Metalle in negativen Oxidationszuständen

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Transkript:

Metalle in negativen Oxidationszuständen Seminarvortrag zum anorganischen Kolloquium im WS 2006 / 2007 Martin Meier Universität Regensburg Regensburg, 02. November 2006

Adventures with Substances Containing Metals in Negative Oxidation States J.E. Ellis, Inorg. Chem. 2006, 45, 3167-3186

Übersicht 1. Ermittlung von Oxidationszuständen und mögliche Probleme bei ÜM-Komplexen 2. Freie mono- und polyatomare Metallanionen a) s-block: Alkalide b) p-block: Zintl-Phasen der schweren Tetrele, Pnicogene und Chalkogene c) d-block: Auride und Platinide 3. Liganden-stabilisierte Metallanionen der ÜM a) Hochreduzierte Carbonylmetallate b) Homoleptische Polyarenmetallate

Ermittlung von Oxidationszahlen I Oxidationsstufe, Oxidationszahl, Oxidationszustand oder Valenz sind ein Maß für den Oxidationsgrad eines Elements in einer Verbindung. Definition Oxidationszustand: Formale Ladung am jeweiligen Atom, wenn alle bindenden Elektronen dem elektronegativeren Partner zugewiesen werden. Die Summe aller Oxidationszahlen muss die Ladung der Gesamtspezies ergeben. Max. Oxidationszahl = Gruppennummer Min. Oxidationszahl = Gruppennummer - 8

Ermittlung von Oxidationszahlen II Oxidationszustände in Koordinationsverbindungen: Formale Ladung, die das Metallatom trägt, wenn alle Liganden in ihrer stabilsten Form (closed shell) entfernt werden. -II 2 [Fe(CO) 4] -II +I 2 [Zr(C10H 8 ) 3] 8 8 3 [Nb(C H ) ]

Ermittlung von Oxidationszahlen III Probleme treten bei Liganden auf, die mehrere stabile (closed shell) Formen besitzen, d.h. bei Liganden die stabile (Radikal)- Anionen bilden. +IV 2 [Zr(bipy) 3] mit bipy = N N LUMOs mit rel. niedriger Energie und geeigneter Symmetrie zur π-rückbindung! Charakter der Liganden hängt von der Reduktionskraft des Metalls ab: -I [Rh(tmbp) ] mit tmbp = 0 2 [Ru(tmbp) ] 2 2 P P C.K. Jorgensen, Oxidation Numbers and Oxidation States, Springer, 1969

Monoatomare Anionen der Alkalimetalle Detektion von 6 Li - und 7 Li - in Gasphase mittels MS: Erster Nachweis eines stabilen Metallanions (1947). Na -, K -, Rb - und Cs - folgten. Blaue Lösungen von Alkalimetallen in Ethern, Alkylaminen und fl. NH 3 lange bekannt, aber Zusammensetzung unklar. Kristallstruktur-Untersuchungen erst durch Einsatz von Alkalimetall-Komplexliganden (Kronenether, Cryptanden) möglich:

Kristallstruktur von [Na(crypt222)] + Na - F.J. Tehan, B.L. Barnett, J.L. Dye, J. Am. Chem. Soc. 1974, 96, 7203

Polyatomare Anionen der schweren Tetrele, Pnicogene und Chalkogene Viele natürliche Mineralien enthalten formal M(-II,-III): Bsp. ZnTe oder Dyscrasit (Ag 3 Sb) Sehr luftempfindliche, elektrisch leitende Lösungen von Na und Pb in fl. NH 3 bilden bei Entfernung des NH 3 definierte Legierungen. Zusammensetzung der sog. Zintl-Phase : Na 4 Pb 9 Isolierung von Zintl-Phasen als Salze mit diskreten Anionen durch Verwendung von Kronenethern oder Cryptanden: J.D. Corbett, Chem. Rev. 1985, 85, 383

Kristallstruktur von K 4 Pb 9 V.Queneau, S.C. Sevov, Inorg. Chem. 1998, 37, 1358-1360

Monoatomare Anionen des Au und Pt Versuche über M-Au-Schichten (M = Na - Cs) zeigten bes. Charakter von CsAu. CsAu ist Halbleiter und kristallisiert im CsCl-Typ. Elektronenaffinität Au 222.76 kj/mol (nur Halogene höher!) Pt 205.3 kj/mol Vorschlag: Cs + Au - Elektrochemische Charakterisierung: Au - ist 0.4 V weniger reduzierend als solv. Elektron in fl. NH 3! P.Pyykkö, Angew. Chem., Int. Ed. 2002, 41, 3573

Au-197 Mössbauer Spektroskopie XPS, ESCA R.J. Batchelor, T. Birchall, R.C. Burns, Inorg. Chem., 1986, 25, 2009 J. Knecht, R. Fischer, H. Overhof, F. Hensel, J. Chem. Soc., Chem. Comm. 1978, 905

Einkristall-Röntgenstrukturanalyse des ersten monoatomaren Metallanions mit einem nichtmetallischen Kation: [Me 4 N] + [Au] - P.D.C. Dietzel, M. Jansen, Chem. Comm., 2001, 2208

Erstes monoatomares Metalldianion: A. Karbov, J. Nuss, U. Weding, M. Jansen, Angew. Chem., Int. Ed. 2003, 42, 4818

Hochreduzierte Carbonylmetallate Niedrigste mögliche Oxidationszustände von Metallen durch starken Akzeptor-Charakter des CO-Liganden erreichbar: -III -IV Na 3[Mn(CO) 4] 4 4 Na [Cr(CO) ] Mögliche Verfahren zur Synthese: Na in fl. NH 3 (+ Kronenether, Cryptand) Na/Hg Amalgam Na in HMPA (Hexamethylphosphoramid)

G.W. Warnock, L.C. Moodie, J.E. Ellis, J. Am. Chem. Soc 1989, 111, 2131 J.E. Ellis, C.P. Parnell, C.P. Hagen, J. Am. Chem. Soc. 1978, 100, 3605

Homoleptische Polyarenmetallate Milde Synthesen zu frühen ÜM-Carbonylen, denn Synthese von [Nb(CO) 6 ] - und [Ta(CO) 6 ] - nur unter >200 atm CO! Carbonylierung von Bis(naphthalin)-chrom(0): Alkalimetall-Naphthalin vermittelte Carbonylierung von MCl 5 : M = Nb, Ta; A = Li, Na C.G. Dewey, J.E. Ellis, K.L Fjare, K.M. Pfahl, G.F. Warnock, Organometallics 1983, 2, 388

Erster Reaktionsschritt stellt neue Synthesemöglichkeit für Polyaren-Komplexe dar. Bisher nur Fischer-Hafner (nicht für frühe ÜM!) oder Co-Kondensation möglich! Alle Aren-Liganden können leicht durch CO, PF 3, COT, etc. ersetzt werden! W.W. Brennessel, J.E. Ellis, S.N. Roush, B.N. Strandberg, O.E. Woisetschläger, V.G. Young Jr., Chem. Comm. 2002, 2356

Synthon für nacktes Nb - Tris(1-4-η 4 -anthracen)niobat(-i)