Nichtraucherschutz im Spannungsfeld zwischen betrieblicher Eigenverantwortung und staatlicher Schutzpflicht Rechtsanwalt, Köln Uli-Faber@t-online.de 1 I. Rauchen als Rechtsproblem - Grundlagen II. III. IV. Arbeitsschutzrechtliche Regelung des Nichtraucherschutzes Ordnung des Universitätsbetriebs - Hausrecht Fazit 2 1
Die aktuelle (rechtspolitische) Diskussion um Nichtraucherschutz und Rauchen Werbeverbot für Tabakwaren? Nichtrauchen als Einstellungsvoraussetzung? Gesetzliche Rauchverbote in Gaststätten? Gesetzliche Rauchverbote in öffentlichen Gebäuden? 3 Wesentliche Eckpunkte für f r die rechtliche Einordnung des Nichtraucherschutzes Rauchen ist belästigend für Nichtraucher Aktiv- und Passivrauchen sind gesundheitsschädlich Tabakrauchen belastet die sozialen Sicherungssysteme Herstellung und Verkauf von Tabakwaren ist zwar reglementiert, aber im Kern legal Rauchen zählt nicht zu den generell verbotenen Verhaltensweisen Tabaksteuer als staatliche Einnahmequelle 4 2
Der rechtliche Zielkonflikt bei Nichtraucherschutzmaßnahmen Nichtraucher: Raucher: Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit Persönlichkeitsrecht,Handlungsfreiheit Art. 2 Abs. und 2 GG Persönlichkeitsrecht, allg. Handlungsfreíheit (insbes. Grundrecht, sich riskant zu verhalten ) Art. 2 Abs. 1 GG 5 Auflösung des grundrechtlichen Zielkonflikts von Nichtrauchern und Rauchern Zielkonflikte sind verfassungsrechtlicher Normalfall Wesentliche Entscheidungen bei Grundrechtskollisionen sind vom Gesetzgeber zu treffen Es besteht eine Schutzpflicht des Staates, sich schützend vor bedrohte Grundrechte zu stellen Weiter (politischer) Ermessensspielraum des Gesetzgebers bei der Erfüllung der grundrechtlichen Schutzpflicht 6 3
Möglichkeiten zur Auflösung des grundrechtlichen Zielkonflikts Absolutes Rauchverbot Eingeschränktes Rauchverbot technisch, baulich und organisatorische Schutzmaßnahmen Trennung von Rauchern und Nichtrauchern Verbot des Verkauf von Tabakwaren Einschränkungen des Verkaufs von Tabakwaren Vorrang des Nichtraucherschutzes Heute überwiegende rechtliche und rechtspolitische Perspektive Keine Reglementierung (Passivrauchen ist hinzunehmen als Teil des allgemeinen Lebensrisikos ) Schaffung partieller rauchfreier Zonen Vorrang des Raucherschutzes Bis in die 1990iger Jahre dominierende rechtliche und rechtspolitische Perspektive 7 Rauchfreie Universitäten ten Rechtliche Regelungsebenen Schutz der Beschäftigten Schutz der Studierenden, Besucher und sonstiger Personen Arbeitsschutzrecht, insbes. 5 ArbStättV Hausrecht (Art. 21 Abs. 12 BayHSchG) 8 4
I. Rauchen als Rechtsproblem - Grundlagen II. III. IV. Arbeitsschutzrechtliche Regelung des Nichtraucherschutzes Ordnung des Universitätsbetriebs - Hausrecht Fazit 9 Der Nichtraucherschutzregelung des 5 Abs. 1 ArbStättV ttv (I) (1) Der Arbeitgeber hat die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit die nichtrauchenden Beschäftigten in Arbeitsstätten wirksam vor den Gesundheitsgefahren durch Tabakrauch geschützt sind. 5 Abs. 1 ArbStättV normiert lediglich das verbindliche Schutzziel, wirksamer Schutz vor den Gesundheitsgefahren durch Tabakrauch Die Auswahl der Mittel zur Zielerreichung bleibt der eigenverantwortlichen Gestaltung der Betriebe/Dienststellen überlassen Gesetzgeber hat von der Möglichkeit eines absoluten Rauchverbots bei der Arbeit keinen Gebrauch gemacht 10 5
Der Nichtraucherschutzregelung des 5 Abs. 1 ArbStättV ttv (II) Gemeinsamer Gestaltungsauftrag an die Betriebe und Dienststellen: Nichtraucher optimal schützen und dabei Rechtspositionen der Raucher möglichst wahren (sog. praktische Konkordanz ) Zentrale normative Aussage des 5 ArbStättV: Vorrang der Rechte der Nichtraucher vor den Rechten der Raucher Absolutes Rauchverbot nur, wenn anders wirksamer Schutz vor den Gesundheitsgefahren durch Passivrauchen nicht gewährleistet ist Maßnahmen dürfen nicht auf das Ziel der Disziplinierung und (verpflichtenden) Erziehung der Raucher zielen BAG v. 19.1.1999 1 AZR 499/98=Arbeitsrecht im Betrieb 1999, S. 404 ff. 11 Der Nichtraucherschutzregelung des 5 Abs. 1 ArbStättV ttv (III) Gemeinsamer Gestaltungsauftrag Nichtraucherschutz ist unter Beteiligung des Personal- /Betriebsrats zu regeln: Mitbestimmungsrecht bei Fragen des Gesundheitsschutzes (Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 BayPersVG; 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG) Mitwirkungsrecht bei Regelungen zur Ordnung der Dienststelle (Art. 76 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayPersVG); im Anwendungsbereich des BetrVG mitbestimmungspflichtig ( 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG) Das Mitbestimmungsrecht zum Gesundheitsschutz bedenklich verkürzend, VG Ansbach v. 22.2.2005 AZ.: AN 8P 04.02445 12 6
Elemente von BV S S bzw. DV S: Übersicht 1 Präambel Unmittelbare Maßnahmen Flankierende Maßnahmen Sinnvoll, aber nach überwiegender Auffassung wohl nicht zwingend Zwingend, 5 ArbStättV z.t. zwingend, 3 ArbSchG: Durchführung der Maßnahmen 13 Elemente von BV S S bzw. DV S: Übersicht 2 Gesundheitsförderung Bekämpfung suchtförderlicher Arbeitsbedingungen Wirksamkeitsüberprüfung Freiwillig, betr. Gesundheitsförderung ( 20 SGB V, evtl. Bonus ) Zwingend, 3 ff. ArbSchG, deswegen Integration in das allg. Arbeitsschutzkonzept ratsam Zwingend, 3 Abs. 1 ArbSchG, deswegen Integration in das allg. Arbeitsschutzkonzept ratsam 14 7
Einschränkungen nkungen des Schutzes bei Arbeitsstätten tten mit Publikumsverkehr ( ( 5 Abs. 2 ArbStättV ttv) (I) (2) In Arbeitsstätten mit Publikumsverkehr hat der Arbeitgeber Schutzmaßnahmen nach Absatz 1 nur insoweit zu treffen, als die Natur des Betriebes und die Art der Beschäftigung es zulassen. Erhebliche Einschränkung des Schutzes für Beschäftigte in den genannten Arbeitsstätten mit Publikumsverkehr Konturenlose Einschränkung des Schutzes vor den Gefahren des Passivrauchens Rauchfreiheit von Gaststätten und öffentlichen Einrichtungen stehen gegenwärtig im Fokus der rechtspolitischen Debatte 15 Einschränkungen nkungen des Schutzes bei Arbeitsstätten tten mit Publikumsverkehr ( ( 5 Abs. 2 ArbStättV ttv) (II) Universitäten und Unikliniken Arbeitsstätten i.s. von 5 Abs. 2 ArbStättV? Lässt die Natur des Betriebes und die Art der Beschäftigung optimal wirksamen Schutz zu? Bestimmungsrecht des Arbeitgebers bzw. des Dienstherrn, worin Natur des Betriebes besteht?? Differenzierung zwischen öffentlichen und privaten Unis?? Keine Arbeitsstätten mit Publikumsverkehrs wg. Wandel der gesellschaftlichen Bewertung des Rauchens?? 16 8
Einschränkungen nkungen des Schutzes bei Arbeitsstätten tten mit Publikumsverkehr ( ( 5 Abs. 2 ArbStättV ttv) (III) Arbeitsschutzrecht bietet Handhabe, Rauchen von Studenten und sonstigen Personen in der Hochschule bzw. Unikliniken zu unterbinden bzw. einzuschränken, sofern man davon ausgeht, dass Rauchen nicht zur Natur des Betriebs Universität bzw. Uniklinik zählt Klare Aussage des Gesetzgebers ist wegen staatlicher Schutzpflicht für Leben und Gesundheit wünschenswert Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich gehalten, wesentliche Aspekte der Grundrechtausübung zu regeln, insbes. auch Rauchverbote 17 I. Rauchen als Rechtsproblem - Grundlagen II. III. IV. Arbeitsschutzrechtliche Regelung des Nichtraucherschutzes Ordnung des Universitätsbetriebs - Hausrecht Fazit 18 9
Keine explizite gesetzliche Regelung (anders z.t. Schulrecht, z.b. Art. 80 Abs. 5 BayEUG) Gruppenantrag im Bundestag : Evtl. Neuregelung des Nichtraucherschutzes in öffentlichen Einrichtungen und Räumen kommen (Gruppenantrag im Bundestag) in absehbarer Zeit Bis dahin: Primär allgemeines Hausrecht als Grundlage für Verbote und Einschränkungen 19 Schutz sonstiger Nichtraucher, insbes. nicht- rauchende Studierende, Patienten und Besucher (I) Schutz sonstiger Nichtraucher, insbes. nicht- rauchende Studierende, Patienten und Besucher (II) Hausrecht umfasst u.a. das Recht, Rauchverbote festzulegen Hochschulleitung hat nach pflichtgemäßem Ermessen die notwendigen Maßnahmen zur Abwendung von Gesundheitsgefahren zu treffen Rechte der Raucher haben hinter dem Recht der Nichtraucher auf körperliche Unversehrtheit zurückzutreten in Hörsälen von Hochschulen (OVG Berlin v. 18.4.1975 Az.: V S 13.75 = NJW 1973, 2261) Hausrecht korrespondiert mit Verpflichtung der Hochschule, Mindestschutz zu gewährleisten 20 10
Schutz sonstiger Nichtraucher, insbes. nicht- rauchende Studierende, Patienten und Besucher (III) Reichweite des Hausrechts: Grundlage für absolute Rauchverbote in allen Einrichtungen der Universität mit Publikumsverkehr? Unproblematisch in Verwaltungen mit kurzer Verweildauer des Publikums Andere rechtliche Bewertung bei langer Verweildauer, z.b. bei Studierenden? Sachliche Gründe Publikum und Beschäftigte ungleich zu behandeln? 21 Fazit Nur bedingt wirksamer Nichtraucherschutz durch das geltende Recht Schutzbestimmungen sind an entscheidenden Punkten nicht hinreichend klar (inbes. Verbote) Betriebliche Eigenverantwortung entbindet den Gesetzgeber nicht von seiner Schutzpflicht für Gesundheit und Leben der Nichtraucher Wesentliche Fragen der Grundrechtsausübung sind vom verfassungsmäßigen Gesetzgeber zu entscheiden Es besteht dringender Regelungsbedarf im Hinblick auf die Ausgestaltung des Nichtraucherschutzes in öffentlichen Gebäuden und Einrichtungen 22 11
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!!! 23 12