Lizenzbox-Modell in Liechtenstein und der Schweiz



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Transkript:

Lizenzbox-Modell in Liechtenstein und der Schweiz Im Fokus des Steuerstreits mit der EU stehen die Steuerregimes in der Schweiz. Sind «Boxenmodelle» ein Weg, die Attraktivität eines Steuerstandortes aufrechtzuerhalten? Der nachfolgende Beitrag stellt einen Vergleich zwischen Liechtenstein und der Schweiz her und zeichnet die Hürden anhand eines Beispiels auf.* 1 Das Konzept der Lizenzbox 1.1 Funktionsweise Von der Summe der positiven Einkünfte aus Immaterialgüterrechten kann ein Betrag in der gesetzlich vorgesehenen Höhe abgezogen werden. Die verbleibenden positiven Einkünfte werden mit dem für Unternehmen geltenden Steuer satz besteuert, sodass sich bezogen auf die Summe der Einkünfte aus Immaterialgüterrechten ein wesentlich niedrigerer effektiver Steuersatz ergibt. Wolfgang Maute Dr. iur. HSG, eidg. dipl. Steuerexperte, Chefredaktor der Steuer Revue, First Tax AG, Vaduz/Kreuzlingen/Zürich Philipp Senn Dipl. Wirtschaftsprüfer, First Tax AG, Vaduz Benedikt König MMag. LL.M., Rechtsanwalt mit Zulassung in FL und A, Partner bei Batliner Gasser Rechtsanwälte, Vaduz 1.2 Definitionen 1.2.1 Patente Ein Patent verschafft seinem Inhaber das Recht, anderen zu verbieten, eine bestimmte Erfindung * Die Verfasser danken C. Prendina Dutler, Kantonales Steueramt Zürich, für ihre fachlichen Anregungen zum Konzept Schweiz. für eine bestimmte Zeit gewerbsmässig zu nutzen. Der Schutzumfang eines Patents ergibt sich durch Auslegung der Patentansprüche, wobei die Grenze der Auslegung des Patentanspruchs die technische Lehre darstellt, wie sie sich für den Fachmann aus der Patentschrift ergibt, respektive, wie sie im Rahmen der Patentschrift of- Nr. 6/2013 Seite 416

fengelegt wurde. Patentfähig sind beispielsweise Verfahren (bestimmte Herstellungs- oder Arbeitsverfahren), Erzeugnispatente (z. B. eine spezifisch geformte Turbinenschaufel oder auch chemische Substanzen), Anwendungspatente (bekanntes Verfahren wird in neuem Zusammenhang genutzt) und Verwendungspatente (neuer Einsatzbereich für vorbestehende Erzeugnisse oder Vorrichtungen, z. B. Erkenntnis, dass eine bekannte chemische Substanz auch zur Krankheitstherapie geeignet ist). 1.2.2 Marken Als Marke gilt ein Zeichen, das geeignet ist, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von solchen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Die Marke dient daher der Individualisierung. Die Marke muss grafisch darstellbar sein; akustische Marken müssen daher in Notenschrift niedergeschrieben werden können. Als Marke scheidet aus, was den Tast-, Geschmacksoder Geruchssinn anspricht. In Frage kommen daher: Worte, Buchstaben, Zahlen, bildliche Darstellungen, Dreidimensionale Formen (inklusive Verpackungen), Kennfäden (bei Textilien) abstrakte Farben und Farbkombinationen, Slogans, die Positionierung eines Kennzeichens, Bewegungsabläufe und Hologramme. 1.2.3 Design Unter Design versteht man die Gestaltung von Erzeugnissen oder Teilen von Erzeugnissen, die namentlich durch die Anordnung von Linien, Flächen, Konturen oder Farben oder durch das verwendete Material charakterisiert sind. Gegenstand des Designschutzes ist also die äusserlich wahrnehmbare Gestaltung respektive die äussere Erscheinungsform eines Erzeugnisses. Dabei muss die Gestaltung eines bestimmten Erzeugnisses (oder eines Teiles davon) konkret festgelegt sein und die Gestaltung muss visuell («äusserlich») wahrnehmbar sein. Inhaltsverzeichnis 1 Das Konzept der Lizenzbox 1.1 Funktionsweise 1.2 Definitionen 2 Lizenzbox in Liechtenstein und der Schweiz 2.1 Das Konzept in Liechtenstein 2.2 Das Konzept in der Schweiz 2.3 Vergleichende Hinweise 3 Business Case 3.1 Sachverhalt mit nationaler Ausgangslage 3.2 Liechtensteiner Gesellschaft mit Vergabe einer Sublizenz an Schweizer Tochter - gesellschaft 3.3 Hinweise zu Sachverhalts gestaltungen bei grenzüberschreitender Strukturplanung 4 Fazit 5 Literaturhinweise 1.2.4 Software Software bzw. Computerprogramme (gem. Art. 2 Abs 3 URG) betreffen sowohl Quellcode als auch Objektcode. Nicht als Teil eines Computerprogramms umfasst sind die zur Anwendung der Programme erforderlichen Computerhandbücher, diese fallen in die Kategorie der Schriftwerke und kommen als solche nicht in den Genuss des Art 55 SteG. 1.2.5 Datenbanken Datenbanken weisen Inhalte auf, die im Hinblick auf die Aktivitäten im Bereich von Forschung und Entwicklung von grosser Bedeutung sind. Sowohl Datenbanken, die unter den Schutzbereich gemäss Art. 4 URG sowie auch jene, die unter den Schutzbereich gemäss Art. 45 URG fallen, stellen für ein forschendes Unter- Nr. 6/2013 Seite 417

nehmen eine, vielleicht sogar die entscheidende, verwertbare Schlüsselinvestition dar, die zusammen mit einer hierauf zugreifenden Software durch Lizenzvergabe genutzt werden kann. Je nach Technologiegebiet kann es sich hierbei auch um die eigentliche Investition und den Kernbereich des Geschäftsmodells handeln. 2 Lizenzbox in Liechtenstein und der Schweiz 2.1 Das Konzept in Liechtenstein 2.1.1 Allgemeine Aspekte Im Zuge der Totalrevision des Steuergesetzes, welches am 1. Januar 2011 in Kraft trat, wurde in Liechtenstein erstmals die Möglichkeit geschaffen, eine begünstigte Besteuerung von Einkünften aus Forschung und Entwicklung zu erlassen. Derartige Sondersteuerregime existieren bereits in einigen EU-Mitgliedstaaten (namentlich Belgien und Luxemburg) als sogenannte «IP-Box» (Intellectual Property-Box) zur Förderung von Forschung und Entwicklung. Die besondere Bedeutung von Forschung und Entwicklung für den zukünftigen Wohlstand in Europa wurde seitens der Europäischen Union in deren Lissabon-Agenda im Jahr 2000 hervorgehoben. Insbesondere für kleine, ressourcenarme Länder wie Liechtenstein ist die nachhaltige Zukunftssicherung durch Forschung und Entwicklung lebenswichtig. Immerhin stammten im Jahr 2010 39% der Bruttowertschöpfung Liechtensteins aus dem Wirtschaftsbereich Industrie und produzierendes Gewerbe Tendenz steigend. Um dem europäischen Trend Rechnung zu tragen, sollte daher durch einen Sonderabzug von 80% der positiven Patenteinkünfte also des Reinertrags aus der Nutzung oder Verwertung der einzelnen Patente ein steuerlicher Anreiz geschaffen werden, der Liechtenstein als EWR- Mitgliedsstaat als konkurrenzfähigen Standort attraktiv erscheinen lässt. Weiters regelt die Bestimmung des Art.55 SteG, bei welchen Immaterialgüterrechten ein Abzug vorgenommen werden kann. Es handelt sich dabei um folgende Immaterialgüterrechte: Patente, Marken und Design, sofern diese durch die Eintragung in ein inländisches, ausländisches oder internationales Register geschützt sind; und Software sowie technische und naturwissenschaftliche Datenbanken. Diese Aufzählung ist abschliessend. Die Eintragung der Immaterialgüterrechte in ein Register setzt freilich die Existenz eines entsprechenden Registers voraus. Für Software existiert zum gegenwärtigen Zeitpunkt weder ein nationales noch internationales Register, sodass diesbezüglich die Registereintragung keine Vor - aussetzung darstellt. 2.1.2 Liechtensteiner Lizenzbox im Detail Nach ursprünglicher Intention des Gesetzgebers sollte Art 55 des Gesetzes nur den groben Raster vorgeben, wogegen die detaillierte Regelung der Regierung im Verordnungsweg überlassen bleiben sollte. Art. 55 SteG in Verbindung mit Art. 33 SteV enthielt somit eine begünstigte Besteuerung für Einkünfte aus Immaterialgüterrechten, wobei Art. 33 Abs. 1 SteV diese Begünstigung auf Patente, Marken, Muster und Gebrauchsmuster einschränkte. Unmittelbar nach Inkrafttreten des SteG 2011 stiess jedoch die Delegation der Detailgestaltung an die Regierung auf verfassungsrechtliche Bedenken, sodass der Liechtensteinische Staatsgerichtshof nach ergriffener Popularbeschwerde (dabei handelt es sich um ein abstraktes Normenkontrollverfahren) die entsprechende Bestimmung in der Steuerverordnung aufhob. Der Staatsgerichtshof vertrat die Auffassung, dass die Festlegung, bei welchen Immaterialgüterrechten eine Abzugsmöglichkeit bestehen soll, auf Gesetzes- und nicht auf Verordnungsebene zu erfolgen hat. Nr. 6/2013 Seite 418

Die Sanierung der Bestimmung hatte die heute bestehende Regelung zur Folge, welche de facto einer wörtlichen Übernahme des aufgehobenen Art 33 SteV entspricht. Begründet wurde die unveränderte Übernahme der bisherigen Regelung mit der Tatsache, dass lediglich diese Fassung der EFTA-Überwachungsbehörde (ESA) vorgelegt worden sei. Betrachte man nun aber die Entscheidung der ESA vom 1. Juni 2011 etwas genauer, zeige sich, dass der sachliche Anwendungsbereich dieser Bestimmung durch die ESA im Rahmen der beihilferechtlichen Würdigung weder aufgegriffen noch etwa kritisch betrachtet worden sei. Im Gegenteil sei die Zulässigkeit des Immaterialgüterrechtsabzuges nicht etwa mit dem engen Anwendungsbereich der Norm begründet worden, sondern vielmehr mit der Tatsache, dass keine Selektivität vorliege. Ein solches IP-Box-System hat den Vorteil, dass ein Betrag in Höhe von 80% der Summe der positiven Einkünfte aus Immaterialgüterrechten als geschäftsmässig begründeter Aufwand gilt. Dadurch reduziert sich die steuerliche Bemessungsgrundlage für diese Einkünfte auf 20%, was zu einer effektiven Steuerbelastung von 2,5% (12,5% Steuern auf 20%) führt. 2.1.3 Vereinbarkeit mit euro - päischem Beihilferecht Wie ausgeführt, wurden zur Ausräumung allfälliger Bedenken im Zusammenhang mit unerwünschten staatlichen Beihilfen (Selektivität) bereits die ursprünglichen Regelungen des Art. 55 SteG sowie Art. 33 SteV der EFTA-Überwachungsbehörde (ESA) zur Prüfung vorgelegt, mit der Frage, ob diese Bestimmungen mit den staatlichen Beihilferegelungen nach Art. 61 EWR-Abkommen konform sind. Die ESA quantifizierte mit Entscheidung vom 1. Juni 2011 Art. 55 SteG und Art. 33 SteV als EWR-konform (Amtsblatt der Europäischen Union C 278/9 vom 22. September 2011). Die Integration des Art. 33 SteV in Art. 55 SteG und die damit verbundene Ausweitung des Anwendungsbereichs von Art. 55 SteG auf «Software sowie medizinische, technische und naturwissenschaftliche Datenbanken» machte eine neuerliche Notifizierung dieser Bestimmung bei der ESA im April 2012 erforderlich. Dieser Schritt erfolgte aus Rechtssicherheitsgründen und auf Initiative Liechtensteins, um die EWR-Konformität dieser Bestimmung auch auf europäischer Ebene bestätigen zu lassen. Hinsichtlich Software sowie medizinische, technische und naturwissenschaftliche Datenbanken hatte die ESA Nachfragen in Bezug auf die Selektivität. Es konnte nachgewiesen werden, dass alle Sektoren von Software sowie von technischen und naturwissenschaftlichen Datenbanken profitieren können. In diesen Diskussionen kristallisierte sich aber heraus, dass bei medizinischen Datenbanken die Selektivität, d. h. die Bevorzugung bestimmter Unternehmen in einem bestimmten Sektor, nämlich dem Medizinsektor, nicht zweifelsfrei ausgeräumt werden konnte. Die Beibehaltung der «medizinischen Datenbanken» hätte ein förmliches Prüfverfahren der ESA bedeutet und für die Rechtsunterwor - fenen erst frühestens in 18 Monaten Rechts - sicherheit gegeben. Die Regierung schlug deshalb vor, das Wort «medizinische» zu streichen und verabschiedete eine entsprechende Gesetzesänderung. Seitens der ESA wurde diese von der Regierung vorgeschlagene Regelung für die Besteuerung von Immaterialgüterrechten in Liechtenstein als mit dem EWR-Abkommen vereinbar angesehen. Bei der Prüfung der Vorschrift gelangte die ESA neuerlich zu dem Ergebnis, dass die Regelung eine allgemeine Massnahme ist und damit keine staatliche Beihilfe im Sinne des EWR-Rechts darstellt. Der Steuerabzug kann von allen Unternehmen geltend gemacht werden, unabhängig von Grösse, Rechtsform und Sektor. Ausserdem Nr. 6/2013 Seite 419

dient die Massnahme der Förderung von Forschung und Entwicklung und verfolgt damit allgemeine wirtschaftspolitische Ziele. 2.2 Das Konzept in der Schweiz 2.2.1 Allgemeine Aspekte in der Schweiz Bund und Kantone sind gewissen bundesrechtlichen Vorgaben und Einschränkungen unterworfen. Die Kantone haben die verfassungsmässigen Grundsätze der Besteuerung (Art. 127 BV) ebenfalls zu beachten. Zum einen muss die Rechtfertigung der ausserfiskalischen Zwecksetzung durch eine klare gesetzliche oder gar verfassungsmässige Grundlage gegeben und die Eignung der Massnahme zur Zielerreichung geeignet sein. Zum anderen muss bei der Ausgestaltung der Steuern der Kreis der Steuerpflichtigen, der Gegenstand der Steuer und deren Bemessung in Grundzügen im Gesetz selbst geregelt werden. Die Steuervergünstigung bei den EU-Lizenzbox-Modellen erfolgt in Form einer Reduktion der Bemessungsgrundlage. Bei einem schweizerischen Modell in gleicher Form wären die Beurteilung des Abzuges als Bemessungsgrundlage und die Notwendigkeit der entsprechenden Regelung im Gesetz als Grundzug der Bemessung vorzunehmen. 2.2.2 DBG Der Bund kennt keine besonderen Steuerstati und begünstigt in diesem Bereich bisher nur die Prinzipalgesellschaften und Swiss Finance Branch. Beim Wegfall der Vergünstigungen der kantonalen Steuerprivilegien als Verwaltungsgesellschaften wäre es jedoch fragwürdig, ob die Gesamtsteuersätze in der Schweiz überhaupt noch attraktiv für die bisher kantonal steuerprivilegierten Gesellschaften wären. Der Gewinnsteuersatz auf Stufe Bund von generell 8,5% liegt im internationalen Verhältnis zu einigen EU-Ländern für die Lizenzerträge bereits eher hoch und lässt im internationalen Wettbewerb für die Kantone wenig Raum zur Erhebung der Staats- und Gemeindesteuern. 2.2.3 StHG Die Harmonisierung erstreckt sich auf die Steuerpflicht, Gegenstand und zeitliche Bemessung der Steuern, Verfahrensrecht und Steuerstrafrecht. Die Bestimmung der Steuertarife, Steuersätze und Steuerfreibeträge sind von der Steuerharmonisierung ausgenommen. Die Bemessungsgrundlage wird dabei nicht erwähnt und die Ansichten diesbezüglich sind kontrovers. 2.2.4 Nidwaldner Modell Der Kanton Nidwalden führte im Jahre 2011 ein Lizenzbox-System ein. Die folgenden Eckwerte zum Modell des Kantons Nidwaldens sind: Umfang immaterielle Güter Urheberrechte an literatischen, künstle - rischen oder wissenschaftlichen Werken, kinematographische Filme Patente, Marken, Muster, Modelle, Pläne geheime Formeln oder Verfahren gewerbliche, kaufmännische, wissenschaftliche Erfahrungen auch für Erträge aus verbundenen Gesellschaften und Veräusserungserlöse ausgenommene Immaterialgüterrechte: selbst genutzte Steuersatz ca. 8,84% (nach Steuern) Gesellschaftsform: Alle juristischen Personen Methodenwahl: 20% des ordentlichen. Gewinnsteuersatzes für die Nettolizenzerträge Definition Lizenzertrag Der Nettolizenzertrag ist der Lizenzertrag abzüglich anteilige Finanzierungskosten, Verwaltungskosten, direkt zuordenbare Abschreibungen und Lizenzaufwendungen Im Nettolizenzertrag sind die Gewinne aus Veräusserung eingeschlossen und zur Vereinfachung der Ermittlung des Nettolizenzertrages wird eine proportionale Verteilung Nr. 6/2013 Seite 420

der Verwaltungskosten vorgeschlagen. Der Nachweis der effektiven Verwaltungskosten bleibt vorbehalten und damit lässt sich eine Annäherung des Nettolizenzertrages an den effektiven Nettogewinn ermöglichen. Bei weniger als CHF 50 000. Ertrag aus Lizenzen können zur Vereinfachung pauschal 25% als Unkosten geltend gemacht werden. Entgegen der ursprünglichen Planung wurde nun bei der Praxisfestlegung im Kanton Nidwalden ein gesondertes Spartenverlust- System mit einer Verlustrückübertragung zwischen den einzelnen Sparten eingeführt. Ein Ausschluss der Lizenzerträge von der Ermässigung, sofern die Entlastung von ausländischen Quellensteuern und Staatsvertrag eine ordentliche Besteuerung vorsieht (analog Art. 28 Abs. 5 StHG), fehlt. Sofern es jedoch gelingt die Steuervergünstigung bei beiden Stufen (DBG und Kanton) einzuführen, könnte der Bedarf einer solchen Regelung hinfällig werden. 2.2.5 Europarechtliche Aspekte Hinsichtlich Betrachtung des Nidwaldner Modells unter Verhaltenskodex und der staatlichen Beihilfe kann an das luxemburgische Modell angelehnt werden. Der Verhaltenskodex der EU zieht für die Beurteilung der niedrigeren Effektivbesteuerung sowohl die Nominalsteuersätze als auch die Besteuerungsgrundlage in Betracht. Somit scheint aus der unterschiedlichen Form kein direkter Nachteil ersichtlich. 2.3 Vergleichende Hinweise Im Vergleich zu den Lizenzboxen-Modellen der Länder Belgien, Niederlande, U.K. und Spanien ist das Immaterialgüterrecht nicht beschränkt auf die Patente. Das Fürstentum Liechtenstein definiert den Begriff Immaterialgüterrecht nicht weiter, lässt aber die Eigennutzung explizit zum Abzug zu. Damit die Lizenzbox eine Alternative zu den gemischten Gesellschaften darstellen kann, sollte auch die Eigennutzung miteinbezogen werden. Die Definition der Erträge aus qualifizierenden Immaterialgüterrechten ist gleichlautend mit Art. 12 Abs. 2 OECD MA und die privilegierten Lizenzerträge sind mittels Lizenzvertrag nachzuweisen. Die OECD prüft zudem eine Erweiterung von Art. 12 Abs. 2 OECD-MA hinsichtlich «goodwill, going concern, profit potential» und dgl. Liechtenstein Nidwalden Qualifizierende Erträge SteG 55 OECD MA 12 Ausgeschlossene Erträge Keine Keine Erträge aus Eigennutzung Möglich Nicht möglich Anwendbar auf IP-Güterrechte, erworben von verbundenen Unternehmen Ja Ja Beschränkt auf selbst entwickelte IP-Güterrechte Nein Nein Anwendbar auf Kapitalgewinne Ja Ja Forschung & Entwicklung Aufwendungen abziehbar Ja Ja Anwendbar ab bzw. für 1. Januar 2011 alle Effektiver Steuersatz 2,5% 8,8% Nr. 6/2013 Seite 421

3 Business Case 3.1 Sachverhalt mit nationaler Ausgangslage Eine Gesellschaft erarbeitet sich über Jahre hinweg einen Namen in mehreren Segmenten, in denen sie ihre Produkte anbietet. Die Gesellschaft entschliesst sich, ein Logo (Wort-/Bildmarke) zu entwickeln, das im Aussenauftritt für alle Gruppengesellschaften verwendet wird. Zu diesem Zweck lässt sie diese Wort-/Bildmarke in ein internationales Register eintragen. Folgende Schritte sind zu analysieren: 3.1.1 Gründung einer IP-Box Gesellschaft (Schritt 1) Es wird eine spezielle Objektgesellschaft gegründet bzw. eine Gesellschaft verlegt für die Markenverwertung in einer steuerlich günstigen Jurisdi kation, d. h. in einem Land mit einer «IP- Box»-Regelung. Am Sitz der Gesellschaft bedarf es einer gewissen Substanz. Neben ausreichender Büroinfrastruktur und geeigneten Geschäftsräumlichkeiten bedarf es auch die Ausübung der Funktionen durch entsprechend qualifiziertes Personal. Ebenfalls sind die strategischen Entscheidungen (Verwaltungsratssitzungen, Meetings der Geschäftsleitung, Generalversammlungen und dgl.) am Ort der Gesellschaft durchzuführen. Innerhalb der Schweiz bzw. Liechtensteins gibt es keine Steuerfolgen bei der Sitzverlegung. 3.1.2 Übertragung der Marken - rechte und Markenverwaltung (Schritt 2) Die Markenrechte werden übertragen auf die Objektgesellschaft. Hiezu müssen diese bewertet werden. Eine steuerneutrale Vermögensverlagerung (Buch wertübertragung) innerhalb der Schweiz bzw. Liechtensteins ist möglich. 3.1.3 Bestimmung einer Lizenz gebühr/abschluss von Lizenzverträgen (Schritt 3) Es werden mit den einzelnen Gruppengesellschaften Lizenzverträge abgeschlossen. Die Höhe muss einem Drittvergleich standhalten. 3.2 Liechtensteiner Gesellschaft mit Vergabe einer Sublizenz an Schweizer Tochtergesellschaft Da das DBA-Netz in Liechtenstein erst im Aufbau begriffen ist, wird die Erwägung eines Domizils in der Schweiz geprüft, damit diese das Nr. 6/2013 Seite 422

umfangreiche DBA-Netz nutzen kann. Auch hier sind dieselben Erfordernisse bezüglich Schritt 1 bis 3 zu berücksichtigen. Ergänzend ist hier wohl die Frage einer missbräuchlichen Inanspruchnahme von DBAs zu prüfen. Es muss demnach ein wirtschaftlicher Grund vorliegen für die Zwischenschaltung einer «Sub- IP-Box»-Gesellschaft. Auch die Alternative einer Betriebsstätte mit ausschliesslicher Lizenzverwaltung dürfte die Anwendung von DBAs ausschliessen, führt doch das blosse Erzielen von Lizenzgebühren nicht zu abkommensrechtlichen Unternehmensgewinnen. Nur wenn die Lizenzzahlungen nach den einschlägigen abkommensrechtlichen Bestimmungen zu den Unternehmensgewinnen als akzessorische Erträge einer Betriebsstätte einer im Empfängerstaat betrieben unternehmerischen Tätigkeit angesehen werden können, ist eine Inanspruchnahme des DBA wohl möglich, beispielsweise bei einer F & E-Gesellschaft mit entsprechender Infrastruktur. 3.3 Hinweise zu Sachverhalts - gestaltungen bei grenzüberschreitender Strukturplanung Diverse Faktoren sind bei internationalen Sachverhalten mit zu berücksichtigen: Anzahl von Doppelbesteuerungsabkommen Quellensteuern inkl. Rückerstattungserfordernisse Transferpreisbestimmungen, insb. Fest - legung der Verrechnungspreismethode Funktionsverlagerung Festlegung des Ortes der Geschäftsleitung Aktivitätsklauseln (und andere Klauseln) im Doppelbesteuerungsrecht sowie nationalen Aussensteuerrecht Missbrauchsvorschriften zur Bekämpfung von Basisgesellschaften Ausser Acht dürfen auch nicht die steuerpolitischen Tendenzen gelassen werden, sei es die generelle Diskussion zum «IP-Boxen-System» wie auch die Entwicklung bzw. Anerkennung der Verrechnungspreismethoden für IP-Rechte (beispielsweise die Entwicklungen hin zu einem Profit-Split-Ansatz). 4 Fazit Durch die Verlagerung von Wertschöpfungsketten in ein tiefer besteuertes Umfeld kann ein strategischer Vorteil entstehen und die Konzernsteuerquote kann gesenkt werden. Allerdings sind gerade bei internationalen Sachverhalten rechtliche Grenzen und wirtschaftliche Grenzen gesetzt. Generelle Kosten-Nutzen-Abwägungen über den ganzen Zeitraum der Nutzungsdauer eines immateriellen Gutes (Kosten der Implementierung, laufende Kosten, Kosten bei Umstrukturierung) sowie die Aufnahme am Markt (Reputationsrisiko). 5 Literaturhinweise VON BÜREN / MARBACH / DUCREY, Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht 3, 2008, RN 161 ff. CAVELTI ULRICH, Bemerkungen zum Gutachten über «Lizenzbox des Kantons Nidwalden» von Prof. Dr. iur. Pascal Hinny, in: IFF, Forum für Steuerrecht 2011, 138 ff. HAUSMANN RAINER / ROTH PHILIPP / KRUMMENACHER OLIVER, LIZENZBOX ALS ALTERNATIVES STEUERMODELL ZUR GEMISCHTEN GESELLSCHAFT, Besteuerung von Lizenzerträgen unter Berücksichtigung internationaler und europarechtlicher Bestimmungen, ST, Zürich, 2 (2012), S. 87 ff. HINNY PASCAL, Lizenzbox des Kantons Nidwaldens Rechtliche Prüfung unter Gesichtspunkten des Verfassungs- und Harmonisierungsrechts, FStR Heft 2 (2011), S. 138 ff. HOSP THOMAS/LANGER MATTHIAS, Die Besteuerung von Immaterialgüterrechten Wie attraktiv ist die liechtensteinische IP-Box?, PlStB 2012, S. 16 KRAMER JÖRG-DIETRICH, Die Spezialitätsklausel und der Betriebsstättenvorbehalt im Abkommensrecht, IStR 2013, S. 285 ff. SCHÄUBLE GÜNTER / GIGER RETO, Lizenzbox in Nidwalden, Ein Steilpass für andere Kantone und den Bund, ST 10 (2010), S. 711 ff. Richtlinie Besteuerung von Lizenzerträgen STEUER - PRAXIS NIDWALDEN 85, Kantonales Steueramt Nidwalden vom 17.1.2011 Nr. 6/2013 Seite 423