Engagement von Unternehmen in der beruflichen Qualifizierung von Mitarbeitern Anregungen für die Berufsbildungszusammenarbeit



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Transkript:

Abteilung Wirtschaft und Beschäftigung (41) Kompetenzfeld Berufliche Bildung (4115) Engagement von Unternehmen in der beruflichen Qualifizierung von Mitarbeitern Anregungen für die Berufsbildungszusammenarbeit Guido Lotz Hannover, Dezember 2006

Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis Einleitung / Ziel des Beitrags / Thematischer Kontext / Inhaltliche Strukturierung des Beitrags Grundlegende Aspekte und Bezugsgrundlagen / Begriffsverständnis Berufliche Bildung und berufliche Qualifizierung / Bildungsökonomie in der wissenschaftlichen Diskussion ein Überblick Unternehmen und deren Engagement in der beruflichen Qualifizierung von Mitarbeiten Erwägungen, Einflussfaktoren und Aktivitäten / Bedeutung von Mitarbeitern und deren beruflichen Qualifikationen für Unternehmen / Einflussfaktoren für das Engagement von Unternehmen in der beruflichen Qualifizierung von Mitarbeitern / Kosten und Nutzen beruflicher Qualifizierung // Kosten und Nutzen der Beruflichen Erstausbildung // Kosten und Nutzen betrieblicher Personalentwicklung / Unternehmen als Akteure im Bereich beruflicher Qualifizierung / Engagement von Unternehmen im Bereich der beruflichen Erstausbildung / Engagement von Unternehmen in der beruflichen Weiterbildung Implikationen - Anregungen für die Berufsbildungszusammenarbeit / Einleitende Bemerkungen / Unternehmen als Partner gewinnen und erfolgreich kooperative Formen beruflicher Qualifizierung realisieren / Berufliche Qualifizierung entsprechend den Erfordernissen von Unternehmen ausrichten / Beschäftigungsfähigkeit erzielen und zur Sicherung und Steigerung produktiver Beschäftigung beitragen Fußnoten Quellen und Links Impressum 1 2 2 2 3 4 4 5 7 7 9 13 14 21 24 26 31 35 35 35 38 39 42 51 53

Abkürzungsverzeichnis BA BB BBiG BIBB BMZ DAX EZ GTZ HwO IAB ILO ISCO IT KMU OE - Bachelor, Studienabschluss eines Bachelor-Studiengangs - Berufsbildung/berufliche Bildung - Berufsbildungsgesetz - Bundesinstitut für Berufsbildung - Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung - Deutscher Aktien Index - Entwicklungszusammenarbeit - Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) GmbH - Handwerksordnung - Institut für Arbeitsmarkt - und Berufsforschung - International Labor Organisation - International Standard Classification of Occupations - Informationstechnologie - Kleine und Mittlere Unternehmen - Berater - Organisationsentwicklungsberater OECD - Organisation for Economic Cooperation and Development / Organisation für ökonomische Zusammenarbeit und Entwicklung PE SGB TAP - Personalentwicklung - Sozialgesetzbuch - Traditional Apprenticeship Training 1

Einleitung / Ziel des Beitrags Das aktive Engagement von Unternehmen gilt in der beruflichen Bildung als ein wichtiger Erfolgsfaktor. Das Konzept "Berufliche Bildung und Arbeitsmarkt in der Entwicklungszusammenarbeit" des BMZ (1) ist programmatische Vorgabe für die Gestaltung der staatlichen deutschen Entwicklungszusammenarbeit (EZ) im Kernkompetenzbereich "Berufliche Bildung und Arbeitsmarkt". Zu Unternehmen und deren Rolle in der Berufsbildung lassen ich daraus folgende wichtige Aspekte ableiten: Unternehmen spielen als Arbeitgeber eine wichtige Rolle auf der Nachfragseite des Arbeitsmarktes Unternehmen werden "als Beteiligte bei der Durchführung der Ausbildung" der Gruppe der "Mittler und Partnerorganisationen" zugerechnet Die Einbeziehung des Privatsektors als Partner bei der Gestaltung und Durchführung von Berufsbildung soll dazu beitragen: Angebote beruflicher Bildung an den Arbeitsmarkterfordernissen auszurichten und einen effizienten Mitteleinsatz sowie eine Verbreiterung der Ressourcenbasis zu gewährleisten. Hier sollen ausgewählte Aspekte zum Engagement von Unternehmen in der beruflichen Qualifizierung von Mitarbeitern zusammengetragen und reflektiert werden. Eine solche Reflexion kann dabei hilfreich sein: Unternehmen als Partner zu gewinnen, erfolgreich kooperative Formen von Berufsbildung zu realisieren, dabei Berufsbildung entsprechend dem Bedarf und unter Berücksichtigung der Erfordernisse von Unternehmen zu gestalten, so Beschäftigungsfähigkeit zu erzielen und zur Sicherung und Steigerung von produktiver Beschäftigung beizutragen. / Thematischer Kontext Generell wird angenommen, dass für Unternehmen ökonomisches Kalkül eine maßgebliche Rolle spielen dürfte, sich in der beruflichen Qualifizierung von Mitarbeitern zu engagieren. Berufsbildungsökonomie ist daher ein wesentlicher Referenzrahmen für diesen Beitrag. Die Berufsbildungsökonomie beleuchtet den Zusammenhang von Investitionen bzw. Kosten und Nutzen beruflicher Bildung. Dabei kann Berufsbildungsökonomie aus zwei Perspektiven betrachtet werden, nämlich: makroökonomisch mikroökonomisch. Bei einer makroökonomischen Perspektive erfolgt eine Betrachtung des Berufsbildungssystems mit seinen volkswirtschaftlichen bzw. gesamtgesellschaftlichen Nutzen. Die mikroökonomische Perspektive fokussiert auf Investitionen bzw. Kosten und Nutzen 2

beruflicher Bildung bezogen auf einzelne Unternehmen. Man kann jedoch nicht per se davon ausgehen, dass Kosten und Nutzen alleinige Entscheidungsfaktoren für Unternehmen sind, sich in der beruflichen Qualifizierung von Mitarbeitern zu engagieren. Dementsprechend werden sich die Betrachtungen nicht ausschließlich auf eine berufsbildungsökonomische Perspektive beschränken lassen. / Inhaltliche Strukturierung des Beitrags Der Beitrag enthält die nachfolgend aufgeführten inhaltlichen Bausteine: Einleitung Ziel des Beitrags Thematischer Kontext Inhaltliche Strukturierung des Beitrags Grundlegende Aspekte und Bezugsgrundlagen Begriffsverständnis Berufliche Bildung und berufliche Qualifizierung Bildungsökonomie in der wissenschaftlichen Diskussion ein Überblick Unternehmen und deren Engagement in der beruflichen Qualifizierung von Mitarbeitern Erwägungen, Einflussfaktoren und Aktivitäten Bedeutung von Mitarbeitern und deren beruflichen Qualifikationen für Unternehmen Einflussfaktoren für das Engagement von Unternehmen in der beruflichen Qualifizierung von Mitarbeitern Kosten und Nutzen beruflicher Qualifizierung Unternehmen als Akteure im Bereich beruflicher Qualifizierung Engagement von Unternehmen im Bereich der beruflichen Erstausbildung Engagement von Unternehmen in der beruflichen Weiterbildung Implikationen - Anregungen für die Berufsbildungszusammenarbeit Einleitende Bemerkungen Unternehmen als Partner gewinnen und erfolgreich kooperative Formen beruflicher Qualifizierung realisieren Berufliche Qualifizierung entsprechend den Erfordernissen von Unternehmen ausrichten Beschäftigungsfähigkeit erzielen und zur Sicherung und Steigerung produktiver Beschäftigung beitragen 3

Grundlegende Aspekte und Bezugsgrundlagen / Begriffsverständnis - Berufliche Bildung und berufliche Qualifizierung Für die Bundesrepublik Deutschland ist eine berufsförmige Organisation von Arbeit sowie eine starke Institutionalisierung von Beruf und Berufsbildung charakteristisch. Beruflichkeit hat sich in der Vergangenheit als organisierendes Prinzip von Arbeit, Erwerb und Qualifikation in Deutschland bewährt (2), wird aber derzeit auch häufig kritisch hinterfragt. Berufe und Berufsbildung haben eine lange Tradition und sind historisch gewachsen. Die starke Institutionalisierung drückt sich durch eine Reihe gesetzlicher Regelungen aus. Dazu gehören das im Grundgesetz verankerten Recht der Berufsfreiheit (3), die Regelungen des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) (4) und weiteren Gesetzen und Verordnungen, in denen Fragen der beruflichen Bildung geregelt werden. Damit ist der Begriff der beruflichen Bildung (häufig synonym auch als Berufsbildung bezeichnet) bei uns sehr spezifisch besetzt. Berufliche Bildung in Deutschland umfasst gemäß Berufsbildungsgesetz die Berufsausbildungsvorbereitung, die Berufsausbildung, die berufliche Fortbildung und die berufliche Umschulung, wobei: die Berufsausbildungsvorbereitung durch die Vermittlung von Grundlagen für den Erwerb beruflicher Handlungsfähigkeit an eine Berufsausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf heranführen soll, die Berufsausbildung die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit notwendigen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten (berufliche Handlungsfähigkeit) in einem geordneten Ausbildungsgang vermitteln und ferner den Erwerb der erforderlichen Berufserfahrungen ermöglichen soll, die berufliche Fortbildung dazu dient, die berufliche Handlungsfähigkeit zu erhalten, anzupassen oder zu erweitern und den beruflichen Aufstieg zu ermöglichen, die berufliche Umschulung zu einer anderen beruflichen Tätigkeit befähigen soll. Häufig wird für berufliche Fortbildung auch synonym der Begriff berufliche Weiterbildung verwendet, der aber im Berufsbildungsgesetz als Begriff nicht verankert ist, jedoch in den für Arbeitsförderung relevanten Bezugsgrundlagen explizit genannt wird (6). Hier gibt es also eine begriffliche Unschärfe, die zu Irritationen und Nachfragen bzgl. der Begrifflichkeiten führen kann. (7) Im vorliegenden Beitrag wird der Begriff berufliche Qualifizierung anstelle von Berufsbildung verwendet, da die Gefahr gesehen wird, dass der in Berufsbildung enthaltene Begriff Bildung die Sicht bzw. Wahrnehmung ggf. auf den formalen Teil von beruflicher Qualifizierung im Rahmen von formaler beruflicher Erstausbildung (Berufsausbildung) fokussiert oder gar verkürzt. Der Begriff Qualifizierung wird auch bewusst gewählt, da in Unternehmen die Entwicklung von am Arbeitsplatz und im Arbeitsprozess verwertbaren Qualifikationen im Vordergrund steht (8). Diese Qualifikationen müssen nicht zwingend umfassend und breit im Sinne des deutschen Berufskonzepts sein, sondern können auch die für die zur Ausübung einzelner Funktionen oder Tätigkeiten in einem Beruf oder Berufsfeld notwendigen Qualifikationen sein (9). Eine Atomisierung der Qualifikationen und Zertifikate ist aber dringend zu vermeiden, wenn es um arbeitsmarktrelevante berufliche Qualifikationen geht, die am Arbeitsplatz und im Arbeitsprozess anwendbar sind. Es gilt auch zu berücksichtigen, dass hier das gesamte (5) 4

Spektrum betrieblicher Funktionen und Berufe abgedeckt werden und nicht nur die anerkannten Ausbildungsberufe gemäß dem deutschen System. Als Referenz können neben dem in Deutschland gängigen Verständnis von Berufen und berufsförmiger Organisation auch andere gängige Ansätze dienen, z.b. die Klassifizierung von Berufen der ILO. (10) Das den Ausführungen in diesem Beitrag zugrunde liegende Verständnis von beruflicher Qualifizierung (Berufsbildung) orientiert sich an der im BMZ-Konzept "Berufliche Bildung und Arbeitsmarkt" dargelegten Klärung von Begrifflichkeiten. Dazu gehört lebenslanges Lernen als Grundprinzip sowie eine grundsätzliche Differenzierung in berufliche Erstausbildung, "d.h. die Befähigung meist Jungendlicher zum Eintritt in das Erwerbsleben" sowie "berufliche Weiterbildung", die der Erhaltung, Anpassung und Erweiterung beruflicher Handlungsfähigkeit dient. Lebenslanges Lernen soll durch die flexible Kombination und Integration von formalen, nicht-formalen und informellen Formen der Erstausbildung und Weiterbildung ermöglicht werden (11). Danach umfasst berufliche Qualifizierung: berufliche Erstausbildung berufliche Weiterbildung betriebliche Personalentwicklung berufliche Weiterbildung und Umschulung insbesondere für von Arbeitslosigkeit bedrohte Personen und Arbeitslose (12) Diese Unterscheidung berücksichtigt implizit unterschiedliche Zielgruppen aber auch Formen der Finanzierung von beruflicher Qualifizierung. / Bildungsökonomie in der wissenschaftlichen Diskussion ein Überblick (Berufs-) Bildungsökonomie wird in der wissenschaftlichen Diskussion aktuell vor dem Hintergrund von Ressourcenengpässen und der daraus resultierenden Diskussion über Effizienz und ökonomische Rentabilität von Bildung besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Bildungsökonomie ist integraler Bestandteil verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen, Fakultäten und Fachbereiche. Gegenstand von Bildungsökonomie sind Fragenstellungen zu: Bildungsinvestitionen, kosten und Finanzierung von Bildung, dem durch Bildung generierten Nutzen, Zusammenhängen zwischen Kosten und Nutzen von Bildung. Bildungsökonomie findet sich sowohl in den Erziehungs- und Bildungswissenschaften (z.b. Berufspädagogik, Wirtschaftspädagogik) als auch in der Volkswirtschaft sowie der Betriebswirtschaft. Bildungsökonomie hat damit einen interdisziplinären Charakter. Aufgrund der unterschiedlichen Perspektiven, aus denen Bildungsökonomie betrachtet wird, ist es nicht verwunderlich, dass es keine einheitliche wissenschaftliche Position gibt. Mikroökonomische Erwägungen von Unternehmen zur Qualifizierung von Humankapital werden insbesondere in der Berufs- und Wirtschaftspädagogik sowie in der Betriebswirtschaft reflektiert, da diese Disziplinen Unternehmen und unternehmensrelevante ökonomische Fragestellungen in den Mittelpunkt von wissenschaftlichen Betrachtungen stellen. Die Ökonomisierung von Bildung wird kontrovers diskutiert: 5

So wird z.b. die Betrachtung von Bildung unter einem rein auf kurzfristige ökonomische Rentabilität und Effizienz gerichteten Imperativ problematisiert. Argumentiert wird, dass Bildung neben der Entwicklung von verwertbaren Qualifikationen auch andere wichtige Funktionen übernimmt und die Entwicklung des Individuums insgesamt zum Ziel hat. Es werden auch ethische und moralische Bedenken geäußert, z.b. Menschen als Humankapital zu betrachten (und zu bezeichnen) und Individuen so auf die Größe verwertbaren Kapitals zu reduzieren. Diese Sichtweise wird von Ökonomen vielfach nicht geteilt, weil Humankapital in der modernen Betriebswirtschaft als wichtiger Erfolgsfaktor und Vermögenswert angesehen wird, der maßgeblich die zukünftige Entwicklung und den künftigen Unternehmenserfolg determiniert. Insofern wird in der Bezeichnung von Arbeitnehmern als Humankapital keine Degradierung des Menschen gesehen, sondern vielmehr eine Aufwertung. Von Kritikern wird allerdings in diesem Kontext auf die Diskrepanz zwischen theoretischer Erkenntnis sowie gelebter Realität hingewiesen: Während in der Theorie und in der Darstellung von Unternehmen Mitarbeiter in der Regel als wichtiges Kapital und strategischer Erfolgsfaktor bezeichnet werden, ist die Realität geprägt von Entlassungen selbst wenn Unternehmen Gewinne erzielen. Dies führt oft zu dem Schluss, dass Mitarbeiter tatsächlich vorwiegend doch nur als Kostenfaktoren und Einsparpotenzial gesehen werden. Wenn bereits die Ankündigung von Entlassungen von den Börsen mit steigenden Aktienkursen "belohnt" werden, trägt dies zu einer negativen Wahrnehmung des Begriffes "Humankapital" bei. Grundsätzlich problematisiert werden ebenfalls Möglichkeiten und Grenzen des Ansatzes, Bildung von Individuen zu quantifizieren sowie einer quantifizierenden Kosten-Nutzen Betrachtung zu unterziehen. 6

Unternehmen und deren Engagement in der beruflichen Qualifizierung von Mitarbeitern Erwägungen, Einflussfaktoren und Aktivitäten / Bedeutung von Mitarbeitern und deren beruflichen Qualifikationen für Unternehmen // Überblick Grundsätzlich gelten heute Mitarbeiter als strategischer Erfolgsfaktor. Leistungsbereitschaft und die beruflichen Qualifikationen der Mitarbeiter rücken damit auch stärker in den Mittelpunkt des Unternehmensmanagements und von unternehmens- und personalpolitischen Zielsetzungen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass Mitarbeiter sowie ein Engagement in deren beruflicher Qualifizierung gleichzeitig wesentliche Kostenfaktoren sind. Diese spielen bei Unternehmensentscheidungen ebenfalls eine wichtige Rolle insbesondere wenn es um Kosteneinsparungen geht. Dieser Baustein setzt sich mit folgender Leitfrage auseinander: Welche Bedeutung haben Mitarbeiter und deren berufliche Qualifikationen für Unternehmen? Zur Beantwortung dieser Leitfrage werden folgende Aspekte betrachtet: Herausforderungen für Unternehmen und deren Auswirkungen Betriebswirtschaftliche Theorien und Konzepte Realität in Unternehmen // Herausforderungen für Unternehmen und deren Auswirkungen Unternehmen müssen sich heute vielen Herausforderungen stellen. Dazu gehören z.b.: die hohe Entwicklungsdynamik der Märkte, die Globalisierung der Wirtschaft, zunehmender Wettbewerbs- und Kostendruck, schneller technologischer Fortschritt. Daraus resultieren sich permanent ändernde Anforderungen an Unternehmen. Typisch ist dabei eine hohe Veränderungsgeschwindigkeit. Um sich erfolgreich am Markt zu behaupten, ist die Anpassungsfähigkeit an sich ändernde Anforderungen für Unternehmen überlebensnotwendig. Es gilt nicht nur reaktiv mit den Entwicklungen Schritt zu halten, sondern möglichst auch kreativ und innovativ zu sein. Die Beschäftigten eines Unternehmens und deren berufliche Qualifikationen spielen dabei eine Schlüsselrolle. Veränderungs- und Innovationsfähigkeit entsteht nur im Zusammenspiel mit kompetenten und motivierten Menschen in den Unternehmen. 7

// Betriebswirtschaftliche Theorien und Konzepte Seit einiger Zeit werden in betriebswirtschaftlichen Theorien und Konzepten die strategische Bedeutung und der hohe Stellenwert von qualifizierten und motivierten Mitarbeitern betont. Mitarbeiter gelten als wichtiger Vermögenswert und als strategischer Erfolgsfaktor. Ihnen wird eine wesentliche Bedeutung für die zukünftige Entwicklung und den künftigen Erfolg von Unternehmen beigemessen. Dafür lassen sich u.a. folgende Beispiele aufführen: Personal (13) und Personalmanagement Im Konzept des "Intellectual Capital" werden z.b. die so genannten " immateriellen Werte" bzw. das "immaterielle Vermögen" als Haupttreiber des betrieblichen Erfolgs in den Vordergrund gestellt. Betriebliches Humankapital wird als zentrale Größe des betrieblichen immateriellen Vermögens beschrieben. Es trägt wesentlich zum langfristigen Unternehmenserfolg und damit zur nachhaltigen Unternehmenssicherung bei. Mitarbeiter mit ihren beruflichen Qualifikationen, ihrer beruflichen Erfahrung sowie ihrer Motivation und Innovationsfähigkeit auch als "individuelles Humankapital" bezeichnet - sind wiederum ein wesentliches Element des betrieblichen Humankapitals (14). Der "Human Resource Management" - Ansatz zeichnet sich z.b. durch eine ökonomische Orientierung aus, in der "Personal nicht nur als Kostenfaktor betrachtet wird, sondern vor allem auch als Vermögensanlage, die es einzel- und gesamtwirtschaftlich zu mehren gilt" (15). Dem Ansatz liegt eine ganzheitliche integrative Sichtweise zugrunde, nach der "Human Resource" - Aspekte gleichberechtigt in alle unternehmerischen Entscheidungen, also auch bei Strategie- und Strukturentscheidungen, einzubeziehen und aus einer übergreifenden Unternehmensmanagement-Perspektive zu betrachten sind. Vor diesem Hintergrund wird auch die Einbindung des Managements in die Verantwortung für Mitarbeiter als Human-Ressourcen als notwendig erachtet. Strategisches Unternehmensmanagement Die Bedeutung von Mitarbeitern sowie deren beruflichen Qualifikationen kommt auch in modernen Ansätzen zum strategischen Unternehmensmanagement zum Ausdruck. So stehen z.b. bei strategischen Managementsystemen auf Basis von "Balanced Scorecard" (16) nicht nur finanzwirtschaftliche Kennzahlen im Fokus, sondern ebenfalls die Perspektive von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie deren Qualifikation und Motivation als wichtige Werttreiber für den langfristigen Unternehmenserfolg und die Realisierung von strategischen Zielen. // Realität in Unternehmen Welche Bedeutung Mitarbeiter und deren Qualifikation in Unternehmen tatsächlich haben, lässt sich nicht pauschal beantworten. (17) Es gibt aber Indikatoren, dass Mitarbeitern heute nicht nur in wissenschaftlichen Theorien und Konzepten sondern auch in der Realität von Unternehmen eine wichtige Bedeutung beigemessen wird. Dazu gehören z.b. Aussagen von Unternehmen in unternehmens- und personalpolitischen Zielsetzungen und Strategien. So werden z.b. in der Beschreibung von Mission und Vision, Führungsgrundsätzen, Werten, Leitlinien etc. qualifizierte und motivierte Mitarbeiter in der Regel als wichtiges (oder z.t. auch wichtigstes) Kapital des Unternehmens sowie als strategischer Erfolgsfaktor bezeichnet. (18) Allerdings lässt sich auch beobachten, dass teilweise Unternehmen selbst wenn sie Gewinne erzielen im Rahmen von Effizienz- und Kostensenkungsprogrammen in erheblichem Umfang Personal entlassen. Außerdem werden Budgets für die berufliche Qualifizierung von Mitarbeitern zum Teil massiv gekürzt. (19) Daraus lässt sich ableiten, 8

dass Mitarbeiter und deren berufliche Qualifizierung von Entscheidern in Unternehmen nicht ausschließlich als strategischer Erfolgsfaktoren, sondern gleichzeitig auch als substanzielle Kostenfaktoren gesehen werden. / Einflussfaktoren für das Engagement von Unternehmen in der beruflichen Qualifizierung von Mitarbeitern // Überblick Generell hängt die Bereitschaft von Unternehmen, sich in der beruflichen Qualifizierung von Mitarbeitern zu engagieren, von einem Bündel sich überlagernder Einflussfaktoren ab. Der betriebswirtschaftliche Bedarf an qualifizierten Fach- und Führungskräften ist ein zentraler hervorzuhebender Einflussfaktor. Kosten und Nutzen sind maßgebliche Faktoren zur Bewertung von beruflicher Qualifizierung als Option zur Deckung des Bedarfs. Im Mittelpunkt dieses Bausteins steht die Frage nach wesentlichen Faktoren, die das Engagement von Unternehmen in der beruflichen Qualifizierung von Mitarbeitern beeinflussen. Folgende wesentliche Einflussfaktoren werden näher beleuchtet: Betriebswirtschaftlich begründeter Bedarf an qualifizierten Fach- und Führungskräften, Wertorientierung sowie individuelle und soziale Interessen, Informationsgrundlagen und Rahmenbedingungen. // Betriebswirtschaftlich begründeter Bedarf an qualifizierten Fach- und Führungskräften Der betriebswirtschaftlich begründete Bedarf an qualifizierten Fach- und Führungskräften ist ein zentraler Einflussfaktor für Unternehmen. Der quantitative Bedarf gibt die Anzahl an (zukünftig) benötigtem Personal an. Der qualitative Bedarf beschreibt das für eine betriebliche Funktion jeweils erforderliche Anforderungs- bzw. Qualifikationsprofil. Berufliche Qualifizierung ist eine der möglichen Optionen, vorhandenen quantitativen und qualitativen Bedarf an Personal zu decken: 1. 2. durch Deckung des Rekrutierungsbedarfs an qualifiziertem Personal durch ein Engagement in der beruflichen Erstausbildung und durch Weiterentwicklung der beruflichen Qualifikationen von Mitarbeitern entsprechend den jeweiligen Anforderungs- bzw. Qualifikationsprofilen durch betriebliche Personalentwicklung. Wesentliche Einflussgrößen und Entscheidungsfaktoren beinhalten: Kosten und Nutzen Bei der Bewertung und Entscheidungsfindung durch die Unternehmen sind Kosten- und Nutzen maßgebliche Entscheidungsfaktoren. Effizienz und Effektivität Bei der Umsetzung von beruflicher Qualifizierung von Mitarbeitern sind höchstmögliche 9

(20) Effizienz und Effektivität wichtige Kriterien. Damit verbunden ist die Forderung nach konsequenter Ergebnis- und Transferorientierung sowie nach kostenoptimaler Gestaltung und Implementierung von beruflichen Qualifizierungsprozessen. Personalmanagement Die Personalmanagementphilosophie und -konzeption sowie die Gestaltung der Personalprozesse und -instrumente stellen wichtige interne Einflussgrößen für die berufliche Qualifizierung von Mitarbeitern dar. Dazu gehören u.a. strategische Personalbedarfsplanung, die Identifizierung von spezifischem Bildungs-/ Qualifizierungsbedarf, Bildungs-Controlling und die Integration von Aspekten beruflicher Qualifizierung in Mitarbeitergesprächen, Zielvereinbarungen, und Entlohnungssystemen (21). In größeren Unternehmen gibt es in der Regel eigenständige Organisationseinheiten für Personal sowie betriebliche Ausbildung und Personalentwicklung. Dies ist einer der Gründe, warum in größeren Unternehmen angebotene Maßnahmen meistens auch eine höhere Breite und Intensität aufweisen (22). Bei kleineren Unternehmen reduziert sich das Personalmanagement häufig auf Personaladministration. Es gibt in der Regel keine eigenen Personalentwicklungsabteilungen und -verantwortliche. Betriebliche Personalenwicklung erfolgt deshalb dezentral, häufig wenig systematisch und weist ein bedeutend geringeres und weniger intensives Spektrum auf (23). Organisationsentwicklung Innovation und Veränderung (24) sind ohne die Menschen innerhalb der Organisation nicht möglich. Wenn es um Veränderungsprozesse mit dem Ziel der Verbesserung oder Neugestaltung von organisatorischen Strukturen sowie von Geschäftsprozessen geht, sind immer auch die Menschen innerhalb der Organisation betroffen. Soziale Prozesse und Lernen werden damit zum integralen Bestandteil aller Veränderungsprozesse. Dies bedingt eine enge Verzahnung von betrieblicher Ausbildung und Personalentwicklung sowie Organisationsentwicklung. In der Praxis wird dies nicht immer entsprechend berücksichtigt. In manchen Veränderungsprojekten, z.b. der Einführung neuer IT-gestützter Systeme, lässt sich zum Teil immer noch ein stark technologiezentriertes Vorgehen beobachten. zu a) Deckung des Rekrutierungsbedarfs an qualifiziertem Personal durch ein Engagement in der beruflichen Erstausbildung: Ein mögliches Engagement in der beruflichen Erstausbildung wird in der Regel im Vergleich mit alternativen Möglichkeiten zur Deckung des perspektivischen Personalbedarfs analysiert und bewertet. Diese Alternativen sind dementsprechend ebenfalls Einflussfaktoren. Sie beinhalten vor allem: Rekrutierung von bereits ausgebildeten Fachkräften vom Arbeitsmarkt: Rekrutierung von Absolventen dualer Berufsausbildung, die von anderen Unternehmen ausgebildet worden sind Rekrutierung von Absolventen aus anderen beruflichen Ausbildungs- und Studiengängen, z.b. von Fachhochschulen Rekrutierung von Fachkräften mit Berufserfahrung Deckung von temporärem Fachkräftebedarf durch Leiharbeitskräfte Einstellung von Absolventen mit allgemeinen Bildungsabschlüssen und/oder Abschlüssen in schulischen Formen der Berufsbildung und Entwicklung der notwendigen fehlenden spezifischen beruflichen Qualifikationen durch gezielte Maßnahmen der betrieblichen Personalentwicklung Weitere spezifische Einflussfaktoren für die Ausbildungsbeteiligung von Unternehmen sind z.b. (25) : 10

Mitarbeiterfluktuation: Mit steigender Mitarbeiterfluktuation sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Unternehmen ausbildet. Existenzdauer des Unternehmens: Die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Unternehmen in der Berufsausbildung engagiert, ist umso höher, je länger das Unternehmen existiert. // Wertorientierung sowie individuelle und soziale Interessen Personalarbeit in Unternehmen und die berufliche Qualifizierung von Mitarbeitern erfolgt in einem Spannungsfeld aus konfliktären ökonomischen, individuellen und sozialen Interessen. Dabei spielen auch grundlegende Wertorientierungen eine Rolle. Die Identifizierung und Gestaltung von Interessenkonflikten im Sinne tragfähiger Kompromisse ist deshalb eine wichtige Aufgabe. Wertorientierung Dazu gehören z.b. Soziale Verantwortung In manchen Unternehmen spielt soziale Verantwortung neben ökonomischen Faktoren ebenfalls eine wichtige Rolle. Insgesamt lässt sich beobachten, dass inzwischen viele Unternehmen auf die massive Kritik der zu einseitigen kapitalistischen Ausrichtung, der Unterordnung gegenüber Forderungen der Kapitalmärkte sowie daraus resultierenden Imageproblemen reagiert haben, indem sie ihre gesellschaftliche Verantwortung stärker herausstellen. Dies erfolgt häufig unter der Bezeichnung "Corporate Social Responsibility". Bestandteil kann u.a. die Bereitstellung zusätzlicher Ausbildungsplätze zur Deckung des sozialen Bedarfs sein. Tradition In historisch gewachsenen Systemen wie dem der dualen Berufsausbildung spielt z.b. Tradition als Entscheidungsfaktor für die Ausbildungsbeteiligung von Unternehmen nach wie vor eine Rolle. Individuelle Interessen Menschen lassen sich nicht auf die Rolle von Produktionsfaktoren oder immateriellen Vermögenswerten reduzieren, über die ein Unternehmen verfügen kann. Individuen haben eigene Interessen, die sie auch aktiv vertreten - kollektiv über die Interessenvertretungen von Beschäftigten gegenüber dem Unternehmen oder individuell gegenüber Vorgesetzten. Bezogen auf berufliche Qualifizierung gehören dazu z.b. die Möglichkeiten zur kontinuierlichen Anpassung und Erweiterung ihrer Qualifikationen und Kompetenzen, um die Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten (26) und Chancen für den beruflichen Aufstieg zu verbessern. Die angemessene Berücksichtigung individueller Interessen beeinflusst Motivation und Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter. Diese sind wiederum Voraussetzung dafür, dass Mitarbeiter ihre berufliche Qualifikationen und Erfahrungen engagiert im Arbeitsprozess einbringen. Soziale Interessen und Anforderungen Unternehmen sind immer auch ein Bestandteil der Gesellschaft und agieren eingebettet in den sozio-ökonomischen Kontext. Soziale Interessen und Anforderungen sind deshalb ebenfalls wichtige Einflussfaktoren. So werden in Deutschland z.b. in der öffentlichen Diskussion um die Ausbildungsbereitschaft von Unternehmen der soziale Bedarf und die soziale Verantwortung von Unternehmen hervorgehoben. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Ausbildungsplatzbilanz (27). Ein Kernproblem ist, dass es seit Mitte der 90iger Jahre in Deutschland einen Ausbildungsplatzmangel, d.h. weniger Ausbildungsplätze als Bewerber gibt. Als wichtigstes Ziel wird seitens Politik und Gesellschaft postuliert, dass allen jugendlichen Schulabgängerinnen und Schulabgängern bzw. allen ausbildungswilligen und -fähigen Jugendlichen ein Ausbildungsplatz möglichst in der Fachrichtung ihrer 11

Wahl angeboten wird. Dabei werden auch geeignete Mittel zur Erreichung dieses Ziels diskutiert. Dazu gehört z.b. die Einführung einer "Ausbildungsplatzumlage / -abgabe" für nicht ausbildende Unternehmen. Vor diesem Hintergrund sehen sich Unternehmen einem hohen politischen und gesellschaftlichen Druck ausgesetzt, sich an der dualen Berufsausbildung zu beteiligen und genügend Ausbildungsplätze bereitzustellen, damit die soziale Nachfrage befriedigt wird. // Informationsgrundlagen Informationen über berufliche Qualifizierung sind eine wichtige Entscheidungsgrundlage. Sie umfassen direkt Aspekte der beruflichen Qualifizierung (z.b. rechtliche Rahmenbedingungen der dualen Berufsausbildung, mögliche Ausbildungsberufe und deren Profile) aber auch Informationen über mögliche Informationsquellen. Unzureichende oder gar falsche Informationen können dazu führen, dass Potenziale des Engagements in der beruflichen Qualifizierung von Mitarbeitern in der Entscheidungsfindung nicht berücksichtigt werden. In Deutschland verfügen nichtausbildende Unternehmen z.b. häufig gar nicht oder nur in geringem Umfang Informationen über die duale Berufsausbildung. Sie sind eher damit vertraut, wie man den Bedarf an qualifizierten Fachkräften über den freien Arbeitsmarkt decken kann. // Rahmenbedingungen Wesentliche Rahmenbedingungen beinhalten: Rechtliche Grundlagen Dazu gehören u.a.: spezifische gesetzliche Regelungen zur beruflichen Qualifizierung, z.b. Berufsbildungsgesetz Regelungen zur Finanzierung von beruflicher Qualifizierung (28) tarifvertrags- und arbeitsrechtliche Regelungen, gesetzlich vorgeschriebene Anforderungen bezüglich der Qualifikation und Qualifizierung von Personal (29) Förderung der Einstellung und Qualifizierung von bestimmten Bevölkerungsgruppen (30) Arbeitsmarktsituation Insbesondere wenn von einem Unternehmen benötigte Fach- und Führungskräfte und spezifische Qualifikationsprofile über den Arbeitsmarkt nicht rekrutiert werden können, gibt es häufig wenig Alternativen dazu, die benötigten Fachkräfte selbst aus- und weiterzubilden. Dies trifft vor allem für expandierende Unternehmen aus Wachstumsbranchen (wie z.b. Hightech-Industrien) zu. Um Positionen kurzfristig überhaupt besetzen zu können, werden vielfach Kandidaten eingestellt, welche die Anforderungen nur zum Teil erfüllen. Diese müssen dann über Programme der betrieblichen Personalentwicklung entsprechend den spezifischen Anforderungen weiterqualifiziert werden. Spezifische Bedingungen für den Abschluss von strategisch wichtigen Vorhaben Beispiele dafür sind: 12

In Ländern mit hohem Marktvolumen bzw. -potenzial, die für Direktinvestitionen von ausländischen Unternehmen besonders attraktiv sind (wie z.b. China), werden Genehmigungen (z.b zum Abschluss von Joint Ventures) häufig davon abhängig gemacht, dass Unternehmen bereit sind, Transfer von Know-how und Technologie zu leisten und sich in der beruflichen Qualifizierung zu engagieren. Qualifikation und Weiterqualifizierung von Personal können auch Anforderungen von Kunden bzw. Auftraggebern sein, z.b. als Bestandteil von "Outtasking / Outsourcing"-Verträgen, wenn Unternehmen Aufgaben oder Prozesse an externe Dienstleister vergeben oder als Kritierien für (potentielle) Lieferanten (31). Technologischer Wandel Markt- und Wettbewerbssituation eines Unternehmens Wirtschaftliche Gesamtsituation bzw. konjunkturelle Entwicklung / Kosten und Nutzen beruflicher Qualifizierung // Überblick Ökonomische Erwägungen spielen eine wichtige Rolle bei der Entscheidung von Unternehmen, sich in der beruflichen Qualifizierung von Mitarbeitern zu engagieren. Kostenund Nutzen-Relation ist dabei ein wichtiger Einflussfaktor. Wenn der Gesamtnutzen die Gesamtkosten übersteigt, ist die Investition in berufliche Qualifizierung für Unternehmen ökonomisch sinnvoll. Als Entscheidungsgrundlage sind deshalb Kosten und Nutzen zu bestimmen und gegenüberzustellen. Kosten im Rahmen des betrieblichen Engagements in beruflicher Qualifizierung lassen sich prinzipiell wenn auch z.t. mit großem Aufwand weitgehend erfassen und quantifizieren. Der Nutzen für die Unternehmen ist dagegen nur zum Teil direkt mess- und quantifizierbar. Jedoch lassen sich mit einem geeigneten Instrumentarium wesentliche qualitative Dimensionen des Nutzens erheben. Eine fundierte Entscheidungsfindung auf Basis von Kosten-Nutzenanalysen ist nur dann möglich, wenn neben quantifizierbaren auch qualitative Nutzendimensionen mit einbezogen werden. Folgende Aspekte werden dargestellt: Kosten und Nutzen der Beruflichen Erstausbildung Kosten der Beruflichen Erstausbildung Nutzen der Beruflichen Erstausbildung Kosten / Nutzen Relation Erfahrungen aus der betrieblichen Praxis Kosten und Nutzen betrieblicher Personalentwicklung Kosten der betrieblichen Personalentwicklung Nutzen der betrieblichen Personalentwicklung Erfahrungen aus der betrieblichen Praxis 13

// Kosten und Nutzen der Beruflichen Erstausbildung In Deutschland sind Kosten und Nutzen der Ausbildung für ausbildende Unternehmen seit längerem Gegenstand von Untersuchungen. Anfang der siebziger Jahre wurden die Kosten der betrieblichen Berufsausbildung für die Unternehmen erstmals repräsentativ durch die Sachverständigenkommission "Kosten und Finanzierung der beruflichen Bildung" erfasst. Seitdem erfolgt in einem Zeitabstand von jeweils ca. zehn Jahren eine Erhebung durch das BIBB. Die letzte Untersuchung fand im Jahr 2001 statt und bezieht sich auf das Jahr 2000. Dabei wurden ca. 2.500 repräsentativ ausgewählte ausbildende Unternehmen zu den Kosten in insgesamt 52 Ausbildungsberufen befragt. Darüber hinaus wurden auch wichtige Dimensionen des Ausbildungsnutzens untersucht (32). Kosten der beruflichen Erstausbildung In den Unternehmen werden die Kosten der Beruflichen Erstausbildung häufig nicht differenziert erhoben und separat in der Kostenrechnung erfasst (33). Die Unternehmen wissen häufig entsprechend auch nicht exakt, welche Kosten im Einzelnen tatsächlich durch das Engagement in der beruflichen Erstausbildung anfallen. Bei einer repräsentativen empirischen Untersuchung ist die Vergleichbarkeit ein wesentliches Kriterium. Dementsprechend bauen die BIBB Erhebungen auf einem einheitlichen Modell zur Bestimmung der betrieblichen Ausbildungskosten auf. Die empirische Erhebung erfolgt mittels eines differenzierten Instrumentariums (34). Für Unternehmen treffen wissenschaftlicher Anspruch und das Kriterium von Vergleichbarkeit nicht zu. Hier muss die Aussagekraft von Kenngrößen als Grundlage für betriebliche Entscheidungen in einem angemessenen Verhältnis zum Aufwand zur Erhebung und Berechnung der Kenngrößen stehen. Nach Aussagen von Gesprächspartnern in Unternehmen lohnt sich für die Unternehmen eine differenzierte Erhebung und Analyse von Ausbildungskosten und der damit verbundene hohe Aufwand nicht, da bekannt sei, dass Personalkosten ca. 70-80% der gesamten Ausbildungskosten ausmachen. Davon entfällt ein Großteil auf die Personalkosten der Auszubildenden, bei denen wiederum die Ausbildungsvergütung als der größte Kostenfaktor bezeichnet wird. Wesentliche Ergebnisse der BIBB Untersuchung aus dem Jahr 2001 In dem vom BIBB zur Bestimmung der betrieblichen Ausbildungskosten verwendeten Modell werden in der Betriebswirtschaft übliche Kostenbegriffe zugrunde gelegt. Das Verständnis der verwendeten Begriffe lässt sich wie folgt zusammenfassen: (35) Kostenbegriff: Erläuterung: Vollkosten Teilkosten Vollkosten berücksichtigen den gesamten bewerteten Einsatz an Personal und Sachmitteln, der durch das Engagement eines Unternehmens in der betrieblichen Berufsausbildung direkt oder indirekt verursacht wird. Teilkosten berücksichtigen lediglich die durch das Engagement eines Unternehmens in der betrieblichen Berufsausbildung zusätzlich entstehende Kosten. Personalkosten für nebenberuflich in der Durchführung und Administration der betrieblichen Berufsausbildung tätiges Personal werden nicht berücksichtigt, da davon ausgegangen wird, dass diese Kosten dem Unternehmen in 14

der Regel auch ohne Engagement in der betrieblichen Berufsausbildung entstehen würden. Bruttokosten Nettokosten Kostenarten Bruttokosten sind die Gesamtkosten, die sich aus der Summe aller betrieblichen Ausbildungskosten ergeben. Diese können entweder nach dem Vollkosten- oder dem Teilkostenansatz ermittelt werden. Nettokosten ergeben sich aus den Bruttokosten abzüglich der bewerteten produktiven Leistungen der Auszubildenden. Kostenarten differenzieren Kosten entsprechend ihrer Natur (um was für Kosten handelt es sich?) in verschiedene Kategorien, z.b. Personalkosten. Abbildung 1 gibt eine Übersicht über die verschiedenen Kostenarten der betrieblichen Berufsausbildung, welche im Rahmen der BIBB Untersuchungen berücksichtigt werden. Abbildung 1: Kostenarten der betrieblichen Berufsausbildung Quelle: G. Walden / U. Beicht: Wirtschaftlichere Durchführung der Berufsausbildung Untersuchungsergebnisse zu den Ausbildungskosten der Betriebe. in: BWP Heft 6/2002, S. 39 Wesentliche Ergebnisse der BIBB Untersuchung aus dem Jahr 2001 zu Ausbildungskosten von Unternehmen im Jahr 2000 lassen sich wie folgt zusammenfassen: Personalkosten sind mit ca. 86% der Gesamtbruttokosten der bedeutendste Kostenfaktor in der betrieblichen Berufsausbildung in Deutschland. Bei einem Ansatz nach der Vollkostenrechnung: 15

entfallen ca. 50% der gesamten Bruttoausbildungskosten auf die Personalkosten der Auszubildenden; allein die Ausbildungsvergütungen machen bereits 37% der Brutto-Ausbildungskosten aus und sind die bedeutendste Kostenart. Personalkosten des an der Organisation, Administration und Durchführung beteiligten Personals machen insgesamt 36% aus. Dabei fallen die Personalkosten der nebenberuflichen Ausbilder am stärksten ins Gewicht. Sonstige Kosten machen 11% der Gesamtbruttokosten aus: Dabei machen die Kosten der Ausbildungsverwaltung den größten Anteil aus. Kosten für die Ausbildungsverwaltung sind hauptsächlich Personalkosten. Sach- und Anlagekosten sind mit einem Anteil von 3% an den Gesamtbruttokosten eher unbedeutend. Es gibt beträchtliche Unterschiede in den Brutto-Ausbildungskosten zwischen West- und Ostdeutschland. Diese Unterschiede resultieren zum großen Teil aus dem unterschiedlichen Niveau von Ausbildungsvergütungen sowie Löhnen und Gehältern, die sich entsprechend in den Personalkosten auswirken. Es gibt erheblich Unterschiede in den Ausbildungskosten in unterschiedlichen Ausbildungsbereichen/Wirtschaftsektoren: Ursache für Bruttokostenunterschiede sind insbesondere Unterschiede in den Personalkosten (z.b. unterschiedlich hohe Ausbildungsvergütungen etc.). Nettokostenunterschiede ergeben sich aufgrund unterschiedlicher produktiver Erträge der Auszubildenden. Je höher der Anteil der Ausbildung ist, der unmittelbar am Arbeitsplatz bzw. integriert in die Geschäftsprozesse erfolgt, desto niedriger sind die Ausbildungskosten. Je größer die Differenz zwischen den Personalkosten für Auszubildende und denen für eine Fachkraft sind, die alternativ die produktiven Leistungen des Auszubildenden erbringen würde, desto geringer sind die Nettokosten. Nutzen der Beruflichen Erstausbildung Beim Erfassen des Nutzens betrieblicher Berufsausbildung besteht die Schwierigkeit darin, dass dieser in der Regel nicht bzw. nur in Teilen direkt mess- und quantifizierbar ist. Das BIBB hat im Rahmen des Projektes "Nutzen und Nettokosten der Berufsausbildung für die Betriebe" in einer repräsentativen empirischen Erhebung im Jahr 2001 wichtige Dimensionen des Ausbildungsnutzens für Unternehmen in Deutschland untersucht. Wesentliche Ergebnisse dieser Erhebung lassen sich wie folgt zusammenfassen (36) : Der Nutzen der betrieblichen Berufsausbildung wird in drei Nutzendimensionen klassifiziert: Nutzen durch die Auszubildenden Diese Nutzendimension bezieht sich auf den Nutzen, der für das Unternehmen während der Ausbildung entsteht. Dieser Nutzen entsteht in Form von Erträgen durch den produktiven Einsatz von Auszubildenden integriert in die betrieblichen Arbeitsprozesse. In der BIBB-Studie wird bei der Quantifizierung der produktiven Leistungen der Auszubildenden davon ausgegangen, dass die produktiven Leistungen der Auszubildenden für das Unternehmen so viel wert sind wie die Bezahlung einer regulären Fachkraft, die die gleichen produktiven Leistungen erbringt. Dieser Nutzen fließt in die Ermittlung der Nettokosten der betrieblichen Berufsausbildung ein. Nutzen durch die Ausgebildeten Diese Nutzendimension kommt nur dann zum Tragen, wenn Auszubildende vom ausbildenden Unternehmen nach Beendigung der Ausbildung in ein Beschäftigungsverhältnis übernommen werden. In diesem Fall ergeben sich für das Unternehmen durch das Engagement in der 16

betrieblichen Berufsausbildung folgende Nutzenpotenziale: Einsparung von Rekrutierungs-, Einarbeitungs- und Fehlbesetzungskosten Bei Übernahme von Auszubildenden entfallen die Kosten für die Rekrutierung von Fachkräften am Arbeitsmarkt. Die Einarbeitungszeit ist in der Regel minimal, da die selbst ausgebildete Fachkraft aufgrund der weitgehenden Integration der betrieblichen Ausbildung in die Arbeitsprozesse mit unternehmensspezifischen Rahmenbedingungen und Anforderungen vertraut ist. Damit gibt es praktisch auch keinen Anpassungsqualifizierungsbedarf bei Einstellung. Das Risiko von Fehlbesetzungen und daraus resultierenden Kosten ist wesentlich geringer, da das Unternehmen umfangreiche Referenzerfahrungen mit Verhalten und Leistungsfähigkeit des Ausgebildeten aus seinem Einsatz während der Ausbildung in verschiedenen Organisationseinheiten des Unternehmens hat. Höhere Produktivität von selbst ausgebildeten Fachkräften Es wird als wahrscheinlich angesehen, dass die Leistungsfähigkeit von selbst ausgebildeten Fachkräften auch nach der Einarbeitung für einen gewissen Zeitraum über der von extern rekrutierten Fachkräften liegt. Die Produktivität einer selbst ausgebildeten Fachkraft wäre dementsprechend höher einzuschätzen. Vermeidung von Ausfallkosten Ausfallkosten sind Folgekosten die entstehen, wenn offene Stellen von einem Unternehmen (zeitweilig) nicht adäquat über den Arbeitsmarkt mit entsprechenden Fachkräften besetzt werden können. Typisches Beispiel ist eine geringere Produktivität. Das Risiko, keine geeigneten Arbeitskräfte am Arbeitsmarkt zu finden, kann durch ein Engagement in der betrieblichen Berufsausbildung erheblich reduziert werden. Nutzen durch die Ausbildung Es wird davon ausgegangen, dass das Engagement eines Unternehmens in der betrieblichen Berufsausbildung einen Nutzen in Form eines Reputationsgewinns bringt. Die soziale Verantwortung von Unternehmen steht im Fokus der Öffentlichkeit und wird unter dem Begriff "Corporate Social Responsibility" thematisiert. Relevant ist einerseits die Auswirkung auf die Reputation der Marke(n) eines Unternehmens, aber auch auf die Attraktivität als Arbeitgeber. Kosten / Nutzen-Relation für betriebliche Erstausbildung Eine fundierte Entscheidung über das Engagement in der betrieblichen Berufsausbildung aus einer rein ökonomischen Perspektive erfordert, dass man Kosten nicht isoliert vom Nutzen betrachtet, sondern den Kosten die verschiedenen Nutzendimensionen gegenüberstellt. Dabei ist folgendes zu berücksichtigen: Da sich nur Teile des Nutzens quantifizieren lassen, kann diese Gegenüberstellung in Teilen auch nur qualitativer Natur sein. Kosten fallen zum Teil zeitlich entkoppelt von dem durch die betriebliche Ausbildung generierten Nutzen an. "Nutzen durch die Auszubildenden" kommt in der Regel zeitnah zu den anfallenden Kosten zum Trageng in Teilen qualitativer Natur.an Kosten nicht isoliert vom Nutzen betrachtet, sondern den Kosten die und lässt sich direkt während des Ausbildungsprozesses ermitteln. Insofern ist es legitim, bei der Ermittlung von Nettokosten der betrieblichen Berufsausbildung quantifizierte produktive Leistungen der Auszubildenden direkt von den Bruttokosten zu subtrahieren. Der potenzielle "Nutzen durch die Ausgebildeten" tritt erst zeitlich entkoppelt von den anfallenden Kosten ein. Ob und in welchem Umfang der Nutzen tatsächlich eintritt, lässt sich zum Zeitpunkt der Ausbildungsentscheidung und Durchführung nicht 17

vorhersehen. Kosten bzw. Ausgaben für die betriebliche Berufsausbildung haben den Charakter von zukunftsorientierten Investitionen. Aus den Untersuchungen des BIBB zu Kosten und Nutzen der betrieblichen Berufsausbildung für die Unternehmen lässt sich als Fazit zur Kosten / Nutzen Relation festhalten: Unternehmen erzielen in der Regel einen erheblichen Nutzen durch das Engagement in der betrieblichen Berufsaubildung. In der Regel übersteigen die Kosten für die Ausbildung - selbst bei einer Teilkostenbetrachtung - den Nutzen durch die Auszubildenden erbracht in Form produktiver Leistungsbeiträge während der Ausbildung. Investitionen in die betriebliche Berufsausbildung amortisieren sich deshalb in der Regel erst längerfristig unter Einbeziehung von Nutzendimensionen, die erst bei Übernahme von Auszubildenden in ein Beschäftigungsverhältnis zum Tragen kommen Bezieht man sämtliche Nutzendimensionen in die Betrachtung ein, dürfte der Ausbildungsnutzen die Ausbildungskosten in der Regel deutlich übersteigen. Abhängig von Branche, Beruf und Unternehmen gibt es erhebliche Unterschiede in der Höhe der Kosten und des Nutzens, so dass Durchschnittswerte aus den Erhebungen nicht unreflektiert auf den Einzelfall übertragbar sind. Unternehmen sind sich häufig nicht der Gesamtheit des potentiellen Nutzens betrieblicher Berufsausbildung bewusst. Das trifft besonders für nicht ausbildende Unternehmen zu. Die Unterschätzung des Nutzens kann dazu führen, dass Unternehmen von einem Engagement absehen. Erfahrungen aus der betrieblichen Praxis (37) Erfahrungen aus Fallbeispielen zeigen, dass Kosten sowie Kostensenkungsprogramme in den Unternehmen aufgrund von Wettbewerbs- und Kostendruck zu den zentralen Themen der Unternehmensleitungen gehören. Dabei werden die Kosten in sämtlichen Unternehmensprozessen betrachtet. Ein besonderer Fokus liegt jedoch auf Kosten in nicht direkt wertschöpfenden Prozessen. Dazu gehört die betriebliche Berufsaubildung, die als Teilprozess des Personalprozesses den unterstützenden Prozessen zuzurechnen ist. Zum Teil erfolgt die Betrachtung der betrieblichen Berufsausbildung eindimensional. Im Blick sind Kosteneinsparungen, ohne z.b. relevante Nutzendimensionen mit ins Kalkül zu ziehen. Im weitestgehenden Fall steht das (weitere) Engagement in der betrieblichen Berufsausbildung insgesamt zur Disposition. Die für die betriebliche Berufsausbildung verantwortlichen Manager sehen sich vor diesem Hintergrund einem erheblichen Kosten- und Legitimationsdruck ausgesetzt. Sie stehen vor dem Problem, dass sich die Nutzenargumentation aufgrund des mehrdimensionalen Charakters des Ausbildungsnutzens sowie der praktisch unmöglichen vollständigen Quantifizierung des Nutzens gegenüber Entscheidern nur schwer führen lässt, da Entscheider häufig auf "harte" quantifizierbare Kenngrößen fokussiert sind. Gerade vor diesem Hintergrund sind Ausbildungsmanager gefordert, betriebliche Berufsausbildung als 18

modernen und effizienten sowie effektiven Dienstleistungsprozess zu gestalten und gleichzeitig das interne Marketing der betrieblichen Berufsausbildung und den damit verbundenem Spektrum an Nutzendimensionen aktiv und nachdrücklich zu betreiben. Beispiel: Als besonders herausfordernd bezeichnete einer der Gesprächspartner in einem Unternehmen mit einer amerikanischen Muttergesellschaft und mehreren Produktionsstandorten in Europa die Diskussion mit der Unternehmensleitung über die Zukunft der dualen Berufsausbildung am Produktionsstandort Deutschland. Fragestellung seitens der Unternehmensleitung: warum soll man sich in Deutschland weiter in der mit hohen Kosten verbundenen dualen Berufsausbildung engagieren, während die Produktion in den Werken an den anderen Standorten in Europa auch ohne duale Berufsbildung funktioniert? Diese Frage beantwortete der betroffene Ausbildungs-Manager mit einer komparativen Analyse zu Vor- und Nachteilen der jeweiligen Modelle an den verschiedenen Standorten. Dabei wurden in einer ganzheitlichen Betrachtung Gesamtkosten und Nutzen der jeweiligen Modelle gegenübergestellt. Bei der betrieblichen Berufsausbildung wurden dem Unternehmen zusätzlich entstehende Kosten berücksichtigt (Teilkostenansatz), während der Nutzen differenziert mit quantifizierbaren als auch qualitativen Nutzendimensionen dargestellt wurde. Neben den genannten Nutzendimensionen (wie z.b. Einsparung von Rekrutierungs-, Einarbeitungsund Fehlbesetzungskosten) wurde damit argumentiert, dass vom Unternehmen selbst im dualen System ausgebildete Facharbeiter in der Produktion Aufgaben übernehmen - z.b. im Rahmen von Produktionsprozessoptimierung - die in anderen Werken von Ingenieuren wahrgenommen werden. Das bedeutet, dass bei Vergleichen die jeweilige Gestaltung der Arbeitsorganisation und der Produktionsprozesse berücksichtigt werden muss. Außerdem wurden darüber hinaus operative Manager als Verbündete gewonnen, um mit deren Einverständnis auf die hohe Zufriedenheit operativer Organisationseinheiten mit der Qualität der betrieblichen Berufsausbildung zu verweisen. Dadurch konnte die Unternehmensleitung davon überzeugt werden, die duale Berufsausbildung (vorerst) weiterzuführen. Nach Aussagen von Gesprächspartnern in Unternehmen lohnt sich für die Unternehmen eine differenzierte Erhebung und Analyse von Ausbildungskosten und der damit verbundene hohe Aufwand nicht, da bekannt ist, dass ca. 70-80% der gesamten Ausbildungskosten auf Personalkosten entfallen. Im Hinblick auf die Identifizierung und Realisierung von Kosteneinsparpotenzialen sowie zur Optimierung des Nutzens wurden von den Gesprächspartnern in Unternehmen folgende Aspekte genannt: Reduzierung von Personalkosten Aufgrund des hohen prozentualen Anteils an den Gesamtkosten setzen Überlegungen zu Kosteneinsparungen bei Personalkosten an. Personalkosten der Auszubildenden Die Personalkosten der Auszubildenden machen einen Großteil der Personalkosten der betrieblichen Berufsausbildung aus. Wesentlich sind hier die Ausbildungsvergütungen. Laut Berufsbildungsgesetz sind die ausbildenden Unternehmen in der dualen Berufsausbildung dazu verpflichtet, ihren Auszubildenden eine angemessene 19