1 Schulungsanspruch und Kostenübernahme nach 37 Abs. 6 und 7 BetrVG Erforderlichkeit von Schulungsmaßnahmen Pflicht des Betriebsrats zur Teilnahme an Schulungen Gesetzliche Grundlage: 37 Abs. 6 BetrVG Wann ist ein Schulungsbesuch i.s.v. 37 Abs. 6 BetrVG erforderlich? Was tun, wenn Arbeitgeber sagt, das Seminar sei zu teuer? Was tun, wenn Arbeitgeber sagt, Seminarort ist zu weit weg? Schulungsanspruch des Betriebsrats bei Grundlagenseminaren Schulungsanspruch des Betriebsrats bei Spezialseminaren Schulungsanspruch für Ersatzmitglieder Beurteilungsspielraum des Betriebsrats Rücksicht des Betriebsrats auf "betriebliche Notwendigkeiten" Verhältnismäßigkeit von Schulungsmaßnahmen Häufigkeit von Seminarbesuchen Streitigkeiten über Seminarbesuche 1. Pflicht des Betriebsrats zur Teilnahme an Schulungen Das Bundesarbeitsgericht hat festgestellt, dass sich jedes Betriebsratsmitglied auf sein Mandat als Betriebsrat umfassend vorzubereiten hat. Aus diesem Grund ist jedes Betriebsratsmitglied verpflichtet, sich die dafür unerlässlichen Kenntnisse anzueignen (BAG vom 21.04.1983-6 ABR 70/82). Das Bundesarbeitsgericht hat darüber hinaus festgestellt, dass verantwortungsvolle Arbeit im Betriebsrat nur möglich ist, wenn jedes Mitglied im Betriebsrat über das erforderliche Mindestwissen zur Erfüllung seiner Aufgaben verfügt. Diese Kenntnisse sind vor allem durch den Besuch von geeigneten Schulungen zu erwerben (BAG vom 05.11.1981-6 ABR 50/79).
2 2. Gesetzliche Grundlage: 37 Abs. 6 BetrVG Schulungsanspruch für den Betriebsrat Damit das Betriebsratsmitglied dieser Schulungspflicht in der betrieblichen Praxis auch nachkommen kann, hat der Gesetzgeber dem Betriebsrat ausdrücklich einen gerichtlich einklagbaren Anspruch auf Fortbildung nach 37 Abs. 6 BetrVG eingeräumt. Gleichzeitig hat er den Arbeitgeber nach 37 Abs. 6 in Verbindung mit Abs. 2 und 40 Abs. 1 BetrVG verpflichtet, die Kosten für die Schulungsteilnahme zu übernehmen. 3. Wann ist ein Schulungsbesuch i.s.v. 37 Abs. 6 BetrVG erforderlich? Die Frage nach der Erforderlichkeit ist einfach zu beantworten: Ein Seminar ist generell dann erforderlich, wenn für den Betriebsrat Aufgaben anstehen und seine Mitglieder nicht oder nicht ausreichend über die für die sachgerechte Wahrnehmung dieser Aufgaben notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen. Der Schulungsbesuch muss das "geistige Rüstzeug" zur Erledigung der anstehenden Betriebsratsaufgaben vermitteln. 4. Was tun, wenn Arbeitgeber sagt, das Seminar sei zu teuer? Damit das Betriebsratsmitglied seiner Schulungspflicht in der betrieblichen Praxis auch nachkommen kann, hat der Gesetzgeber dem Betriebsrat ausdrücklich einen gerichtlich einklagbaren Anspruch auf Fortbildung nach 37 Abs. 6 BetrVG eingeräumt. Gleichzeitig hat er den Arbeitgeber nach 37 Abs. 6 in Verbindung mit Abs. 2 und 40 Abs. 1 BetrVG verpflichtet, die Kosten für die Schulungsteilnahme zu übernehmen. Diese gesetzliche Verpflichtung des Arbeitgebers umfasst: Freistellung der Betriebsratsmitglieder von der Arbeitspflicht für die Teilnahme an erforderlichen Schulungen Fortzahlung des Arbeitsentgelts
3 Freistellung des Betriebsrats von den Schulungskosten (Seminargebühr, Fahrtkosten, Kosten für die Unterkunft und Verpflegung) Arbeitsbefreiung oder Mehrarbeitsvergütung für Betriebsratsmitglieder, die teilzeitbeschäftigt sind, für die während eines Seminars anfallenden Mehrarbeitsstunden nach 37 Abs. 3 in Verbindung mit 37 Abs. 6 Satz 2 BetrVG 5. Was tun, wenn der Arbeitgeber sagt, der Seminarort ist zu weit weg: Es kommt auf die Erforderlichkeit der Fortbildung an. Besteht die Möglichkeit, ein Seminar innerhalb kurzer Zeit an einem näher gelegenen Ort zu besuchen, so kann der Betriebsrat darauf verwiesen werden. Ist jedoch der Besuch eines Spezial- Seminars erforderlich, kann der Betriebsrat nicht auf lange Wartezeiten verwiesen werden. 6. Schulungsanspruch des Betriebsrats bei Grundlagenseminaren Nach der Rechtsprechung des BAG ist die Vermittlung von Kenntnissen erforderlich, wenn diese unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse im Betrieb und im Betriebsrat notwendig sind, damit der Betriebsrat seine gegenwärtigen oder in naher Zukunft anstehenden Aufgaben sach- und fachgerecht erfüllen kann, siehe BAG, 09.10.1973, 06.11.1973, 27.09.1974, 08.02.1977, 21.11.1978, 15.05.1986, 15.02.1995 und 19.07.1995 AP Nr. 4, 6, 18, 26, 35, 54, 106, und 110 zu 37 BetrVG. Das einzelne Betriebsratsmitglied kann nicht auf ein Selbststudium oder eine Unterrichtung durch bereits geschulte Betriebsratsmitglieder verwiesen werden, siehe BAG, 20.12.1995 AP 113 zu 37 BetrVG. Dies betrifft u.a. allgemeine Grundkenntnisse des Betriebsverfassungsrechts und des allgemeinen Arbeitsrechts.
4 Kenntnisse im keineswegs einfachen Betriebsverfassungsrecht als gesetzliche Grundlage für die Tätigkeit des BR ist unabdingbare Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Betriebsratsarbeit (siehe BAG, 27.09.1974, AP Nr. 18 und 07.06.1989 AP Nr. 9 zu 37 BetrVG.) 7. Schulungsanspruch des Betriebsrats bei Spezial-Seminaren: Bei Spezial- und Intensiv-Seminaren sind konkrete Voraussetzungen für die Fortbildung zu prüfen. Es kommt vor allem auf die jeweiligen Aufgaben des Betriebsrats oder der einzelnen Mitglieder an (z. B. Betriebsratsvorsitzender oder Mitglied im Wirtschaftsausschuss). Zu berücksichtigen ist, ob Fragen und Probleme in dem jeweiligen Betrieb anstehen, die der Beteiligung des Betriebsrats unterliegen und bei denen im Hinblick auf den Wissensstand des Betriebsrats eine Schulung von Betriebsratsmitgliedern erforderlich erscheint (siehe Text im BAG, 14.06.1977 AP Nr. 18 zu 37 BetrVG). Die Fortbildung muss immer dazu dienen, dass der Betriebsrat seine Aufgaben sach- und fachgerecht erfüllen kann. Es bedarf einer gewissen Aktualität für die Notwendigkeit einer Fortbildung, so dass die im Seminar vermittelten Kenntnisse wenigstens in absehbarer Zeit für den Betriebsrat notwendig sind, siehe BAG, 15.02.1995 AP Nr. 106 zu 37 BetrVG. 8. Beurteilungsspielraum des Betriebsrats: Der Betriebsrat hat einen eigenen Beurteilungsspielraum hinsichtlich des Seminarthemas, der Seminardauer und der Teilnehmerzahl. Stets zu prüfen hat der Betriebsrat dabei die Erforderlichkeit. Gibt es einen konkreten Anlass im Betrieb z. B. die Einführung neuer Entlohnungsmethoden, so hat der Betriebsrat Anspruch auf Entsendung seiner Mitglieder zu einem entsprechenden Seminar.
5 Wie viele Mitglieder der Betriebsrat entsendet, obliegt der Betrachtung der betrieblichen Belange und der Anzahl der Mitglieder des Betriebsrats, die mit einer entsprechenden Thematik befasst sind. Es gibt keine Pauschalen, aber je mehr Mitglieder ein Betriebsrat hat, desto mehr seiner Mitglieder werden mit einer bestimmten Angelegenheit befasst sein. 9. Schulungsanspruch für Ersatzmitglieder Für Ersatzmitglieder des Betriebsrats gibt es keinen eigenständigen Schulungsanspruch. Allerdings gilt Folgendes: Rückt ein Ersatzmitglied in den Betriebsrat nach, z. B. bei größeren Betriebsratsgremien, so kann es erforderlich sein, dass unter Berücksichtigung für die Gewährleistung der Arbeitsfähigkeit des Betriebsrats ein Schulungsanspruch des Ersatzmitglieds besteht, siehe BAG, 19.09.2001 AP Nr. 9 zu 25 BetrVG und BAG 15.05.1986 AP Nr. 53 zu 37 BetrVG. Auch hier steht dem Betriebsrat ein Beurteilungsspielraum zu. 10. Rücksicht auf "betriebliche Notwendigkeiten" Bei der Beschlussfassung einer Schulungsteilnahme von Betriebsratsmitgliedern hat der Betriebsrat die betrieblichen Notwendigkeiten, nicht betriebliche Interessen oder Bedürfnisse, zu berücksichtigen. Die zeitliche Festlegung einer Teilnahme seiner Mitglieder an erforderlichen oder geeigneten Schulungen obliegt ausschließlich dem Betriebsrat, unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse im Betrieb. Der Arbeitgeber hat nach Zugang des Betriebsratsbeschlusses 14 Tage Zeit, die Einigungsstelle anzurufen.
6 11. Verhältnismäßigkeit von Schulungsmaßnahmen Oft werden Betriebsräte mit den Kosten eines Seminars konfrontiert. Der Betriebsrat ist in der Auswahl des Seminaranbieters und des Seminarortes frei. Entscheidend ist, ob die für die Betriebsratsarbeit erforderlichen Kenntnisse vermittelt werden. Der Betriebsrat hat lediglich darauf zu achten, dass vergleichbare Kosten nicht in einem auffälligen Mißverhältnis zueinander stehen. Dies betrifft vor allem Seminargebühren, Übernachtungs- und Reisekosten. 12. Häufigkeit von Seminarbesuchen Entgegen der Auffassung, der Schulungsanspruch des Betriebsrat nach 37 Abs. 6 BetrVG sei limitiert, ist dem BetrVG und der Rechtsprechung keine zeitliche Begrenzung zu entnehmen. Es gelten die Grundsätze der Erforderlichkeit, der Beachtung betrieblicher Belange und des Beachtens des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (siehe hierzu vorherige Ausführungen). 13. Streitigkeiten über Seminarbesuche Hält der Arbeitgeber im Rahmen einer vom Betriebsrat beschlossenen Betriebsrat- Schulung die betrieblichen Belange für nicht oder für nicht ausreichend durch den Betriebsrat berücksichtigt, so kann er 14 Tage nach Zugang des BR-Beschlusses die Einigungsstelle anrufen. Ergeben sich Streitigkeiten bezüglich Erforderlichkeit oder Kosten eines Betriebsratsseminars, so entscheidet das Arbeitsgericht im Beschlussverfahren.