Nahrungsmittelallergien und ihre Diagnostik

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1 Nahrungsmittelallergien und ihre Diagnostik NORBERT REIDER Allergieambulanz Med. Universität Innsbruck UNVERTRÄGLICHKEITSREAKTIONEN auf NAHRUNGSMITTEL Beispiel Toxisch E.coli Infekt, Histamin psychogen Pawlow scher Reflex Enzymdefekte Lactose,Fructose Intoleranz Histamin, Chin. restaurant-sy IgE-mediiert OAS, Ei, Meeresfrüchte Sofortreaktion Haut, GI, Lunge... Spätreaktion Atopische Dermatitis Nicht IgE-mediiert Zöliakie... Nicht-toxische Reaktionen Immunologische Reaktionen (Lebensmittelallergien) Unverträglichkeitsreaktionen auf Nahrungsmittel Pharmakologisch Nichtdefiniert Toxische Reaktionen Psychosomatische Reaktionen Nicht-immunologische Reaktionen (Lebensmittelintoleranzen) Enzymopathien Primär Primär Ei Ei Milch Milch Weizen Weizen Erdnuss Erdnuss Fisch Fisch Krebstiere Krebstiere Muscheln Muscheln Fleisch Fleisch Nahrungsmittel-ALLERGIEN Nicht IgEmediiert IgEmediiert Pollenassoziiert Apfel Apfel Pollen- Karotte Karotte Nüsse Nüsse Pfirsich Pfirsich Kirsche Latexassoziiert Sellerie Sellerie Kirsche Latex- Soja Soja Gewürze Gewürze Banane Banane Avocado Avocado Maroni Maroni Kiwi Kiwi Pfirsich Pfirsich Feige Feige Walnuss Walnuss HSMassoziiert Krebstiere Krebstiere HSM- Muscheln Muscheln Austern Austern Schnecken Schnecken 1

2 Häufigste Nahrungsmittelallergien nach Lebensalter Weizenallergie 90% Milch Ei Weizenmehl (Soja, Fisch) 65% Pollen-assoziiert 25% Latex-assoziiert Milben-assoziiert 10% primäre NMA 1. LJ 5. Lj 20. LJ Weizenallergie Bäckerasthma (Inhalationsallergie) Allergen: α-amylase-inhibitoren Nahrungsmittelallergie Allergene: Albumine, Globuline, Gluten Wheat-dependent exercise-induced anaphylaxis (WDEIA) Allergen: Omega-Gliadin Zöliakie TH1-Zell mediierte Immunantwort gegen Gluten Autoantikörper gegen ttga (IgA) Exercise-induced anaphylaxis Auftreten von anaphylaktischen Reaktionen bei/nach körperlicher Anstrengung DD cholinerge Urtikaria, anstrengungsinduziertes Asthma, EIA EIA häufig assoziiert mit Nahrungsaufnahme unspezifische FDEIA (Magenfüllung) spezifische FDEIA: Weizen, seltener andere NM 2

3 Pollenassoziierte NMA erst seit den 1970er Jahren beobachtet! Zunahme korreliert mit verstärkter Pollenbelastung verstärkter allergener Potenz der Pollen veränderte Ernährungsgewohnheiten Sensibiliserung erfolgt über Inhalation daher geographische Unterschiede Nord- vs Südeuropa auch NMA regionsabhängig stark unterschiedlich! Pru p 3, Hauptallergen im Pfirsich Basis der Kreuzallergie Übereinstimmung der Aminosäuren-sequenz PLUS dreidimensionale Struktur (IgE = Konformationsepitope) damit unabh. von phylogenetischer Verwandtschaft (Profiline, Bet v 1) LF Palacios Salcedo et al Clin Exp Allergy

4 PR-10-Proteinfamilie Pathogenesis related Ähnlichkeit zu Bet v 1 Bet v 1: Hauptallergen der Birke Homologe in Kernobst, Steinobst, Nüssen, (Sellerie, Soja, Erdnuss...) stressassoziiert (Umweltbelastung!) mehr Stressproteine = mehr Widerstandskraft daher Genmanipulation zur Induktion labil gegen Hitze und Verdau Henzgen et al Allergo J 2005 Birke-Apfel-Nuss-Syndrom Birke-Apfel-Nuss-Syndrom Birkenpollen Kreuzreaktion ROH!!! Apfel, Pfirsich u.a. Kern- und Steinobst Haselnuss, Mandel, Walnuss Soja Kiwi Karotte, Sellerie > 50% der Birkenallergiker betroffen Orales Allergie-Syndrom (Labilität!) - Gaumenjucken - Schleimhautirritation ( pelzig, bamstig, Bläschen ) - Lippen- und Zungenschwellung - Halsenge, Globus, Schluckbeschwerden - Heiserkeit, Dysarthrie - Atembeschwerden (inspiratorischer Stridor) Ausnahme: selten (!) Systemreaktionen nach Sojadrinks JR 4

5 Gly m 4 Gehalt verschiedener Sojaprodukte PR-14-Proteinfamilie Lipidtransferproteine 7 Miso 8 Sojasauce 12 Sojadrink 13 Tofu 17 Sojabohne Abwehr von Pilzen und Bakterien kaum Pollinose-assoziiert, Sensibiliserung oral stabil gegen Verdauung und Hitze ( min) vorwiegend im Mittelmeerraum (warum?) systemische Reaktionen gegen Äpfel Steinobst Trauben Walnuss Spargel Bier v.a in den oberirdischen Pflanzenteilen, Haut mehr als Frucht SELTEN Mittag JACI 2004 Profiline in sämtlichen Pflanzen vorhanden in vitro Sensibilisierung häufig Relevanz GERING, Hauttests u. Provokation oft negativ bei positiven IgE gegen Vielzahl von NM: Bet v 2 bestimmen, um sinnloses Testen, Diät etc zu vermeiden Beifußassoziierte NMA Sellerie und Gewürze Mango, Trauben, Sonnenblumenkerne, Pistazien Süddeutschland, CH, A (Kochgewohnheiten) Sensibilisierung ohne klinische Pollinose ausreichend Reaktionsmuster auf Gewürze uneinheitlich Allergen unbekannt (Profilin? Art v 1?) 5

6 Beifuß-Sellerie-Gewürz-Syndrom system. Reaktionen SCHOCK! möglich! Kreuzreaktion Sellerie Gewürze Beifuß Ragweed JR Henzgen et al Allergo J 2005;14:48-59 Problemfall Sellerie Gräserpollenassoziierte NMA 1. Birkenpollinose Sensibilisierung gegen Bet v 1 hitze- und verdauungslabil, meist nur OAS häufiger als 2. Beifußpollinose hitzestabile Allergene (welche?) systemische Reaktionen möglich Mehl, Kleie, Tomaten, Hülsenfrüchte selten klinische Relevanz entscheidend sind Anamnese (Pollen und Sellerie) Testung evt orale Provokation 6

7 Latexassoziierte NMA bislang 14 Latexallergene unterschiedliche Sensibilisierungsmuster je nach Sensibilisierungsweg bei Sensibilisierung v.a. gegen Hev b 6 (Hevein) in Latex auch Reaktion auf Homologe in Früchten Latex-Frucht-Syndrom < 20% der Latexallergiker Avocado Kiwi Feige Ananas Walnuss individuell nicht vorhersehbar Latex-Frucht-Syndrom...Patients should be warned about possible reactions to fruits. Cullinan, Position Paper Clin Exp Allergy 2003 prospektive Daten über Latex-Frucht-Syndrom fehlen 39/141 SB-Patienten mit Latexallergie, innerhalb 5 Jahren keine Änderung bez. NMA Reider Clin Exp Allergy 2001 Wert rekombinanter Allergene? Henzgen et al Allergo J 2005;14:

8 Latexassoziierte NMA Henzgen et al Allergo J 2005;14:48-59 Allmers, J Allergy Clin Immunol 2004; Erdnussallergie Hülsenfrucht! x Bohnen, Erbsen, Lupinen.. Erdnussallergie eines der wenigen nicht nur theoretisch lebensbedrohlichen allergenen Nahrungsmittel 2mg im Schnitt ausreichend Flintermann JACI 2006 verpflichtende Kennzeichnung EU-Richtlinie 2003/89/EG & 2006/142/EC...kann Spuren von Erdnuss enthalten... 8

9 Erdnussallergene Ara h 8 Homolog zu Bet v 1 weit überwiegend bei Birkenpollinose, ohne Relevanz Ara h 1 Hauptallergen, Kreuzallergie Leguminosen (Lupinenmehl!) Ara h 2 sehr stabiles Hauptallergen, schwere SR Ara h 3, Ara h 6 weitere Hauptallergene Ara h 9? Homolog zu Pfirsich-LTP (Pru p 3) Ara h 5 Profilin Erdnussallergene Ara h 8 Homolog zu Bet v 1 weit überwiegend bei Birkenpollinose, ohne Relevanz Ara h 1 Hauptallergen, Kreuzallergie Leguminosen (Lupinenmehl!) Ara h 2 sehr stabiles Hauptallergen, schwere SR Ara h 3, Ara h 6 weitere Hauptallergene Ara h 9? Homolog zu Pfirsich-LTP (Pru p 3) Ara h 5 Profilin * kommerziell verfügbar Erdnussallergene Auswirkungen des Röstens bei uns meist nur Ara h 8 (~ Bet v 1): KEINE Relevanz!!! Ara h 1 steigt, andere Proteine werden denaturiert Ara h 2, 1, 3, 9: GEFÄHRLICH Pomes, Clin Exp Allergy

10 Auswirkungen des Röstens Ara h 2 bleibt in Sekundärstruktur beim Rösten stabil Unterschiede USA - Europa Ara h 1 von 95% der US-Patienten erkannt in EU nur 35-70% Ara h 2 keine Unterschiede Maleki, J Allergy Clin Immunol 2003 Nur 10% von 200 gelabelten Proben enthielten Erdnussprotein, 6% > 1mg Befolgung von may contain -Labels sinkt Hefle, J Allergy Clin Immunol 2007 Hefle, J Allergy Clin Immunol

11 Logarithmus zur Abklärung Logarithmus zur Abklärung Anamnese Pollinose? Systemreaktion? Zufallsbefund? + Ara h 8 Prick (to Prick) spez. IgE Phadia Erdnuss USA: 1,1% der Bevölkerung betroffen meist lebenslanges Bestehen oft schwere allergische Reaktionen (Inhalation!) meist keine Kreuzreaktionen mit anderen Hülsenfrüchten Bedeutung als verstecktes Allergen Fisch & Meeresfrüchte meist vertragen: hydrolisiertes Erdnussprotein raffiniertes (heißgepresstes) Öl kaltgepresstes Öl kann Proteinreste enthalten! 11

12 Krustazeen Fisch Garnele, Hummer, Languste, Fluß- und Taschenkrebs, Krabbe in kleinsten Mengen gefährlich! (Inhalation) Hauptallergen: Tropomyosin Kreuzreaktionen mit Molluscen, Muscheln regelmäßig Kreuzreaktion mit Fischen häufig, aber individuell Kreuzreaktionen mit Hausstaubmilben möglich Hauptallergen: Parvalbumin Muskelprotein hitzestabil hochgradig konserviert meist multipel positive Allergietests bei >50% Unverträglichkeit mehrerer Fischarten Minorallergene z.t. hitzelabil ALLERGIEDIAGNOSTIK 1. Diagnoseschritt ANAMNESE ANAMNESE Hauttestung in vitro Diagnostik Provokation welche Symptome? OAS Bauchkrämpfe Diarrhoe (rasch und kurz) Urtikaria, Dyspnoe,... reproduzierbar? Latenz? Minuten bis max 1 h Pollinose? HSM-allergie? 12

13 Beispiele Anamnese Blähungen und Bauchschmerzen nach größeren Milchmengen Lippenschwellung auf Milchkontakt bei Kind Urticaria und Bauchkrämpfe immer nach Thunfisch Familie mit Urticaria nach Thunfisch OAS auf Äpfel und Nüsse Lactoseintoleranz Atemtest Typ I Allergie IgE, Prick Typ I Allergie IgE, Prick Histaminintoxikation Pollinose Prick Birke anamnestisch Pollinose + passende NMA Prick Pollen evt. Prick mit (frischen) NM pollenassoziierte NMA ohne Pollinose Prick Pollen + NM bei Diskrepanz IgE bzw Provokation unklare NMA mit möglicher Pollenassoziation Prick Pollen + NM ( die üblichen Verdächtigen ) + spezifische IgE + evt Provokation 2. Diagnoseschritt HAUTTEST (Prick) Inhalationsallergene Birke, Beifuß Hausstaubmilbe Nahrungsmittel Weizen Ei Milch Fleisch Fisch Gewürze Prick to Prick mit NATIVEN NM!! Kinder Erwachsene 13

14 3. Diagnoseschritt IN VITRO TESTUNG Gesamt-IgE Spezifische IgE RAST -Test Nachweis spezifischer IgE im Blut Patientenserum mit vermuteten IgE gegen dieses Allergen Bindung IgE-Allergen Nachweis mit markiertem Anti-AK Träger mit gebundenem Allergen 14

15 % positive orale Provokation in Abhängigkeit von spez. IgE Werte rekombinanter Allergene Cut-off für einzelne Allergene unterschiedlich Roehr, J Allergy Clin Immunol 2001 bei Erdnuss essentiell Ara h 1, 2, 3, 9 bei Soja wichtig (CAP Phadia Soja negativ!) Gly m 4 oder Bet v 1 bei Latex von fraglichem Nutzen Hev b 6, (2, 7, 8) bei Meeresfrüchten interessant (Kreuzrkt. Milben) Tropomyosin bei Milch im Einzelfall sinnvoll α-lactalbumin, β-lactoglobulin, Casein HAUTTEST vs RAST Hauttest RAST Kosten schnell 30min Tage Gefährdung (+) keine Einflußfaktoren ++ + Aussagekraft abhängig von Allergen!! 15

16 DBPCOFC Goldstandard zum Nachweis einer vermuteten Allergie aufwändig, bei Spätreaktionen nicht leicht zu interpretieren in der Praxis v.a. für unklare Fälle und zum Ausschluß psychosomatischer Reaktionen Wahrscheinlichkeit eines positiven Ergebnisses im Prinzip berechenbar THERAPIE 1. Allergenvermeidung 2. symptomatische Therapie relativ einfach bei Birkenpollenassoziierten NM einfach zu erkennen, kochen) schwieriger bei Sellerie (Suppen, Brühwürfel..) bei NMA wenig wirksam evt Antihistaminika und Dinatriumchromoglykat (Colimune ) präventiv diffizil bei Gewürzen (schwer zu erkennen, individuelle Muster) 16

17 ZUSAMMENFASSUNG NMA bei Erwachsenen sind mehrheitlich pollenassoziiert und sie nehmen weiter zu Reaktionen auf kreuzreagierende NM sind möglich, aber keineswegs obligat Anamnese > Hauttest mit frischen NM > spezifische IgE evt orale Provokation pauschale Diätempfehlungen vermeiden Immuntherapie nur im Einzelfall zu überlegen DANKE!! Ao.Univ.Prof. Dr. Norbert Reider Tel Fax DRUG ALLERGY 20. März 2010 Villa Blanka Innsbruck 17