Zukunft der Drehkreuzstrategie im Luftverkehr*



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Transkript:

Themen international Aktuelle Themen 354 30. Mai 2006 Zukunft der Drehkreuzstrategie im Luftverkehr* Der Luftverkehr bleibt eindeutig auf Wachstumskurs. Die Verkehrsleistung im Personenverkehr steigt in den nächsten 20 Jahren um durchschnittlich knapp 5% pro Jahr. Im Frachtverkehr werden Wachstumsraten von durchschnittlich etwa 6% p.a. prognostiziert. Damit expandiert die Branche auch in Zukunft schneller als das globale Bruttoinlandsprodukt und der Welthandel. Im Luftverkehr bieten sich beiden Konzepten, der Drehkreuzstrategie und dem Punkt-zu-Punkt-System, genügend Wachstumschancen. Die größte Konkurrenz zwischen ihnen besteht bei Kontinentalflügen. Hier kommt es künftig noch mehr zu einer Angleichung und Überschneidung der Geschäftsmodelle von Linien-Carriern, Billig-Fliegern und Charter-Fluggesellschaften. Im Interkontinentalverkehr sind traditionelle Linienfluggesellschaften und strategische Allianzen weniger angreifbar. Autor Eric Heymann +49 69 910-31730 eric.heymann@db.com Editor Hans-Joachim Frank Publikationsassistenz Sabine Berger Deutsche Bank Research Frankfurt am Main Deutschland Internet: www.dbresearch.de E-Mail: marketing.dbr@db.com Fax: +49 69 910-31877 DB Research Management Norbert Walter Die strategischen Allianzen werden sich vor allem bei Interkontinentalflügen weiterhin auf ihre großen Hubs konzentrieren. Dies gilt insbesondere für Europa und Asien/Australien bzw. für Verbindungen zwischen diesen Erdteilen. Der Punkt-zu-Punkt-Verkehr könnte zwischen Europa bzw. Asien und den USA an Bedeutung gewinnen. Innerhalb Asiens existieren sowohl im Punktzu-Punkt- als auch im Hub-and-Spoke-Verkehr gute Wachstumsmöglichkeiten. Die Flughafenlandschaft wird sich schrittweise verändern. Künftig spielen drei Kategorien eine wichtige Rolle: Große Drehkreuze: Über sie organisieren die führenden Linien-Carrier bzw. die strategischen Allianzen ihre Verkehre (z.b. London, Paris, Frankfurt). Sekundär-Hubs: Sie weisen ein attraktives Einzugsgebiet auf, fungieren als Zubringerflughäfen für Mega-Hubs und haben für kleine Partner einer strategischen Allianz bzw. für bestimmte Regionen eine Hub-Funktion (z.b. Barcelona, München, Zürich). Sekundärflughäfen: Sie verfügen über ein attraktives Einzugsgebiet, haben eine wichtige Zubringerfunktion für die großen Hubs und weisen eine gewisse Anzahl von direkten Linienverbindungen auf, wobei hier Interkontinentalflüge die Ausnahme sind. Sekundärflughäfen besitzen keine Hub-Funktion (z.b. Genf, Hamburg, Valencia). Die aktuelle Position des Flughafens Zürich als Sekundär-Hub und wichtiges Drehkreuz der Star Alliance scheint gefestigt. Die wirtschaftlichen Voraussetzungen sind gegeben, um am Wachstum des Luftverkehrs zu partizipieren. Unbestritten ist aber, dass (kommunal-)politisch bedingte Restriktionen des Flugbetriebs das Wachstumspotenzial des Flughafens Zürich gefährden. Sie könnten Marktanteilsverluste sowie eine Rückentwicklung zu einem Sekundärflughafen verursachen, die im direkten Interkontinentalverkehr grundsätzlich schwach positioniert sind. Zusätzliche Wertschöpfung und Arbeitsplätze entstünden dann an anderen Airports in Europa. * Dieser Bericht wurde im Auftrag von Unique (Flughafen Zürich AG) erstellt.

Aktuelle Themen 354 2 30. Mai 2006

Zukunft der Drehkreuzstrategie im Luftverkehr Inhaltsverzeichnis 1. Perspektiven des Luftverkehrs... S. 4 2. Drehkreuzstrategie versus Punkt-zu-Punkt-Verkehre... S. 7 3. Die künftige Positionierung des Flughafens Zürich...S. 11 30. Mai 2006 3

Aktuelle Themen 354 In der jüngeren Vergangenheit wurde die Frage diskutiert, ob der internationale Luftverkehr in Zukunft hauptsächlich durch Bündelung von Verkehrsströmen an großen Drehkreuzen organisiert wird (Huband-Spoke-Konzept) oder ob Punkt-zu-Punkt-Verkehre an Bedeutung gewinnen. Im Folgenden werden die Perspektiven der Konzepte dargestellt. Zunächst zeigen wir die längerfristigen Perspektiven des Luftverkehrs auf. Zum Abschluss sollen die Geschäftsmodelle am Beispiel des Flughafens Zürich konkretisiert werden. Die schwachen Jahre sind vorbei Verkehrsleistung der IATA-Fluggesellschaften, % gg. Vj. +/- 0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 Personenverkehr (RPK) Frachtverkehr (Tkm) Quelle: IATA 15 10 5 0-5 -10 Luftverkehr (wieder) auf Wachstumskurs Verkehrsleistung und Passagierzahl der AEA-Fluggesellschaften 800 0 75 80 85 90 95 00 05 Verkehrsleistung (Mrd. RPK) Passagiere (Mio.) 600 400 200 1 Quelle: AEA 2 1. Perspektiven des Luftverkehrs Die Verkehrsleistung im internationalen Luftverkehr gemessen in verkauften Passagierkilometern (Revenue Passenger Kilometers, RPK) ist 2005 um 7,6% gestiegen und hat ein neues Rekordniveau erreicht. 1 Bereits 2004 expandierte die Verkehrsleistung im internationalen Linienverkehr um 15%; inklusive der Inlandsflüge nahm sie 2004 um knapp 13% zu. Damit hat sich der Wirtschaftszweig von einschneidenden Ereignissen wie den Terroranschlägen vom 11. September 2001, den Kriegen im Mittleren Osten, dem Ausbruch der Infektionskrankheit SARS, den hohen Ölpreisen oder den zahlreichen Anschlägen auf Touristenhochburgen in aller Welt gut erholt. Gleichwohl leiden die Bilanzen der Fluggesellschaften noch immer unter den Spätfolgen dieser externen Schocks. Schon seit Jahren verdanken viele Airlines ihr wirtschaftliches Überleben lediglich umfangreichen staatlichen Subventionen oder Hilfsprogrammen; dies gilt vor allem für die USA, teilweise aber auch für Europa. Eine wirkliche Marktbereinigung unter den Fluggesellschaften blieb dadurch weitgehend aus. Im ersten Quartal 2006 setzte sich das Wachstum im internationalen Luftverkehr mit fast unverminderter Dynamik fort. Die Verkehrsleistung im Personenverkehr lag im genannten Zeitraum um rd. 6% über dem entsprechenden Vorjahresniveau. Im Durchschnitt der Jahre 2006 und 2007 dürfte der Zuwachs im Personenverkehr bei jeweils etwa 5% liegen. Auch in der Luftfracht waren zuletzt stets hohe Wachstumsraten zu verzeichnen. Die Verkehrsleistung in der Branche (gemessen in Tonnenkilometern, Tkm) legte 2005 weltweit um etwa 13% zu. Damit war auch hier ein neuer Rekordwert erreicht. Frachtverkehre sind naturgemäß sehr viel weniger von externen Schocks wie Terroranschlägen betroffen als der Personenverkehr. So nahm die Verkehrsleistung in diesem Segment schon 2002 wieder um 11,5% zu. Allerdings wirken sich Schwächephasen der globalen Konjunktur grundsätzlich stärker aus. Luftfahrt bleibt auch mittel- bis langfristig Wachstumsbranche In den nächsten Jahren wird der Luftverkehr eindeutig auf Wachstumskurs bleiben. Laut Prognosen von Airbus und Boeing expandiert die Verkehrsleistung im Personenverkehr in den kommenden rd. 20 Jahren um durchschnittlich etwa 5% pro Jahr. Im Frachtverkehr liegen die prognostizierten Wachstumsraten für diesen Zeitraum bei durchschnittlich etwa 6% p.a. Damit expandiert die Bran- 1 Die Zahlen beziehen sich auf Daten der International Air Transport Association (IATA) für den internationalen Linienverkehr. Sie umfassen 94% dieses Segments. Die Zahlen für die Entwicklung der Inlandsflüge liegen noch nicht abschließend vor. Hier dürfte das Wachstum der Verkehrsleistung bei etwa 5% gelegen haben. 4 30. Mai 2006

Zukunft der Drehkreuzstrategie im Luftverkehr che auch in Zukunft stärker als das globale Bruttoinlandsprodukt und der Welthandel. Wichtigste Relationen im globalen Linienverkehr Anteile an gesamten RPK 2004 in % Nord- Amerika- Asien 7,2 Nordatlantik 3,7 Sonstige 26,4 Europa- Innerhalb Asien 8,2 Europas 11,0 Kontinentalverkehre dominierend Anteile wichtiger Relationen am Passagieraufkommen 2004 in % Sonstige 24,3 Innerhalb Asiens 19,5 Innerhalb Nordamerikas 23,6 Innerhalb Asiens 11,7 Nordatlantik 11,9 Quelle: IATA Innerhalb Nordamerikas 29,2 Innerhalb Europas 23,3 Quelle: IATA 3 4 Gründe für das anhaltende Wachstum des Luftverkehrs liegen auf der Nachfrageseite in der voranschreitenden Integration der Weltwirtschaft, die einen zusätzlichen Bedarf nach Geschäftsreisen generiert. Globalisierung sowie die internationale Arbeitsteilung (Outsourcing und Offshoring) führen zu einer Mehr-Nachfrage nach Mobilität. Dies gilt für den Personen- und Frachtverkehr. Da Asien und Lateinamerika stärker in die internationale Wertschöpfungskette eingebunden werden, sind größere Transportweiten im Luftverkehr die automatische Folge. Wegen der vielen zeitlich eng organisierten Produktionsprozesse sind Flugzeuge bei immer mehr Gütern Transportmittel der ersten Wahl. Nicht zuletzt deshalb übertreffen die Prognosen für den Frachtverkehr jene für den Personenverkehr. Tourismus steckt in vielen Regionen noch in den Kinderschuhen Im Bereich der privat initiierten Flugreisen profitiert der Wirtschaftszweig vom weltweit stark ausgeprägten Bedürfnis nach individueller Mobilität. Der (Flug-)Tourismus ist weltweit eine Wachstumsbranche und steckt in vielen bevölkerungsreichen Ländern noch in den Kinderschuhen. Dieser Nachholbedarf bei Urlaubsreisen, der durch steigende Einkommen gestützt wird, ist auf Jahre hinaus ein Treiber für den Verkehrsträger Flugzeug. Dank günstiger Angebote der so genannten Billig-Flieger können sich auch Haushalte mit relativ geringen Einkommen Flugreisen leisten. Aus den genannten Gründen werden in Zukunft die Verbindungen von und nach Asien sowie innerhalb Asiens die höchsten Wachstumsraten beim Passagieraufkommen (Urlaubs- und Geschäftsreiseverkehr) aufweisen. Auf die Luftfracht trifft dies ebenfalls zu, da Asien als Produktionsstandort für industrielle Güter und Absatzmarkt in den nächsten Jahren weiterhin aufholt. Im Gegensatz dazu fallen die Wachstumsraten in traditionellen und relativ gesättigten Märkten wie Nordamerika oder Westeuropa in Zukunft geringer aus. Heute kommen allein auf die Verkehre innerhalb Nordamerikas, über den Nordatlantik und innerhalb Europas 46,5% der globalen Verkehrsleistung. Fast 30% des Passagieraufkommens im globalen Linienverkehr entfallen auf Flüge innerhalb Nordamerikas. 2005 lagen 18 der 30 größten Flughäfen in Nordamerika (17 davon in den USA). Nach Angaben von Airbus unternimmt ein US-Bürger im Durchschnitt 2,2 Flugreisen pro Jahr. In China und Indien sind es erst 0,06 bzw. 0,02 Flugreisen. Liberalisierung des Luftverkehrs sorgt für Wachstumsimpulse Auf der Angebotsseite sind in erster Linie die massiven Kapazitätserweiterungen zu nennen, die in den nächsten Jahren sowohl bei der Infrastruktur am Boden als auch beim fliegenden Gerät zu beobachten sein werden. Fast alle wichtigen Großflughäfen der Welt haben einen Ausbau ihrer Start- und Landebahnkapazitäten für die nächsten Jahre angekündigt und die entsprechenden Planungen aufgenommen. Und die internationalen Fluggesellschaften vergaben in den letzten Jahren Aufträge für neue zivile Flugzeuge und Frachtmaschinen in Rekordhöhe. Aus der Modernisierung und Erweiterung der Infrastruktur resultieren Effizienzvorteile, die den Druck auf die Ticketpreise hoch halten sollten. 30. Mai 2006 5

Aktuelle Themen 354 US-Airlines bei Verkehrsleistung an der Spitze Verkehrsleistung (Mrd. Personenkilometer) der 25 größten Airlines der Welt American Airlines United Airlines Delta Air Lines Northwest Airlines Lufthansa Air France British Airways Continental Airlines JAL Southwest Singapore Airlines Qantas Airways Air Canada US Airways KLM Cathay Pacific ANA China Southern Airlines Thai Airways Emirates Air China Iberia Korean Air Lines Malaysia Airlines America West Airlines 0 100 200 300 Quelle: IATA 5 Dies gilt ebenso für die anhaltende Marktdurchdringung der so genannten Billig-Fluggesellschaften, wenngleich sich das Wachstum in diesem Segment verlangsamt hat. Sie erreichen nach Angaben der Association of European Airlines (AEA) in Europa einen Marktanteil von rd. 30% an der angebotenen Sitzplatzkapazität. McKinsey schätzt den Passagieranteil der Billig-Flieger an den innereuropäischen Verkehren auf knapp 20%. In Europa bieten derzeit etwa 60 Low-Cost-Carrier (LCC) ihre Leistungen an. Die von vielen erwartete Konsolidierung in diesem Marktsegment ist bislang weitgehend ausgeblieben, da die Marktzutrittsbarrieren für Newcomer derzeit relativ gering sind (z.b. günstige Konditionen für Flugzeug-Leasing, ausreichende Verfügbarkeit von Personal). Überkapazitäten belasten aber schon seit Jahren die gesamte Luftfahrtindustrie. Die für die nächsten Jahre erwartete weitere Liberalisierung des internationalen Luftverkehrsmarktes wird sich als weiterer Treiber für das Wachstum der Branche erweisen. Die Vielzahl von bilateralen Abkommen, die heute den Marktzugang zwischen einzelnen Ländern im Luftverkehr regulieren und begrenzen, dürfte in den nächsten Jahren schrittweise durch offenere multilaterale Abkommen abgelöst oder gänzlich aufgehoben werden. Auch Regeln, die Verkehrsrechte der Fluggesellschaften an deren nationales Eigentum knüpfen und dadurch Fusionen in der Branche erschweren, werden künftig wohl gelockert. In der Vergangenheit resultierten aus Liberalisierungsschritten in der Regel niedrigere Ticketpreise, höhere Frequenzen auf einzelnen Relationen, eine steigende Anzahl von Verbindungen bzw. eine größere Wahlfreiheit für die Kunden. In einem solchen liberaleren Marktumfeld würde natürlich auch die notwendige Konsolidierung in der Luftfahrtbranche schneller voranschreiten, besonders wenn gleichzeitig staatliche Subventionen an marode Airlines zurückgefahren und Privatisierungsanstrengungen intensiviert würden. 2 Externe Schocks als Damoklesschwert für Luftfahrt Die Luftfahrtindustrie wird auch künftig durch Terroranschläge, überregionale Kriege, international auftretende Krankheiten oder andere externe Schocks in ihrem potenziellen Wachstum bedroht. Solche von den beteiligten Marktakteuren nicht beeinflussbare Ereignisse verhindern weiterhin ein schwankungsfreies Wachstum in der Luftfahrt. Temporäre Schwächephasen wie nach dem 2. Golfkrieg Anfang der 1990er Jahre oder in Folge des 11. Septembers 2001 bleiben charakteristisch für die Branche. Typisch ist jedoch auch, dass sich die Luftfahrtindustrie nach solchen externen Schocks relativ schnell wieder erholt und auf Wachstumskurs zurückkehrt. Preissenkungen und ein gewisses Kurzzeitgedächtnis der Kunden helfen hierbei. 3 Erfahrungsgemäß erholt sich der Güterverkehr aufgrund der fehlenden psychologischen Komponente zeitlich vor dem Geschäfts- sowie dem Urlaubsreiseverkehr. Von großer langfristiger Bedeutung für den Luftverkehr ist die Entwicklung des Ölpreises und damit der Treibstoffkosten. Die hohen Ölpreise der vergangenen Jahre haben die Kostensituation der Fluggesellschaften erheblich verschlechtert und die Tickets z.b. durch Kerosinaufschläge verteuert. Wir erwarten, dass die Zeit dauerhaft billigen Öls vorbei ist. Unsere Langfristprognose enthält einen 2 3 Vgl. Heymann, Eric (2004). Überfällige Konsolidierung im Luftverkehr ante portas? Deutsche Bank Research. Aktuelle Themen Nr. 291. Frankfurt am Main. Vgl. Heymann, Eric (2003). Tourismus in Zeiten von Terror und Konsumschwäche. Deutsche Bank Research. Aktuelle Themen Nr. 281. Frankfurt am Main. 6 30. Mai 2006

Zukunft der Drehkreuzstrategie im Luftverkehr Die 30 größten Airports der Welt 2005 Passagierzahl (Mio.) Atlanta Chicago London (LHR) Tokio (HND) Los Angeles Dallas Paris Frankfurt Las Vegas Amsterdam Denver Madrid Phoenix Peking New York Hongkong Houston Bangkok Minneapolis Detroit Orlando San Francisco Newark London (LGW) Singapur Tokio (NRT) Philadelphia Miami Toronto Seattle 0 50 100 Quelle: Airports Council International 6 Ölpreis von USD 100 pro Barrel im Jahr 2020, was vor allem auf die weiter stark steigende Nachfrage aus China und Indien zurückzuführen ist. Auf Jahre hinaus hohe und steigende Öl- und Kerosinpreise lassen die langfristigen Wachstumsprognosen von Airbus und Boeing eher als etwas zu optimistisch denn als zu pessimistisch erscheinen. Dafür spricht auch, dass fiskalische Belastungen des Luftverkehrs (Emissionshandel, Kerosinsteuer) auf Sicht von 20 Jahren nicht auszuschließen sind. 2. Drehkreuzstrategie versus Punkt-zu- Punkt-Verkehre Im internationalen Luftverkehr existieren bekanntermaßen zwei grundsätzlich konkurrierende Geschäftsmodelle. Beim Hub-and- Spoke-System werden Verkehre über große Drehkreuze gebündelt und Flugpläne u.a. auf die Optimierung von Umsteigeverbindungen ausgerichtet. Daraus resultieren natürlich eine sehr hohe Komplexität und höhere Kosten bei der Leistungserstellung. 4 Bei Point-to- Point-Verkehren werden dagegen Direktverbindungen zwischen (auch kleineren) Flughäfen bei weitgehendem Verzicht auf Anschlussverbindungen mit der gleichen Fluggesellschaft angeboten. Traditionelle Linienfluggesellschaften und die aus Kooperation entstandenen strategischen Allianzen im Luftverkehr (Star Alliance, Sky Team, oneworld) dominieren das Hub-and-Spoke-Geschäft. Auf die drei Allianzen entfielen 2004 etwa 65% der gesamten Verkehrsleistung im Linienverkehr der IATA-Mitglieder bei steigender Tendenz. Kaum eine renommierte, international aufgestellte Airline ist noch nicht in diese Allianzen eingebunden. Mit zunehmender Größe der Allianzen steigt natürlich auch deren Komplexitätsgrad. Den Point-to-Point-Verkehr haben die LCC in der jüngeren Vergangenheit vorangetrieben und revolutioniert; in den USA gilt dies schon seit den 1970er Jahren. Bei diesem Konzept kommt es u.a. auf möglichst kurze Standzeiten der Flugzeuge an, weshalb eine Bündelung von Verkehren schwerer zu organisieren ist. Daher setzen die Billig-Flieger in der Regel auch kleineres Fluggerät ein. Beide Systeme vom Kunden akzeptiert Bei der Frage, welches Konzept sich in Zukunft besser behaupten wird, ist zu beachten, dass die Drehkreuzstrategie der strategischen Allianzen und Linien-Carrier auf breite Akzeptanz bei den Kunden stößt. Die Vielfalt der Verbindungen, die aus diesem System resultieren, ist ein eindeutiger Vorteil für die Fluggäste. Grundsätzlich bevorzugen Kunden natürlich Direktverbindungen ohne Umsteigen (eventuell abgesehen von extrem langen Relationen). In der Vergangenheit waren sie aber nicht bereit, die dafür höheren Preise vor allem im Interkontinentalverkehr zu zahlen; oder es stand ihnen kein entsprechendes Angebot zur Verfügung. Tickets für Umsteigeverbindungen sind im Interkontinentalverkehr zumeist günstiger als Direktverbindungen, wenn diese denn existieren. Da aber Ticketpreise für einen Großteil der Kunden das wichtigste Kriterium bei der Wahl des Anbieters sind, ist die Entwicklung zur Drehkreuzstra- 4 Vgl. Pompl, Wilhelm et al. (2006). Netzwerk-Carrier: Ein Geschäftsmodell unter Druck. In Internationales Verkehrswesen 1+2/2006. Hamburg. 30. Mai 2006 7

Aktuelle Themen 354 A 380 begünstigt Hub-and-Spoke- Konzept Massive Investitionen an großen Drehkreuzen tegie nicht nur kosten- also angebotsgetrieben, sondern auch durch entsprechende Nachfrage induziert. 5 Unbestritten ist natürlich auch, dass Punkt-zu-Punkt-Verkehre in den letzten Jahren parallel zum Siegeszug des Billig-Flug-Segments an Bedeutung gewonnen haben. Teilweise wurden hierdurch Verkehre der Linien-Carrier substituiert. Überwiegend erzeugten aber die LCC über niedrige Ticketpreise zusätzliche Nachfrage nach Flugreisen, was ein klares Zeichen für die Akzeptanz des Kunden ist. Die Unternehmen mit Fokus auf dieses Segment haben eine Marktlücke besetzt, Charter-Fluggesellschaften und Linien-Carrier unter Druck gesetzt und Anpassungen bei den Ticketpreisen erzwungen. Wachstumspotenzial für Hub-and-Spoke und Point-to- Point vorhanden Aus unserer Sicht bietet sich aufgrund der prognostizierten Wachstumsraten im Luftverkehr für beide Konzepte mittel- bis langfristig grundsätzlich ausreichendes Wachstumspotenzial. Für die Drehkreuzstrategie sprechen auch weiterhin die Kostenvorteile aufgrund der Bündelung von Verkehren und der damit verbundenen besseren Auslastung des Fluggeräts über Code Sharing. Die Econmies of Scale durch den Einsatz von großen Flugzeugen spielen ebenso eine Rolle. Die anstehende Indienststellung des Airbus A 380 bedeutet in dieser Hinsicht einen Quantensprung an Effizienzsteigerung. Nach Angaben von Airbus liegen die operativen Kosten pro Sitzplatz gegenüber dem derzeit modernsten vergleichbaren Konkurrenzmodell von Boeing (B 747-400) um 15 bis 20% niedriger. Flughäfen, die der A 380 anfliegen wird, müssen allerdings in ihre Infrastruktur investieren oder haben dies bereits getan. Die respektable Zahl der Bestellungen für dieses Flugzeug lässt erkennen, dass viele große und finanzstarke Fluggesellschaften der Welt auch künftig auf die Drehkreuzstrategie setzen. Mit weiteren Orders für den A 380 ist spätestens dann zu rechnen, wenn die Erstkunden den Jet in ihren Liniendienst erfolgreich integriert haben. Auch Boeing, über Jahre hinweg skeptisch hinsichtlich der Erfolgsaussichten solcher Großflugzeuge, hat nun den Bau eines modernisierten Jumbo Jets (Boeing 747-8) mit größerer Sitzplatzkapazität angekündigt. Weitere Synergieeffekte, die mit der Hub-and- Spoke-Strategie verbunden sind, betreffen die gemeinsame Nutzung des Bodenpersonals bzw. der Infrastruktur am Boden. Die angekündigten massiven Erweiterungsinvestitionen an den großen Hubs der Welt oder gigantische Neubauprojekte wie in Dubai sind weitere angebotsseitige Signale für die Drehkreuzstrategie. Hub-and-Spoke erhöht Wahlmöglichkeiten der Kunden Von der Nachfrageseite sprechen die durch das Hub-and-Spoke- System ermöglichten hohen Frequenzen und die große Anzahl von Zielflughäfen auch künftig für die Akzeptanz beim Kunden. So fliegen allein die Mitglieder der Star Alliance über ihre Drehkreuze 842 Städte in 152 Ländern an. In einem reinen Punkt-zu-Punkt-System könnte den Kunden eine solche umfangreiche Wahlmöglichkeit wirt- 5 Natürlich haben auch die restriktiven Marktzugangsregelungen im internationalen Luftverkehr zur Bildung der strategischen Allianzen beigetragen und damit das Hub-and-Spoke-System begünstigt. 8 30. Mai 2006

Zukunft der Drehkreuzstrategie im Luftverkehr Geschäftsreisende benötigen hohe Frequenz Die wichtigsten Billig- Flieger in Europa Anteil an verfügbarer Sitzplatzkapazität 2005 in % Sonstige 42 Easy Jet 27 Ryanair 31 Quelle: AEA 7 Größte Konkurrenz bei Kontinentalflügen schaftlich tragfähig nicht angeboten werden. 6 Gerade Geschäftsreisende wünschen sich nicht nur eine große Anzahl an Flugzielen, sondern auch eine ausreichend hohe Frequenz. Aus diesem Grund siedeln sich viele Unternehmen, deren Mitarbeiter häufig auf Geschäftsreise sein müssen, in der Nähe größerer Flughäfen an. Verbindungen, die bei Inlandsflügen oder im innereuropäischen Luftverkehr nur ein- oder zweimal täglich bedient werden, sind für Geschäftsreisende wenig attraktiv. Im Interkontinentalverkehr bedarf es mindestens einer täglichen Verbindung. Da die lokalen Einzugsgebiete (Catchment-Area) vieler wirtschaftlicher Sub-Zentren nicht groß genug sind, um Direktverbindungen mit einer derart hohen Frequenz an Flügen dauerhaft aufrecht zu halten, wird auch künftig kein Weg am Hub-Konzept vorbeiführen. Die Vielfliegerprogramme der Airlines und ein gemeinsames Service- Angebot an den Flughäfen wirken ebenso positiv auf Nachfrage und Kundenbindung. Expansion der Billig-Flieger begünstigt Punkt-zu- Punkt-Verkehr Die positiven Aussichten für den Hub-and-Spoke-Verkehr schließen eine hohe Dynamik im Punkt-zu-Punkt-Verkehr nicht aus im Gegenteil: In den kommenden Jahren dürften die LCC mit ihrem Schwerpunkt auf Direktverbindungen die Drehkreuzstrategie der traditionellen Airlines weiter angreifen und auf einzelnen Relationen Marktanteile hinzugewinnen. Noch stärker geraten reine Charter- Fluggesellschaften unter Druck. Das Wachstumspotenzial beim Passagieraufkommen der Hubs wird dann insofern geschmälert, als LCC neue Direktverbindungen zwischen Flughäfen anbieten, die vorher nur über Umsteigeverkehre an Hubs verbunden waren. Die Billig-Flieger zielen dabei auf preissensitive Kunden sowohl im Urlaubs- als auch im Geschäftsreiseverkehr ab. Den Drehkreuzen können so Passagiere verloren gehen, die sie für die Bündelung von Verkehrsströmen benötigen. Die weitere Liberalisierung des Luftverkehrs hilft den LCC, da damit Marktzutrittsbarrieren fallen; allerdings ist der Luftverkehrsmarkt in der EU bereits liberalisiert. Es ist freilich festzuhalten, dass in der letzten Zeit eine Reihe von Punkt-zu- Punkt-Verkehren innerhalb Europas von den LCC aus ihrem Programm genommen wurde, da das Passagieraufkommen nicht hoch genug war. Ferner hat sich die Wachstumsdynamik in diesem Segment in den letzten Jahren stetig verlangsamt. Die größte reine Billig-Fluggesellschaft Europas, Ryanair, lag 2004 gemessen an der Verkehrsleistung erst auf Rang 38 der Liste der größten Airlines der Welt. Für die Einschätzung der Perspektiven beider Verkehrskonzepte ist eine regionale Differenzierung sinnvoll. So besteht die größte Konkurrenz zwischen ihnen zweifelsohne bei Inlands- und innereuropäischen Flügen (bzw. bei Flügen innerhalb der USA). Hier kommt es künftig noch mehr zu einer Angleichung und Überschneidung der Geschäftsmodelle von Linien-Carriern, Billig-Fliegern und Charter- 6 Gleichwohl kann es durch die Integration einer Fluggesellschaft in eine strategische Allianz auf einzelnen Relationen zu einer Verringerung des Angebots und des Wettbewerbs kommen, wenn der neue Partner die gleiche Relation anbietet und diese Doppelverkehre nach der Integration ausgedünnt werden. Zudem können strategische Allianzen zu Marktzutrittsbarrieren an Flughäfen führen, wenn die dortige Infrastruktur vor allem von den Mitgliedern der betreffenden Allianz genutzt wird. 30. Mai 2006 9

Aktuelle Themen 354 Die 30 größten Airports in Europa 2004 Passagierzahl (Mio.) London (LHR) Frankfurt Paris (CDG) Amsterdam Madrid London (LGW) Rom (FCO) München Barcelona Paris (ORY) Mailand (MXP) Manchester London (STN) Palma de Mallorca Kopenhagen Zürich Dublin Stockholm Brüssel Düsseldorf Oslo Wien Athen Moskau Malaga Berlin (TXL) Helsinki Lissabon Hamburg Prag 0 20 40 60 80 Quelle: Airports Council International Europe 8 Fluggesellschaften. 7 Im Interkontinentalverkehr sind traditionelle Linienfluggesellschaften und strategische Allianzen allerdings weniger angreifbar. Die Kostenvorteile der LCC fallen auf diesen Relationen deutlich weniger stark ins Gewicht, u.a. weil die Bodenzeiten der Flugzeuge am Airport in Relation zur Flugzeit kürzer sind und daher die Umlaufhäufigkeit des Fluggeräts weniger relevant ist. Hinzu kommt, dass nur wenige Städte der Welt eine ausreichend hohe lokale Catchment-Area aufweisen, um genügend Passagieraufkommen für Direktverbindungen zu generieren; in Europa dürften dies lediglich London und Paris sein. Beispielsweise reichen das lokale Einzugsgebiet und die Wirtschaftskraft von New York und London aus, um mehrmals täglich Flüge zwischen diesen Städten auch ohne Zubringerdienste auszulasten. Für Verkehre z.b. zwischen Hamburg und Miami oder Valencia und Boston trifft dies sicherlich nicht zu. Hierfür wird der Umweg über Drehkreuze auch in Zukunft notwendig sein. Hubs in Europa und Asien wichtiger als in den USA Nach unserer Einschätzung werden die strategischen Allianzen ihre Verkehre vor allem bei Interkontinentalflügen weiterhin auf ihre großen Hubs konzentrieren. Dies gilt besonders für Europa und Asien/ Australien bzw. für Verbindungen zwischen diesen Erdteilen. Hier steht auf absehbare Zeit eine begrenzte Anzahl von Großflughäfen zur Verfügung. Zudem sind Bevölkerung und Wirtschaft vieler Länder in beiden Regionen auf einige wenige Städte konzentriert (z.b. UK, Frankreich, Australien). Gleichzeitig könnte der Punkt-zu-Punkt- Verkehr zwischen Europa bzw. Asien und den USA an Bedeutung gewinnen. Dafür spricht vor allem, dass die USA sehr polyzentrisch sind. Sie verfügen über eine größere Zahl von wirtschaftlich (und touristisch) bedeutenden Städten, deren Airports dadurch ein hohes lokales Einzugsgebiet aufweisen und/oder eine Hub-Funktion innehaben. Ausgangspunkte für diese Verkehre in Europa und Asien bleiben aber in Zukunft eher die großen Drehkreuze. Innerhalb Asiens existiert künftig sowohl im Punkt-zu-Punkt- als auch im Hub-and-Spoke-Verkehr genügend Wachstumspotenzial. Indiz hierfür sind die umfangreichen Bestellungen, die Fluggesellschaften aus dieser Region sowohl für den A 380 als auch die Boeing 787 abgegeben haben. Die Boeing 787, die für gut 200 bis 300 Passagiere ausgelegt ist, wird besonders im Langstreckenverkehr Effizienzvorteile aufweisen. Sie erfreut sich derzeit großer Nachfrage und kann in beide Luftverkehrskonzepte integriert werden. Veränderung der Flughafenlandschaft steht an Aus den prognostizierten Entwicklungen im Luftverkehr resultieren Rückwirkungen auf die internationale Flughafenlandschaft. Flughäfen können abgesehen von den kleinen und Kleinstflughäfen in drei Kategorien eingeteilt werden: - Große Drehkreuze (Mega-Hubs), über die große und finanzkräftige Linien-Carrier bzw. die strategischen Allianzen ihren Verkehr organisieren. Die Kapazitäten an diesen Airports werden in den nächsten Jahren trotz anstehender Erweiterungsinvestitionen gut ausgelastet oder knapp sein. In Europa zählen hierzu London- Heathrow, Paris (CDG), Frankfurt am Main sowie mit Abstrichen Amsterdam und Madrid. Aufgrund der großen Catchment-Area 7 Vgl. McKinsey (2005). Billigflieger in Europa eine Boombranche vor dem Wendepunkt. Frankfurt am Main. 10 30. Mai 2006

Zukunft der Drehkreuzstrategie im Luftverkehr Zürich ist klassischer Sekundär-Hub Sekundärflughäfen grundsätzlich ohne Hub-Funktion Luftverkehr in Zürich von Höchstständen entfernt 600 550 500 450 400 350 300 250 200 150 100 90 92 94 96 98 00 02 04 '000 Flugbewegungen, links '000 Tonnen Luftfracht, links Mio. Passagiere, rechts 30 25 20 15 10 Quelle: Unique (Flughafen Zürich AG) 9 5 sind sie auch für den reinen Punkt-zu-Punkt-Verkehr attraktiv (vor allem London und Paris), aber für viele LCC zu teuer. - Sekundär-Hubs, die ein attraktives Einzugsgebiet aufweisen, sowohl als Zubringerflughäfen für Mega-Hubs fungieren als auch für kleine Partner einer strategischen Allianz bzw. für bestimmte Regionen eine Hub-Funktion besitzen. Die im Vergleich zu den Mega-Hubs überschaubare Größe erhöht den Komfort für die Kunden. Die Flughäfen können grundsätzlich durch die erwartete Konsolidierung im Luftverkehr tangiert werden, wenn kleinere Fluggesellschaften, die diesen Airport als Hub genutzt haben, von größeren übernommen werden. Letztere dürften dann nicht unbedingt gewillt sein, diese Drehkreuze so stark zu bedienen wie bisher (Vermeidung von doppelten Angeboten, Präferenz für Drehkreuzfunktion am Heimat-Hub). In solchen Fällen drohen Überkapazitäten, die das finanzielle Ergebnis des Flughafens belasten. Gleichzeitig sind mit den freien Kapazitäten aber Chancen verbunden, da neue Kunden gewonnen werden können (Linie, LCC und Charter). Das hohe Lokalaufkommen ermöglicht grundsätzlich erträgliche Einnahmen aus dem Non-Aviation- Bereich (Einzelhandel, Restaurants usw.). Als solche Flughäfen können in Europa z.b. Barcelona, Kopenhagen, Lissabon, Mailand, Manchester, München, Oslo, Rom, Stockholm, Wien und Zürich angesehen werden. - Sekundärflughäfen, die grundsätzlich ein attraktives Einzugsgebiet aufweisen, eine wichtige Zubringerfunktion für die großen Hubs haben und über eine gewisse Anzahl von direkten Linienverbindungen verfügen, wobei hier Interkontinentalflüge die Ausnahme sind. Sie sind grundsätzlich auch für LCC attraktiv. Die Flughäfen haben keine (oder nur rudimentär ausgeprägte) Hub- Funktion. In Europa zählen z.b. Berlin-Tegel, Bilbao, Birmingham, Düsseldorf, Genf, Hamburg, Köln, Lyon, Nizza, Turin und Valencia zu diesen Airports. Die Boston Consulting Group (BCG) kommt in ihrer Untersuchung von 2004 zu einer ähnlichen Einteilung (sie unterscheidet die Sekundärflughäfen aus unserer Definition in zwei Kategorien, zwischen denen die Grenzen nach unserer Auffassung weitgehend fließend sind). 8 Wir schätzen allerdings die von der BCG aufgezeigten Gefahren für die Sekundär-Hubs (drohende Überkapazitäten, Über- Investition) als weniger gravierend ein. Viele der Flughäfen dieser Kategorie leiden heute eher unter Kapazitätsengpässen. Diese würden selbst bei einem Verlust einzelner Kunden nicht automatisch beseitigt. Gleichwohl besteht u.a. aufgrund der staatlichen Trägerschaft vieler Flughäfen das Risiko, dass wirtschaftliche Aspekte bei Ausbauplänen zu wenig berücksichtigt werden und am Bedarf vorbei investiert wird. 3. Die künftige Positionierung des Flughafens Zürich Der Flughafen Zürich hat stürmische Zeiten hinter sich. Das einschneidendste Ereignis war sicherlich der Konkurs des bis dahin wichtigsten Kunden und Aushängeschilds schweizerischer Luftfahrt, der Swissair, im Herbst 2001. In der Folge kam es zu einem spürbaren Rückgang der Passagierzahl. 2003 unterschritt diese den Rekordwert aus 2000 um ein Viertel. Seither hat sich die Passagierzahl 8 Vgl. Boston Consulting Group (2004). Airports Dawn of a New Era. München. 30. Mai 2006 11

Aktuelle Themen 354 Deutschland dominiert Flugplan in Zürich Herkunft und Ziel der Flüge in Zürich nach Ländern in %, 2005 Sonstige 39,4 Inlandsflüge 4,5 AT 5,5 FR 5,8 ES 6,5 DE 22,6 IT 7,1 GB 8,6 Quelle: Unique (Flughafen Zürich AG) 10 Bürgerinitiativen für Begrenzung der Flugbewegungen am Airport Zürich lediglich um 5% erhöht und lag 2005 bei 17,9 Mio. In der Rangliste der größten europäischen Flughäfen liegt Zürich, gemessen am Passagieraufkommen, damit auf Platz 17. Alles in allem ist der Flughafen Zürich ein klassischer Sekundär-Hub. Politisch bedingte Restriktionen für den Flugbetrieb Neben diesen wirtschaftlichen Turbulenzen bestimmen (kommunal-) politisch bedingte Unsicherheiten und Restriktionen hinsichtlich des Flugbetriebs die Diskussion über die Perspektiven des Flughafens Zürich. Von entscheidender Bedeutung ist die an vielen Airports akute und stets sehr Ernst zu nehmende Fluglärmproblematik. Die Situation stellt sich in Grundzügen wie folgt dar: Über einigen an die Schweiz angrenzenden Gemeinden Süddeutschlands fanden in der Vergangenheit auch aufgrund der topographischen Lage des Airports ein Großteil der Landeanflüge nach Zürich statt. Seit Einführung einer einseitigen deutschen Durchführungsverordnung (DVO) im Oktober 2003 dürfen diese Gebiete wochentags von 6.00 bis 7.00 Uhr sowie abends ab 21.00 Uhr und an Wochenenden und Feiertagen von 6.00 bis 9.00 Uhr und abends ab 20.00 Uhr nicht mehr überflogen werden. Als Ursache für dieses Vorgehen wurde von deutscher Seite neben der Lärmbelastung die ungenügende Einbindung in Entscheidungsprozesse des Flughafens Zürich, insbesondere betreffend flugbetrieblicher Fragestellungen, aufgeführt. 9 Dadurch sah sich der Flughafen Zürich gezwungen, sein Anflugregime derart zu ändern, dass in diesen Zeiträumen sehr dicht besiedelte und bislang kaum von Fluglärm betroffene Gebiete in der Schweiz häufiger überflogen werden müssen (Südanflüge). Die Verfügbarkeit der für Ostanflüge vorgesehenen Landebahn ist aufgrund der unzureichenden Länge für die Landung von Großraumflugzeugen sowie des fehlenden Instrumentenlandesystems an dieser Piste beschränkt. Dagegen sind die bisherigen Anfluggebiete nördlich des Flughafens sowohl auf schweizerischer als auch auf deutscher Seite dünner besiedelt. Insofern resultiert aus der deutschen DVO, dass nun sehr viel mehr Menschen von Fluglärm betroffen sind als in der Situation zuvor (größere negative externe Effekte). Die DVO weicht damit von der auch für deutsche Verkehrsflughäfen grundsätzlich gängigen Praxis ab, An- und Abflüge auf möglichst dünn besiedeltes Gebiet zu konzentrieren. Die mit Einführung der DVO verbundene Lärmbelastung hat wiederum Bürgerinitiativen in der Schweiz ins Leben gerufen, die sich u.a. für eine absolute Begrenzung der Flugbewegungen auf 250.000 pro Jahr und für ein generelles Nachtflugverbot von mindestens neun Stunden einsetzen. Dies bedeutet für den Flughafen Zürich und dessen Kunden natürlich eine erhebliche Beeinträchtigung und Verunsicherung. Politischer Handlungsbedarf ist daher angezeigt, um die unterschiedlichen Interessen auszugleichen. 10 9 Im Jahr 2005 war knapp ein Viertel aller Flugbewegungen in Zürich auf Verbindungen mit deutschen Airports zurückzuführen. Damit ist die Fluglärmproblematik in Zürich nicht ausschließlich von der Schweiz und dritten Staaten verursacht. Dies ist einerseits für die von Fluglärm betroffenen Menschen auf deutscher Seite nur ein schwacher Trost. Andererseits steht ihnen mit Zürich auch ein international gut angeschlossener Flughafen für eigene Reisewünsche zur Verfügung. 10 Vom Europäischen Gerichtshof wird derzeit untersucht, ob die deutsche DVO mit dem Luftverkehrsabkommen der EU mit der Schweiz vereinbar ist, das der Schweiz die gleichen Rechte wie EU-Ländern einräumt. 12 30. Mai 2006

Zukunft der Drehkreuzstrategie im Luftverkehr Drei Airlines dominieren Europa Verkehrsleistung im Personenverkehr der 15 größten Fluggesellschaften in Europa* Lufthansa Air France British Airways KLM Iberia Alitalia Virgin Atlantic SAS Swiss Austrian Airlines Turkish Airlines Finnair TAP Portugal Spanair Olympic Airlines * Nur Mitglieder der AEA Mrd. RPK 0 50 100 150 Quelle: AEA 11 Swiss wichtigster Kunde des Flughafens Zürich Anteil der Fluggesellschaften am Passagieraufkommen in Zürich 2005 in % Sonstige 35,7 Helvetic Airways 2,6 British Airways 2,7 Air Berlin 3,9 Lufthansa 4,5 Swiss 50,6 Quelle: Unique (Flughafen Zürich AG) 12 Wachstumspotenzial für Flughafen Zürich grundsätzlich gegeben Lässt man diese (kommunal-)politisch bedingten Restriktionen außer Acht und analysiert davon losgelöst die Vor- und Nachteile des Flughafens Zürich, so fällt eine Vielzahl von Vorteilen ins Auge: Im Großraum Zürich lebt eine große und kaufkräftige Kundschaft, die nicht nur infolge des hohen Ausländeranteils in der Stadt Zürich von rd. 30% sehr mobil ist. Aufgrund der hervorragenden Anbindung des Flughafens an andere Verkehrsträger (v.a. Schiene) und die übrigen schweizerischen Airports ist Zürich für viele Schweizer aus anderen Regionen der Flughafen erster Wahl. Dies spiegelt sich im Vorsprung Zürichs gegenüber Genf und Basel bei den Passagierzahlen wider. Die Wirtschafts- und Finanzstandorte Schweiz und Zürich im Besonderen sind attraktiv, wenngleich das Wirtschaftswachstum in der Schweiz in den letzten Jahren im internationalen Vergleich gering war. Ferner ist die Schweiz nach wie vor ein beliebtes Urlaubsziel. Etwa ein Drittel aller Urlauber erreicht die Schweiz mit dem Flugzeug. Von der Nachfrageseite sind die Voraussetzungen für Wachstum offensichtlich gegeben. Und auf der Angebotsseite haben einige Ereignisse der jüngeren Vergangenheit die Position des Flughafens Zürich gestärkt. Von erheblicher langfristiger Bedeutung ist der Erwerb des Nachfolgeunternehmens der Swissair, der Swiss International Airlines durch die Deutsche Lufthansa. Damit ist der wichtigste Kunde des Flughafens Zürich von einer der größten, renommiertesten und finanzstärksten Airlines der Welt übernommen worden. Wichtig ist hierbei das Bekenntnis der Lufthansa zum Flughafen Zürich als dritter Hub (nach Frankfurt und München) und zur Marke Swiss. Die Swiss kann durch die kürzlich vollzogene Integration in die weltweit größte strategische Allianz im Luftverkehr, die Star Alliance, ihren Kunden zusätzliche Leistungen anbieten (mehr Destinationen, Teilnahme an Vielfliegerprogrammen, Nutzung von Lounges usw.). Differenzierte Kundenstruktur in Zürich Neben der Swiss und der Lufthansa verfügt der Flughafen Zürich über eine breit gefächerte Kundenstruktur, die Linien-Carrier genauso einschließt wie LCC und Charter-Gesellschaften. Auf die Swiss, als wichtigstem Kunden des Flughafens Zürich, entfielen im Jahr 2005 rd. 48% aller Flugbewegungen. Gut die Hälfte aller Passagiere in Zürich flog mit Maschinen dieser Airline. Die Marktanteile aller anderen Fluggesellschaften lagen, gemessen an der Passagierzahl, jeweils unter 5%. Damit liegt der Flughafen Zürich im Hinblick auf die Abhängigkeit von seinem größten Kunden im Vergleich zu anderen Großflughäfen in Europa im Mittelfeld. Nicht zuletzt weist der Flughafen Zürich auch ein attraktives Angebot im Non-Aviation-Bereich auf. Dies gilt nicht nur für Passagiere, sondern auch für Besucher und Mitarbeiter. Im Jahr 2005 entfielen 40% der Erträge des Flughafens Zürich auf den Non-Aviation- Bereich bei steigender Tendenz. Schwächen des Flughafens Zürich Ein natürlicher Nachteil des Flughafens Zürich liegt im kleinen Heimatmarkt; dies gilt sowohl für die Bevölkerungszahl als auch für die räumliche Ausdehnung. Die landesinternen Flüge in Zürich machten 2005 weniger als 5% aller Flugbewegungen aus (zum Vergleich Frankfurt: 17%). Der kleine Heimatmarkt erschwert somit die Hub- Funktion. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass der Anteil der 30. Mai 2006 13

Aktuelle Themen 354 Lufthansa bei Fracht in Europa vorne Verkehrsleistung im Frachtverkehr der 15 größten Fluggesellschaften in Europa* Lufthansa Air France Cargolux British Airways KLM Alitalia Swiss Virgin Atlantic Iberia SAS Austrian Airlines Turkish Airlines Finnair TAP Portugal SN Brussels Airlines * Nur Mitglieder der AEA Mrd. Tkm 0 5 10 Quelle: AEA 13 Slots in Tagesrandzeiten für Hub-Funktion benötigt Transferpassagiere in Zürich mit 30% geringer ist als etwa in Frankfurt (über 50%). Für den niedrigen Anteil sind natürlich auch die Spätfolgen des Scheiterns der Swissair sowie die aktuelle Strategie der Swiss verantwortlich. Als weiterer Schwachpunkt ist die in Zürich relativ geringe Bedeutung des international stark expandierenden Frachtgeschäfts zu nennen. Nicht von der Hand zu weisen ist, dass der Flughafen Zürich in den Planungen der Lufthansa als Hub nur die Position Nr. 3 nach Frankfurt und München einnimmt. Multi-Hubbing hat nicht nur Vorteile, sondern ist auch mit höheren (Transaktions-)Kosten für die Fluggesellschaft verbunden, die ein solches Konzept verfolgt. Faktisch hat die Lufthansa dadurch aber Wahlmöglichkeiten, die ihre Verhandlungsposition gegenüber einzelnen Airports verbessert. Spätestens wenn durch die geplanten Ausbaumaßnahmen am Flughafen Frankfurt dessen Kapazitätsengpässe reduziert oder beseitigt sind, steigen die Wahlmöglichkeit der Lufthansa noch mehr, und die Abhängigkeit von Zürich (wenn es diese überhaupt gibt) sinkt entsprechend. Dies alles wird jedoch dann relativiert, wenn Zürich für die Lufthansa-Tochter Swiss auch langfristig der Hub Nr. 1 bleibt, was aus heutiger Sicht nicht unwahrscheinlich ist. Um die Hub-Funktion ausfüllen zu können, benötigen Lufthansa und Swiss jedoch langfristig einen entsprechenden Zugang zur Infrastruktur. In diesem Zusammenhang ist ein anderer Aspekt wichtig: Aus der oben genannten hohen Bedeutung des wichtigsten Kunden, der Swiss, resultiert ein nicht unerhebliches Risiko, zumal die Airline kein eigenständiges Unternehmen mehr ist. Unter der hypothetischen Annahme, dass die Lufthansa aus welchen Gründen auch immer eine defensive Geschäftstrategie in Zürich betriebe bzw. der wirtschaftliche Erfolg der Swiss dauerhaft ausbliebe, wären negative wirtschaftliche Auswirkungen auf den Flughafen Zürich die Folge. Ein (Teil-)Rückzug dieser beiden Airlines könnte kurzfristig nicht vollständig durch andere Kunden ausgeglichen werden, wenngleich sich einige Anbieter heute sicherlich mehr Slots in den attraktiven Tageszeiten wünschten. Erschließung des Wachstumspotenzials gefährdet Die potenziell wachstumshemmenden Effekte der genannten Negativfaktoren sind aus unserer Sicht bei weitem nicht so gravierend einzuschätzen wie die politisch bedingten Einschränkungen des Flugbetriebs in Zürich. Ein international aufgestellter Hub in Europa benötigt eine ausreichend hohe Anzahl an Slots vor allem in den Tagesrandzeiten, da z.b. viele Maschinen aus Übersee (Asien und Nordamerika) morgens landen und abends (Asien) abfliegen. In diesen Tagesrandzeiten muss zudem genügend Raum für entsprechende Anschlussflüge und Zubringerverkehre vorhanden sein. Bei Einschränkungen der Flugbewegungen zu diesen wichtigen Tagesrandzeiten, verursacht etwa durch eine längere Nachtruhe, kann die Hub-Funktion in Zürich nicht ausreichend wahrgenommen werden. Eine absolute Begrenzung von Flugbewegungen verhindert per Definition künftiges Wachstum. Die Gefahr steigt, dass betroffene Fluggesellschaften nach Alternativen suchen, was durch die Liberalisierung des Luftverkehrs grundsätzlich erleichtert wird. Insofern steht Zürich in direkter Konkurrenz zu allen mitteleuropäischen (Sekundär-)Hubs B vor allem zu München, Wien und Mailand. 14 30. Mai 2006

Zukunft der Drehkreuzstrategie im Luftverkehr Rückentwicklung vom Sekundär-Hub zum Sekundärflughafen droht Anreize zur Verringerung von Fluglärm erforderlich Abschlussbetrachtung Die aktuelle Position des Flughafens Zürich als Sekundär-Hub in der Mitte Europas und wichtiges Drehkreuz der Star Alliance ist aus heutiger Sicht gefestigt. Die rein wirtschaftlichen Voraussetzungen sind für den Airport gegeben, um am Wachstum des Luftverkehrs angemessen zu partizipieren. Unbestritten ist aber auch, dass bestehende oder drohende, politisch bedingte Restriktionen das Wachstumspotenzial des Flughafens Zürich gefährden. Sie könnten stetige Marktanteilsverluste sowie eine schrittweise Rückentwicklung zu einem Sekundärflughafen verursachen mit entsprechend deutlich weniger direkten Verbindungen im Interkontinentalverkehr. Zusätzliche Wertschöpfung und Arbeitsplätze entstünden dann an anderen Airports in Europa; je nach Szenario sind auch ein Verlust an Arbeitsplätzen sowie eine Schwächung der Wirtschaftsregion Zürich nicht auszuschließen. Dies würde nicht von heute auf morgen geschehen, aber eine falsche Weichenstellung in der Flughafenpolitik ist nachträglich nur schwer zu korrigieren, denn die Konkurrenz schläft bekanntermaßen nicht. Eine marktgerecht wachstumsorientierte Flughafenpolitik trägt dagegen zur nachhaltigen Sicherung der Attraktivität des Standorts bei. Natürlich orientieren sich politische Entscheidungen nicht immer und niemals ausschließlich an ökonomischen Kriterien. Eine zu starke Vernachlässigung ökonomischer Aspekte kann jedoch mittel- bis längerfristig negative Entwicklungen z.b. für die wirtschaftliche Dynamik oder den Arbeitsmarkt der Region Zürich verursachen. Die Adressaten dieser Botschaft sind wohl auf beiden Seiten zu suchen, bei der Politik und den Bürgern, sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland. Die Hoffnung bleibt, dass in den folgenden Monaten eine politisch verlässliche Lösung erarbeitet wird, die den wirtschaftlichen Notwendigkeiten des Flughafens Zürich und den berechtigten Interessen der Bürger dies- und jenseits der Grenze hinsichtlich der Verringerung von Fluglärm Rechnung trägt. Technologische Innovationen und (monetäre) Anreizmechanismen zur Verringerung von Fluglärmemissionen und -immissionen sollten hierbei eine tragende Rolle spielen. Eric Heymann (+49 69 910-31730, eric.heymann@db.com) 30. Mai 2006 15

Thema Verkehr Der Verkehrssektor ist ein Wachstumsmarkt und befindet sich im stetigen Wandel. Internationale Arbeitsteilung und die Liberalisierung des Welthandels geben dem Güterverkehr einen kontinuierlichen Schub. Die Nachfrage nach individueller Mobilität expandiert weltweit; sie ist der Motor für das Wachstum des Personenverkehrs. Auf der politischen Ebene stehen Fragen der Liberalisierung von Märkten, der Privatisierung von staatlichen Verkehrsunternehmen und der Finanzierung von Verkehrsinfrastruktur im Mittelpunkt. Mit diesen vielfältigen Facetten des Verkehrssektors beschäftigen sich die Analysen von DB Research. Privatisierungsoptionen für das deutsche Autobahnnetz Aktuelle Themen, Nr. 350...24. April 2006 Containerschifffahrt: Überkapazitäten trotz steigender Nachfrage programmiert Aktuelle Themen, Nr. 347...6. April 2006 Ausbau von Regionalflughäfen: Fehlallokation von Ressourcen Aktuelle Themen, Nr. 337...3. November 2005 Überfällige Konsolidierung im Luftverkehr ante portas? Privatisierung und Regulierung der deutschen Flughäfen Doppelstudie zum Luftverkehr, Aktuelle Themen, Nr. 291... 10. März 2004 Betreibermodelle für Straßeninfrastruktur: Lukrative Anlageobjekte für institutionelle Investoren Aktuelle Themen, Nr. 264... 5. Mai 2003 Auswirkungen der EU-Osterweiterung auf den europäischen Verkehrsmarkt In Monitor EU-Erweiterung, Nr. 10...17. Dezember 2002 Informations- und Kommunikationstechnologien S Allheilmittel gegen den Verkehrsinfarkt? E-conomics, Nr. 34...11. Dezember 2002 Unsere Publikationen finden Sie kostenfrei auf unserer Internetseite www.dbresearch.de Dort können Sie sich auch als regelmäßiger Empfänger unserer Publikationen per E-Mail eintragen. Für die Print-Version wenden Sie sich bitte an: Deutsche Bank Research Marketing 60262 Frankfurt am Main Fax: +49 69 910-31877 E-Mail: marketing.dbr@db.com Copyright 2006. Deutsche Bank AG, DB Research, D-60262 Frankfurt am Main, Deutschland. Alle Rechte vorbehalten. Bei Zitaten wird um Quellenangabe Deutsche Bank Research gebeten. Die vorstehenden Angaben stellen keine Anlageberatung dar. Alle Meinungsaussagen geben die aktuelle Einschätzung des Verfassers wieder, die nicht notwendigerweise der Meinung der Deutsche Bank AG oder ihrer assoziierten Unternehmen entspricht. Alle Meinungen können ohne vorherige Ankündigung geändert werden. Die Meinungen können von Einschätzungen abweichen, die in anderen von der Deutsche Bank veröffentlichten Dokumenten, einschließlich Research-Veröffentlichungen, vertreten werden. Die vorstehenden Angaben werden nur zu Informationszwecken und ohne vertragliche oder sonstige Verpflichtung zur Verfügung gestellt. Für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Angemessenheit der vorstehenden Angaben oder Einschätzungen wird keine Gewähr übernommen. In den USA wird dieser Bericht durch Deutsche Bank Securities Inc., Mitglied der NYSE, NASD, NFA und SIPC, genehmigt und/oder verbreitet. In Deutschland wird dieser Bericht von Deutsche Bank AG Frankfurt genehmigt und/oder verbreitet, die über eine Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht verfügt. Im Vereinigten Königreich wird dieser Bericht durch Deutsche Bank AG London, Mitglied der London Stock Exchange, genehmigt und/oder verbreitet, die in Bezug auf Anlagegeschäfte im Vereinigten Königreich der Aufsicht der Financial Services Authority unterliegt. In Hongkong wird dieser Bericht durch Deutsche Bank AG, Hong Kong Branch, in Korea durch Deutsche Securities Korea Co. und in Singapur durch Deutsche Bank AG, Singapore Branch, verbreitet. In Japan wird dieser Bericht durch Deutsche Securities Limited, Tokyo Branch, genehmigt und/oder verbreitet. In Australien sollten Privatkunden eine Kopie der betreffenden Produktinformation (Product Disclosure Statement oder PDS) zu jeglichem in diesem Bericht erwähnten Finanzinstrument beziehen und dieses PDS berücksichtigen, bevor sie eine Anlageentscheidung treffen. Druck: HST Offsetdruck Schadt & Tetzlaff GbR, Dieburg ISSN Print: 1430-7421 / ISSN Internet: 1435-0734 / ISSN E-Mail: 1616-5640