Überblick über die Vorschläge der EU-Kommission zur GAP-Reform

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Transkript:

Überblick über die Vorschläge der EU-Kommission zur GAP-Reform Zu wenig für Bauern und Umwelt. Bald 27 nationale EU-Agrarpolitiken Die EU-Kommission will den Mitgliedstaaten ab 2021 die Auswahl und Ausgestaltung der Maßnahmen überlassen. Nur die absolute Förderhöhe (Kappungsgrenze) will sie regeln Von Ulrich Jasper (AbL, jasper@abl-ev.de) Für die 1. Juni hat die EU-Kommission die Veröffentlichung der Verordnungsentwürfe für die zukünftige Gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP) angekündigt. Sie sehen vor, den Mitgliedstaaten noch stärker als bisher die Verantwortung nicht nur für die Umsetzung, sondern auch für die Auswahl und Ausgestaltung der Förderung zu übertragen. Im Folgenden beschreiben wir wesentliche Punkte der Kommissionsvorschläge: Strategischer GAP-Förderplan Ähnlich wie bisher in der 2. Säule (Förderung Ländlicher Entwicklung) bereits gängige Praxis, müssen die Mitgliedstaaten in Zukunft für alle Fördermaßnahmen beider Säulen einschließlich der verschiedenen Direktzahlungen einen Strategischen GAP-Förderplan aufstellen. Darin hat jeder Mitgliedstaat darzulegen, wie er die EU-weiten Ziele der EU-Agrarpolitik einschließlich Umweltziele erreichen will. Er muss den Handlungsbedarf, seine Stärken und Schwächen und die dazu passenden ein- und mehrjährigen Fördermaßnahmen und die Förderbedingungen beschreiben. Auch das Kontroll- und Sanktionssystem muss der Mitgliedstaat selbst entwerfen und im Plan niederlegen. Für die Erfolgskontrolle des nationalen Plans ist eine Reihe von zählbaren Messgrößen bzw. Indikatoren mit jährlichen Meilensteinen festzulegen. Dazu legt die Kommission eine Liste mit verschiedenen Indikatoren vor. Dazu gehört z.b. der Ergebnis-Indikator Digitalisierung der Landwirtschaft, für den anzugeben ist, welcher Anteil der Landwirte für die Nutzung von Technik zur Präzisionslandwirtschaft gefördert werden sollen bzw. worden ist. Ein anderer Indikator zählt den Anteil der Vieheinheiten, für die eine Vereinbarung zur Reduzierung der Ammoniakemissionen abgeschlossen worden ist. Anhand solcher Indikatoren und Zielgrößen will die EU-Kommission dann im Laufe der Jahre überprüfen, ob die GAP in den Mitgliedstaaten erfolgreich ist. Neue Grundanforderungen Das Greening wird abgeschafft, also die 2015 eingeführte Bindung von 30 Prozent der Direktzahlungen eines Betriebes an die Einhaltung von drei Umweltanforderungen (5 % ökologische Vorrangflächen, Erhalt Dauergrünland und Mindestanzahl an Ackerkulturen). Einiges aus den bisherigen Greeningkriterien wird in die neuen allgemeinen Grundanforderungen an die Empfänger von jeglichen Fördermitteln aufgenommen, also in das bisherige System von Cross Compliance (gesetzliche Regelungen) und der Erhaltung der Flächen in einem guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand (GLÖZ). Dazu gehört der Erhalt von Dauergrünland sowie der Nachweis eines Mindestanteils an Landschaftselementen oder nicht für die Produktion genutzten landwirtschaftlichen Flächen. Auch das absolute Pflug- und Umbruchverbot von Dauergrünland in Natura 2000- Schutzgebieten findet sich nun hier. Neue Umweltmaßnahmen aus Direktzahlungen: Eco-schemes Statt des bisherigen Greenings schlägt die Kommission eine neue Förderung von (niedrigschwelligen, übergesetzlichen) Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen aus Geldern der ersten Säule (Direktzahlungen) vor. Sie nennt das nun Eco-schemes. Die Mitgliedstaaten müssen den Betrieben solche freiwilligen Fördermaßnahmen anbieten, aber die EU-Kommission gibt dafür keinen Mittelumfang vor. Die Verpflichtung für die Mitgliedstaaten war bis zuletzt in der EU-Kommission umstritten Agrarkommissar Hogan wollte es den Mitgliedstaaten freistellen, während aus der Umweltkommission der Wunsch nach Verpflichtung für die Mitgliedstaaten (nicht für die Betriebe) 1

kam. Welche Maßnahmen ein Mitgliedstaat unter Eco-Schemes anbietet, soll ihm aber überlassen werden. Die jährliche Förderung wird entweder als pauschaler Aufschlag zur Basisprämie oder als Ausgleich für Mehraufwand bzw. Minderertrag pro Hektar gezahlt. Eine Doppelförderung mit den Agrarumweltmaßnahmen der 2. Säule ist auszuschließen. Insgesamt, so schreibt die Kommission, sollen alle umweltbezogenen Regelungen und Fördermaßnahmen ein höheres Niveau erreichen als in der jetzigen noch laufenden Förderperiode. Mit greifbaren Konsequenzen für die Mitgliedstaaten ist diese geäußerte Ambition nicht hinterlegt! Basis-Einkommensstützung Ähnlich wie bisher, wird es weiterhin eine Basisprämie geben; sie heißt nun Basis- Einkommensstützung für Nachhaltigkeit (englische Abkürzung BISS ). Es ist eine entkoppelte Flächenprämie, die je Hektar gezahlt wird. Die Mitgliedstaaten können nun selbst entscheiden, ob sie für diese und weitere Flächenprämien das System der Zahlungsansprüche beibehalten wollen oder die jährlichen Prämien auf Grundlage der nachgewiesenen beihilfefähigen Fläche auszahlen. In dem Verordnungsentwurf, den Agrarkommissar Hogan zur Abstimmung an die anderen Kommissare verschickt hatte, stand eine Zahl, die auf massive Kritik gestoßen ist: Vorgesehen war demnach, dass mindestens 60 Prozent aller EU-Gelder, die einem Mitgliedstaat für Direktzahlungen zur Verfügung stehen, ausschließlich für die BISS-Prämien eingesetzt werden dürfen. Das hätte den Spielraum für die nachfolgenden Instrumente stark eingeschränkt. Diese Bindung ist nun im offiziellen Verordnungs-Entwurf nicht mehr enthalten. Umverteilungsprämie Verpflichtend wird ein Zahlungs-Aufschlag auf die ersten Hektare je Betrieb in allen Mitgliedstaaten. Bisher ist diese 2014 eingeführte Umverteilungsprämie für die Mitgliedstaaten freiwillig. Wie viel der EU-Gelder, die für Direktzahlungen im Mitgliedstaat bereitstehen, dafür genutzt werden, ist aber ebenso dem Mitgliedstaat überlassen wie die Hektargrenze, bis zu der der Aufschlag auf die Basisprämie gezahlt werden darf. Nur die Höhe des Aufschlags ist nach oben gedeckelt auf 100 Prozent der durchschnittlichen Direktzahlungen pro Hektar im Land (in Deutschland derzeit rund 280 Euro/ha). Der Mitgliedstaat darf den Aufschlag wiederum staffeln, also z.b. für die ersten 30 Hektar mehr zahlen als für die nächsten 16 Hektar (wie derzeit in Deutschland). Gekoppelte Zahlung Bestehen bleibt die Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, einen Teil der Direktzahlungen als gekoppelte Zahlungen anzubieten, und zwar je Hektar Getreide oder Zuckerrüben oder je Tier für Rinder, Schafe, Ziegen. Ein Mitgliedstaat darf (in der Regel) maximal 10 Prozent seiner EU- Direktzahlungsgelder hierfür einsetzen (in Ausnahmefällen auch mehr), plus maximal 2 Prozent für Eiweißpflanzen (Leguminosen), wobei hier die Flächenobergrenzen des Blairhouse-Abkommens zwischen EU und USA einzuhalten sind. Als einziger Mitgliedstaat in der EU bietet Deutschland seit Jahren keine gekoppelten Zahlungen an. Die Bundesregierung lehnt eine Prämie für Schafe und Ziegen ab, die von Berufsschäfern und Umweltverbänden gefordert wird, um den Rückgang der auch für den Naturschutz wichtigen Schafhaltung zu stoppen. Junglandwirte-Förderung Wieder vorgesehen ist, dass die Mitgliedstaaten für Junglandwirte (bis 40 Jahre) eine entkoppelte Zusatzzahlung je Hektar anbieten können. Begrenzungen für diese Zahlungen finden sich nicht im Kommissionstext, weder für die Höhe der Zahlung je Hektar noch für die maximale Hektarzahl (bisher max. 90 ha/betrieb). Die Mitgliedstaaten können bis zu 2 % ihrer Direktzahlungen hierfür einsetzen. Kappung bei 100.000 Euro? Hin und Her ging es bis zur Vorlage der offiziellen Verordnungsentwürfe der Kommission mit dem Vorhaben des aus Irland stammenden Agrarkommissars Phil Hogan, eine EU-weit verpflichtende Kappung der Direktzahlungen bei ursprünglich 60.000 Euro je landwirtschaftlichem Betrieb und Jahr einzuführen. Mal war diese Kappung draußen, jetzt ist sie drin: Erhält ein Betrieb mehr als 60.000 Euro Direktzahlungen im Jahr, wird ihm die Summe oberhalb von 60.000 Euro gekürzt (siehe Tabelle). Von der Kürzung ausgenommen werden jedoch sämtliche vom Betrieb nachgewiesenen 2

Lohnkosten. Dazu zählen sollen sowohl die vom Betrieb für landwirtschaftliche Tätigkeiten tatsächlich als Löhne, Lohnsteuern und Sozialabgaben zahlten Kosten als auch pauschal angesetzte Lohnkosten für nicht oder nur gering entlohnte Arbeitseinheiten, etwa für die Betriebsleiter/innen und Altenteiler. Dabei soll das durchschnittliche landwirtschaftliche Gehalt im Mitgliedstaat mit dem vom Betrieb in Jahresarbeitszeiten anzugebenden Arbeitsansatz des Betriebes multipliziert werden. Das Instrument wird durch die Anrechenbarkeit der vollständigen Lohnkosten vermutlich kaum Auswirkungen haben, selbst bei Großbetrieben in Ostdeutschland mit wenigen Arbeitskräften. Direktzahlungen, Kürzung um: abzüglich 100 % Lohnkosten: 0 bis 60.000 0 % 60.000 bis 75.000 mindestens 25 % 75.000 bis 90.000 mindestens 50 % 90.000 bis 100.000 mindestens 75 % über 100.000 100 % Mit dem Vorschlag würde die Kommission die bisherige Praxis beenden, dass ein Teil der Betriebe deutlich mehr als 100 Prozent ihrer Lohnkosten aus den Direktzahlungen abdeckt. Der Präsident des Deutschen Bauernverbands (DBV) Joachim Rukwied lehnt das ab: Dieser Vorschlag gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit vieler Familienbetriebe in ganz Europa, sagte er laut DBV-Pressemitteilung. Zweite Säule Die zweite Säule ist durch den Vorschlag zum Mehrjährigen Finanzrahmen der EU für die Jahre 2021-2027 von Kommissar Oettinger finanziell erheblich geschwächt; je nach Berechnung wird die Kürzung mit bis zu 28 Prozent angegeben! 1 Die Spannbreite der von der Kommission vorgesehenen möglichen Fördermaßnahmen ist aber nicht geringer als bisher (auch wenn die Regeln nicht mehr eine eigene Verordnung, sondern nur noch ein paar Absätze ausmachen). Verpflichtend anbieten müssen die Mitgliedstaaten wie bisher Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen. Zudem sind förderfähig Ausgleichszulagen für benachteiligte Regionen und z.b. Flächen in Natura 2000- Gebieten, Investitionen, weitere Zuschüsse für Junglandwirte und auch außerlandwirtschaftliche Existenzgründer im ländlichen Raum, Risiko-Management (inkl. Zuschüsse zu Versicherungen), Kooperationen (inkl. LEADER und Erzeugergemeinschaften) sowie Wissenstransfer. Für Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen müssen die Mitgliedstaaten wie bisher mindestens 30 % der für sie bereitgestellten EU-Mittel der 2. Säule (ELER) einsetzen, für LEADER mindestens 5 %. Marktbezogene Maßnahmen Neben den verschiedenen Direktzahlungen und den Fördermaßnahmen der 2. Säule gibt es eine dritte Kategorie an Maßnahmen, die Bestandteil der Strategischen GAP-Förderpläne der Mitgliedstaaten werden: Markt- bzw. Sektorbezogene Maßnahmen, wie es sie bisher schon für Obst und Gemüse oder Wein gibt. Bisher finden sich diese in der EU-Verordnung über die Gemeinsame Marktordnung, nun tauchen sie in der gemeinsamen Verordnung über Direktzahlungen und 2. Säule auf. Hierüber fördert die EU letztlich produkt- bzw. sektorspezifische Erzeugerorganisationen oder Zusammenschlüsse solcher. Förderfähig sind u.a. Ausgaben für Qualitätssicherung, Werbung und Marketing, aber auch für Mengenplanung, Krisenvorsorge sowie für Lagerung und Transport der von den Mitgliedern selbst erzeugten Waren. Eine Voraussetzung für die EU-Förderung ist, dass der Mitgliedstaat ein Operationelles Programm für den jeweiligen Sektor für drei bis sieben Jahre erstellt und dass es die Erzeugerorganisationen überhaupt gibt. Die Kommission will den Mitgliedstaaten die Möglichkeit geben, für alle bedeutsamen Sektoren solche operationellen Programme aufzustellen und die entsprechenden Maßnahmen von der EU fördern zu lassen. Das gilt auch für die Milch (für Obst und Gemüse sowie für Wein ist das für 1 http://capreform.eu/by-how-much-is-the-cap-budget-cut-in-the-commissions-mff-proposals/ 3

Deutschland verpflichtend). Die Ausgaben hierfür sind auf 3 % der Direktzahlungen im Mitgliedstaat begrenzt. Marktordnung aus dem Blick Für die Gemeinsame Marktordnung (GMO) der EU bedeutet das keine Stärkung, sondern zumindest strategisch eine Schwächung. Entwürfen zufolge sieht die Kommission bei der GMO kaum Änderungen vor, schon gar nicht in der Weise, dass aus den Milchmarktkrisen wirksame Konsequenzen gezogen würden. Offenbar sieht die Kommission die Sache mit den Änderungen im Rahmen der Omibus-Verordnung, also mit dem Recht der Milcherzeuger auf schriftliche Verträge mit ihrer Molkerei, für erledigt an. Eine Änderung ergibt sich in der Finanzierung von Krisenmaßnahmen: Anders als bisher, soll die Krisenreserve der EU nicht mehr durch jährliches Einbehalten von Direktzahlungen, sondern durch eine einmalige Einlage von 400 Millionen Euro zu Beginn der Förderperiode. Nachgeschossen wird dann nur bei Bedarf. Bewertung: 1. Der Vorschlag sieht vor, weiterhin den Großteil der Agrargelder vor allem über die Fläche zu verteilen. Das ungerechte System wer viel Fläche hat bekommt auch besonders viel bleibt bestehen. Die vorgeschlagene Kappung ändert daran nur sehr wenig. 2. Das Säulensystem der EU bleibt ebenfalls bestehen: 1. Säule Direktzahlungen und Marktordnungen auf EU-Ebene; 2. Säule Ländliche Entwicklungsprogramme, Umweltschutzmaßnahmen und eine Vielzahl anderer Programme. Die 2. Säule soll weiterhin die Fehler und die ökologisch verheerende Wirkung der 1. Säule etwas reparieren, aber mit 28 % weniger Geld! 3. Die EU Agrarpolitik soll in Teilen renationalisiert werden. Vor allem Umweltauflagen und Umweltmaßnahmen überlässt die EU jetzt den Mitgliedsstaaten. 4. Klimaschutz, Tierschutz und Artenschutz haben eine extrem niedrige Bedeutung in dem Vorschlag. Auf die drängenden Herausforderungen gibt die Kommission keine Antwort. 4

Mehrjähriger Finanzrahmen 2021-2020: Kürzung der 2. Säule in DE um 28,8 % In der laufenden EU-Finanzperiode stehen Deutschland im Jahr 2020 gut 5 Mrd. an Direktzahlungen und knapp 1,4 Mrd. für die 2. Säule zur Verfügung. Nach dem Kommissions-Vorschlag für die nächste Finanzperiode 2021-2027 werden die Direktzahlungen um knapp 4 % gekürzt, während die 2. Säule (Förderung ländliche Entwicklung inkl. Agrarumwelt) um 28,8 % gekürzt wird: 2020 (Beschlusslage in DE) 2021 ff (Plan EU-KOM) Differenz in % Direktzahlungen (1. Säule) 5.018.395.000 4.823.107.939-195.287.061-3,9% 2. Säule (ELER) 1.391.666.639 989.924.996-401.441.643-28,9% Quelle: EU-Verordnungen 1305/2013 und 1307/2013; EU-Kommission MFR-Vorschlag vom 02.05.2018 (COM(2018) 321); EU-Kommissionsentwurf für die neue EU-Agrarpolitik nach 2020, Direktzahlungen-Durchführungsgesetz. Ungerechte Verteilung der Direktzahlungen in Deutschland auf die Betriebe In Deutschland erhält das 1 % größte Betriebe (mit mind. 150.000 EU-Direktzahlungen pro Jahr) zusammen 20 % aller EU-Direktzahlungen und damit mehr als 60 % der kleinsten Betriebe im Land: Quelle: BMEL (2017): www.bmel-statistik.de//fileadmin/user_upload/monatsberichte/dft-0101013-2016.pdf Mit der Betriebsgröße wächst das Einkommen je Unternehmer-Arbeitskraft rasant Mit steigender Betriebsgröße (Fläche) steigen die Gewinne je Arbeitskraft der Betriebsleiter-Familie deutlich an, besonders in Ackerbaubetrieben, wie folgende Grafik für Haupterwerbsbetriebe zeigt: Ackerbaubetriebe bis zu 49 Hektar hatten im Durchschnitt der letzten 3 ausgewerteten Jahre einen Gewinn von 22.261 je nicht entlohnte Arbeitskraft (in Vollzeitstellen umgerechnet), während Betriebe mit über 600 Hektar mit 216.963 Euro das Zehnfache je Unternehmer-AK erzielt haben. Quelle: B. Forstner u.a. (April 2018): Wirkungen von Direktzahlungen in der Landwirtschaft ausgewählte Aspekte mit Bezug zum Strukturwandel. Thünen Working Paper 96, S. 31. https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn059808.pdf Investoren übernehmen die großflächige Landwirtschaft in Ostdeutschland Betriebe Juristischer Personen wie Eingetragene Genossenschaften, Aktiengesellschaften, GmbH und GmbH & Co. KG bewirtschaften 56 % der Agrarfläche Ostdeutschlands. 34 % dieser Betriebe gehören mehrheitlich bereits überregional aktiven Investoren, in Mecklenburg-Vorpommern 41 %: Quelle: Andreas Tietz: Überregional aktive Kapitaleigentümer in ostdeutschen Agrarunternehmen: Entwicklungen bis 2017. Thünen-Institut (Bundesforschungsanstalt), Thünen-Report 52/2017, S. IX. https://www.thuenen.de/media/publikationen/thuenen-report/thuenen-report_52.pdf 5