Lebensmittelallergene Auf Spurensuche

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Transkript:

Dr. rer. mat. Rolf Steimüller Lebensmittelallergene Auf Spurensuche Allergenporträts Lebensmittel als Auslöser (Teil 2) Pflanzliche Nahrungsmittelallergene Allergieauslösende Substanzen (Allergene) sind in der Regel Proteine oder Glycoproteine, die natürlicherweise im Lebensmittel vorkommen. Häufig werden Lebensmittelallergien durch pflanzliche Produkte hervorgerufen. Die meisten dieser pflanzlichen Lebensmittelallergene gehören zu einigen wenigen Protein Familien und Superfamilien. Einleitung Eine Anzahl bekannter Allergene sind pflanzlichen Ursprungs, insbesondere Samen und Körner (z.b. Erdnüsse, Senf, Soja, Weizen), Früchte und Gemüse (unter anderem Apfel und Sellerie) und Pollen (z.b. Birke). Grundsätzlich synthetisieren Pflanzen eine große Anzahl von unterschiedlichen Eiweißen mit mannigfaltigen Funktionen. Eine der Hauptfunktionen der Proteine liegt in der enzymatischen Katalyse von Stoffwechselreaktionen. Eine weitere, bedeutende Funktion ist der Stofftransport, z.b. über Membranen. Darüber hinaus ist die Kontrolle von Wachstum und Differenzierung im weitesten Sinne von der Expression bestimmter Proteine abhängig. In den Samen und anderen Speicherorganen sind Speicherproteine enthalten, die dem Keimling als Aminosäurereserve dienen und für die menschliche Ernährung von großer Bedeutung sind. Weiterhin ist Eiweiß der Hauptbestandteil des Cytoplasmas und findet sich demzufolge in allen Pflanzenteilen. Abb. 1: Bei Arabidopsis thaliana (Ackerschmalwand) handelt es sich um eine einjährige, krautige Pflanze, die zu den Kohlgewächs (Brassicaceae) gehört. Sie ist mit einer Wuchshöhe von bis zu 30 cm ein relativ unscheinbares Unkraut. Der Ackerschmalwand hat keinerlei Bedeutung für die Landwirtschaft, ist aber u.a. auf Grund seiner kleinen Genomgröße von circa 115 x 106 Basenparen (bp) als Modellorganismus für die Genetik von Interesse. Ist die große Vielfalt pflanzlicher Proteine auch Allergie relevant? Die Anzahl der unterschiedlichen Pflanzenproteine ist sehr groß. Beispielsweise besitzt der Ackerschmaldwand (Arabidopsis), ein unscheinbares Kohlgewächs (Brassicaceae), eines der kleinsten bekannten Pflanzengenome, welches sich aus nur fünf Chromosomen mit rund 25.000 Genen zusammensetzt, von denen jedes für ein Protein kodiert. Damit ist das Arabidopsis-Genom im Vergleich zu anderen Nutzpflanzen ein Winzling. Nutzpflanzengenome wie z.b. die von Mais, Weizen und Gerste sind um ein vielfaches größer. Wenngleich die maximale Anzahl der Proteine in einer Pflanze, basierend auf der Gesamtzahl der Gene geschätzt werden kann, gibt diese doch nur einen ungefähren Anhaltspunkt. Da viele Proteine nur in Spuren, in bestimmten Geweben oder während bestimmten Entwicklungsstadien expremiert werden. Schätzungsweise 17 % der Gene mit identifizierten Funktionen sind in Transkriptionvorgänge verwickelt und 10,4 % in Signalprozesse. Erwartungsgemäß werden derartige Proteine nur in geringen Mengen und / oder vorübergehend synthetisiert. Folglich geht die Gesamtzahl der pflanzlichen Proteine, die mittels Elektrophorese, in Pflanzengewebe identifiziert werden können, in die Hunderte nicht aber in die Tausende. Es ist letztlich diese relativ kleine Anzahl von Proteinen im Pflanzengewebe, die der Menge nach das Potenzial haben, allergieauslösend zu wirken. Mit anderen Worten, die Anzahl der pflanzlichen Proteine, die in der Lage sind, eine allergische Reaktion auszulösen, dürfte um mehrere Größenordnungen niedriger sein als die theoretische Proteinanzahl. Klassifizierung pflanzlicher Proteine Pflanzenproteine waren unter den ersten Eiweißen, die wissenschaftlich untersucht wurden. Erstmalig führte Osborne im Jahre 1924 systematische Untersuchungen von Pflanzenproteinen durch. Das gleichnamige Osborne-Schema unterscheidet die Pflanzenproteine nach ihrer Löslichkeit entweder in Wasser (Albumine), in Salzlösungen (0,5 Abb. 2: Nutzpflanzengenome, wie beispielsweise Mais (2,5 x 109 bp) und Weizen (16 x 1.012 bp sind im Vergleich zu dem winzigen Arabidopsis Genom um ein vielfaches größer. Obwohl ein Teil dieser zusätzlichen DNA in den genannten Arten nicht transkripiert wird, besitzen diese Pflanzen mehr Gene und folglich auch mehr Proteine als Arabidopsis. 10 HYGIENE Report 2 2010

1,0 M NaCl / Globuline), in wässrigem Alkohol (60-70 % Ethanol / Prolamine) oder in sauren oder alkalischen Lösungen (Gluteline). Typische Getreide-Speicherproteine sind Prolamine und Gluteline, die Samen von Leguminosen enthalten überwiegend Globuline und Albumine. Bei den Samen von zweikeimblättrigen Pflanzen sind Globuline die Hauptkomponente der Reserveproteine. Der Anteil der Globuline am Gesamtprotein eines Samens kann bis zu 70 % betragen. Albumine haben dagegen einen vergleichsweise geringen Anteil (bis zu 15 %) am Gesamtsprotein des Samens. Im Gegensatz zu den schwefelarmen Globulinen zeichnen sich diese Speicheralbumine durch einen vergleichsweise hohen Gehalt an schwefelhaltigen Aminosäuren aus. Darüber hinaus können Proteine pflanzlicher Herkunft auch aufgrund ihrer Funktion in vier strukturelle Familien eingeteilt werden, dabei handelt es sich zum einen um Struktur- und Stoffwechselproteine, Schutzproteine (die Pflanzen gegen den Befall durch Krankheitserreger oder Schädlingsfraß schützen) sowie Speicherproteine (die als Nährstoffvorrat dienen, um den Keimprozess in den Samen zu unterstützen). Mittlerweile ist bekannt, dass fast alle Allergene in pflanzlichen Lebensmitteln entweder protektive- oder Speicherproteine sind. Klasszifizierung von Pflanzenallergenen Es wurden mehrfach Versuche unternommen, Ordnung in die große Vielfalt der verschiedenen Allergene zu bringen. Beispielsweise die Klassifizierung basierend auf der biologischen Funktion der pflanzlichen Lebensmittelallergene oder mittels Protein-Familien. Letzteres wurde erst mit der Verfügbarkeit von modernen Untersuchverfahren, wie beispielsweise Proteinsequenzierung, drei-dimensional Strukturanalysen, möglich. Das natürlichste Klassifikationssystem könnte eine Verknüpfung beider Ansätze sein, fußend auf strukturellen als auch auf funktionellen Eigenschaften der Proteine (s. Abb.: 3). Struktur- & Stoffwechselproteine, einschließlich Enzyme, Zellwandund Membranproteine Abb.3: Klassifizierung von Pflanzenproteinen. Proteine werden in Familien zusammengefasst, wenn ihre Aminosäure Bausteine eine Homologie von 30 % oder mehr haben, oder wenn sie eine geringere Homologie vorweisen, aber ähnliche Funktionen und Strukturen besitzen. Familien, deren Mitglieder nur über eine geringe Sequenzhomologie verfügen, jedoch über Strukturen und funktionelle Eigenschaften verfügen, die einen allgemeinen Entwicklungsursprung wahrscheinlich machen, werden in Superfamilien zusammengefasst. Die meisten allergenen Pflanzenproteine gehören einer relativ kleinen Gruppe von Familien und Superfamilien an. Am häufigsten verbreitet sind die Cupin- (7S und 11S Speicherproteine) und die Prolamin-Superfamilien (2S Albumine, unspezifische Lipidtransferproteine [nsltps], a-amylase / Protease- Inhibitoren und Getreide-Prolamine (s. Tabelle 1) und die Protein-Familien des Pflanzenverteidigungssystems (s. Tabelle 2). Superfamilie Typus Beispiele Cupin Superfamilie Prolamin Superfamilie 7S Globuline 11S Cupin Superfamilie Viciline Legumine 2S Albumine Unspezifische Lipidtransferproteine (nsltps) Getreide a-amylase / Protease- Inhibitoren Getreide-Prolamine Pflanzenproteine Speicherproteine Albumine 2S Prolamin Superfamilie Die Cupin Superfamilie beinhaltet allergene Samenspeicherproteine vom Vicilin- und Legumin-Typ, zum Beispiel in Sojabohnen, Erdnüssen und Baumnüssen. Diese wichtigen hitze- und säurestabilen Globulin-Speicherproteine zeichnen sich durch eine gemeinsame fassähnliche Struktur aus. Die Prolamin Superfamilie umfasst mehrere wichtige Typen von Allergenen von Hülsenfrüchten, Baumnüssen, Zerealien, Früchten und Gemüse, wie die 2S Albumin-Samenspeicherproteine, die nichtspezifischen Lipid-Transfer- Proteine (TP), und die a-amylaseund Protease-Inhibitoren. Tabelle 1: Allergene Pflanzenproteine aus den Cupin und Prolamin-Superfamilien. Schutzproteine, einschließlich der PRs ( pathogenesis-related Proteins ) und Proteinase Inhibitoren Prolamine Pflanzennahrungsmittelallergene werden auch unter den verschiedenen Gruppen von Verteidigungsproteinen gefunden, welche den Pflanzen ermöglichen, Stressfaktoren zu widerstehen, wie beispielsweise die sogenannten pathogenesis related proteins = PR-Proteine, bestimmte Proteasen und Protease- Inhibitoren. Die Pathogenesis-related Proteine (PRs) stellen eine heterogene Gruppe aus 14 Protein-Familien. Zahlreiche Nahrungsmittelallergene pflanzlicher Herkunft sind PR-Homologe. (s.tabelle 2). Lagerungsproteine sind die Ursache von altbekannten allergischen Reaktionen auf Erdnüsse und Zerealien. Pathogenesis-related Proteine (PRs) sind verantwortlich für das Pollen-Frucht-Syndrom oder Latex- Frucht-Syndrom. Zusätzlich existieren einige Familien von strukturellen und metabolischen Proteinen, ohne verwandtschaftliche Beziehung zueinander. Cupin-Superfamilie Die Cupine sind hinsichtlich ihrer Funktion eine sehr heterogene Superfamilie von Proteinen, deren Name sich aus dem lateinischen Wort cupa (kleines Fass oder Gefäß) ableitet. Eine Anspielung auf die strukturelle Gemeinsamkeit dieser Proteine, die einer ß-Barrel -Kerndomä- Ara h 1 (Erdnuss), Jug r 2 (Walnuss), Len c 1 (Linsen), Gly m Bd 60K (Sojabohne), Ano 1 (Cashewnuss), Ses i 3 (Seasam) Ara 3/4 (Erdnuss), Cor a 9 (Haselnuss), Ano 2 (Cashewnuss) Ber e 1 (Paranuss), Jug r 1 (Walnuss), Ses i 2 (Seasam), Sin a 1 (Sinapis alba, gelber Senf), Bra j 1 (Brassica juncea, indischer Senf) Pru p 3 (Pfirsich), Pru ar 3 (Aprikose), Pru av 3 (Süßklirsche), Pru d 3 (Pflaume), Cor a 8 (Haselnuss), Mal d 3 (Apfel), Cas s 8 (Kastanie) CM-16-Inhibitor (Weizen), Hor v 15 (Gerste), Sec 1 (Roggen), dimerischen a-amylase-inhibitoren RDAI-1 und RDAI-3 aus Reis Tri a 19 (Weizen), Sec c 20 (Roggen), Hor v 21 (Gerste) HYGIENE Report 2 2010 11

ne. Neben dieser Kerndomäne enthalten die Cupine noch zwei weitere kurze, konservierte, übereinstimmende Sequenzmotive. Die Cupin- Superfamilie wird in den Vicilin-Typus (7S-Globuline) und den Legumin-Typus (11S-Globuline) gegliedert. Viciline Proteinfamilie Typus Beispiele Pathogenesis-related Proteins (PRs) Proteasen Protease-Inhibitoren Reife 7S-Globuline sind typische trimere Proteine, d.h. aus drei Untereinheiten (den Monomeren) bestehende Eiweiße mit einem Molekulargewicht von 150-190 kd. Namensgebend ist das Vicilin, ein Globulin der Ackerbohne (Vicia fába). Andere Hülsenfrüchte wie Linsen, Bohnen, Erbsen und Wicken enthalten ebenfalls Vicilin. Bei einem Proteingehalt von 20-29 % (bezogen auf Trockensubstanz) kommen in der Erbse etwa 6-8 % des Proteins vor. Alle bekannten Vicilin-Sequenzen sind Cystein-frei, woraus sich das Fehlen von Disulfidbrücken zwischen den Polypeptidketten von Vicilinen erklärt. Das bestanalysierte allergene Vicilin ist das Majorallergen aus der Erdnuss Ara h 1, das für eine Mehrzahl schwerer anaphylaktischer Reaktionen durch pflanzliche Nahrungsmittelallergene verantwortlich zeichnet. Drei Ara h 1 Monomere aggregieren miteinander um den hoch stabilen trimeren Komplex zu bilden und schützen das Molekül vor dem Protease Verdau und Denaturierung, und ermöglichen die Dünndarm Passage. PR-2: Endo-ß1, 3-Glucanases PR-3: Klasse I Chitinases PR-4: Win-like Proteins PR-5: TLPs PR-9: Peroxidase PR-10: Intrazelluläre PR-Proteine Bei der Sojabohne bestehen etwa 50 % der 7S-Fraktion der Samenspeicherglobuline aus ß-Conglycinin, einem 180 kd Glykoprotein. Die a-untereinheite, Gly m Bd 60 kd, ist eines der Majorallergene der Sojabohne-7S-Globulinfraktion. Jug r 2 ist ein allergenes Vicilin der Walnuss (Juglans regia), das schwere anaphylaktische Reaktionen hervorrufen kann. Die linearen IgE-Epitope des allergen Vicilins Ana o 1 der Cashewnuss (Anacardium occidental) und Ara h 1 der Erdnuss haben keine wesentlichen konservierten Sequenzen. Daraus resultiert nach Sicherer SH und Coautoren die fehlende allergene Kreuzreaktivität zwischen Erdnuss und Baumnüssen. Legumine Die 11S-Globuline sind für Leguminosen charakteristisch und werden daher häufig als Legumine bezeichnet. Reife 11S-Globuline sind hexamere Proteine, bei denen jede Untereinheit aus einer basischen und einer sauren Peptidkette besteht, die von einem Vorläufer(Precursor) molekül abstammen und durch eine Disulfidbrücke miteinander verbunden sind. Die Synthese der 11S Speicherproteine beginnt mit der Synthese von Precursormolekülen und nachfolgender struktureller Umbildung zu intermedären Trimeren. Die endgültige Umformung und Spaltung in die hexamere Endstruktur Banana Glucanase Pers a 1 (Avocado), Cas s 5 (Esskastanie) Bra r 2 (Rübe) Pru ac (Kirsche), Mal d 2 (Apfel) Tri a Bd 36K (Weizen) Api g 1 (Sellerie), Mal d 1 (Apfel) PR-14: nsltps s. Tabelle 1 Papain-like Cysteine Protease Subtilisin-like Serine Protease Kunitz-Typ-Protease-Inhibitoren Getreide-a-Amylase und Protease-Inhibitoren Tabelle 2: Allergene Pflanzenproteine des Pflanzenabwehrsystems. Act C 1 (Kiwi), Gly m Bd 30K (Sojabohne) Cuc m 1 (Melone) Soja-Trypsin-Inhibitoren erfolgt nach einem Transport der Trimere über den Golgi-Apparat in den sogenannten protein bodies der Vakuole. Bei dem Erdnussallergen Ara h 3 handelt es sich um ein N-terminales Ende der Glycininuntereinheit, einem 11S-Legumin-ähnlichen Samenspeicherprotein. Ara h 3 und Ara h 4, ursprünglich als verschiedene Erdnussallergene mit hoher Sequenzübereinstimmung zu Glycinin beschrieben, gelten heute als identische Allergene. Haselnuss ist eine häufig verzehrte Baumnuss, welche allergische Reaktionen induzieren kann. Cor a 9 ist ein allergenes Haselnuss-11S-Globulin, das nicht in Verbindung mit Inhalationsallergenen (Pollen) steht. Ana o 2 ist ein Legumin-artiges Major-Cashewallergen. Allergische Reaktionen auf den Verzehr von Cashewnüssen sind zwar relativ selten, gleichwohl können die Folgen lebensbedrohlich sein. Weitere 11S-Globulin-Nahrungsmittelallergene pflanzlicher Herkunft wurden zudem in Kokonuss, Walnuss und Mandel isoliert. Prolamin-Superfamilie Diese Superfamilie besitzt ein charakteristisches Skelett bestehend aus 8 konservierten Cysteinresten (C-Xn-CX n-cc-xn-cxc-xn-c-xn-c) innerhalb der Aminosäuresequenz. Infolgedessen besitzen diese Proteine eine konservierte dreidimensonale Struktur, die durch die konservierte Lage der Cysteinreste und die Ausbildung von Disulfidbrücken zwischen ihren a-helices stabilisiert wird. Die überwiegende Mehrzahl der charakterisierten Mitglieder der Prolamin-Superfamilie umfassen die wichtigsten Pflanzenallergene, die in Samen verbreitet sind. Diese Superfamilie umfasst zwei Gruppen: Die niedermolekularen, Schwefel-reichen Samenproteine, inklusive den 2S-Albumine Speicherproteinen der dikotylen Pflanzensamen, einschließlich a-amylase, Protease-Inhibitoren und den unspezifischen Lipidtransferproteinen (nslt- Ps). Obgleich sehr viele Mitglieder der letztgenannten Gruppen auch in anderen Gewebetypen vorkommen. Diese Proteine besitzen alle Molekularmassen unter 15000 Da und die acht oder mehr konservierten Cysteinreste. Die zweite große Gruppe der Prolamin-Superfamilie sind die eigentlichen Getreide-Prolamine, die Hauptspeicherproteine von Getreidekörnern (mit Ausnahme von Hafer und Reis), die namensgebend für die gesamte Superfamilie waren. 2S-Albumine Die 2S-Albumine sind eine wichtige Gruppe von Speicherproteinen, die in vielen zweikeimblättrigen Pflanzenarten vorkommen. Typische 2S-Albumine, wie das 2S- Albumin der Paranuss, sind heterodimere Proteine aus 2 Polypeptidketten mit etwa 4-9 kd, die über 4 Disulfidbrücken verbunden sind. 2S-Albumin-Speicherproteine werden als Einzelketten von 10 15 kda synthetisiert, posttranslational prozessiert und bilden kleine und große Untereinheiten, welche meist über Disulfidbrücken miteinander verbunden sind. Wichtige allergene 2S-Albumine sind einige der Baumnuss- und Samenallergene, einschließlich Ber e 1 der Paranuss, Jug r 1 der Walnuss sowie 2S-Ablumine der Cashewnüsse. Das klinisch bedeutsamste Allergen der Sesamsamen 12 HYGIENE Report 2 2010

ist das Ses i 2, welches ebenfalls zur Gruppe der 2S-Albumine gehört. Die 2S-Albumine Sin a 1 von Sinapis alba (gelber Senf) und Bra j 1 von Brassica juncea (indischer Senf) wurden als eine der molekular Ursache für die allergische Reaktion gegen Senf identifiziert. Die Erdnuss- Allergene Ara h 2, Ara h 6 und Ara h 7 gehören zwar zur Conglutin- Protein-Familie, diese ist jedoch mit der 2S-Albumin-Familie assoziiert. Unspezifische Lipidtransferproteine (nsltps) Die Familie der nsltps bestehet aus 7-9 kd schweren Monomer- Proteinen, die über 4 Disulfidbrücken in Form eines hydrophoben Kanals verbunden sind. Die unspezifischen Lipidtransferproteine (nsltps) besitzen eine breite substratbindende Spezifität. Sie akkumulieren sich gewöhnlich in den äußeren Pflanzenschalen und -hüllen. Dies erklärt auch die stärkere Allergenität der Schalen von Rosengewächsen (Rosaceae) im Vergleich zu deren Fruchtfleisch (Pulpa). nsltps sind gegenüber Proteolyse sehr resistent, ferner gegen starke ph-schwankungen und thermische Behandlungen und können ihre Ursprungsstrukturen durch Gefrieren wiedergewinnen. Die gemeinsamen strukturellen Eigenschaften der nsltps stellen die Basis für ihre ausgeprägte klinische Kreuzreaktivität dar. Die unspezifischen Lipidtransferproteine werden ebenso als PR-14 Familie bezeichnet. nsltps sind weit verbreitet, so sind mittlerweile entsprechende Sequenzen aus Früchten, Nüssen, Samen und Gemüse verfügbar. Beispielsweise wurden nsltps als Major-Pfirsich- (Pru p 3), Major-Apfel- (Mal d 3) und Major-Aprikosen-Allergen (Pru ar 3) in der mediterranen Bevölkerung identifiziert. Ebenfalls wurden die nsltps von Süßkirsche und Pflaume als die Allergene Pru av 3 und Pru d 3 charakterisiert. Das Haselnuss nsltp, Cor a 8, wurde als in hohem Maße kreuzreaktiv beschrieben mit dem unspezifischen Lipidtransferfaktor des Pfirschs. Getreide-a-Amylase und- Protease-Inhibitoren Pflanzen haben, eigens zur Abwehr gegen Insekten, einen gewissen Resistenzgrad entwickelt, der teilweise auf Proteinen beruht wie dem a-amylase-inhibitor. Diese Inhibitoren können darüber hinaus eine Proteinase-Inhibitoraktivität besitzen und dadurch mit der enzymatischen Verdauung des Insektenverdauungssystems wechselwirken. Derartige Inhibitoren werden von Weizen, Gerste, Roggen Reis und Mais synthetisiert. Sie besitzen Untereinheiten von etwa 120-160 Aminosäureresten, enthalten 4 Disulfidbrücken und bilden Monomere, Dimere und Tetramere. a-amylase-inhibitoren finden sich mit Homologien zwischen 20 und 60 % in den verschiedenen Getreidemehlen (z.b. Gerste, Roggen). Diese Homologien sind speziell für die teilweise vorhandene Kreuzreaktivität zwischen den drei Getreidemehlen verantwortlich. Neben den mehleigenen Allergenen spielen auch Backmittelzusatzstoffe wie z.b. Backmittelenzyme eine zunehmende allergologische Rolle. Neben der Inhalation des Mehlstaubs atmet der Bäcker nicht nur Getreidemehlbestandteile, sondern auch Partikel zugegebener Backmittelzusatzstoffe und verschiedene Verunreinigungen der Mehle ein. So gewinnt u.a. auch das kohlenhydratspaltende Enzym a-amylase aus Aspergillus oryzae (neben der mehleigenen a-amylase) an Bedeutung. Es stellt ein bedeutendes Inhalationsallergen dar und gehört zu den häufigsten Auslösern von berufsbedingten Atemwegserkrankungen. Allergene dieser Familie sind daher in der Lage bei Atopikern durch Ingestion, aber auch durch Inhalation, Sensibilisierungen auszulösen. Beispiele für diese Gruppe sind CM-16-Inhibitor (Weizen), die homologen Gersten-Allergene CMb, Hor v 15 (Hor v 1/ BMAI-1) und das Gersten-dimerische Protein, Sec c 1 (Roggen) sowie die dimerischen a-amylase-inhibitoren RDAI-1 und RDAI-3 aus Reis. Die bestcharakterisierten Allergene dieser Gruppe sind die a-amylase-inhibitoren aus Reis. Getreide-Prolamine Die Prolamine bilden zusammen mit den Glutelinen den Hauptproteinbestandteil des Getreidemehls, das sogenannte Klebereiweiß (Gluten). Diese Getreide-Spreicherproteine vertreten bei den Monokotylen die für Dikotylen typischen Globuline. Prolamine enthalten zahlreiche Glutamin- (bis zu 46 %) und Prolin-Reste (bis zu 25 %). Letztere waren namensgebend für die gesamte Gruppe. Kennzeichnend für diese Gruppe ist ihre Unlöslichkeit in Wasser, aber ihre Löslichkeit in 60-70%igem Ethanol. Die Prolamine stellen hinsichtlich ihrer Struktur eine abwechslungsreiche Proteingruppe dar. Entsprechend ihrer Herkunft werden sie nach den Getreidearten benannt: Gliadin (Weizen), Secalin (Roggen), Avenalin (Hafer), Hordein (Gerste), Zein (Mais), Oryzin (Reis) und Kafirin (Hirse). Der Anteil der Prolamine am Gesamtprotein ist abhängig von der Getreideart: Weizen (Gliadin) 33 %, Roggen (Secalin) 21 %, Gerste (Hordein) 25 %, Hafer (Avenin) 14 %, Reis (Oryzin) 2 %, Hirse (Kafirin) 34 %, Mais (Zein) 48 %. Trotz struktureller Unterschiede innerhalb der Primärsequenz werden die Prolamine unabhängig davon, ob sie von Weizen oder einer anderen Getreideart stammen, häufig auch allgemein als Glutene bzw. Gliadine bezeichnet. Eine große Zahl von den in der Lebensmittelund Getränkeindustrie verwendeten Getreidearten enthalten Prolamine in z. T. erheblichen Mengen. Allergien gegenüber Prolaminen sind vergleichsweise selten. Demgegenüber sind Unverträglichkeitsreaktionen gegen bestimmte Prolamine relativ häufig. Gliadin, Secalin und Hordein gelten als Aus- HYGIENE Report 2 2010 13

Familie Herkunft Quelle Allergen-Name PR-2 ß-1,3-Glucanasen Hevea brasiliensis Latex, Banane (Musa paradisiaca) PR-3 Charakteristisch ist, dass mit dem Garen die vorwiegend hitzeinstabilen Allergene zerstört und somit in den allermeisten Fällen vertragen werden. Untersuchungen zeigen jedoch, dass z.b. geringe Men- Klasse-I-Chitinasen löser der Zöliakie (gluteninduzierte Enteropathie beim Kind) oder Sprue (beim Erwachsenen). Dabei handelt es sich um eine chronische Autoimmunkrankheit, die in genetisch prädisponierten Patienten durch die zuvor genannten Getreideeiweiße ausgelöst wird. Bei Zöliakiepatienten kommt es meist schon im 1. oder 2. Lebensjahr zu intestinalen Malabsorptionssyndromen infolge ausgedehnter Läsionen der Dünndarmmukosa, hervorgerufen durch die Einwirkung von Gluten. Die Inzidenz beträgt in Europa 1:600 bis 1:1.000. Bei dieser Erkrankung handelt es sich im engeren Sinne nicht um eine allergische Reaktion, sondern um eine Unverträglichkeitsreaktion. Allergene des Pflanzenabwehrsystems Das pflanzliche Abwehrsystem verwendet eine große Vielzahl von unterschiedlichen Komponenten und Avocado (Persea americana), Hevea brasiliensis Latex, Esskastanie (Castanea sativa), Banane (Musa paradisiaca) Tabelle 3: Allergen relevante Pathogenesis-related Proteine (PRs). Proteinen zum Schutz gegen biotische und abiotische Belastungen. Bei den pflanzlichen Allergenen finden sich viele der allergenen Proteine als so genannte PRPs wieder ( pathogenesisrelated proteins ). Diese Abwehrstoffe werden entweder konstitutiv oder fakultativ synthetisiert. Fakultativ durch Stressinduktoren wie Pathogenbefall, Verletzung, Umweltstress und -schadstoffe. PR-Proteine sind Teil des Abwehrsystems von Pflanzen. Sie werden bei offensichtlich sehr gefährdeten Pflanzen (Obst, Pollen) kontinuierlich (konstitutiv) exprimiert. Pathogenesis-related Proteins (PRs): Bei den sogenannten PRs ( pathogenesis-related Proteins ) handelt es sich definitionsgemäß um pflanzliche Proteine, die als Antwort auf Infektionen durch Bakterien, Pilze, Viren oder ungünstige Umweltbedingungen, spezifisch synthetisiert werden. Sie dienen der botanischen Hev b 2 Pers a 1, Hev b 11, Cas s 5 PR-4 Chitinasen Hevea brasiliensis Latex, Rübe Hev b 6 PR-5 PR-8 PR-9 PR-10 PR-14 Thaumatinartige Proteine (TLPs) Klasse-III- Chitinasen Liginin-bildende Peroxidasen unbekannt; Bet v 1 homologe Unspezifische Lipidtransferproteine (nsltps) Kirsche (Prunus avium), Apfel (Malus domestica), Paprika (Capsicum annuum ), Zeder (Cedrus), Kiwi (Actinidia chinensis) Hevea brasiliensis Latex Weizen (Triticum aestivum) Birke (Betula), Haselnuss ((Castanea sativa),), Erle (Alnus glutinosa), Hainbuche (Carpinus betulus), Esskastanie (Castanea sativa), Apfel (Malus domestica), Sellerie (Apium graveolens), Kirsche (Prunus avium), Pfirsich (Prunus persica), Aprikose (Prunus armeniaca), Birne (Pyrus), Karotte (Daucus carota), Kartoffel (Solanum tuberosum), Petersillie (Petroselinum crispum) Pfirsich (Prunus persica), Apfel (Malus domestica), Soja (Glycine max), Aprikose (Prunus armeniaca), Pflaume (Prunus domestica), Kirsche (Prunus avium), Gerste (Hordeum vulgare), Hevea brasiliensis Latex, Esskastanie (Castanea sativa), Haselnuss (Castanea sativa), Walnuss (Juglans regia), Beifuss (Artemisia vulgaris ) Ambrosia, Spargel (Asparagus), Weintrauben (Vitis vinifera, Mais (Zea mays), Oliven (Olea europaea) Pru av 2, Mal d 2, Cap a 1, Jun a 3, Act c 2 Hevamine Tri a Bd 36K Bet v 1, Cor a 1, Aln g 1, Car b 1, Cas s 1, Mal d 1, Api g 1, Pru av 1, Pru p 1, Pru ar 1, Pyr c 1, Dau c 1, STH-2, PcPR-1 Pru p 3, Mal d 3, Gly m 1, Pru av 3, Art v 3, Amb a 6, Par j 1,2, Cas s 8, Cor a 8, Jug r 1, Aspa o 1, Vit v 1, Hev b 12, Zea m 14, Ole e 7 Abwehr von Infektionen und anderen (Umwelt-) Belastungen. PRs stellen keine Protein-Superfamilie dar, sondern eine Gruppe unzusammenhängender Proteinfamilien, deren Gemeinsamkeit darin besteht, dass sie am Pflanzenabwehrsystem teilhaben. PR-Proteine sind definiert als 5-70 kda kleine Proteine, die vom Pflanzengenom kodiert werden. Sie lassen sich aufgrund von DNA-Sequenzähnlichkeiten, immunologischen und enzymatischen Eigenschaften, unabhängig von der Pflanzenspezies, in 14 Familien unterteilen. Die verschiedenen Klassen von PR- Proteinen umfassen unter anderem Endo-ß-Glucanasen (PR- 2), Chitinasen (PR-3, -4, -8 und -11) und Proteinasen (PR-7), diese schwächen durch ihre hydrolytischen Aktivitäten pilzliche Zellwände. Thaumatinähnliche Proteine (PR-5), pflanzliche Defensine (PR-12), Thionine (PR-13) und Lipidtransfer Proteine (PR-14) wirken permeabilisierend auf pilzliche und bakterielle Plasmamembranen. Peroxidasen aus der PR-9 Familie können an der Verstärkung von pflanzlichen Zellwänden in Reaktion auf Pathogenbefall beteiligt sein. PR-1 Proteine zeigen eine direkte antifungale Wirkung gegen Oomyzeten. Zahlreiche Nahrungsmittelallergene pflanzlicher Herkunft sind PR- Homologe. PRs sind darüber hinaus verantwortlich für das Pollen- Frucht-Syndrom oder Latex-Frucht- Syndrom. Bet v 1-Homologe Allergene (Birkenpollenassoziierte Nahrungsmittelallergien) Baumpollenassoziierte Nahrungsmittelallergien gewinnen aufgrund ihrer Häufigkeit in unseren Breiten immer mehr an Gewicht. Das Sensibilisierungsspektrum hat sich wahrscheinlich infolge der klimatischen Veränderungen in den letzten Jahrzehnten zugunsten der Baumpollen (Birke, Hasel, Erle) verschoben, wobei die Birkenpollen für die Kreuzsensibilisierung ausschlaggebend sind. Mit dieser Verschiebung hat auch gleichzeitig die Unverträglichkeit auf Äpfel und Nüsse, die häufig bei einer Birkenpollenallergie beobachtet wird, zugenommen. Neben den lokalen Reizerscheinungen im Mund-Rachen-Bereich während bzw. nach dem Verzehr von frischem Obst, Nüssen und Sellerie sowie Karotten, als orales Allergiesyndrom (OAS) bezeichnet, können ebenso rhinokonjunktivale, gastrointestinale und asthmatische Beschwerden auftreten. Es können aber auch schwerere Formen eines OAS bzw. anaphylaktische Reaktionen z.b. nach Nüssen, Möhren und Soja auftreten. 14 HYGIENE Report 2 2010

gen an nicht inaktivierten pollenassoziierten Allergenen in gerösteten Haselnüssen und gekochtem Sellerie bei hochsensibilisierten Patienten noch Symptome herbeizuführen vermögen. Verantwortliches Allergen ist das Majorallergen der Birke (Bet v 1), gegen das mehr als 90 Prozent aller Birkenpollenallergiker sensibilisiert sind, 70 % sind ausschließlich gegen Bet v 1 sensibilisiert. Bet v 1 ist ein sogenanntes Pathogenese-assoziiertes Protein der Gruppe 10 (PR-10), welches in Stresssituationen vermehrt produziert wird. Bet v 1 verwandte (homologe) Proteine wurden als allergische Proteine in einer Reihe von Pollen beschrieben. Neben dem Pollen von Birke noch in verwandten Bäumen, wie beispielsweise Haselnuss (Corylus avellan), Erle (Alnus glutinosa), Hainbuche (Carpinus betulus) und Esskastanie (Castanea sativa). Zwischenzeitlich wurde eine stetig größer werdende Anzahl von kleinen intrazellulären Proteinen mit ähnlichen Charakteristika aus zahlreichen Blütenpflanzen beschrieben. Vertreter dieser Proteinfamilie wurden aber auch in zahlreichen pflanzlichen Nahrungsmitteln identifiziert (Sequenzhomologien 50 bis 70 Prozent). Die wichtigsten Nahrungsmittel sind Kern- und Steinobst (vor allem Apfel und Pfirsich), Nüsse sowie Karotte, Kiwi und frische Feigen. Daneben sind Kreuzreaktionen auch mit zahlreichen weiteren Obst- und Gemüsesorten möglich, die aber viel seltener klinische Symptomen auslösen. Protease-Inhibitoren Die ersten Enzyminhibitoren wurden aus Sojabohnensamen isoliert. Dabei handelte es sich um Kunitz Typ sowie Bowman-Birk Typ Proteaseinhibitoren. Aus Getreidekörnern wurde ebenfalls in diesem Zeitraum ein Inhibitor der a-amylase isoliert. Seither wurden zahlreiche weitere Inhibitoren isoliert und charakterisiert, die meisten aus Samen und Speicherorganen. Kunitz-Typ-Protease- Inhibitoren Kunitz-Typ Inhibitoren sind eine der am weitesten verbreiteten Familien. Sie sind hauptsächlich in Samen von Leguminosen, aber auch in anderen Pflanzenarten und in Organen wie Getreidekörnern oder Kartoffelknollen zu finden. Ein typischer Vertreter ist der Trypsininhibitor aus Sojabohnen mit einem relativen Molekulargewicht von 21 kda und vier Cysteinresten, welche zwei intramolekulare Disulfidbrücken bilden. Diese Gruppe besteht aus Pflanzenproteinen mit Inhibitoraktivität gegenüber verschiedenen Proteinasen, z.b. der Serin-Proteinase aus der Trypsin- und Subtilisin-Familie, Thiol-Proteinasen u.a.. Die Kunitz-Familie der Trypsin-Inhibitoren kommt bei zahlreichen Gemüsearten vor und wurde speziell bei der Sojabohne sehr gut charakterisiert. Obgleich es sich um ein Minorallergen handelt, sind Berichte über das Auslösen von anaphylaktischen Reaktionen bekannt. Sojalecithin wird als Emulgator weit verbreitet in der Nahrungsmittel- und Kosmetikindustrie eingesetzt und enthält kleine Mengen IgE-reaktiver Proteine, darunter den Kunitz-Typ-Protease-Inhibitor. Des Weiteren wurden 16-20 kda schwere IgE-bindende Proteine aus der Kartoffel als Protease-Inhibitoren aus der Familie der Kunitz-Typ-Trypsin-Inhibitoren identifiziert. Sie wurden als Sola t 2, Sola t 3 und Sola t 4 bezeichnet. Proteasen Bei den Peptidasen (Peptidbindungshydrolasen) handelt es sich um Enzyme, die Proteine oder Peptide spalten können. Dabei katalysieren sie die Hydrolyse von Peptidbindungen. Peptidasen werden häufig auch, insbesondere wenn größere Proteine gespalten werden, als Proteasen, Proteinasen oder proteolytische Enzyme bezeichnet. Peptidasen kommen in allen Geweben und Zellen aller Organismen vor. Sie werden auf Grundlage von Sequenz-Übereinstimmung in Familien untergliedert. Zwei Proteasen-Familien enthalten allergene Proteine: die Papain-ähnlichen Cysteinproteasen und die Subtilisin-ähnlichen Serinproteasen. Die Papain-Familie beinhaltet Enzyme, die in vielen Arten von Bakterien und Eukaryonten gefunden werden. Die Subtilisin-Familie ist die zweitgrößte Serinproteasen-Familie mit mehr als 200 bekannten Mitgliedern aus Eukaryonten und Prokaryonten. Bei den Cysteinproteasen handelt es sich um eine Gruppe von Enzymen, die zu den Hydrolasen gezählt werden. Zu den Cysteinproteasen (Thiolproteasen) zählen neben dem Enzym Papain, noch weitere, ähnliche Proteasen aus anderen Früchten, beispielsweise das Bromelain der Ananas (Ananas comosus), das Actinidin der Kiwi (Actinidia chinensis) und das Ficin der Feige (Ficus carica). Actinidin (Act c 1) aus der Kiwi (Actinidia chinensis) ist das Hauptallergen der Kiwi. Es stellt 50 % der löslichen Kiwi-Proteine dar und bindet IgE von mehr als 90 % kiwiallergischen Patienten. Das einzige Mitglied der Subtilisin-Familie, der Serinproteasen mit allergener Aktivität, ist Cucumisin (Cuc m 1) aus der Melone (Cucumis melo), das bei mehr als der Hälfte der Patienten mit Melonenallergie zur IgE-Bindung fähig war. Strukturproteine Profiline Profiline sind zytosolische Proteine mit einer Molmasse von circa 12 bis 15 kda, die in sämtlichen Eukaryontenzellen gefunden wer- Erdnuss Walnuss Haselnuss Mandel Soja β-lactoglobulin Senf Sesam Krustentiere Ei Casein Bovines Serumalbumin TRANSIA GmbH Dieselstr. 9A D-61239 Ober-Mörlen Tel.: 06002 9386-0 Fax: 06002 9386-91 E-Mail: info@transia.de www.transia.de HYGIENE Report 2 2010 15

den. Sie binden an Actinmonomere und sind an der Regulation der Polymerisation von Actinfilamenten und damit letztlich des Zytosklettes beteiligt. Die wesentliche Rolle der Profiline in Pflanzenzellen ist die rasche Reorganisation von Mikrofilamenten bei Zytogeneseprozessen, Zytoplasmaströmen, Zellelongation und Wachstum von Pollenschläuchen oder Wurzelhaaren. Profilin-Sequenzen sind hochkonservierte Strukturen der Pflanzen mit 70-85 % Sequenzübereinstimmung der verschiedenen Spezies. An den beiden bekannten allergenen Profilin-Strukturen von Birkenpollen und Hevea brasiliensis Latex spiegelt sich die konservierte Sequenz auch in einer ähnlichen Gestalt wieder. Bei dem ersten, als Allergen identifizierten, Profilin handelte es sich um ein Allergen des Birkenpollens, welches als Bet v 2 bezeichnet wird. IgE-spezifisches Profilin kreuzreagiert mit Profilin aus Pollen und Nahrungsmitteln. Patienten welche gegen Pollen- Profilin sensibilisiert sind, reagieren auf eine große Anzahl von Allergenquellen, sowohl auf inhalative als auch auf nutritive Allergene. Profilin ist auch an dem Sellerie- Beifuß-Gewürz-Syndrom, englisch auch als Birch-Celery-Mugwort- Syndrome bekannt, beteiligt Andererseits scheint die klinische Rolle der Profiline von untergeordneter Bedeutung. Beispielsweise sind die meisten Profiline thermolabil und anfällig gegenüber Verdauungsprozessen (insbesondere des Magens). Aus diesem Grund sind Nahrungsmittelallergien auf Profilinbasis meist auf ein orales Allergiesyndrom durch native Nahrungsmittel begrenzt. Profilin-spezifische IgE wurden in 10-30 % der Patienten mit einer Pollen-assoziierten Lebensmittelallergie gefunden. Allergene Profiline wurden in Birkenpollen-assoziierten Früchten und Nüssen wie Birne (Pyr c 4), Kirsche (Pru av 4), Pfirsch (Pru p 4) und Haselnuss (Cor a 2) gefunden. Profiline tragen zur Nahrungsmittelallergie bei Patienten mit Birkenpollen und Unkrautpollen bei, z.b. gegenüber Api g 4 aus Sellerie, Mus xp aus Bananen und Cu C m 2 aus Melonen. Ferner wurden Profiline aus den Leguminosen, namentlich Ara h 5 aus Erdnuss und Gly m 3 aus Soja charakterisiert. Ausblick Die Zahl der Allergene mit bekannten Sequenzen wächst ständig an. Neue Familien mit Speicher- und Strukturproteinen oder metabolischen Enzymen kommen zu gut charakterisierten allergenen Proteinfamilien hinzu. Dennoch kann die stetig anwachsende Anzahl von Allergenen einer relativ geringen Anzahl von Proteinfamilien zugeordnet werden. Inzwischen ist bekannt, dass fast alle Allergene in pflanzlichen Lebensmitteln entweder Schutz- oder Speicherproteine sind. Ferner ist bekannt, dass diese Proteine, die die Entwicklung einer allergischen Reaktion über den Gastrointestinaltrakt auslösen, in erster Linie zu zwei großen Proteinfamilien gehören: der Prolamine-Superfamilie dreidimensionale Proteine mit Helix-Struktur, die in Gemüse, Baumnüssen (wie Paranuss), Getreide (wie Reis und Weizen), Obst (wie Pfirsichen) vorkommen und der Cupin-Superfamilie hitze- und säurestabile Speicherproteine mit fassähnlicher Struktur (zum Beispiel in Erdnüssen, Walnüssen und Sojabohnen). Aufgrund dieser Daten ist es offensichtlich, dass die Allergenität eines Proteins eng mit seiner Struktur verknüpft ist. Darüber hinaus ist letztlich auch die Kreuzreaktivität eine Funktion der Struktur eines Allergens. Diese Klassifizierung ermöglicht ein besseres Verständnis von Kreuzreaktivitäten zwischen verschiedenen Allergenquellen. Die unterschiedliche allergene Potenz verschiedener Allergene ist gleichwohl derzeit auf molekularer Ebene noch nicht hinreichend geklärt. Vorhersagen zur Allergenität einer Substanz sind aus diesem Grund auf der Grundlage ihrer molekularen Struktur allein noch nicht möglich. Mit anderen Worten, Lebensmittelhersteller sehen sich nach wie vor noch mit dem Problem konfrontiert, wie das Allergiepotential einer gezüchteten oder biotechnologisch veränderten Pflanze abzuschätzen ist. Dessen ungeachtet ermöglichen Aussagen über die biochemischen Eigenschaften, die Aminosäuresequenz, die dreidimensionale Struktur und letztlich die Familienzugehörigkeit eines Proteins eine erste Annäherung an diese Problematik. Die neuen Erkenntnisse, wie z.b. die räumlichen Strukturen der Allergene, dienen aber nicht nur dem Verständnis der Ursachen der Allergien, sondern bilden darüber hinaus auch die Grundlagen für neue Therapieansätze. Diese Erkenntnisse sind auch für Strategien zur Senkung allergener Potentiale in Nahrungsmitteln von essentieller Bedeutung. Beispielsweise konnte Säuglingsnahrung auf Kuhmilchbasis bereits durch saure Hydrolyse der Milchproteine erfolgreich dahingehend modifiziert werden. Entsprechende Produkte sind bereits kommerziell erhältlich. Bislang werden derartige Prozessierungsverfahren zur Reduktion der Allergenität noch weitestgehend empirisch durchgeführt und noch nicht systematisch. Weitere Ansätze bieten die Bio- und Gentechnologie. Beispielsweise könnte mittels antisense-rna- (asrna-) und RNA Interferenz- (RNAi-) Technologie der Allergengehalt reduziert werden. Literaturnachweis auf Anfrage NEOGEN Europe Ltd. Cunningham Building Auchincruive AYR KA6 SHW, Scotland, UK www.neogen.com 16 HYGIENE Report 2 2010