SOKO ZErm auf. In diesem Zusammenhang entsteht offenbar der fälschliche Eindruck, die LAB NI wolle die Akten nicht herausgeben. Auslöser hier ist wohl auch ein vorangegangenes Gespräch zwischen der Beschwerdeführerin und dem Standortleiter, in dem sie auf ihr nicht autorisiertes Verhalten hingewiesen wird. Sie wird deswegen arbeitsrechtlich freigestellt (der Zeitarbeitsvertrag endet zum 30.06.2016). Es erfolgt jedoch weder eine Weisung, die Unterlagen in den Keller zu bringen, noch wird ihr mitgeteilt, dass die Akten nicht der Polizei übergeben werden sollen. Die SOKO ZErm informiert über das Telefonat mit der Beschwerdeführerin den Leiter des ZKD. Dem Leiter des ZKD gelingt es daraufhin nicht, den wegen einer Fortbildung abwesenden Standortleiter oder kurzfristig einen anderen Ansprechpartner zu erreichen. Der Leiter des ZKD informiert im Anschluss die Staatsanwaltschaft Braunschweig über den Sachverhalt. Der Leiter des ZKD nimmt danach Kontakt zur damaligen Behördenleiterin der LAB NI auf. Die Behördenleiterin sichert zu, die Übergabe der Aktenordner an die SOKO ZErm unverzüglich zu veranlassen. 01.06.2016 Die insgesamt 8 Aktenordner werden der SOKO ZErm übergeben, also kurze Zeit, nachdem der Standortleiter selbst Kenntnis von diesen erlangt hat. Zu keinem Zeitpunkt hat es einen Streit zwischen der Polizei und LAB NI gegeben, dass die Akten herausgegeben werden sollen. Es musste auch keine Durchsuchung oder Beschlagnahme der Akten angedroht werden, um die Akten zu erhalten.

- 9 - FAZIT Sowohl für LAB NI wie auch die Polizei war damit der Fall erledigt. Nur wenige Wochen, nachdem dem Standortleiter von den acht Aktenordnern Kenntnis erlangt hatte, wurden diese der zuständigen SOKO ZErm übergeben. Dies wäre im Übrigen auch der Fall gewesen, hätte die Beschwerdeführerin nicht selbst die SOKO ZErm informiert. Die Thematik wäre in jedem Fall zwischen LAB NI und SOKO ZErm erörtert worden, was allerdings wegen der dargestellten Arbeitsbelastung nicht mehr vor Übergabe der Akten am 01.06.2016 stattfinden konnte. Von einer Vertuschung oder einem entsprechenden Versuch kann daher nicht die Rede sein. IV. Aufklärung von Mehrfachidentitäten als zentrales Anliegen Die Aufklärung von Mehrfachidentitäten und von möglichem Betrug zur Erlangung von Sozialleistungen durch Asylsuchende ist ein zentrales Anliegen für das Ministerium und der ihm nachgeordneten Behörden. Systematisches Vorgehen Hierfür ist jedoch ein systematisches Vorgehen erforderlich, um ohne z. B. anhand eines manuellen Abgleichs von Fotos die Nadel im Heuhaufen suchen zu müssen oder auch alle Asylsuchenden unter einen Generalverdacht zu stellen. Auch stellt nicht jede Mehrfachidentität auch gleichzeitig einen Betrugsfall dar. Möglich ist zum Beispiel auch, dass sich Asylsuchende mehrfach registrieren lassen wollen, um einer Aufnahmeeinrichtung zugeteilt zu werden, die dem von ihnen gewünschten Aufenthaltsort im Bundesgebiet am nächsten kommt. Bereits durch das eingeführte einheitliche Identitätsmanagement, insbesondere durch den Abgleich von Fingerabdrücken, wie sie seit Einführung der PIK in Niedersachsen erfolgt, gewährleistet. Projektgruppe der LAB NI Insbesondere die LAB NI arbeitet intensiv und aktiv an der Aufklärung von Mehrfachidentitäten. So wurde im Herbst 2016 eine Projektgruppe eingesetzt, die ein Verfahren entwickelt hat, um die Nutzung von Mehrfachidentitäten in der Vergangenheit aufzuklären und seit Einführung des einheitlichen Identitätsmanagement erkannte Mehrfachidentitäten effektiv und effizient zu

- 10 - bearbeiten. Das Verfahren wurde vom Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport gebilligt und wird von der LAB NI umgesetzt. An allen Erstaufnahmeeinrichtungen werden Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter mit besonderer Expertise für die Thematik Mehrfachidentitäten eingesetzt. Bereits jetzt sind in diesem Zusammenhang 450 Mehrfachidentitäten, hinter denen sich also maximal 225 Personen verbergen können, entdeckt worden, die nunmehr geordnet in Abstimmung mit Polizei, BAMF und Kommunen überprüft werden. Bei diesen Personen kann es zu Überschneidungen mit denen von der SOKO ZErm verifizierten Personen kommen. Expertengruppe Die o. g. Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter werden darüber hinaus mit Vertretern der Polizei in einer Expertengruppe zusammenarbeiten, um niedersachsenweit entsprechenden Verdachtsfällen nachzugehen. Durch diese Vernetzung aller Fachleute soll sichergestellt werden, dass in diesen Fällen überall und umfassend reagiert werden kann. Die Expertengruppe nimmt ihre Arbeit unverzüglich auf. Vollständige erkennungsdienstliche Behandlung aller Asylsuchenden In diesem Zusammenhang spielt auch die vollständige erkennungsdienstliche Behandlung der Asylsuchenden in Niedersachsen, die zwar seit Herbst 2015 im EASY-System des Bundes registriert worden waren, aber nach dem damaligen Verfahren durch das zuständige BAMF nicht erkennungsdienstlich behandelt wurden und einen Asylantrag stellen konnten (sog. EASY GAP), eine zentrale Rolle. Bereits seit Frühsommer 2016 arbeiteten hierzu das Land Niedersachsen gemeinsam mit den zuständigen kommunalen Ausländerbehörden und dem BAMF zusammen, um diese Lücke zu schließen. Dazu unterstützte das Land Niedersachsen das BAMF insbesondere bei der Kommunikation mit den Ausländerbehörden, der Ladung und der Beförderung dieser bereits auf die Kommunen verteilten Personen zur Antragstellung. Personen, die dieser Einladung nicht nachkommen konnten bzw. nicht nachgekommen sind, wurden vom zuständigen BAMF ein zweites Mal persönlich geladen. Bei Personen, die auch nach dieser zweiten Aufforderung nicht zur Asylantragstellung erschienen sind, wird das Asylverfahren vom BAMF eingestellt; die Betroffenen werden damit ausreisepflichtig. Die nunmehr zuständigen kommunalen Ausländerbehörden ergreifen ggf. in Zusammenarbeit mit der Polizei die weiteren aufenthaltsrechtlichen Maßnahmen, wozu auch die nachträgliche erkennungsdienstliche Behandlung zählt. Sie werden hierbei vom Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport unterstützt.