A) Musterklausur BGB im Angestelltenlehrgang I (Text und Lösung) 1. Der Stadtpark in E soll saniert werden. Die Stadt schreibt unter anderem Arbeiten zur Begrünung aus. Das Angebot soll dabei auch ein Konzept zur Gestaltung des Parks mit Grünpflanzen, insbesondere Bäumen, Sträuchern und Blumen enthalten. Die Firma Fix ist interessiert. Sie vereinbart einen Besichtigungs- und Besprechungstermin mit der zuständigen Sachbearbeiterin Clara Fall (F). An dem Tag ist der Chef allerdings verhindert, weswegen er seinem Angestellten Ullrich Haltlos(H) einen Zettel mit folgendem Inhalt hinterlässt: Hallo Ullrich, bitte nimm den Termin im Auftrag der Firma wahr. Tu Dein Bestes und zieh den Auftrag an Land. Chef H besichtigt mit F eingehend das etwa 1 ha große Areal. Er schlägt dabei verschiedene Bepflanzungen vor. F weist darauf hin, dass auch andere Firmen in die engere Auswahl kommen, weshalb H ihr einen besonders günstigen Preis vorschlägt. Er bietet sämtliche Bepflanzungen zum Pauschalpreis von 3500 an. F bittet ihn, sich wegen ihrer Entscheidung am nächsten Tag um 12.00 Uhr telefonisch bei ihr zu melden, womit H einverstanden ist. Als H seinen Chef von diesem Ergebnis informiert, ist dieser entsetzt. Die von H angebotenen Arbeiten sind wirtschaftlich nicht für weniger als 6000 ausführbar. Aufgabe: H ist verzweifelt und bittet Sie, die Frage zu beantworten, ob bereits ein Vertrag zustande gekommen ist (Gutachtenstil) und ob er sich von dem Preis noch lösen kann. Lösung: Vertrag kommt zustande durch mindestens zwei übereinstimmende WE, Angebot und Annahme. Hier unterbreitet H im Auftrag der Firma ein Angebot: Bepflanzung
komplett für 3500. Die Voraussetzungen des 164 Abs.1 BGB liegen vor, H war hierzu auch ermächtigt. Ein Angebot unter Anwesenden kann gemäß 147 Abs.1 BGB nur sofort angenommen werden. Eine sofortige Annahme durch F erfolgte hier nicht. Diese bat allerdings den H, sich bis zum nächsten Tag entscheiden zu dürfen. Der H sagte dies zu. Deshalb liegt hier ein Fall von 148 BGB, nämlich Bestimmung einer Annahmefrist vor. Der H (für die Firma) ist bis zum nächsten Tag 12.00Uhr an den Antrag gebunden. Ein Vertrag ist noch nicht zustande gekommen. Fraglich ist, ob der H sein Angebot widerrufen kann. Gemäß 130 Abs.1 BGB wird eine WE, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, nicht wirksam, wenn dem Anderen vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht. Der H sollte deshalb seine Erklärung schnellstmöglich widerrufen. Der Widerruf muss spätestens gleichzeitig mit der Annahmeerklärung der F erfolgen. Dann würde H seine WE noch rechtzeitig beseitigen, so dass sie von F dann nicht wirksam angenommen werden kann.
2. Die Stadt bestellt schließlich selbst Grünpflanzen für den Park bei der Gärtnerei Blattlos(B). Clara Fall bestellt u.a. 30 Ferocactus peninsulae. Sie hatte die Pflanzen in einem Katalog entdeckt. Allerdings übersah sie dabei, dass der Name nicht zu der abgebildeten großblättrigen, hübsch blühenden Pflanze (Trompetenblume) gehört, sondern zu einem unten rechts abgebildeten Kaktus mit 4 cm langen Stacheln und Widerhaken. Entsprechend erstaunt war sie bei der Lieferung der Ware. Sie verlangte gegenüber B sofort die Rücknahme der irrtümlichen Bestellung und anstelle dessen die Lieferung der von ihr eigentlich gemeinten Trompetenblume. B, der viel Aufwand beim Transport und der Verpackung der Kakteen betrieben hat, möchte von Ihnen wissen a) Hat sich die Stadt vom Vertrag gelöst? Dann müsste sie wirksam angefochten haben. Zu einer Anfechtung gehören folgende Voraussetzungen: Anfechtungsgrund, Anfechtungsfrist, Anfechtungserklärung. Zu prüfen ist zunächst ob ein Anfechtungsgrund vorliegt. Hier könnte ein Inhaltsirrtum i.s.d. 119 Abs.1, 1.Alt.vorliegen. Dann müsste sich F über den Inhalt der Erklärung geirrt haben. Sie löste die Bestellung für die Kakteen aus, weil sie annahm, der lateinische Name gehöre zu den eigentlich gewünschten Trompetenblumen. Deshalb gab sie eine Erklärung ab, deren Inhalt sie nicht erkannte. Es liegt ein Inhaltsirrtum vor. Gemäß 121 BGB muss die Anfechtung unverzüglich erfolgen, also ohne schuldhaftes Zögern. Laut SV verlangte F sofort die Rücknahme der irrtümlichen Bestellung. Dieses Verlangen ist als Anfechtungserklärung zu werten. Die Frist ist eingehalten. Die Anfechtungserklärung ist formfrei abzugeben, 143 BGB, was sich daraus ergibt, dass im 143 BGB keine bestimmte Form vorgeschrieben ist. Im Ergebnis liegen alle Voraussetzungen der Anfechtung vor. Die Wirkung der Anfechtung, ergibt sich aus 142 Abs.1 BGB, das Rechtsgeschäft, hier also der Vertrag ist von Anfang an nichtig.
b) Kann er für den Aufwand der Verpackung und Anlieferung Kosten geltend machen? Gemäß 122 Abs.1 BGB ist der Vertrauensschaden zu ersetzen, wenn eine Anfechtung nach 119 BGB erfolgt. Hier handelt es sich um die Kosten für Verpackung und Versand. Diesen Betrag kann B von der Stadt verlangen. c) Wäre er verpflichtet anstelle dessen die Trompetenblumen zu liefern, die allerdings inzwischen ausverkauft sind? Eine Verpflichtung zur Lieferung der Trompetenblumen könnte sich aus einem Kaufvertrag ergeben. Ein solcher ist hier jedoch nicht zustande gekommen, der ursprüngliche Vertrag hatte zum Inhalt die Lieferung der Kakteen, da es auf den objektiven Inhalt des Vertrages ankommt. Das Verlangen auf Lieferung der Trompetenblumen stellt einen Antrag auf Abschluss eines neuen Vertrages dar, den der B nicht annehmen wird, weil er nicht liefern kann. Er ist daher zur Lieferung nicht verpflichtet.
3. Schließlich wird noch ein Kleintiergehege eingerichtet. Darin sollen zwei Esel eine neue Heimat finden. Die Esel kauft die Stadt von dem Züchter(Z). Bei der Bestellung erklärt F ausdrücklich, dass die Tiere von den Kindern gestreichelt werden sollen. Z erwidert, dass seine Esel in der Regel gutmütig sind, er aber natürlich nicht drin stecke. Es sollen ein Weibchen und ein Männchen geliefert werden. Nach zwei Monaten stellt sich heraus, dass es sich bei dem Jungtier welches ein Männchen sein sollte auch um ein Weibchen handelt. Darüber hinaus erweist sich dieses Tier als äußerst angriffslustig, so dass es nicht möglich ist, es zu streicheln. Aufgabe: F ist ratlos und bittet Sie: a) Prüfen Sie gutachterlich ob und welche Mangelgewährleistungsansprüche gegenüber dem Züchter Z in Bezug auf den betroffenen Esel bestehen. Lösung: Sie könnten sich aus 437 BGB ergeben. Dann müssten die TBM des 437 BGB vorliegen. Diese sind: Kaufvertrag und Sachmangel. Ein KV kommt durch mindestens zwei übereinstimmende (korrespondierende) WE zustande, Angebot und Annahme. Hier ergibt sich aus dem SV, dass die Stadt zwei Esel kaufte. Ein Kaufvertrag liegt demnach vor. Die Kaufsache müsste auch einen Sachmangel haben. Dieser ist in 434 BGB definiert. Dann müsste der Sache entweder eine vereinbarte Beschaffenheit fehlen, sie sich nicht zu der nach dem Vertrag vorausgesetzten Verwendung eignen, oder eine unerwartete, unübliche Beschaffenheit aufweisen. Hier stehen zwei mögliche Mängel im Raum
a) Der Esel lässt sich nicht streicheln. Fraglich ist hier, ob eine solche Eigenschaft vertraglich vereinbart oder von beiden Parteien als vertraglich vorausgesetzte Verwendung angenommen wurde. Die Stadt hatte hier um Esel für den Streichelzoo gebeten. Der Z äußerte dagegen, dass er diese Eigenschaft nicht zusagen könne ( er stecke nicht drin ). Dennoch hat die Stadt die Esel gekauft. Danach ist Vertragsgegenstand nicht die Möglichkeit zum Streicheln der Tiere geworden. Ein Mangel liegt nicht vor. Die Stadt hat die Ungewissheit hierüber vielmehr in Kauf genommen. (andere Auffassung vertretbar) b) Ein Mangel könnte jedoch darin bestehen, dass es sich nicht um ein Männchen handelt. Gemäß 90a BGB sind auf Tiere die Vorschriften über eine Sache anzuwenden. Vereinbart war hier ein Männchen. Es handelt sich jedoch um ein Weibchen, weswegen dem Tier die vereinbarte Beschaffenheit fehlt. Ein Sachmangel liegt insofern vor. In Bezug auf die fehlende Eigenschaft Männchen- ist der TB des 437 BGB erfüllt. Die Rechtsfolge ist zunächst ein Anspruch auf Nacherfüllung nach 437 Nr.1 BGB. Nacherfüllung besteht gem. 439 BGB in Reparatur oder Lieferung einer mangelfreien Sache. Hier wäre denkbar ein Eselweibchen zu liefern. Der Mangelgewährleistungsanspruch der Stadt besteht hier deshalb in der Lieferung eines Eselmännchens durch Z.
4. Schließlich wird ein Windschutz gekauft. Die Firma Schnell liefert ihn. Ein Eigentumsvorbehalt wird nicht vereinbart. Als die Bezahlung der Stadt ausbleibt, möchte Schnell von Ihnen wissen, ob man den Windschutz nicht einfach wieder abholen kann. Falls nicht, beraten Sie Schnell bitte darüber, welche Handlungsalternativen bestehen. Aufgabe: Erläutern Sie an dieser Aufgabe das Wesen des Abstraktionsprinzips und beantworten Sie die Fragen. Lösung: Wesen des Abstraktionsprinzips ist die Trennung in Verpflichtungsgeschäft und die darauf basierenden Erfüllungsgeschäfte. Ist eines der Geschäfte unwirksam berührt dies die Wirksamkeit der anderen Rechtsgeschäfte nicht. (Abstraktion) Hier ist das Verpflichtungsgeschäft ein Kaufvertrag. Das 1.Erfüllungsgeschäft ist die Übergabe und Übereignung der Kaufsache, 929 BGB. Dieses ist hier ebenso erfolgt, wie ein wirksamer KV geschlossen wurde. Das 2.Erfüllungsgeschäft besteht hier in der Übergabe und Übereignung des Geldes, 929 BGB da auch Geld eine bewegliche Sache ist. Sie ist hier jedoch nicht erfolgt. Wegen der Abstraktion hat dieser Umstand aber keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der beiden anderen Rechtsgeschäfte. Da das Eigentum an dem Windschutz bereits auf die Stadt überging, kann der Windschutz nicht einfach nach 985 BGB herausverlangt werden. Die Firma kann entweder den Kaufpreis einfordern, indem z.b. Zahlungsklage erhoben wird, oder aber nach Fristsetzung, gem. 323 BGB vom Vertrag zurücktreten. Der Rücktritt würde den Rechtsgrund für die Übereignung des Windschutzes entfallen lassen. So würde ein Anspruch aus 346 Abs.1 BGB, alternativ 812 Abs.1 BGB auf Herausgabe des Windschutzes entstehen.