Missbrauchskontrolle nach der Kartellgesetznovelle Symposium der Studienvereinigung Kartellrecht, 14.6.2013 Dr. Peter Matousek, Mag. Birgit Schwabl-Drobir
Überblick - Kollektive Marktbeherrschung: bisherige Fälle in der Missbrauchskontrolle - Vermutungstatbestände nach 4 Abs 2 KartG 2005 und 4 Abs 2 und 2a KartG 2005 nf (= Fassung vom 1.3.2013) - Missbrauchsverbot nach 5 Abs 1 Z 1 KartG 2005 und 5 Abs 1 Z 1 KartG 2005 nf - Änderungen in der Preismissbrauchskontrolle aus ökonomischer Sicht 2
Kollektive Marktbeherrschung in der Missbrauchskontrolle OGH 16Ok43/05 vom 17.10.2005: 34 KartG (entspr. 4 KartG 2005) erfasse schon seiner Konzeption nach auch die Möglichkeit einer Marktbeherrschung durch mehrere ("kollektive Marktbeherrschung"). Flüssiggas (Verfahren anhängig) Prüfung kollektive Marktbeherrschung (5 Unternehmen), relevanter Markt: Flüssiggas für Kleintanks < 2,2 t in Ö, Flüssiggaslieferanten vermieten Tank und befüllen diesen exklusiv (sog. Alleinbezugsverpflichtung) 3
Vermutungstatbestände für Marktbeherrschung 4 Abs 2 KartG 2005 1. Marktanteil von mind. 30% oder 2. Marktanteil von mehr als 5% bei max. 2 Mitbewerbern oder 3. Marktanteil von mehr als 5% und zu 4 größten Unternehmen gehört, welche zusammen einen Marktanteil von mind. 80% haben - es sei denn die Unternehmen weisen nach, dass wesentlicher Wettbewerb zwischen ihnen zu erwarten ist oder dass Unternehmen keine überragende Marktstellung hat Beweislastumkehr 4
Vermutungstatbestände für Marktbeherrschung 4 Abs 2 KartG 2005 nf Vermutungstatbestände nach 4 Abs 2 KartG 2005 nf ident mit jenen nach 4 Abs 2 KartG 2005 zusätzlich zu 4 Abs 2 Z 2 und 3 (Marktanteil > 5% bei max. 2 Wettbewerbern oder Unternehmen zählt zu 4 größten mit gemeinsamen Marktanteil von > 80%) nun deutlichere Hervorhebung der kollektiven Marktbeherrschung durch 4 Abs 2a KartG 2005 nf 5
Vermutungstatbestände für kollektive Marktbeherrschung 4 Abs 2a KartG 2005 nf gemeinsamer Marktanteil von mind. 50% bei max. 3 Unternehmen oder gemeinsamer Marktanteil von mind. 2/3 bei max. 5 Unternehmen auch dann, wenn jedes einzelne Unternehmen einen Marktanteil von weniger als 30% hat - es sei denn die Unternehmen weisen nach, dass wesentlicher Wettbewerb zwischen ihnen zu erwarten ist oder dass die Unternehmen kollektiv keine überragende Marktstellung innehaben Beweislastumkehr 6
Vermutungstatbestände nach 4 KartG 2005 und 2005 nf Erfüllung der Vermutungstatbestände heißt nicht, dass Unternehmen marktbeherrschend Vermutungstatbestände regeln lediglich die Beweislastverteilung! Beweislastumkehr: Hürde der Widerlegung der Marktbeherrschungsvermutung relativ niedrig 7
Missbrauchsverbot nach 5 Abs 1 Z1 KartG KartG 2005: der unmittelbaren oder mittelbaren Erzwingung unangemessener Einkaufs- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen, wie insbesondere unangemessene Zahlungsfristen und Verzugszinsen KartG 2005 nf: der Forderung nach Einkaufs- oder Verkaufspreisen oder nach sonstigen Geschäftsbedingungen, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamen Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden, wobei insbesondere die Verhaltensweisen von Unternehmern auf vergleichbaren Märkten mit wirksamen Wettbewerb zu berücksichtigen sind 8
Missbrauchsverbot nach 5 Abs 1 Z1 KartG strengere Auslegung des Tatbestands Preismissbrauch nach KartG 2005 nf Forderung von Einkaufs- und Verkaufspreisen: Ist bereits Versuch strafbar? Stellt dies neue Wettbewerbsbeschränkung dar? Auswirkungen auf die Rechtsverfolgung (insbesondere aus ökonomischer Sicht)? 9
Preismissbrauch nach 5 Abs 1 Z1 KartG aus ökonomischer Sicht KartG 2005 unangemessene Einkaufs- oder Verkaufspreise Als-ob-Konzept: Entspricht der vom Marktbeherrscher geforderte Preis dem fiktiven Preis, der sich bei funktionierendem Wettbewerb eingestellt hätte (sog. Wettbewerbspreis)? Preis = (Gewinn + Gesamtkosten) / Menge Kosten- und Gewinnanalyse - Welche Gewinnspanne ist angemessen (z.b. angemessener Gewinn bei patentgeschützten Produkten)? 10
Preismissbrauch nach 5 Abs 1 Z1 KartG aus ökonomischer Sicht KartG 2005 - Probleme der (Voll)kostenkontrolle, z.b. o Aufteilung der Gemeinkosten auf einzelne Produkte (z.b. F&E, Qualitätskontrollen, Verwaltung) o Kuppelproduktion (lediglich Kosten des Produktionsablaufs messbar, aber nicht für jedes einzelne Produkt) o konzerninterne Verrechnungspreise (z.b. bei internationalen oder vertikal integrierten Unternehmen) KartG 2005 schließt Vergleichsmarktkonzept nicht aus 11
Preismissbrauch nach 5 Abs 1 Z1 KartG aus ökonomischer Sicht KartG 2005 nf Preise, die sich bei wirksamen Wettbewerb eingestellt hätten, insbesondere auf einem vergleichbaren Markt Vergleichsmarktkonzept: räumliche, sachliche oder zeitliche Vergleichsmärkte Probleme des Vergleichsmarktkonzepts - räumlicher oder sachlicher Vergleichsmarkt: Preisvergleich mit Gütern auf einem anderen räumlichen oder sachlichen aber vergleichbaren Markt ähnliche Wettbewerbsbedingungen erforderlich (z.b. ähnliche Nachfragemenge, Steuern, Transportkosten) 12
Preismissbrauch nach 5 Abs 1 Z1 KartG aus ökonomischer Sicht KartG 2005 nf Probleme des Vergleichsmarktkonzepts - zeitlicher Vergleichsmarkt: Preisvergleich gleicher Güter auf demselben räumlichen Markt zu vergangenem Zeitpunkt ( Sockeltheorie ) - Wettbewerbsbedingungen, Investitionsentscheidungen, Kostenverläufe, etc. ändern sich über die Zeit ursächliche Preiserhöhung durch Missbrauch schwer feststellbar - Generell: Ist das Marktergebnis auf dem Vergleichsmarkt das Resultat von funktionierendem Wettbewerb? 13
Preismissbrauch nach 5 Abs 1 Z1 KartG aus ökonomischer Sicht KartG 2005 - Als-ob-Konzept: hypothetischer Wettbewerbspreis wird rein fiktiv ermittelt KartG 2005 nf Vergleichsmarktkonzept: + Rechtsverfolgung durch Private einfacher (keine Kosteninformationen anderer Unternehmen notwendig) - Existenz eines ähnlichen Marktes mit wirksamen Wettbewerb (auch dort kein einheitlicher Wettbewerbspreis, ev. trotzdem Kostenkontrolle bei zeitlichen Vergleichsmärkten, etc.) Aus Sicht der BWB haben sich Beweisprobleme nur verlagert. 14
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Dr. Peter Matousek Geschäftsstellenleiter Praterstraße 31 1020 Wien peter.matousek@bwb.gv.at +43 1 24508 303 Mag. Birgit Schwabl-Drobir Case Handler Praterstraße 31 1020 Wien birgit.schwabl-drobir@bwb.gv.at +43 1 24508 315