Zwangsprivatisierung der Wasserversorgung durch die EU? Univ.-Prof. Dr. Arno Kahl

Ähnliche Dokumente
Inhouse-Vergaben und interkommunale Zusammenarbeit Wann ist Vergaberecht anwendbar?

Ausschreibungspflicht von Sondernutzungsverträgen Im Hinblick auf die EU-Konzessionsvergaberichtlinie

Interkommunale Zusammenarbeit in der Wasserversorgung und EU-Vergaberecht Prof. Dr. Gerald G. Sander

VL Gebietskörperschaften als Unternehmer

7. EINHEIT: ÖFFENTLICHE UNTERNEHMEN IM UNIONSRECHT

21. Wasserwirtschaftlicher Gesprächskreis

Das Vergaberecht regelt die Art der Ausschreibung. Wann ist eine EU-Ausschreibung erforderlich. Wann muss das Vergaberecht beachtet werden

Interkommunale Zusammenarbeit Wie geht s konkret?

Inhouse-Geschäft und öffentlich-öffentliche Kooperationen: Neues vom europäischen Vergaberecht? Univ.-Prof. Dr. Jan Ziekow Direktor

Europas Zuständigkeit für`s Wasser Umfang und Grenzen

Vor dem Sturm? Das neue europäische Recht der Dienstleistungskonzessionen. TU Berlin / Europolis. 28. November 2012

Öffentliches Wirtschaftsrecht. Vergaberecht In-House Geschäfte Interkommunale Zusammenarbeit

Vergaberechtliche Fragen interkommunaler Kooperationen und Inhouse-Geschäfte in der Wasserwirtschaft

TOP 3 - Aktuelle Entwicklungen in der europäischen Wasserpolitik mit Relevanz für die kommunale Wasserwirtschaft

VL Gebietskörperschaften als Unternehmer

Dr. Mathias Mantler. Rechtsanwalt, Partner

Die Erledigung öffentlicher Dienstleistungen im Wege der In-House-Vergabe

Die Konzessionsvergaberichtlinie Fluch oder Segen für die Wasserwirtschaft?

Kommunen, Energiewende und Hessische Gemeindeordnung Was ist erlaubt? 22. März 2012 Dr. David Rauber

EU-Rechtsentwicklung: Interkommunale Zusammenarbeit, ÖPP und Dienstleistungskonzessionen. Kommunaler Spitzenverband in Deutschland und Europa

Grundlagen des Vergaberechts

Kommunaler Spitzenverband in Deutschland und Europa.

Was bringt die Zukunft für das österreichische Wasser?

VORSTELLUNG DES LEITFADENS DER NEUE RECHTSRAHMEN FÜR DEN BUSVERKEHR CHANCEN FÜR DEN MITTELSTAND

Kommunale Selbstverwaltung in der Energiewirtschaft nach den BGH-Urteilen zur Vergabe von Wegekonzessionen

VL Gebietskörperschaften als Unternehmer

Wettbewerbsfreie Vergabe von Schülerverkehren

Zum Verhältnis von Energiewirtschaftsrecht ( 46 EnWG) und Vergaberecht

Seminar für NWE-Projektpartner und LeadPartner in Nordrhein-Westfalen zu Fragen der korrekten finanziellen Projektdurchführung

Vorlesung Öffentliches Recht II. Europarechtliche Grundlagen II

Kartellrechtsfragen gemeinsamer Vergütungsregeln

Stellungnahme des BKK Dachverbandes e.v. vom 26. Mai zum

Neuerungen im EU - Vergaberecht

Auftragsvergaben/Vergaberecht (5)

3 Die Unionsbürgerschaft

Dienstleistungskonzessionsvergaben der Stadt Bayreuth nach altem Recht Werkstattbericht

Wahltarife zwischen PKV und GKV

A. Einführung in das Recht der öffentlichen Auftragsvergabe... 1

Vergabe von Rettungsdienstleistungen

In-House-Geschäfte und Interkommunale Kooperationen Aktuelle Entwicklungen und verbleibende Spielräume für Auftraggeber

Europäische Regulierungen am Beispiel des ÖPNV (Inhouse-VO 1370/2007)

Auswirkungen von TTIP und CETA auf den Rechtsrahmen für öffentliche Dienstleistungen in Europa

Der steinige Weg zu einem fairen Bestbieterprinzip

Fairer Wettbewerb rechtliche Voraussetzungen von Einkaufsgemeinschaften

Zum Vergaberecht nach Ahlhorn, GWB-Novelle und EuGH-Entscheidung, insbesondere im Zusammenhang mit städtebaulichen Verträgen

Bevorzugte Vergabe an Integrationsprojekte bei Aufträgen der öffentlichen Hand?

Rechtsanwälte

Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie

Juristische Fragen zu interkommunaler Zusammenarbeit. Prof. Dr. Steffen Gronemeyer Daniela Deifuß-Kruse. BRANDI Rechtsanwälte Paderborn

Veräußerung öfentlicher Unternehmen und Vergaberecht

Öffentliches Wirtschaftsrecht

Öffentliches Wirtschaftsrecht. Privatisierung und Kommunalisierung

Förderrechtliche Rahmenbedingungen für Offshore-Testfelder und Offshore-Forschung. Daniela Bizjak, PtJ

Das Open-House-Modell vor dem EuGH

Ausschreibung versus Direktvergabe: Handlungsmöglichkeiten der Aufgabenträger. IHK Nürnberg 6. November 2014 RA Arnd Bühner RA Tobias Jordan

VL Gebietskörperschaften als Unternehmer

Energietag Roth. Neue Ausschreibungs- und Vergabemodalitäten beim Konjunkturprogramm. Roth, 22. Juli 2009

TTIP, CETA. und TiSA. Auswirkungen der Freihandelsabkommen auf Städte und Gemeinden in Österreich

Rechtsformen der interkommunalen Zusammenarbeit

Vertragsänderungen bei Konzessionen

Vergaberechtliche Anforderungen und Grenzen für Kooperationen öffentlicher Krankenhausträger auf dem Gebiet von Apothekendienstleistungen

Unterstützung bei der Vergabe & Ausschreibung

Mittelstandsfreundliche Vergaben Eine Überlebensfrage für das private Omnibusgewerbe

Rechtsgrundlagen für Ausschreibungen bibliotheksrechtliche Sicht

Wasserrecht von München bis Brüssel. oder von Brüssel für Bayern?

WAS IST NATURA 2000 WAS KANN NATURA 2000?

Die Rolle des europäischen und internationalen Rechts bei der Restrukturierung öffentlicher Dienstleistungen

Voraussetzungen für Direktvergaben und Inhouse-Vergaben durch Aufgabenträger

Zusammenarbeit Land Kommunen am Beispiel von BeihilfeNRWplus

- Name und Hinweis auf die Versteigerung eines Grundstücks izm einer Pfändung wegen Forderung der Sozialversicherung

EU-Beihilfenrecht für Kommunen und Berichtspflichten

Allgemeine Einkaufsbedingungen für Planung, Überwachung und gutachterliche Tätigkeiten der EEW Energy from Waste GmbH, 06/2015

Öffentliche Aufträge innerhalb der EU

Institut für öffentliches Wirtschaftsrecht der Christian-Albrechts-Universität, Kiel

Kommunale Zusammenarbeit - Formen, Arten und Möglichkeiten -

Deckblatt. Susanne Hanebuth

Rekommunalisierung als Option: Rechtliche Rahmenbedingungen

Neue Regeln für den Geschäftsverkehr 2012: Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) und Online-Handel. Newsletter März 2012

Übersicht neue europäische Vergaberichtlinien (Stand Juli 2013)

C. Rechtsgeschäftslehre II: Wirksamwerden und Inhalt

Geplante Neuerungen im Vergaberecht mit NRW-Besonderheiten Dr. Ute Jasper Rechtsanwältin. Neuerungen in NRW

Interkommunale Zusammenarbeit

DRESDEN INTERNATIONAL UNIVERSITY (DIU)

Zu Artikel 13 ( Änderung des Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften )

Thema des Vortrags: Jahrestagung des Fachverbandes der Kämmerer in Schleswig-Holstein am b UStG

Strukturkonzepte für kommunale und gemischtwirtschaftliche Projekte

Die neue EU-Vergaberichtlinie 2014/24/EU Ende des Preisverfalls und Rückkehr zur Qualität? Berlin, Dr. Daniel Soudry, LL.M.

Das Reformpaket der EK ein Überblick über die ökologischen Neuerungen. Dr. Michael Fruhmann

BESONDERES VERWALTUNGSRECHT II (KOMMUNALRECHT, BAURECHT)

Breitband Thüringen 7. Thüringer Breitbandgipfel. Vergabeverfahren im Rahmen der Bundesförderung

Prof. Dr. M. Wolf Fachbereich Rechtswissenschaft. Vergaberechtlicher Rahmen für In-House-Vergaben und interkommunale Zusammenarbeit

Rat der Europäischen Union Brüssel, den 30. Oktober 2015 (OR. en)

Aktuelles Vergaberecht 2009

5 offene Fragen bei der staatlichen Finanzierung von Leistungen der Daseinsvorsorge in Deutschland

Umsetzungsmodelle und Rechtsrahmen für Vergaben. Dr. Ute Jasper Rechtsanwältin. Bau und Betrieb von Asylbewerberunterkünften

Die Umsetzung der neuen EU-Richtlinien des öffentlichen Auftragswesens in Südtirol

Ligasport und Kartellrecht

GEMISCHTE VERTRÄGE. 2. Berliner Konzessionsrechtstage am 6./7. April Dr. Justus M. Bartelt

Haushaltsrecht und Vergaberecht

LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 5/ Wahlperiode

Transkript:

Zwangsprivatisierung der Wasserversorgung durch die EU? Univ.-Prof. Dr. Arno Kahl

Wasserversorgung in Österreich kleinräumige Organisation, vorwiegend auf kommunaler bzw interkommunaler Ebene organisiert. bereits auf Produktionsebene vergleichsweise wenig räumlicher Spielraum Begrenzung der Leitungsnetze aus der historisch gewachsenen Aufgabenbesorgung auf Gemeindeebene überwiegend keine gesetzliche Pflicht zur Besorgung der Wasserversorgung durch die Gemeinden neue Staatszielbestimmung Wasser ist kein gewöhnliches Produkt ( ererbtes Gut, verderbliches Lebensmittel)

Begriffliche Klarstellung Privatisierung: Übertragung von Eigentum von öffentlicher Hand auf Privaten (Organisationsprivatisierung/Leistungsprivatisierung) Zwangsprivatisierung: Die rechtliche Anordnung der zwangsweisen Überführung von öffentlichem Eigentum in private Hände ist aus primärrechtlichen Gründen nicht zulässig. Liberalisierung: Schaffung von Marktzugang und Wettbewerb, wo Marktkräfte noch nicht wirken Thema ist Liberalisierung des Wassermarkts

Liberalisierung 1 - Kapitalverkehrsfreiheit Wettbewerb findet seit Jahren durch Unternehmens(anteils)kauf statt. zb Einstieg des Veolia-Konzerns in die Wasserversorgung von Maria Rain und Klagenfurt Gemeinden haben schwache Position, wenn sie finanziell unter Druck sind

Liberalisierung 2 Verkauf von Wasser in Flaschen Warenverkehrsfreiheit; wird hier nicht weiter behandelt

Liberalisierung 3 Netzliberalisierung Netze als natürliches Monopol Einleitung von Wasser unterschiedlicher Qualität und Härtegrade? Verlust der Qualität als zentralem Wettbewerbselement! Reiner Preiswettbewerb ist nicht sinnvoll. Verderblichkeit des Produkts Wasser Frage nach der Kompetenz der EU zur Liberalisierung des Wassermarkts analog zu anderen Infrastrukturbereichen Art 192 Abs 2 AEUV: Maßnahmen, die die mengenmäßige Bewirtschaftung der Wasserressourcen berühren oder die Verfügbarkeit dieser Ressourcen betreffen Art 114 AEUV: Rechtsangleichungskompetenz

Liberalisierung 4 die geplante RL über die Vergabe von DL-Konzessionen Zwangsprivatisierung der Wasserversorgung, Liberalisierung durch die Hintertüre? Dienstleistungskonzessionen sind typisch für Bereiche der Daseinsvorsorge Es gelten die allgemeinen Grundsätze des AEUV (Vergabeprimärrecht): Diskriminierungsverbot, Transparenzgebot, Berücksichtigung des Wettbewerbsprinzips (angemessener Grad an Öffentlichkeit). RL-Entwurf umfasst nicht die Eigenerbringung durch eine Gemeinde im eigenen Gemeindegebiet!

Dienstleistungskonzession: schriftlicher Vertrag, wobei die Gegenleistung für die zu erbringenden Dienstleistungen entweder allein in dem Recht zur Nutzung der Dienstleistungen oder in diesem Recht zuzüglich einer Zahlung besteht. Übergang des wesentlichen Betriebsrisikos auf den Konzessionsnehmer EuGH (Rs C-206/08, Eurawasser/Gotha): Selbst wenn das Risiko wie in der Wasserversorgung strukturell erheblich eingeschränkt ist, kann eine DL-Konzession vorliegen.

Schwellenwert 5 Mio EUR Ausnahmen neben der Eigenregie: Inhouse-Vergabe Kontrollelement (maßgeblicher Einfluss auf strategische Ziele und Entscheidungen); auch gemeinsame Kontrolle möglich mindestens 90% der Tätigkeiten der juristischen Person werden für den öffentlichen Auftraggeber ausgeführt keine private Beteiligung vertragliche Zusammenarbeit echte Zusammenarbeit; Ziel der gemeinsamen Aufgabenerfüllung wechselseitige Rechte und Pflichten ausschließlich Überlegungen izm öffentlichem Interesse nicht mehr als 10% auf offenem Markt keine anderen Finanztransfers keine private Beteiligung

Baustellen Stadtwerke: passive private Beteiligung nunmehr 80% (zuvor 90%) des Umsatzes mit der Kommune erzielen. Lösung: Ausnahme für Wassersparte, allerdings mit Herauslösung aus Stadtwerke-Verbund bis 2020 (wie starkes Unbundling? Verlust von Synergieeffekten) Horizontale Zusammenarbeit echte Zusammenarbeit mit wechselseitigen Rechten und Pflichten ( statt Nachbarschaftshilfe europaweite Ausschreibung?) Erhöhung des Schwellenwerts auf 8 Mio EUR

gemeinschaftlich errichtete Inhouse-Einheiten Streichung des Verbots der Erwirtschaftung anderer Einnahmen als derjenigen, die sich aus der Rückzahlung der tatsächlich entstandenen Kosten ergeben Senkung des Wesentlichkeitskriteriums von 90% auf 80% Interkommunale Zusammenarbeit Streichung der Begrenzung auf 10% der Tätigkeiten auf offenen Märkten Streichung des Verbots anderer als sich aus der Rückzahlung der tatsächlichen Kosten ergebenden Finanztransfers zwischen den Gebietskörperschaften Streichung der Pflicht zur Öffnung der Konzession, wenn während der Laufzeit ein Privater einsteigt RL wird keine Rückwirkung haben

Schluss Keine umfassende Liberalisierung geplant, Zwangsprivatisierung sowieso nicht Startschuss ist immer ein Beschluss der Gemeinde zur Liberalisierung bzw Privatisierung der Wasserversorgung Wenn Privater beteiligt wird, sind vergaberechtliche Schranken zu beachten. Wenn die 80%-Grenze nicht eingehalten wird, kommt Ausnahme nicht in Betracht. Unbundling von Stadtwerken? Gefahr: klamme kommunale Kassen Nächster Schritt im Plenum des Europäischen Parlaments am 10.9.2013