Sächsisches FG, Urteil vom K 1216/13

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Transkript:

Sächsisches FG, Urteil vom 13.12.2016 3 K 1216/13 Tenor: I. Die Umsatzsteuerbescheide 2005 und 2006, jeweils vom 23.02.2012, in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 19.07.2013, zuletzt geändert durch Bescheide vom 09.10.2013, werden dahingehend abgeändert, dass die Umsatzsteuer auf den Betrag festgesetzt wird, der sich ergibt, wenn die Bemessungsgrundlage für die dem Regelsteuersatz unterliegenden Umsätze für das Jahr 2005 um 73.231 und für das Jahr 2006 um 59.780 gemindert wird. II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. III. Das Urteil ist für die Klägerin hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistungen des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet. IV. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt. V. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand: Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob bei Verwendung von unentgeltlich in eine Gesellschaft durch ihre Gesellschafterin eingebrachten Straßenbeleuchtungsanlagen deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten in die Bemessungsgrundlage nach 10 Abs. 5 Nr. 1 i.v.m. Abs. 4 des UStG in der in den Streitjahren gültigen Fassung (UStG) einzubeziehen sind. Die Klägerin wurde im Jahr gegründet. Gegenstand des Unternehmens ist die Versorgung mit elektrischer Energie, Gas, Wasser und Wärme. Gesellschafter der Klägerin waren zum 01.01.2005 die Stadt A als Mehrheitsgesellschafter mit einem Anteil am Stammkapital in Höhe von und die Stadtwerke B mit einem Anteil von. Die Klägerin hatte für die Stadt A die hoheitliche Aufgabe der Durchführung der Straßenbeleuchtung im Stadtgebiet übernommen (Straßenbeleuchtungsvertrag vom, geändert am, und ). Dazu zählte die Herstellung, Erweiterung, Änderung, Erneuerung, Instandhaltung und der Betrieb aller elektrischen Straßenbeleuchtungsanlagen ( 1 des Straßenbeleuchtungsvertrages). Das hierzu notwendige Anlagevermögen in Form der zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Straßenbeleuchtungsanlagen hatte die Stadt A als Einlage in die Kapitalrücklage bei der Klägerin eingebracht. Die Klägerin schaffte für die Stadt A darüber hinaus neue Beleuchtungsanlagen an bzw. stellte diese selbst her. Nach 6 Abs. 2 des Straßenbeleuchtungsvertrages in der Fassung vom stellte die Klägerin der Stadt A dafür Kosten für die Anschaffung bzw. Herstellung der neuen Beleuchtungsanlagen in Rechnung. Im Nachgang legte die Stadt die Straßenbeleuchtungsanlagen wieder in das Vermögen der Klägerin ein. Gebucht wurden diese Vorgänge bei der Klägerin als Anlagevermögen an Kapitalrücklage. Eingelegt wurden 1

nicht nur die von der Klägerin hergestellten bzw. angeschafften Wirtschaftsgüter, sondern auch solche Anlagen, die von der Stadt A selbst hergestellt bzw. angeschafft wurden. Die nachfolgende Verwendung bzw. Zurverfügungstellung der eingelegten Straßenbeleuchtungsanlagen bzw. die anfallenden jährlichen Aufwendungen aus Abschreibungen und Verschrottung wurden der Stadt A von der Klägerin nicht in Rechnung gestellt. Die laufenden Kosten (2005: 57.178,00; 2006: 76.673,00) aus der weiteren Durchführung der Straßenbeleuchtung (z.b. für Investitions- und Reparaturaufwendungen sowie Strom) berechnete die Klägerin an die Stadt A weiter. Insgesamt zahlte die Stadt A an die Klägerin für die Übernahme der Straßenbeleuchtung im Jahr 2005 einen Betrag in Höhe von 76.509,00 und im Jahre 2006 in Höhe von 94.709,00. In der Zeit vom 26.04.2010 bis 25.08.2011 führte der Beklagte bei der Klägerin für die Jahre 2004-2006 eine Außenprüfung durch. Die Prüfer gingen im Bericht vom 21.11.2011, zuletzt geändert am 18.01.2012, davon aus, dass die Klägerin aufgrund des Straßenbeleuchtungsvertrages gegenüber der Stadt A eine teilentgeltliche sonstige Leistung im Sinne des 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG erbracht habe. Unter Berücksichtigung der sog. Mindestbemessungsgrundlage gem. 10 Abs. 5 Nr. 1 i.v.m. Abs. 4 Nr. 3 UStG wurde eine Erhöhung der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage um 124.301,00 für das Jahr 2005 und um 122.605,00 für das Jahr 2006 ermittelt. Hierbei wurden auch die bei der Klägerin als gewinnmindernd gebuchten Abschreibungsbeträge und Anlagenabgänge mit einbezogen. Am 23.02.2013 erließ der Beklagte dementsprechende, nach 164 Abs. 2 AO geänderte Umsatzsteuerbescheide für 2005 und 2006 und hob den Vorbehalt der Nachprüfung gem. 164 Abs. 3 AO auf. Dagegen legte die Klägerin am 22.03.2012 Einsprüche mit der Begründung ein, der Ansatz der Mindestbemessungsgrundlage sei verfehlt. Hilfsweise wurde geltend gemacht, dass bei richtiger Anwendung der Vorschriften zur Mindestbemessungsgrundlage für das Jahr 2005 92.562,00 und für das Jahr 2006 77.816,00 als zusätzliche Bemessungsgrundlage hätten angesetzt werden müssen. Mit Einspruchsentscheidung vom 19.07.2013 wurden die zusätzlichen Bemessungsgrundlagen der Höhe nach für das Jahr 2005 auf 92.562,00 und für das Jahr 2006 auf 77.816,00 korrigiert und die Einsprüche im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen. Dagegen hat die Klägerin am 15.08.2013 Klage erhoben. Mit Änderungsbescheiden vom 09.10.2013 wurden die Erhöhungsbeträge für die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage für das Jahr 2005 auf 73.231 und für das Jahr 2006 auf 59.780 herabgesetzt, wobei sich die Ermittlung der Mindestbemessungsgrundlage durch den Beklagten aus der nachfolgenden Übersicht ergibt: Jahr bisher versteuertes Entgelt, 10 Abs.1 UStG lfd. Kosten AK/HK Mindest-BMG, nach 10 Abs. 4 15a UStG Nr. 2 UStG Differenz zu gezahltem Entgelt 2

2005 76.509 57.178 2006 94.709 76.673 92.562 77.816 149.740 73.231 154.489 59.780 Die Klägerin ist der Auffassung, der Ansatz der Mindestbemessungsgrundlage sei verfehlt. Der Beklagte habe Aufwendungen für Abschreibungen und Verschrottung von unentgeltlich in eine Gesellschaft durch ihren Gesellschafter eingebrachte Straßenbeleuchtungsanlagen in die Mindestbemessungsgrundlage einbezogen, obwohl bei der Klägerin umsatzsteuerlich gar keine Ausgaben oder Anschaffungs- oder Herstellungskosten für Wirtschaftsgüter vorlägen. Die Einbeziehung des unentgeltlich eingebrachten Straßenbeleuchtungsvermögens in die Mindestbemessungsgrundlage sei rechtswidrig, weil die Regelungen des UStG über die Mindestbemessungsgrundlage - insbesondere im Lichte der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung - diese Rechtsfolge nicht geböten. Die Vorschriften zur umsatzsteuerlichen Mindestbemessungsgrundlage dienten der Verhütung von Steuerhinterziehung und -umgehung. Bei unentgeltlich eingebrachtem Vermögen sei offensichtlich keine Steuerhinterziehung und -umgehung zu befürchten, weil der dienstleistende Unternehmer in umsatzsteuerlicher Hinsicht infolge der Einbringung keine Vermögenseinbußen in Form von Ausgaben erleide. Die Ausgaben für die Anschaffung und Herstellung der Straßenbeleuchtungsanlagen habe die Stadt A getragen und diese erst nach der Herstellung unentgeltlich in die Klägerin eingebracht. Im Übrigen habe die Stadt A für die Anschaffung bzw. Herstellung der Straßenbeleuchtungsanlagen, die später in die Klägerin eingelegt worden seien, keinen Vorsteuerabzug geltend gemacht, weil die Straßenbeleuchtung dem hoheitlichen Bereich zuzuordnen sei. Beziehe man also Aufwendungen aus unentgeltlich eingelegten hoheitlichen Anlagen in die Mindestbemessungsgrundlage ein, resultiere daraus eine Doppelbesteuerung. Auch die in der Bilanz der Klägerin vorgenommene Buchung Anlagevermögen an Kapitalrücklage" begründe keinen anschaffungsähnlichen Vorgang, weil es sich um eine freiwillige Leistung" des Gesellschafters handle. Da das vereinbarte und gezahlte Entgelt für 2005 ( 76.509,00) und für 2006 ( 94.709,00) mithin die Ausgaben der Klägerin für diese Jahre überschritten habe, könne es nicht zu einer Umsatzbesteuerung nach den Vorschriften über die Mindestbemessungsgrundlage kommen. Die Klägerin beantragt, 1. die Umsatzsteuerbescheide 2005 und 2006, jeweils vom 23.02.2012, in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 19.07.2013, zuletzt geändert durch Bescheide vom 09.10.2013, dahingehend abzuändern, dass die Umsatzsteuer auf den Betrag festgesetzt wird, der sich ergibt, wenn die Bemessungsgrundlage für die dem Regelsteuersatz unterliegenden Umsätze für das Jahr 2005 um 73.231 und für das Jahr 2006 um 59.780 gemindert wird; 2. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären 80 gemindert wird; Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. 3

Nach 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterlägen u.a. Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens erbringe, der Umsatzsteuer. Gem. 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG sei einer sonstigen Leistung gegen Entgelt auch die unentgeltliche Erbringung einer anderen sonstigen Leistung durch den Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens lägen, gleichgestellt. Im vorliegenden Fall erbringe die Klägerin aufgrund des mit der Stadt A geschlossenen Dienstleistungsvertrages eine solche Leistung, indem sie die hoheitliche Aufgabe der Durchführung der Straßenbeleuchtung im Stadtgebiet übernehme. Bei der Ermittlung der maßgebenden Umsatzsteuerbemessungsgrundlage für diesen Umsatz sei die Mindestbemessungsgrundlage gem. 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG zu prüfen. Da vorliegend die Bemessungsgrundlage nach 10 Abs. 4 UStG (Ausgaben) das Entgelt nach 10 Abs. 1 UStG übersteige, sei gem. 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG die Bemessungsgrundlage nach 10 Abs. 4 UStG maßgebend. Der Umsatz werde nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Ausgaben bemessen ( 10 Abs. 4 Nr. 3 i.v.m. 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG). Dies seien alle Aufwendungen, die für die Erbringung der sonstigen Leistung anfielen. Dazu gehörten auch die Anschaffungs- und Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes, soweit dieses dem Unternehmen zugeordnet sei und für die Erbringung der sonstigen Leistung verwendet werde. Die Stadt A habe die Anlagen aus dem hoheitlichen Bereich in das Betriebsvermögen der Klägerin eingelegt. Eine Verbuchung sei entsprechend (Anlagevermögen an Kapitalrücklage) erfolgt. Diese Sacheinlage habe einen sog. anschaffungsähnlichen Vorgang dargestellt. Die nach 15a UStG zu verteilenden Anschaffungskosten seien daher nach dem Einlagewert, der im Streitfall den Anschaffungskosten entspreche, zu bemessen. Etwas anderes gelte nur, wenn das vereinbarte niedrigere Entgelt marktüblich sei. Dies sei nicht der Fall. Die Abschreibungsbeträge und Anlagenabgänge hätten sich gewinnmindernd auf das Vermögen der Klägerin ausgewirkt. Daher wären einem fremden Dritten diese Kosten weiterberechnet worden. Unerheblich sei, dass der Klägerin für die Anschaffung der Straßenbeleuchtungsanlagen keine Aufwendungen entstanden seien. In der Literaturmeinung werde die Auffassung vertreten, dass selbst Aufwendungen, die aus Zuschüssen finanziert worden seien, in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen seien. Andernfalls stünden die Leistungsempfänger besser als fremde Dritte, denen die entstandenen Kosten im Rahmen einer marktüblichen Gegenleistung berechnet würden. Da die Bemessungsgrundlage nach 10 Abs. 4 UStG mithin höher sei, als die Bemessungsgrundlage nach 10 Abs. 1 UStG (Entgelt), seien die Ausgaben, die bei Ausführung dieser sonstigen Leistung entstanden seien, als Bemessungsgrundlage zugrunde zu legen. Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die vorbereitenden Schriftsätze, die dem Gericht übersandten Steuerakten und das Protokoll vom 13.12.2016 Bezug genommen. Entscheidungsgründe: I. Die zulässige Klage ist begründet. Die Umsatzsteuerbescheide 2005 und 2006, jeweils vom 23.02.2012, in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 19.07.2013, zuletzt geändert durch Bescheide vom 09.10.2013, sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten ( 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Bemessungsgrundlage für die dem Regelsteuersatz unterliegenden Umsätze unter Berufung auf die Regeln der Mindestbemessungsgrundlage für das Jahr 2005 um 73.231 und für das Jahr 2006 um 59.780 zu erhöhen seien. 4

Die steuerpflichtigen Umsätze der Klägerin aus dem Straßenbeleuchtungsvertrag sind nicht nach der Mindestbemessungsgrundlage gemäß 10 Abs. 5 Nr. 1 i.v.m. Abs. 4 des UStG in der in den Streitjahren gültigen Fassung (UStG), sondern nach dem Entgelt i.s. des 10 Abs. 1 UStG zu bemessen. Nach 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG unterliegen entgeltliche Leistungen, die Körperschaften, Personenvereinigungen sowie Gemeinschaften im Rahmen ihres Unternehmens an ihre Anteilseigner, Gesellschafter, Mitglieder, Teilhaber oder diesen nahestehende Personen ausführen, der sog. Mindestbemessungsgrundlage. 10 Abs. 5 UStG stellt eine abweichende Sondermaßnahme i.s. des Art. 27 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG -nunmehr Art. 395 Abs. 1 der MwStSystRL- dar. Die Vorschrift ist als abweichende nationale Maßnahme zur Verhütung von Steuerhinterziehungen und -umgehungen eng auszulegen und darf nur angewandt werden, soweit dies hierfür unbedingt erforderlich ist (BFH Urteil vom 05.06.2014, XI R 44/12, BFHE 245, 473; vgl. auch BFH Urteile vom 08.10.1997, XI R 8/86, BFHE 183, 314; vom 27.02.2008, XI R 50/07, BFHE 221, 410; vom 29.05.2008, V R 12/07, BFHE 221, 525; vom 07. 10.2010, V R 4/10, BFHE 232, 537; vom 19.06. 2011, XI R 8/09, BFHE 234, 455; ferner EuGH Urteil vom 29.05.1997 C-63/96 -Skripalle-, Slg. 1997, I-2847, BStBl II 1997, 841, Rz 22 f.). Der EuGH hat im Übrigen zu Art. 80 der MwStSystRL -der die Bestimmungen des Art. 11 Teil A Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG in der durch die Richtlinie 2006/69/EG des Rates vom 24. Juli 2006 geänderten Fassung übernommen hat- für den Fall der Lieferung von Gegenständen oder der Erbringung von Dienstleistungen zu einem künstlich niedrigen oder hohen Preis, der zwischen Beteiligten vereinbart wird, die beide zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sind, entschieden, dass auf dieser Stufe keine Steuerhinterziehung oder -umgehung stattfinde (vgl. EuGH-Urteil -Balkan and Sea Properties- in UR 2012, 435, HFR 2012, 675, Rz 47). Erst beim Endverbraucher oder bei einem eine "Mischung" von Umsätzen bewirkenden Steuerpflichtigen, der nur zu einem Pro-Rata-Abzug berechtigt sei, könne ein künstlich hoher oder niedriger Preis zu einem Steuerausfall führen. Nur wenn die von dem Vorgang betroffene Person nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sei, bestehe ein Risiko von Steuerhinterziehung oder -umgehung, dem die Mitgliedstaaten vorbeugen dürften (vgl. EuGH-Urteil -Balkan and Sea Properties- in UR 2012, 435, HFR 2012, 675, Rz 48). Im vorliegenden Fall kann letztlich dahinstehen, ob was zumindest zweifelhaft erscheint nach den vorgenannten Grundsätzen die Regelungen über die Mindestbemessungsgrundlage überhaupt zur Anwendung kommen, da die steuerpflichtigen Umsätze der Klägerin selbst bei Anwendung dieser Regelungen nach dem Entgelt i.s. des 10 Abs. 1 UStG zu bemessen sind. Denn die gezahlten Entgelte für 2005 ( 76.509,00) und für 2006 ( 94.709,00) überschreiten jeweils die Bemessungsgrundlage nach 10 Abs. 5 Nr. 1 i.v.m. Abs. 4 UStG (2005: 57.178,00; 2006: 76.673,00). Gemäß 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG ist die Bemessungsgrundlage nach 10 Abs. 4 UStG nur dann maßgebend, wenn die Bemessungsgrundlage nach 10 Abs. 4 UStG das Entgelt nach 10 Abs. 1 UStG übersteigt. Das ist vorliegend nicht der Fall: Gemäß 10 Abs. 1 Satz 2 UStG ist Entgelt alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer. Danach hat die Stadt A an die Klägerin für die Übernahme der Straßenbeleuchtung im Jahr 2005 ein Entgelt in Höhe von 76.509,00 und im Jahr 2006 ein Entgelt in Höhe von 94.709,00 erbracht. 5

Bei Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage nach 10 Abs. 5 Nr. 1 i.v.m. 10 Abs. 4 UStG betrugen die an die Klägerin weiterberechneten Ausgaben in Form der laufenden Kosten für die Durchführung der Straßenbeleuchtung (z.b. für Investitions- und Reparaturaufwendungen sowie Strom) für das Jahr 2005 57.178,00 und für das Jahr 2006 76.673,00. Anschaffungs- oder Herstellungskosten für die unentgeltlich oder teilunentgeltlich zur Verfügung gestellten Straßenbeleuchtungsanlagen sind nicht in die Bemessungsgrundlage nach 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG einzubeziehen. Dabei kann letztlich auch dahinstehen, ob es sich um sonstige Leistungen im Sinne des 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG oder um sonstige Leistungen im Sinne von 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG handelt. Soweit es sich hier um eine unternehmensfremde Verwendung von der Klägerin zugeordneten Gegenständen (Lichtanlagen) und damit um Leistungen handelt, die dem Anwendungsbereich des 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG unterliegen, kommt eine Berücksichtigung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten schon deshalb nicht in Betracht, da weder die Einlage der Straßenbeleuchtungsanlage bei der Klägerin durch die Stadt A noch die Buchung Anlagevermögen an Kapitalrücklage die Klägerin zum Vorsteuerabzug berechtigt haben. Die vorherige Belastung mit Vorsteuer ist in diesem Fall jedoch sowohl dem Grunde nach gemäß 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG Voraussetzung für die Steuerbarkeit als auch der Höhe nach Voraussetzung für die Einbeziehung in die Bemessungsgrundlage gemäß 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG. Aber auch soweit es sich um sonstige teilentgeltliche Leistungen im Sinne von 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG handeln sollte, kommt eine Berücksichtigung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten nach 10 Abs. 4 Nr. 3 i.v.m. Nr. 2 Satz 2 UStG nicht in Betracht, da die Klägerin für die ihrem Unternehmen zugeordneten und für die Erbringung der Leistung verwendeten streitgegenständlichen Wirtschaftsgüter (Straßenbeleuchtungsanlagen) keine Anschaffungs- oder Herstellungskosten aufgewandt hat. Der Klägerin sind für die Straßenbeleuchtungsanlagen tatsächlich keine Ausgaben entstanden. Vielmehr hat die Stadt A die Ausgaben für die Anschaffung und Herstellung der Straßenbeleuchtungsanlagen getragen und diese nachfolgend unentgeltlich in die Klägerin eingelegt. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist es auch nicht unerheblich, dass der Klägerin für die Anschaffung der Straßenbeleuchtungsanlagen keine Ausgaben entstanden sind. Denn entstandene Ausgaben sind nach 10 Abs. 5 Nr. 1 i.v.m. Abs. 4 Nr. 3 i.v.m. Nr. 2 Satz 2 UStG gerade Voraussetzung für die Einbeziehung in die Bemessungsgrundlage. Ausgaben sind dabei die Aufwendungen des Unternehmers für die Erbringung der (fiktiven) sonstigen Leistungen. Eine erweiternde Auslegung der Vorschrift auf Fälle, in denen keine Ausgaben entstanden sind, kommt nicht in Betracht. Die Vorschrift ist, wie bereits ausgeführt, als abweichende nationale Maßnahme zur Verhütung von Steuerhinterziehungen und -umgehungen eng auszulegen. Vor diesem Hintergrund kann außerdem dahinstehen, ob entsprechend einer in der Literatur vertretenen Auffassung (vgl. Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG 10 Rz. 476c) zu den Ausgaben auch die Aufwendungen gehören, die aus Zuschüssen finanziert worden sind. Denn diese Konstellation ist entgegen der Auffassung des Beklagten mit dem hier zu entscheidenden Fall schon deshalb nicht vergleichbar, da vorliegend gerade keine, auch keine durch Zuschüsse finanzierten, Aufwendungen getätigt wurden. II. Die Berechnung der Steuer wird gemäß 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem Beklagten übertragen. 6

III. Die Kostenentscheidung beruht auf 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf 151 Abs. 3, 155 FGO i.v.m. 708 Nr. 10, 711 ZPO. Der Senat erachtet die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig ( 139 Abs. 3 Satz 3 FGO), da dem Verfahren ein Sachverhalt zu Grunde liegt, der in rechtlicher Hinsicht nicht von vornherein als einfach zu beurteilen war. Die Revision wird nicht zugelassen, da keine der Voraussetzungen des 115 Abs. 2 FGO vorliegt. 7