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Transkript:

Familienrecht Abschnitt 6 Die Zugewinngemeinschaft 8. Dezember 2011 Notar Dr. Christian Kesseler 1 1365 BGB Fall: Keusch kann, nachdem Untreu die Winzertochter in die Wohnung aufgenommen hat, diese nicht mehr sehen. Sie will diese, obwohl sie neben der Wohnung nur noch ihr Auto im Wert von 10.000,-- hat, verkaufen. Immobilienmakler Sellall vermittelt ihr den Käufer Schnäppchen, der die Vermögensverhältnisse der Keusch kennt. Der Kaufvertrag wird zu 400.000,-- notariell beurkundet. Nach Beurkundung erfährt Untreu vom Kauf und a) teilt dies dem Schnäppchen noch vor Kaufpreiszahlung mit und aa) rührt sich auf Aufforderung des Schnäppchen wegen der Genehmigung 3 Wochen nicht bb) Keusch lässt das Familiengericht die Zustimmung des Untreu ersetzen und teilt dies dem Schnäppchen 3 Wochen später mit b) teilt dies dem Schnäppchen nach Umschreibung mit. Keusch will es beim Vertrag belassen. c) Variante: Schnäppchen kennt die Vermögensverhältnisse der Keusch nicht. 8. Dezember 2011 Notar Dr. Christian Kesseler 2

Was kann Untreu unternehmen, wenn Keusch am Vertrag festhalten will und den Schnäppchen nicht zur Rückgängigmachung auffordert? Keusch ist weiterhin Eigentümerin, und zwar trotz Eintragung des Schnäppchen im Grundbuch! Anspruch auf Grundbuchberichtigung nach 894 BGB kann auch der Untreu geltend machen, 1368 BGB 8. Dezember 2011 Notar Dr. Christian Kesseler 3 Wie sieht die Rechtslage im Fall c) aus? Lösung an sich wie vor, aber: Schnäppchen kennt die Vermögensverhältnisse der Keusch nicht. Nach hm setzt 1365 BGB subjektiv die Kenntnis davon voraus, dass die Voraussetzungen des 1365 BGB gegeben sind. Praktische Bedeutung ist deshalb gering. 8. Dezember 2011 Notar Dr. Christian Kesseler 4

Die Verpflichtungs- und Verfügungsbeschränkung nach 1369 BGB Zweck: Erhaltung des für die eheliche Lebensgemeinschaft erforderlichen Hausrats. Probleme: Erstreckung auf schuldrechtliche Ansprüche / Erstreckung auf Gegenstände im Eigentum des anderen Ehegatten / subjektive Voraussetzungen. 8. Dezember 2011 Notar Dr. Christian Kesseler 5 Fall Als Untreu aus der Wohnung aus Geheiß der Keusch auszieht, nimmt er den in seinem Eigentum stehenden Bitburger-Design- Kühlschrank mit Einverständnis der Keusch mit. Als er wenige Wochen später dem Pils ganz abschwört, verschenkt er den Kühlschrank an seinen Freund F. Wieder eine Woche später reut in dies und er möchte den Schrank gerne zurück haben. 8. Dezember 2011 Notar Dr. Christian Kesseler 6

Anspruch des Untreu aus 985 BGB? Eigentum des Untreu? Unwirksamkeit der Übereignung an F nach 1369? Der Kühlschrank ist Hausrat Getrenntleben der Eheleute beendet die Bindung nach 1369 BGB nicht keine Einwilligung der Keusch Für 1369 sind nach h.m. keine subjektiven Voraussetzungen erforderlich Der Herausgabeanspruch besteht! 8. Dezember 2011 Notar Dr. Christian Kesseler 7 Der Ausgleich des Zugewinns Tod Auflösung der Ehe durch Scheidung, Aufhebung, Vertragliche Vereinbarung eines anderen Güterstandes, vorzeitigen Zugewinnausgleich Grds. Erbrechtliche Lösung Erbteil: 1931 BGB Bei Enterbung, Ausschlagung etc.: Güterrechtliche Lösung + kleiner Pflichtteil Bei zu geringem Erbteil oder Vermächtnis: Großer Pflichtteil Güterrechtliche Lösung 8. Dezember 2011 Notar Dr. Christian Kesseler 8

Wahlmöglichkeiten bei Auflösung der Ehe durch Tod (I) Wenn der Ehegatte eine sehr hohen Ausgleichsforderung hat (weil sein eigenes Endvermögen relativ gering ist), lohnt es sich, die Erbschaft auszuschlagen und den Zugewinnausgleich mit dem kleinen Pflichtteil zu kombinieren Beispiel: Keusch hinterlässt ein Endvermögen = Zugewinn von 100.000,-. Untreu hat kein Vermögen. Neben einem Kind erbt Untreu die Hälfte ( 50.000,-). Schlägt er aus, bekommt er einen Zugewinnausgleich von 50.000,-. Und einen Pflichtteil von 1/8 des verbleibenden Nachlasses von 50.000,-, also weitere 6.250,- ( 2303 BGB) 8. Dezember 2011 Notar Dr. Christian Kesseler 9 Wahlmöglichkeiten bei Auflösung der Ehe durch Tod (II) Wenn der Ehegatte zwar etwas erbt oder ein Vermächtnis erhält, der Wert des erlangten aber weniger als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils nach 1931, 1371 ausmacht, kann er nach 2305 oder 2307 BGB den Wert des großen Pflichtteils erhalten Beispiel: Keusch hinterlässt ein Endvermögen = Zugewinn von 100.000,-. Untreus Zugewinn beträgt gleichfalls 100.000,-. Durch Testament setzt Keusch ihre Tochter zu 7/8 und Untreu zu 1/8 zu Erben ein. Der große Pflichtteil des Untreu ist ¼, also 25.000,-. Sein Erbteil beträgt nur 12.500,- Beachte aber: Der zum Erben eingesetzte Pflichtteilsberechtigte kann, so kein Fall des 2306 BGB vorliegt nur den Ergänzungspflichtteil verlangen. 8. Dezember 2011 Notar Dr. Christian Kesseler 10

Wahlmöglichkeiten bei Auflösung der Ehe durch Tod (III) Wenn der Ehegatte zwar etwas erbt oder ein Vermächtnis erhält, dieses aber illiquide oder sonst unattraktiv ist, beispielsweise ein Vermögen in Kunst: Beispiel: Keusch hinterlässt ein Endvermögen = Zugewinn von 1.000.000,-, bestehend aus 2 Bildern. Untreu wird gesetzlicher Erbe zu 1/2. Er kann ausschlagen, damit den güterrechtlichen Ausgleich sich erhalten und gleichzeitig den kleinen Pflichtteilsanspruch verlangen, 1371 Abs. 3. 8. Dezember 2011 Notar Dr. Christian Kesseler 11 Probleme bei der Berechnung der Ausgleichsforderung Berücksichtigung von Schmerzensgeldansprüchen, Lottogewinnen und anderen in 1374 Abs. 2 BGB nicht genannten Vermögenswerten, die nicht durch gemeinsame Arbeit der Ehegatten erworben sein können. Berücksichtigung von Scheingewinnen durch Geldentwertung - die hm bereinigt um die Inflation 8. Dezember 2011 Notar Dr. Christian Kesseler 12

Fallbeispiel Bauland: Keusch erbt während der Ehe einen an Hamburg-Rotherbaum angrenzenden 2ha großen Acker im Wert von 100.000,--. Zwei Jahre später, weist die Stadt diesen als Bauland aus, der Wert beträgt nun 12.000.000. Untreu fragt, wegen seines Zugewinnausgleichsanspruchs. Was ist, wenn die Baulandausweisung eine Woche vor der Eheschließung erfolgte? 8. Dezember 2011 Notar Dr. Christian Kesseler 13 Grundfall: Keuschs Anfangsvermögen ist 100.000, das Endvermögen 12.000.000, Zugewinn ist also 11.900.000. Untreu hat weiter nichts, sodass ihm ein Ausgleichsanspruch ihv 5.950.000 zusteht. Variante: Da hier das Grundstück bereits mit 12.000.000 im Anfangsvermögen steckt, erhält Untreu nichts. 8. Dezember 2011 Notar Dr. Christian Kesseler 14