Aktuelle Haftungslage bei der Verwendung von Allografts in Deutschland, Österreich, Schweiz Ausgewählte Aspekte vertraglicher und deliktischer Haftung Dipl.-Jur. Sebastian T. Vogel, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im IWZ Medizin-Ethik Recht Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Mein Konzept Vertragliche Haftung 1. Arten ärztlicher Pflichtverletzung 2. Wer haftet? 3. Wer hat was zu beweisen? Deliktische Haftung 1. Wann haftet die Klinik? 2. Wann haftet der Kliniker?
Vertragliche Haftung, 280 I BGB 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung (1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner den Schaden nicht zu vertreten hat. Voraussetzungen: 1. Schuldverhältnis 2. Pflichtverletzung 3. Vertretenmüssen 4. Schaden 5. Kausalität
Vertragliche Haftung, 280 I BGB 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung unabhängig vom Versicherungsverhältnis des Patienten private KV gesetzliche KV keine KV
Pflichtverletzung Verhaltensregeln (Grundsätze korrekter ärztlicher Berufsordnung) Nr. 2 Behandlungsgrundsätze Übernahme und Durchführung der Behandlung erfordern die gewissenhafte Ausführung der gebotenen medizinischen Maßnahmen nach den Regeln der ärztlichen Kunst. Mögliche Pflichtverletzungen 1. Indikationsfehler 2. Behandlungsfehler 3. Aufklärungsfehler
Indikationsfehler liegt vor, wenn ein Arzt eine nicht indizierte Operation durchführt. Interessenabwägung: Gefährlichkeit Risiko Schwere Erfolgsaussichten erstrebter Zweck angemessenes Verhältnis gewagte und experimentelle Verfahren Heilungschance Würdigung des postoperativen Zustands
Behandlungsfehler liegt vor, wenn die medizinische Versorgung des Patienten nicht lege artis erfolgt, den Regeln ärztlicher Kunst widerspricht, nicht dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entspricht, sich als ein nach dem Stande der Medizin unsachgemäßes Verhalten des Arztes darstellt. liegt vor, wenn die Behandlung nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung die gebotene Sorgfalt vermissen lässt und darum unsachgemäß erscheint.
Aufklärungsfehler liegt vor, wenn sich ein Risiko der medizinischen Behandlung realisiert, über das nicht (ausreichend) aufgeklärt wurde. (+) bei unterbliebener Aufklärung
Aufklärungsfehler 8 MBO: Zur Behandlung bedürfen Ärztinnen und Ärzte der Einwilligung der Patientin oder des Patienten. Der Einwilligung hat grundsätzlich die erforderliche Aufklärung im persönlichen Gespräch vorauszugehen. Verhaltensregeln, Nr. 1: Eine korrekte ärztliche Berufsausübung verlangt, dass Ärztinnen und Ärzte beim Umgang mit Patientinnen und Patienten über die beabsichtigte Diagnostik und Therapie, ggf. über ihre Alternativen und über ihre Beurteilung des Gesundheitszustandes in für die Patientinnen und Patienten verständlicher und angemessener Weise informieren.
Aufklärungsfehler liegt vor, wenn sich ein Risiko der medizinischen Behandlung realisiert, über das nicht (ausreichend) aufgeklärt wurde. (+) bei unterbliebener Aufklärung Grundsatz der Aufklärung: Sache des Einzelfalls Umfang situativ/patientenbezogen gewissenhaftes Ermessen des Arztes
Die richtige Aufklärung Verlaufsaufklärung Art, Umfang, Durchführung des Eingriffs? Was sind Allografts? Verlauf der Operation? Was geschieht, wenn keine Allografts verwendet werden? Sichere Eingriffsfolgen? Zu erwartender postoperativer Zustand? Alternative Behandlungsmethoden?
Die richtige Aufklärung Risikoaufklärung Schwere und Richtung des konkreten Risikos? Nebenfolgen (dauerhaft/vorübergehend)? Typische Risiken? Atypische Risiken? namentlich: Infektionen, Abstoßungsreaktionen? neue, vom Standard abweichende Behandlungsmethoden gesteigerte Aufklärungspflichten! - über Abweichung vom Standard - über Unkenntnis aller Risiken
Vertretenmüssen grds.: Vorsatz und Fahrlässigkeit ( 276 I 1 BGB) Haftung für eigenes Verschulden und das von Erfüllungsgehilfen (vgl. 278 1 BGB) Wer haftet? Einzelpraxis Praxisinhaber Gemeinschaftspraxis abhängig von Art der Praxis Praxisgemeinschaft behandelnder Arzt totaler Krankenhausaufnahmevertrag (Regelfall) Klinik Krankenhausaufnahme- plus Wahl-/Belegarztvertrag Arzt
Vertretenmüssen 276 II BGB: Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. maßgeblich: Verkehrskreis medizinische Frage experimentelle Verfahren: Sorgfaltsmaßstab und Pflichtenniveau erhöht - bzgl. Ob - bzgl. Wie BGH: medizinische Abwägung/Vergleich zwischen Vorund Nachteilen mit standardgemäßer Behandlung
Schaden Vermögensschäden, Schmerzensgeld innerbetrieblicher Schadensausgleich (Klinik) Vorsatz Arzt leichte Fahrlässigkeit Klinik grobe Fahrlässigkeit Arzt (Klinik) mittlere Fahrlässigkeit Schadensquotelung
Kausalität und Beweislast Pflichtverletzung Verschlechterung des Gesundheitszustandes Behandlungsfehler condicio-sine-qua-non-formel (Vermögens-) Schaden grds. Beweislastverteilung Pflichtverletzung Patient Verschulden wird vermutet Kausalität Patient Ausnahme: grober Behandlungsfehler Pflichtverletzung Patient Verschulden wird vermutet Kausalität Beweiserleichterung/Umkehr
Kausalität und Beweislast Pflichtverletzung Aufklärungsfehler Verschlechterung des Gesundheitszustandes von Ursächlichkeit ist auszugehen Ausnahme: hypothetische Einwilligung liegt vor, wenn der Patient einem Eingriff selbst bei zutreffender Aufklärung über dessen Risiken zugestimmt hätte. ist vom Arzt zu beweisen. (Vermögens-) Schaden ist umso ferner liegend, je mehr die konkrete Behandlungsmethode vom Standard abweicht.
Deliktische Haftung Klinik (Krankenhausträger) Organhaftung ( 823 I, 31, 89 BGB) Haftung für Verrichtungsgehilfen ( 831 BGB) Arzt 823 I BGB: Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
Haftung in der Schweiz Privatarzt Schaden oder immaterielle Unbill Vertragsverletzung Kausalzusammenhang Verschulden (obj.) Öffentliches Spital Schaden oder immaterielle Unbill dem Staat zurechenbar funktioneller Zusammenhang Widerrechtlichkeit Kausalzusammenhang (Verschulden)
Haftung in Österreich vielfache Anlehnung an deutsche Rechtsprechung ähnliche/gleiche Haftungsvoraussetzungen und Beweislastverteilung Besonderheiten: besonderes Sorgfaltsmaß für in Universitätskliniken tätige Ärzte (Spitzenmedizin) strenge Aufklärungspflichten beruflicher Haftpflichtschutz