Sucht und neurologische Begleiterkrankungen 15 % der Deutschen betreiben eine riskanten Alkoholkonsum Frauen: > 12 g Alkohol/Tag Männer: > 24 g Alkohol/Tag
500 ml Bier enthalten 20 g Alkohol 1 Glas Sekt enthält 10 g Alkohol 1 Glas Wein enthält 9 g Alkohol
Pathophysiologie Alkohol wirkt modulierend und verstärkend auf die inhibitorischen GABAA-Rezeptoren Bei chronischem Konsum kommt es zu einem kompensatorischen Heraufregulieren von Glutamat und damit durch dessen toxische Effekte zu Zelluntergang Erst Kleinhirn, dann frontaler Kortex, dann limbisches System sowie schließlich das komplette ZNS
Ethanol wird zu Acetaldehyd abgebaut (Organschäden sowie Abhängigkeit durch Dopaminfreisetzung) Häufige Mangelernährung führt zu einem Mangel an B-Vitaminen Erst 40 l Bier oder 200 l Wein enthalten genügend B-Vitamine
Alkoholintoxikation Leichter Rausch: 0,5-1,5 Promille: Reduktion der psychomotorischen Leistungsfähigkeit usw. Mittelgradiger Rausch: 1,5-2,0 Promille: Euphorie oder Gereiztheit, Benommenheit usw. Schwerer Rausch: >2,5 Promille: Bewusstseinsstörung, Alkoholintoxikation
Fallbeispiel 56 jähriger Bauzeichner Brennende Mißempfindungen an den Fußsohlen und zunehmende Gangunsicherheit Vorerkrankungen: Arterielle Hypertonie, Behandlung mit Ramipril Klinisch: polyneuropathisches Schmerzsyndrom, nicht auslösbare Muskeleigenreflexe an den Beinen, distal gemindertes Vibrationsempfinden
Auf Nachfrage kein übermäßiger Alkoholkonsum, lediglich zum Essen ein bis zwei Flaschen Bier und eine halbe Flasche Wein am Abend Leichter Intentionstremor an den Händen, sakkadierte Blickfolge Elektrophysiologisch: axonale beinbetonte sensomotorische Polyneuropathie Labor: Leicht erhöhte Transaminasen, erhöhte GGT und verminderte Thrombozytenzahl Diagnose einer toxischen Polyneuropathie, Empfehlung zur Abstinenz sowie Achten auf eine ausgewogene Ernährung, ggf. Vitaminergänzungspräparate
Alkoholische Polyneuropathie Elektrophysiologische Hinweise auf eine Polyneuropathie finden sich bei zwei Drittel der Alkoholkranken Die toxische Neuropathie (durch Acetaldehyd) betrifft insbesondere dünne, schwach myelinisierte Fasern, der Vitaminmangel (Thiamin und andere B-Vitamine) auch dicke, myelinisierte Nervenfasern Symptome: schmerzhafte Dysästhesien, Muskelkrämpfe, Kälte-oder Hitzegefühl in den Beinen, Brennen der Fußsohlen. In fortgeschrittenen Fällen auch Paresen mit Muskelatrophien. Vegetative Symptome wie Störung der Schweißsekretion, dünne Haut, Veränderungen der Fußnägel sowie Potenzstörungen sind häufig.
Diabetes und Alkohol zu 50 % Ursache der Polyneuropathie
Fallbeispiel Herr W, 56 Jahre, seit Jahren chronischer Alkoholabusus bekannt Aufnahme auf die Intensivstation mit Alkoholentzugs-Grand-Mal- Anfall In der Labordiagnostik Erhöhung der Leberwerte sowie der Kreatinkinase, ferner deutliche Hyponatriämie mit 116 mmol/l Im Rahmen der Hyponatriämie fluktuierende Vigilanz, begleitend jedoch auch ein vegetatives Entzugssyndrom, Alkoholspiegel bei Aufnahme 0 Promille
Behandlung mit Diazepam sowie Thiamin, Ausgleich der Hyponatriämie mit hypertoner NACL-Lösung (3%), Ausgleich der Elektrolyte bereits 2 Tage später erreicht. Im weiteren Verlauf langsame Rückbildung der Entzugssymptomatik, langsames Ausschleichen des Diazepams, Verlegung auf die Normalstation, nach weiteren 3 Tagen Überwachung schließlich Entlassung des Patienten. 2 Wochen nach Entlassung des Patienten erneute Vorstellung in der Notaufnahme mit Sprech- und Schluckstörungen, Hyperreflexie positivem Babinski-Zeichen beidseits Leichter Tetraparese und minimaler Bewußtseinstörung
Verdachtsdiagnose?
Zentrale pontine und extrapontine Myelinolyse
Demyelinisierende Erkrankung in der Pons Extrapontine Herde in 10% auch außerhalb der Pons, z.b. Thalamus Kleinhirn Capsula interna, Basalganglien Klinische Symptome reichen von leichten Hirnstammsymptomen bis zum Locked-in-Syndrom, Letalität ca 25% Ursache ist ein zu schneller Ausgleich des Hyponatriämie mit der Folge einer kurzzeitigen Hypernatriämie Faustformel: nur langsamer Ausgleich, max. 8 mmol/l innerhalb von 24 h, vollständige Kompensation nicht notwendig. Ausgleich nur bis zur Symptomfreiheit, Vermeiden einer Hypernatriämie
Fallbeispiel Frau M, 56 Jahre, seit Jahren alkoholkrank Alkoholspiegel bei Aufnahme 0 Promille Vorstellung in der Notaufnahme aufgrund folgender Symptome: Horizontale Blicklähmung Nystagmus Ausgeprägte Gangataxie Verwirrtheit
Verdachtsdiagnose?
Wernicke-Encephalopathie
Störung der Augenbewegung Pupillenstörungen Koordinationsstörungen Epileptische Anfälle Hypothermie, Blutdruckabfall
Ursache: Vitamin B1-Mangel (Thiamin), z.b. durch Mangelernährung, ggf. zusätzliche genetische Prädisposition Die akute Erkrankung ist ein medizinischer Notfall Therapie: Intravenöse Gabe von Thiamin (100 mg 3 x pro Tag in den ersten 3 Tagen, dann 100 mg pro Tag für weitere 7 Tage. Prophylaktische Therapie mit z.b. 300 mg oral pro Tag Psychische Manifestation der Wernicke-Encephalopathie: Korsakow-Psychose (Störung des Lang-und Kurzzeitgedächtnisses, Erwerb neuer Gedächtnisinhalte erschwert.
Kleinhirndegeneration Schwere Gang-und Standataxie, Akzentuierung nach Augenschluß Degeneration des Kleinhirns mit Betonung des oberen Kleinhirnwurms und im medialen Kleinhirnvorderlappen, insbesondere Purkinjezellen Zeichen einer Kleinhirnstörung finden sich bei 1/3 aller chronischen Alkoholiker, verstärkt häufig bei Mangelernährung
Akute und chronische alkoholische Myopathie Äthyltoxisch, akut Schmerzen, Schwellung, Bewegungseinschränkung Anstieg der Kreatinkinase, Nierenversagen Kaliummangel, akut Keine Schmerzen, proximale Lähmungserscheinungen Chronische Myopathie bei 2/3 der Alkoholiker Schmerzlos, Beckengürtel mehr als Schultergürtel Kardiomyopathie, Holiday heart syndrome durch Freizeitstreß
Alkoholmyelopathie Marchiafava-Bignami-Syndrom (Corpuscallosum-Nekrose Nervus opticus Neuropathie (Tabak-Alkohol- Amblyopie)
Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit