Musterlösung Analysis 3 - Maßtherorie 10. März 2011 Aufgabe 1: Zum Aufwärmen (i) Zeige, dass die Mengensysteme {, X} und P(X) σ-algebren sind. Es sind jeweils nur die Charakteristika nachzuweisen. (1) Zunächst {, X} X {, X} X c = (A {, X} A c {, X}) X = X {, X} (2) und nun P(X) X {, X} A P(X) A c X A c P(X) A n P(X), n N A n X A n P(X) (ii) Konstruiere die kleinste σ-algebra über der Menge X, die {A} mit A X enthält. Antwort: Wir behaupten A := {, A, A c, X} ist die gesuchte σ-algebra. Zunächst zeigen wir, dass A eine σ-algebra ist. X A X c = und A, A c A (B A B c A) X = X, A A c = X, A = A, usw. A Kurz kann man dies auch folgendermaßen ausdrücken: A ist nach Konstruktion eine σ-algebra. Nun noch der Beweis, dass dies die kleinste σ-algebra ist. X, müssen in jeder σ-algebra enthalten sein, können also nicht entfernt werden, außerdem kann keine Menge, welche A enthält entfernt werden, da A dieses Element enthalten soll. Des weiteren kann dann aber nicht mehr A c entfernt werden, da sonst Punkt 2 unserer Charakterisierung nicht mehr erfüllt wäre. Daher kann durch kein Entfernen von Elementen aus A eine kleinere σ-algebra konstruiert werden. (iii) Mache Dir klar, dass jedes Maß auch ein Inhalt ist. Da eine σ-algebra auch ein Ring ist, sowie die σ-additivität die endliche Additivität impliziert, ist dies der Fall. (iv) Beweise die Monotonie-Eigenschaft von Inhalten aus der Vorlesung. Sei A B, dann gilt µ(b) = µ(a (B \ A)) = µ(a) + µ(b \ A) µ(a) 1
(v) Was ist der Unterschied zwischen einer Borel-messbaren und Lebesgue-messbaren Mengen? Antwort: Eine Lebesgue-messbare Menge besteht aus der Vereinigung einer Borel-messbaren Menge B und einer Nullmenge N des Lebesgue-Borel Maßes. (vi) Wie ist das Bildmaß eines Maßes µ : A R unter einer Abbildung f : (X, A) (Y, B) definiert und welche Bedingung muss an die Abbildung gestellt werden, damit das Bildmaß sauber definiert ist. Antwort: (X, A), (Y, B) müssen Messräume sein und f selbst muss A-B-messbar sein. Dann definiert man das Bildmaß für B B durch f(µ)(b) := µ(f 1 (B)). Aufgabe 2: Mengentheorie (i) Zeige die folgenden Eigenschaften mengentheoretischer Operationen: (a) A B = B A A B = (A \ B) (B \ A) = (B \ A) (A \ B) = B A (b) C c B \ A = B \ (A C) C c B \ A = C c (B A c ) = B (C A) c = B \ (A C) (c) n=1 B \ A n = B \ ( n=1 B \ A n = n=1 (B Ac n) = B ( c = B \ ( (d) n=1 B \ A n = B \ ( n=1 B \ A n = n=1 (B Ac n) = B ( c = B \ ( (ii) Zeige folgende Aussagen (1) lim A n = A n, falls (A n ) wachsend ist n=1 lim inf A n = A k = n=1 A n lim sup A n lim inf A n (2) lim A n = A n, falls (A n ) fallend ist n=1 lim inf A n = A k = A k = A k = lim sup A n Das heißt, dass jede monotone Folge von Mengen konvergiert. Hinweis: Verwende die Definition der Konvergenz von Mengenfolgen aus der Vorlesung, welche den lim sup und lim inf verwendet. (iii) Zeige, dass (lim sup A n ) c = lim inf Ac n für eine Folge von Teilmengen aus X gilt. Die folgt einfach aus dem Dualitätsprinzip (lim sup A n ) c = A n ) c = ( ( A n ) c = A c n = lim inf Ac n 2
(iv) Es seien (A n ), (B n ) konvergente Folgen von Teilmengen von X. Zeige, dass die Folgen (A c n), (A n B n ), (A n B n ), (A n \B n ), (A n B N ) ebenfalls konvergieren und bestimme deren Limites. Die Konvergenzbedingung lautet lim inf A n = lim sup A n und wegen (lim sup A n ) c = lim inf Ac n folgt schon die erste Behauptung. Deren Limes lautet lim Ac n = lim inf Ac n = (lim sup A n ) c = A c mit A := lim A n. Genauso lässt sich lim (A n B n ) = (lim sup A n ) (lim sup B n ) = A B und lim (A n B n ) = (lim sup A n ) (lim sup B n ) = A B zeigen. Die letzten beiden lassen sich aus einer Kombination dieser Regeln und der jeweiligen Definition zeigen. (v) Sei (A n ) eine fallende Folge von Teilmengen von X, B X und es gelte A n A, dann gilt B \ A n B \ A. Zunächst zeigen wir das (B \ A n ) eine wachsende Folge ist, dass also (B \ A n ) (B \ A n+1 ) gilt. Das folgt aber aus der Voraussetzung, dass (A n ) fallend ist, denn dies bedeutet A n A n+1 A c n A c n+1. Und damit folgt (B \ A n ) = (B A c n) (B A n+1 ) = (B \ A n+1 ) Da jede monotone Folge von Mengen konvergiert, folgt die Behauptung. Aufgabe 3: Ringe und Algebren (i) Es seien R ein Ring über X und A := R {A c : A R}. Dann ist A die kleinste Algebra über X, die R umfasst. Ist R ein σ-ring, so ist A die kleinste σ-algebra, welche R umfasst. Sei R zunächst ein Ring. Dann gilt R X A A A A c A Die zweite Aussage folgt aus der Definition von A. Für den Beweis der letzten Eigenschaft unterscheiden wir drei verschiedene Fälle. Seien A, B A, dann unterscheidet man: (1) A, B R A B R A B A (2) A, B c R A \ B c = A B R A B A (3) A c, B c R A c B c R (A c B c ) c = A B A Sei R nun ein σ-ring, dann bleibt nur noch die σ-additivität zu zeigen. Seien A n A, n N, dann unterscheiden eir wieder drei Fälle: (1) A n R, n N A n R A n A (2) A c ñ, A n R, n ñ n ñ A n \ A c ñ R n ñ A n Añ R A n A (3) A c n R, n N Ac n R ( Ac n) c = A n A Hierbei werden die Fälle, dass mehrere aber nicht alle A c n in R liegen auf den Fall (2) zurückgeführt. (ii) Es seien f : X Y eine Abbildung und A P(X). Ist A eine σ-algebra, so gilt dies auch für B := {B Y : f 1 (B) A}. Aus der Eigenschaft von Abbildungen x X y Y : f(x) = y folgt, dass f 1 ( ) =. Es wird in jedem Schritt implizit von der Tatsache gebrauch gemacht, dass A eine σ-algebra ist. Mache Dir klar, wann dies der Fall ist. (1) X A = c = (f 1 ( )) c = f 1 ( c ) = f 1 (Y ) Y B (2) Sei B B, dann gilt A A : f 1 (B) = A, und daraus folgt A A c = f 1 (B c ) B c B 3
(3) Sei B n B, n N, dann gilt n N A n A : f 1 (B n ) = A n und es folgt A A n = f 1 (B n ) = f 1 ( B n ) B n B (iii) Sei B eine σ-algebra über Y und f : X Y eine Abbildung. Zeige, dass A := f 1 (B) eine σ-algebra über X ist. Aus der Eigenschaft der Abbildung x X y Y : f(x) = y folgt, dass f 1 (Y ) = X. Mit f 1 (B) = {f 1 (B) : B B} folgt (1) Y B A f 1 (Y ) = X (2) A A B B : f 1 (B) = A A c = f 1 (B c ) und mit B c B folgt A c A. (3) A n A, n N n N B n B : f 1 (B n ) = A n A n = f 1 ( B n) und da B n B gilt, folgt A n A. (iv) Zeige, ob A := {A P(X) : A ist endlich oder A c ist endlich } eine σ-algebra ist. Hinweis: Unterscheide nach der Mächtigkeit X. (1) X < X < A A A X A n A X A A < X \ A = A c A A n X n A n X n A n < n A n A oder die Kurzfassung A = P(X). (2) X = Ist keine σ-algebra, denn: Es existiert eine Folge paarweiser verschiedener Elemente (x k ) k N aus X und setzte A k := x 2k, dann gilt A k A, aber sowohl k N A k = {x 2, x 4,... }, als auch X \ k N A k {x 1, x 3,... } sind nicht endlich. Daher gilt k N A k / A und A ist somit keine σ-algebra. (v) Zeige, dass A := {A P(X) : A ist abzählbar oder A c ist abzählbar } eine σ-algebra ist. A ist eine σ-algebra, denn: (1) X \ X = ist endlich, und damit abzählbar. (2) Sei A A, dann ist entweder A = X \ (X \ A) = X \ A c, oder X \ A = A c abzählbar und damit A c A (3) Seien A k A, k N. Erster Fall, alle A k sind abzählbar, dann folgt auch, dass k N A k abzählbar ist. Zweiter Fall, es existiert ein k N, so dass A k überabzählbar ist (hier nimmt man o.b.d.a. an, dass die restlichen A k abzählbar sind). Da aber A k A gilt, muss A c k abzählbar sein. Damit und mit X \ A k = (X \ A k) (X \ A k ) X \ A k k N folgt nun, dass k N A k A. k N,k k (vi) Sei X und (G i ) i I (I eine beliebige Indexmenge) eine Familie von σ-algebren über X. Zeige, ob die folgenden Aussagen richtig oder falsch sind: 4
(1) i G i ist eine σ-algebra. Die Aussage stimmt, denn: (2) i G i ist eine σ-algebra. X G i, i X i G i A G i, i A c G i, i A c I G i A n G i, n, i n A n G i, i n A n I G i Ist keine σ-algebra, denn es existiert ein Gegenbeispiel: Seien G 1 = {, A, A c, X} und G 2 = {, B, B c, X}, dann sind G 1 und G 2 σ-algebren. Dies gilt aber nicht für die Menge G 1 G 2, da diese z.b. nicht das Element A B enthält. (vii) Seien f : X Y eine Abbildung, X, Y und E P(Y ) beliebig. Zeige, dass gilt f 1 (σ(e)) = σ(f 1 (E)) Hinweis: Verwende, dass B = {B Y : f 1 (B) σ(f 1 (E))} und f 1 (σ(e)) σ-algebren sind. : Wie schon weiter oben gezeigt wurde ist B = {B Y : f 1 (B) σ(f 1 (E))} eine σ-algebra mit E B und daraus folgt σ(e) B f 1 (σ(e)) f 1 (B) σ(f 1 (E)) : Wir verwenden, dass f 1 (σ(e)) eine σ-algebra ist: E f 1 (E) σ(f 1 (E)) σ(e) f 1 (σ(e)) σ(f 1 (σ(e))) = f 1 (σ(e)) (viii) Es sei E := {{x} : x R}. Bestimme σ(e). Nach der Definition der σ-algebra muss σ(e) mindestens alle endlichen und abzählbaren Mengen R und deren Komplemente enthalten. Daher gilt σ(e) A := {A R : A ist abzählbar oder A c ist abzählbar oder} Es wurde weiter oben gezeigt, dass A eine σ-algebra ist, dass also A = σa gilt. Da außerdem E A gilt, folgt σ(e) A. Es gilt also σ(e) = A Aufgabe 4: Inhalte und Maße (i) Seien µ : R R ein Inhalt auf dem Ring R, A 1, A 2, R µ-nullmengen und A R beliebig. Ist A n A k, so ist A eine µ-nullmenge. 0 µ(a) µ( n µ(a) = 0 A k ) n A k = 0 (ii) Seien X und µ : P(X) R ein Inhalt mit µ(x) = 1 und µ(a) {0, 1}, A X, sowie A := {A X : µ(a) = 1}. Zeige, dass folgende Aussagen wahr sind: 5
(1) / A µ(x) = µ(x ) = µ(x) + µ( ) µ( ) = 0 (2) A A, A B X B A 1 = µ(a) µ(b) µ(x) 1 µ(b) = 1 (3) A, B A A B A Zunächst gilt µ(a B) µ(x) = 1 und daher 1 = µ(a) µ(a B) µ(a) + µ(b) µ(a B) 1 + 1 1 = 1 µ(a B) = 1 (4) A X A A oder A c A Angenommen es gelte A / A und A c / A, dann gilt µ(a) = 0µ(A c ) und somit µ(x) = µ(a A c ) = µ(a) + µ(a c ) = 0 was ein Widerspruch zur Definition von µ darstellt. (iii) Sei wiederum A = {A X : A abzählbar oder A c abzählbar } und X überabzählbar. Dann ist { 0, falls B abzählbar ist µ(b) = 1, falls B c abzählbar ist ein Maß auf A. Weiter oben wurde schon gezeigt, dass A eine σ-algebra ist. Zunächst gilt µ( ) = 0 und µ 0 Sei (A n ) nun eine Folge disjunkter Mengen aus A. Zunächst nehmen wir an, dass alle A n abzählbar sind, dann folgt, dass auch A n abzählbar ist. Daher gilt ( ) µ A n = 0 = µ(a n ) Nun gebe es ein ñ N, so dass Añ überabzählbar ist. Dann muss A c ñ abzählbar sein, da Añ A. Da alle A n paarweise disjunkt sind, folgt A n A c ñ, n ñ und somit sind alle A n, n ñ abzählbar. Daher gilt nun (beachte µ(a n ) = 0, n ñ und (Añ A n ) c A c ñ ist abzählbar) womit µ ein Maß über A ist. ( ) µ A n = 1 = µ(a n ) (iv) Sei µ : R R ein Inhalt auf dem Ring R. Zeige µ ist σ-additiv Für jede Folge (A n ) von Mengen aus R mit A n A R gilt µ(a n ) µ(a) Dies bezeichnet man auch als die Stetigkeit von unten. Hinweis: Betrachte die Zerlegung R A = A 1 k=2 A k \ A k 1. : Zunächst einmal gilt (A k+1 \ A k ) (A k \ A k 1 ) = A k+1 A c k A k A c k 1 = n ñ 6
die einzelnen Summanden sind also paarweise disjunkt und zusammen mit dem Hinweis gilt: µ(a) = µ(a 1 ) + µ (A k \ A k 1 ) ( k=2 ) = lim µ(a 1 ) + n µ(a k \ A k 1 ) ( k=2 ) = lim µ A 1 n A k \ A k 1 k=2 = lim µ(a n) : Gezeigt werden soll die σ-additivität von µ. Sei dazu (B n ) eine Folge disjunkter Mengen in B mit B := B n R und sei A n := n k N B k, so gilt A n B. Dann folgt mit Hilfe der Vorraussetzung µ(b) = lim µ(a n) = lim n µ(b k ) = µ(b k ) (v) Seien a 1, a 2, > 0 und E := {x R n : x2 1 + + x2 a 2 n 1 a < 1} der dazugehörige offene Ellipsoid. 2 n Zeige, dass E Borel-meßbar ist und λ n (E) = a 1 a n λ n (K 1 (0)) gilt. Als offene Menge des R n ist E Borel-messbar (E ist Element eines der möglichen Erzeuger der Borelschen Mengen, welche eben die Borel-messbaren Mengen sind). E ist offen, da es eine stetige Abbildung f : R n R n (siehe weiter unten) gibt, so dass E das Urbild der Einheitskugel unter f ist. Sei A := diag(a 1,..., a n ) und f(x) = A 1 x. Mit Hilfe der Gleichung f(λ n ) = det(f) 1 λ n aus der Vorlesung mit dem Bildmaß f(λ)(b) = λ(f 1 (B)), B R n ergibt sich nun λ n (f 1 (K 1 (0))) = a 1 a n λ n (K 1 (0)) und es bleibt noch zu zeigen, dass f 1 (K 1 (0)) = E gilt. Dazu beachte man, dass die Definition des Urbildes f 1 (A) = {x R n : f(x) A} lautet. Nun gilt a i < x i < a i für alle i = 1,..., n und x E. Daraus folgt, dass 1 < [f(x)] i < 1 für alle i = 1,..., n und damit f 1 (K 1 (0)) = E. 7