3461 Kap 1 SS2017 1 von 5 1 Stresstheorien Reaktionsbezogene Stresskonzeption Stressreaktion als universeller Abwehrmechanismus zur Bereitstellung von Energie (Seyle 1936) Auffassung, dass Organismus spezifisch auf verschiedene Anforderungen reagieren könne Diese Reaktion unabhängig von der Art der Anforderung immer von unspezifischen Veränderungen begleitet Allgemeines Anpassungssyndrom (AAS) Drei Stadien der Reaktion auf einen Stressor, definiert durch das Maß an Widerstand, das der Organismus entgegensetzen kann: 1. Alarmphase: Relativ kurz. Kräftemobilisierung nach Schock 2. Widerstandsphase: Organismus durch Kräfte in der Lage, die Belastungen zu bewältigen 3. Erschöpfungsstadium: Wenn Stress zu lange, Reserven aufgebraucht. Widerstandskraft unter dem Ausgangsniveau, Anstieg der Krankheitswahrscheinlichkeit. 1. Welche zwei Systeme vermitteln die physiologische Stressreaktion? Sympathikus-Nebennierenmark-Achse >> Erhöhte Ausschüttung von Katecholaminen (Adrenalin, Noradrenalin). Fight oder Flight, Puls steigt, verstärkter Sauerstofftransport, Verdauung setzt aus, Blut wird zu den Muskeln transportiert, Schmerzempfinden ist abgeschwächt Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse >> Ausschüttung von Corticosteroiden(Cortisol). Stressverarbeitung, Immunsystem heruntergefahren/ Infektionsabwehr reduziert, Geschlechtshormone gedrosselt Situationsbezogene Stresskonzeption Stressbegriff bezieht sich auf externe Reize >> Stressoren 2. Was sind typische Merkmale von Stressoren? Hohe Intensität Lange Dauer Neuartigkeit Unvorhersehbarkeit Unkontrollierbarkeit Mehrdeutigkeit Kritische Lebensereignisse (Makrostressoren) Critical life events als negative oder positive Stressoren, die zentrale Veränderungen hervorrufen und psychosoziale Anpassungs- und Bewältigungsleistungen erforderlich machen Konfrontation mit Vielzahl kritischer Lebensereignisse hat schwachen negativen Einfluss auf psychische und physische Gesundheit Eher als das alleinige Auftreten eines krit. Ereignisses, ist seine Wahrnehmung Bewertung und Verarbeitung ausschlaggebend 3. Was ist das Stresshafte an kritischen Lebensereignissen? Drei Kategorien kritischer Lebensereignisse Non-normativ: Scheidung, Jobverlust. Selten, unvorhersehbar, stark belastend Zeitbezogen: Umweltzerstörung, politische Konflikte, Migration
3461 Kap 1 SS2017 2 von 5 Normativ: Soziale Veränderungen im Einklang mit kulturell definierten Entwicklungsaufgaben z.b. neue Partnerschaft; Mittlere Belastung > kann sich durch Anhäufung von Stressoren steigern. Instrument: Lebensereignisse können mit der Social Readjustment Rating Scale (SRRS) erfasst werden: Liste mit 43 prägnanten Lebensereignissen Punktwert (Life Change Units, LCU) gibt das Ausmaß benötigter Anpassung an erlebtes Stresslevel: Summe der LCU der letzten 12 Monate >>>> Wahrscheinlichkeit, in den nächsten zwei Jahren zu erkranken Kritik: Basiert auf empirischen Untersuchungen der 1960er im amerikanischen Kulturkreis; berücksichtigt nur das Eintreten, aber nicht das Ausbleiben krit. Lebensereignisse (z.b. unerfüllter Kinderwunsch), was ebenso eine Anpassung/ Neuorganisation des Lebens erfordert; Grenzwerte und Erkrankungswahrscheinlichkeit nicht ausreichend validiert Alltagsbelastungen (Mikrostressoren) Bedeutung der vielfältigen, kleinen, häufig unvorhersehbaren Ereignisse des Alltags auf das Stresserleben Daily hassels: Alltägliche Belastungen wie finanzielle Schwierigkeiten, Gesundheitssorgen In der Regel stärker mit physischer/psychischer Gesundheit verbunden, als krit. Ereignisse 4. In welchem Zusammenhang stehen daily hassels mit Gesundheit? Weniger die Häufigkeit, als mehr die Bewertung der Alltagsbelastung steht in negativem Zusammenhang mit Gesundheit Synthese von Alltagsbelastungen und kritischen Lebensereignissen Alltagsbelastungen als proximale Veränderungen der unmittelbaren, subjektiv wahrgenommenen Lebensumwelt Kritische Ereignisse als distale Ereignisse, die mittelbar auf das Stresserleben wirken. Beispiel: Ein Umzug wird durch die Erhöhung der Alltagsbelastungen stressrelevant. Instrument: Alltagsbelastungen können mit dem Alltagsbelastungsfragebogen (ABF) erfasst werden: 58 Items mit potentiell belastenden Alltagsereignissen & zwei Leerkategorien der letzten 24 h Kennwerte: Frequenz (Anzahl) der Ereignisse (stimulusbezogen) Summe der der erfahrenen Belastung (subjektiv) Durchschnittliche Belastung: Summe/Frequenz Relationale Stresskonzeption Transaktionales Stressmodell (Lazarus) Personen sind den Stressoren ihrer Umwelt nicht passiv ausgesetzt, sondern es bestehen komplexe Wechselwirkungsprozesse zwischen den Anforderungen der Situation und der Person Nicht objektive Beschaffenheit der Reize, sondern ihre subjektive Bewertung entscheidend 5. Wie entsteht der transaktionalen Stresskonzeption zufolge Stress? Stress ist das Ergebnis von verschiedenen subjektiven Einschätzungen und Bewertungsprozessen. Er entsteht durch ein subjektiv wahrgenommenes Ungleichgewicht zwischen internen/externen Anforderungen und Bewältigungsmöglichkeiten. Die Wahrnehmung kann durch objektive Merkmale der Situation oder durch Personenmerkmale beeinflusst werden.
3461 Kap 1 SS2017 3 von 5 Relationale Auffassung von Stress: Situation ist nicht per se eine Belastung, sondern nur, wenn Ressourcen als nicht ausreichend eingeschätzt werden primäre Bewertung 6. Was versteht Lazarus unter primärer Bewertung? Eine Situation wird in Bezug auf das eigene Wohlbefinden eingeschätzt: irrelevant angenehm-positiv stressbezogen Schaden/Verlust: Bereits eingetretene Schädigung, z.b. Störung d. Selbstbildes Bedrohung: Antizipierte Schädigung, z.b. Nichterreichung von Zielen, Gefahr Herausforderung: Möglichkeit der erfolgreichen Bewältigung, Zugewinn Sechs Inhaltsbereiche, relativ unabhängig voneinander, werden differenziert wahrgenommen & beurteilt: Bedrohung des Selbstwertgefühls Bedrohung des Wohlbefindens einer geliebten Person Bedrohung der eigenen Gesundheit, Sicherheit oder physischen Wohlbefindens Nichterreichen eines wichtigen Ziels im Beruf 5. Belastung der finanziellen Ressourcen Verlust des Respekts vor jemandem Sekundäre Bewertung: Einschätzung der eigenen Bewältigungskompetenzen und -ressourcen Persönliche Ressourcen: Kompetenz, Gesundheit Externe Ressourcen: Geld, soziale Unterstützung Stressbezogene Bewertung: Ressourcen/Kompetenzen nicht vorhanden/ nicht ausreichend Vier Bewältigungsoptionen, relativ unabhängig voneinander, (negative) Korrelation zw. 1 & 2.: Situation ist veränderbar Situation muss akzeptiert werden In der Situation ist mehr Information nötig, bevor gehandelt werden kann Situation erfordert Zurückhaltung, man kann nicht tun, was man möchte Primäre und sekundäre Bewertung beeinflussen sich gegenseitig. Sie laufen nicht nacheinander ab. Neubewertung: Rückkopplungsprozess (Erfolg/Misserfolg), der zu veränderter Stresswahrnehmung führen kann Neubewertung von Situationen oder Bewältigungsmöglichkeiten
3461 Kap 1 SS2017 4 von 5 Ressourcenbezogene Stresskonzeption Modell der Ressourcenerhaltung (Conservation of Resources COR) v. Hobfoll (1989) Modell soll die situationsbezogene und kognitive Sichtweise vereinen basiert auf der Annahme des Lustprinzips, dem Streben nach physischen, sozialen und psychologischen Ressourcen Annahme, dass Menschen auf sich und ihre soziale Umgebung einwirken, um positive Verstärkung zu erhalten und den Verlust von Ressourcen zu verhindern 7. Wie ist Stress in der Theorie der Ressourcenerhaltung definiert? Drei jeweils hinreichende Stressauslöser: Stress als Reaktion auf die Umwelt, in der der Verlust von Ressourcen droht, der tatsächliche Verlust von Ressourcen eintritt, oder der adäquate Zugewinn von Ressourcen nach einer Ressourceninvestition ausbleibt Ressourcen = > Zentrales Element des Modells Objekte, persönliche Charakteristika, Bedingungen und Energien, die vom Individuum wertge- schätzt werden oder die zu ihrer jeweiligen Erreichung dienen Objektressourcen: Kleidung, Haus, Auto. Oft an sozioökonomischen Status gebunden Persönliche Charakteristika: Selbstwirksamkeit, Optimismus, soziale Fertigkeiten. Dienen als Ressourcen, wenn sie die Stressresistenz fördern Bedingungsressourcen: Autonomie, Familienstand, Arbeitsplatzsicherheit Energieressourcen: Wissen, Zeit, Geld. Weniger um ihrer selbst wertgeschätzt, sondern, weil, sie beim Erwerb anderer Ressourcen helfen Hobfoll: Jeder Mensch hat unterschiedlichen Ressourcenpool > unterschiedl. Vulnerabilität
3461 Kap 1 SS2017 5 von 5 Wenn mit Stress konfrontiert >> Streben nach minimalem Ressourcenverlust Wenn nicht mit Stress konfrontiert >> Streben nach Ressourcenaufbau für zukünftige Verluste Investition bestehender Ressourcen bringt Erweiterung des Ressourcenpools und die jeweiligen Ziele des Individuums werden bestärkt (z.b. Status) Sowohl kritische Lebensereignisse als auch alltägliche Stressoren haben Einfluss auf Erwerb und Erhalt von Ressourcen Bei gleichem Ausmaß an Ressourcenverlusten & -gewinnen, haben Verluste stärkere Auswirkung 8. Warum wiegen Ressourcenverluste schwerer als Ressourcengewinne? Gefahr einer Verlustspirale: Zyklus, bei dem das System mit jedem Verlust verletzlicher wird. Personen mit geringem Ressourcenpool benötigen längere Erholungsphasen nach einem Verlust und sind weniger prädestiniert, neue Ressourcen zu gewinnen. Sie sind mit Verlust von Ressourcen vulnerabler für weitere Verluste. Die Bewältigung anstehender Probleme ist erschwert Möglichkeit einer Gewinnspirale: Personen mit vielen Ressourcen sind weniger verletzlich gegenüber Verlusten und können vorhandene Ressourcen eher gewinnbringend einsetzen. Instrument: Conservation of Resources Evaluation (COR-E, Hobfoll & Lilly, 2012) Liste mit 74 Ressourcen Für jede Ressource wird auf einer Skala von 1-4 angegeben, inwieweit ein Verlust die Bedrohung eines Verlusts ein Zugewinn vorlag. Matrix mit Ressourcengewinn/-verlust in den letzten x Monaten von -4 (in großem Maße verloren) bis +4 (in großem Maße gewonnen)