Einleitung. Elmar Wolff. 1 Bericht der Kommission Soziale Sicherheit zur Reform der sozialen Sicherungssysteme,



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Transkript:

Inhaltsverzeichnis Einleitung...2 1. Ziele der Reformvorschläge...3 2. Die Bürgerversicherung...3 a) Der versicherte Personenkreis...4 b) Die Finanzierung...4 c) Die Leistungen...6 d) Die private Krankenkasse...6 3) Die Kopfpauschale...7 a) Der versicherte Personenkreis...7 b) Die Finanzierung...7 c) Die Leistungen, PKV und GKV...9 Reformbedarf der Reformvorschläge (Schlussbetrachtung)...10 Bibliografie...12

2 Einleitung Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung werden in den kommenden Jahren die Ausgaben für Gesundheit dramatisch ansteigen, wenn keine Reformen eingeleitet werden. 1 Solche oder ähnliche Aussagen sind in der letzen Zeit häufiger in den Medien zu lesen und von den Parteien zu hören. Verständlich wird die Aussage, wenn man die derzeitige Zahl der Arbeitslosen von fünf Mio. 2, die Kosten im Gesundheitswesen, die 1992 von 163,1 Mrd. EURO auf 239,7 Mrd. EURO im Jahre 2003 3 gestiegen sind, und die demographische Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland betrachtet. Hier gibt es Berechnungen, dass der Anteil der über 60 Jährigen zunehmen (bis 2050 auf ca. 37 Mio.), die Zahl der Unter 20 Jährigen schrumpfen (bis 2050 auf ca. 9,7 Mio.) wird, bei gleichzeitiger Schrumpfung der Gesamtbevölkerung (bis 2050 auf ca. 68 Mio.) 4. So stehen immer mehr Leistungsempfängern immer weniger Leistungszahlern gegenüber. Um das System der gesetzlichen Krankenversicherung an die oben genannten Entwicklungen anzupassen gibt es zwei Reformvorschläge, die sich herauskristallisiert haben: 1. Die Bürgerversicherung, die von der SPD, von BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN und der PDS vertreten werden. Die Rürup-Kommission betrachtet als Nicht-Partei diese Variante 2. Die Kopfpauschale, wird von der CDU und der FDP vertreten. Die Kommission Soziale Sicherheit (Herzog Kommission) und Rürup- Kommission als Nicht-Parteien beleuchten ebenfalls die Kopfpauschale und geben Empfehlungen zu deren Umsetzung. Die Modelle der Kopfpauschale von CDU / CSU, Rürup und Wille, Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Henke und Knappe und Arnold sind aufgrund der Kürze der Hausarbeit nicht mit berücksichtigt. 1 Bericht der Kommission Soziale Sicherheit zur Reform der sozialen Sicherungssysteme, Berlin, 29. September 2003, Seite 16 2 Statistisches Bundesamt 31. Januar 2006 3 Statistisches Bundesamt 2005 4 Informationen zur politischen Bildung, Bevölkerungsentwicklung, Bonn, 2004, Seite 22

3 Ziel ist es die beiden Reformvarianten vorzustellen, die Beschlüsse der Parteien und Kommissionen auf Durchführbarkeit zu überprüfen und festzustellenwelche Probleme vor der eventuellen Einführung noch gelöst werden müssen. 1. Ziele der Reformvorschläge 5 Beide Reformvarianten sollen folgende grundlegende Ziellegungen enthalten: Der medizinische Fortschritt soll für die gesamte Gesellschaft zugänglich sein. Es soll einen sozialen Ausgleich zwischen gesunden und kranken Menschen, sowie Beziehern höherer und niedriger Einkommen sowie zwischen Familien und Alleinstehenden geben. Ein erhöhter Wettbewerb zwischen den Krankenversicherungen soll zu mehr Transparenz, zu mehr Effizienz und zu einer höheren Wirtschaftlichkeit der Krankenkassen führen. Der Versicherte soll eine freie Krankenhaus-, Arzt und Kassenwahl haben. 2. Die Bürgerversicherung 6 Der Begriff Bürgerversicherung ist ein politisch gewählter Begriff, der eine Krankenversicherung beschreibt, die die gesamte Bevölkerung aus den unterschiedlichen Gehaltsklassen mit allen Einkommen in einer solidarisch finanzierten, einheitlichen Gesundheitsversorgung einbezieht. 5 CDU, Beschluss des 17. Ord. Parteitages, Leipzig, 1.-2. Dezember 2003 FDP, Beschluss des 55. Ord. Bundesparteitages, Dresden, 5.-6. Juni 2004 BÜNDNIS 90 /DIE GRÜNEN, 23. Ord. Bundesdeligiertenkonfezenz, Kiel, 2.-3. Oktober 2004 SPD, Bericht der Projektgruppe Bürgerversicherung des Parteivorstandes, Berlin, 26. August 2004 PDS, Die solidarische Bürgerversicherung. Ein Vorschlag der PDS. Initiativen für eine andere Politik. Projektgruppe Solidarische Bürgerversicherung beim Parteivorstand der PDS, Berlin, 2004 Bericht der Kommission (Herzog-Kommission) Soziale Sicherheit zur Reform der sozialen Sicherungssysteme Rürup-Kommission, Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, Nachhaltigkeit in der Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme, Berlin, 2003, Bürgerversicherung Seite 149-160; Gesundheitsprämie Seite 161-174 6 Ich beziehe mich dabei auf die in im Kapitel Ziele der Reformvorschläge genannten Parteien und Organisationen und deren Beschlüsse (SPD, BÜNDNIS 90 /DIE GRÜNEN, PDS und Rürup-Kommission)

4 a) Der versicherte Personenkreis Bei allen Vertretern der Bürgerversicherung soll die gesamte Bevölkerung in die Versicherungspflicht einbezogen werden, d. h. auch Beamte, Selbständige und alle, die bisher nicht der Versicherungspflicht unterliegen, sollen in der kollektiven Bürgerversicherung versichert sein. Der Eintritt in eine private Krankenkasse (PKV) soll untersagt werden. 7 Es ergeben sich folgende Probleme: Eine sofortige Überführung der PKV-Mitglieder in eine gesetzliche Krankenkasse (GKV) ist verfassungswidrig, da es ein unangemessener Eingriff in das Eigentum darstellt. 8 Auch sind die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine sukzessive Ü- berführung der PKV-Mitglieder in eine GKV noch nicht gegeben, da diese von der abschließenden Ausweitung des Versichertenkreises abhängig ist. 9 Ehepartner und Kinder sollen beitragsfrei mitversichert werden können. Die Rürup-Kommission stellt hier eine Ausnahme dar. Ehepartner sollen in die GKV gebührenpflichtig einbezogen werden. b) Die Finanzierung In allen Varianten wird eine paritätische Finanzierung gefordert. Der Arbeitgeber liegt in allen Empfehlungen bei 6,5%. Nur die PDS formuliert hier keine genaue Vorgabe. Alle Vertreter der Bürgerversicherung möchten die Beitragsbemessungsgrundlage auf breiteren Schultern verteilen und / oder eine erhöhte Beitragsbemessungsgrenze einführen. So sollen Einkommensstarke ihren Beitrag zur Solidarität leisten. Die Vorstellung der Beitragsbemessungsgrenze reichen von 3487,50 EURO bei den BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN bis zur völligen Aufhebung bei der PDS. Bei Rürup-Kommission, BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN und der PDS sollen die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Kapitalvermögen, Selbständiger Arbeit, Vermietung und Verpachtung mit in die Berechnung des Versicherungsbeitrages einbezogen werden. 7 weitere Punkte zur PKV sind unter c) Die PKV aufgeführt 8 Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG 9 Fritz Beske, Veränderungsoptionen in der gesetzlichen Krankenversicherung, Bürgerversicherung, Kopfpauschale und andere Optionen im Test, Institut für Gesundheits-System- Forschung, Kiel 2004, Seite 169

5 Die Ermittlung der GKV-Beiträge wird in den Empfehlungen und Beschlüssen an das Finanzamt abgegeben. Der Beitrag zur GKV wird aktuell bis zum 15. desjenigen Folgemonats bestimmt, der dem Monat folgt, in dem der Beitrag fällig geworden ist. 10 Der Einkommensteuerbescheid liegt aber erst am Ende des Steuerjahres vor. Die GKV muss den Beitrag des Versicherten auf Basis des Vorjahres schätzen. Der genaue Betrag kann frühestens nach Ablauf eines Kalenderjahres ermittelt werden, und im Einzelfall kann eine Veranlagung der Einkommenssteuer durch Nachverlangung, Einspruch und Neufestsetzung bis zu zwei Jahre dauern. Eine sichere Finanzplanung der Krankenkasse wird so erheblich erschwert. 11 Der bürokratische Aufwand, ist wie beschrieben, enorm, denn die Krankenkasse muss jeden Steuerbescheid auf Richtigkeit und Art der Einkünfte überprüfen, damit eine richtige Ermittlung des Beitrages möglich ist. Ein weiteres nicht gelöstes Problem in den Empfehlungen und Beschlüssen ist die Vermischung von Netto- und Bruttoprinzip bei Beitragsermittlung des Versicherten zur Ermittlung der Einkünfte. Bruttoeinkünfte sind das Arbeitsentgelt, der Zahlbetrag der Rente und Versicherungsbezüge. Nettoeinkünfte sind im Sinne des EStG Gewinne aus selbständiger Arbeit, Gewerbebetrieben und Land- und Forstwirtschaft. Dies hat zur Folge, dass gleich hohe Einkünfte ungleich behandelt werden. Genaue Erkenntnisse über die rechtlichen Folgen und Belastung im Einzelfall fehlen sowohl beim Netto- und Bruttoprinzip sowie in einem Mischsystem. 12 Die Reformkommission der SPD geht hier einen anderen Weg. Sie plant eine Beitragsbemessungsgrenze für Löhne und Gehälter und eine zweite für Kapital- und Mieteinkünfte. Dies führt zu einer ungleichen Behandlung von gleich hohen Einkünften aus unterschiedlichen Einkunftsquellen. Haushalte, deren Gesamteinkünfte sich zum größeren Teil aus Kapitaleinkünften zusammensetzen werden schlechter gestellt als die Haushalte die keine oder nur geringe Kapitaleinkünfte haben. 13 In einem Punkt kann man den Konzepten Unehrlichkeit vorwerfen: Den Versicherten wird eine beitragsfreie Familiensicherung vorgestellt. Da aber 10 SGB IV 23 11 Beske, Bürgerversicherung, Kopfpauschale und andere Optionen im Test, Seite 132 12 Beske, Bürgerversicherung, Kopfpauschale und andere Optionen im Test, Seite 44 45 und 135 13 Beske, Bürgerversicherung, Kopfpauschale und andere Optionen im Test, Seite 146

6 z.b. auch die Kapitaleinkünfte von Ehepartnern beitragspflichtig sind, wird automatisch auch der Ehepartner beitragspflichtig. Da besonders SPD und BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN mit einer Solidarischen Bürgerversicherung werben, müssen die Konzepte weiter konkretisiert und bestehende Ungerechtigkeiten, besonders in den pauschal formulierten Vorstellungen der BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN und PDS, beseitigt werden (wie oben beschrieben). Sonst wird gerade der Teil der Bevölkerung mehr belastet, der nach Vorstellung der Konzepte entlastet werden soll. 14 Außerdem stellt sich die Frage, ob bei einer erhöhten Belastung von Kapitaleinkünften den Investitionswillen im Inland nicht hemmt und eine Verlagerung ins Ausland begünstigt. c) Die Leistungen Die Leistungen, die die Versicherten in Anspruch nehmen können, sollen dem heutigen Leistungskatalog entsprechen. Die Rürup-Kommission macht hier Einschränkungen: Leistungen, deren medizinische Wirkung und Notwendigkeit nicht nachgewiesen sind, sollen aus dem Katalog gestrichen werden. Wollen Versicherte diese Leistung in Anspruch nehmen, muss diese über eine Zusatzversicherung eingeschlossen werden. d) Die private Krankenkasse In allen Modellen wird es den Versicherten untersagt, neue Verträge bei einer privaten Krankenkasse abzuschließen. Dies bedeutet entweder die völlige Auflösung der PKV oder eine Degradierung zum Anbieter von Zusatzversicherungen. Das stellt einen enormen Einschnitt in die Vertragsfreiheit der privaten Krankenkassen dar. Der Verband der privaten Krankenversicherung droht im Falle der Einführung der Bürgerversicherung mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. 15 Da die Einführung der Bürgerversicherung sicher nicht die Auflösung, und damit die Vernichtung von Arbeitsplätzen und Kapital der PKV zum Ziel haben kann, müssen hier noch konkretere Vorschläge zur Einbindung der PKV in die Bürgerversicherung ausgearbeitet werden. 14 Pilz, Frank, Der Sozialstaat, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn, 2004, Seite 254 15 Pilz, Frank, Der Sozialstaat, Seite 255

7 3) Die Kopfpauschale 16 Die Kopfpauschale oder Gesundheitsprämie bezeichnet den Modellentwurf von Bernd Rürup zur Reformierung der GKV. Alle Bürger aus den unterschiedlichen sozialen Schichten zahlen einen von den Löhnen entkoppelten, einheitlichen Beitrag in ihre Krankenversicherung ein. Der Beitrag kann zwischen den Krankassen variabel sein. Um sozial schwächer Gestellte nicht von einer Krankenkasse auszuschließen oder über Gebühr zu belasten, sollen Einkommensschwache, die sich den Beitrag nicht leisten können, einen vom Staat steuerfinanzierten Zuschuss bekommen. a) Der versicherte Personenkreis Anders als bei der Bürgerversicherung soll es, wie bisher, die die Trennung zwischen GKV und PKV geben. Der versicherte Personenkreis innerhalb der GKV soll um die Ehepartner und Kinder erweitert werden. Es gibt verschiedene Vorstellungen, wie die Familienangehörigen mitversichert werden sollen: Die FDP möchte Kinder und Ehepartner komplett kostenfrei mitversichern (die entstehenden Kosten sollen über Steuern finanziert werden). Rürup- und Harzkommission stellen sich eine kostenfreie Mitversicherung von Kindern vor. Ehepartner können kostenfrei mitversichert werden, wenn sie Kinder erziehen oder Angehörige pflegen. Die CDU erwägt sowohl eine Kopfpauschale für Kinder als auch Ehepartner. Die Rürup- und Herzogkommission möchten der Gerechtigkeit halber die Beihilfsberechtigten wie Beamte, Abgeordnete und Regierungsmitglieder mit einbinden. D.h. alle Leistungen, die nicht im Leistungskatalog enthalten sind, müssen selber bezahlt oder über Zusatzversicherungen abgedeckt werden. b) Die Finanzierung Die Kopfpauschale schwankt von 200 EURO bei der CDU bis zu 264 EURO bei der Herzog-Kommission. Die verschiedenen Beträge kommen durch die 16 Ich beziehe mich dabei auf die in im Kapitel Ziele der Reformvorschläge genannten Parteien und Organisationen und deren Beschlüsse (CDU, FDP, Rürup-Kommission und Herzog-Kommission)

8 unterschiedlichen Ansichten in der Mitversicherung von Kindern und Ehepartnern zu Stande. Sind Ehepartner und Kinder kostenfrei mitversichert, liegt der Beitrag wie bei der Herzog-Kommission bei 264 EURO. Da aber nicht allen Versicherten das nötige Einkommen zur Verfügung steht, um die Kopfpauschale bezahlen zu können, werden die Geringverdiener vom Staat bezuschusst. Als Geringverdiener gelten Personen mit einem Bruttogehalt von weniger als 1400 EURO bis 1580 EURO (je nach Modell). Bei ersten Berechnungen zur Belastung der Versicherten hat sich gezeigt, dass bei den derzeitigen Vorschlägen Einkommensschwache zusätzlich belastet und Einkommensstarke entlastet werden. 17 Da diese Schieflage sich negativ auf die Konjunktur auswirken könnte, da weniger Geld für den Konsum zu Verfügung steht, müssen in den Modellen Korrekturen zur Entlastung der unteren Einkommensschichten eingebunden werden. In allen Modellen wird die paritätische Finanzierung der Beiträge aufgehoben. Statt den Arbeitgeberanteil (dieser soll bei 6,5% des Bruttolohns liegen) einzubehalten, wird dieser ausbezahlt, der dann voll besteuert wird. Die Mehreinnahmen sollen zur Deckung der Kosten für die (teilweise) kostenlose Mitversicherung von Kindern und Ehepartner verwendet werden. Der Betrag wird in allen Modellen um ca. 15 Mrd. EURO beziffert. Um aber alle Ausgaben der Krankenversicherungen zu decken sind mindestens 25 Mrd. EURO nötig (ca. 26% der Gesamtausgaben). 18 Das hat zur Folge, dass der Fehlbetrag über Steuern eingebracht werden muss, was wiederum eine starke Beeinflussung des Staates nach sich zieht. Sinkt der Bundeszuschuss, steigt die Kopfpauschale; es kommt zu Einschränkungen im Leistungskatalog, die Krankenkassen werden in ihrer Freiheit beschränkt oder der Staat vereinheitlicht Gesundheitsprogramme. Da die Reform eben dieses vermeiden will, müssen im Falle der Einführung gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, die diese Einflussnahme unterbinden, zumindest auf ein Minimum reduzieren. Eine weitere, nicht zu verachtende Gefahr, besonders für die Kosten, ist eine steigende Zahl von Zuschussempfängern. Negativbeispiel der Kopfpau- 17 Beske, Bürgerversicherung, Kopfpauschale und andere Optionen im Test, Seite 83 und 84 Pilz, Frank, Der Sozialstaat, Seite 255, Tabelle 9, Seite 258 18 Beske, Bürgerversicherung, Kopfpauschale und andere Optionen im Test, Seite 87

9 schale ist die Schweiz. Es gibt Kantone, in denen die Hälfte der Einwohner zuschussberechtig ist. 19 Im Modell der FDP befinden sich nur Hinweise zur Finanzierung ihrer Vorstellungen. Deswegen ist eine Beurteilung nicht möglich. Insgesamt fehlt dem kompletten Konzept die Aussagekraft und Ernsthaftigkeit und ist höchstens als Idee zu bezeichnen, nicht als Modell für die Öffentlichkeit. c) Die Leistungen, PKV und GKV In allen Reformvorschlägen ist die heutige medizinische Versorgung die Basis. Ausnahme bildet hier die Herzog-Kommission, die vorschlägt, die Zahnbehandlungen und das Krankengeld aus dem Leistungskatalog zu streichen. Darüber hinaus soll es Zusatzversicherungen geben, die vom Versicherten, je nach Liquidität, abgeschlossen werden kann. Um den Wettbewerb bei Krankenkassen, Ärzten und Krankenhäusern und die Transparenz innerhalb der Krankenkassen zu erhöhen: soll der zu zahlende Basisbetrag innerhalb einer Krankenversicherung einheitlich sein, aber zwischen den Krankenversicherungen variieren. sollen die anfallenden Kosten für Arzt, Krankenhaus etc. auf das Kostenprinzip umgestellt werden. soll eine freie Krankenkassen-, Arzt- und Krankenhauswahl möglich sein. Zusätzlich sollen alle Beteiligten (Ärzte, Kassen etc.) ihre internen Strukturen verbessern, was zu einer höheren Effizienz und Wirtschaftlichkeit führen soll. Das würde nach den Reformvorschlägen zu zusätzlichen Einsparungen führen. Damit es aber zu keinem Qualitätsverlust kommt, macht die Rürup- Kommission den Vorschlag, dass den Kassen ein Standard vorgegeben werden muss, damit qualitativ hochwertige und der medizinischen Entwicklung angepasste Leistungen dem Versicherten zu Gute kommen. Das System der GKV und der PKV soll wie bisher erhalten bleiben, starre Strukturen, wie beschrieben, aber aufgebrochen werden, damit es zu mehr Wettbewerb und höherer Effizienz kommt. 19 Beske, Bürgerversicherung, Kopfpauschale und andere Optionen im Test, Seite 99 BÜNDNIS 90 /DIE GRÜNEN, 2004, Seite 6

10 Reformbedarf der Reformvorschläge (Schlussbetrachtung) Um Reformen durchführen zu können, braucht man Ideen und Ideale. Daran mangelt es bei keinem der Reformer. Nur der Weg von der Idee zu einer durchführbaren Reform, die auch Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht standhalten würde, ist lang. Bürgerversicherung und Kopfpauschale sind zwei Vorschläge und können grundsätzlich nicht als falsch angesehen werden. Es sind zwei völlig verschiedene Wege zur Reformierung des Gesundheitssystems. Ein wertender Vergleich ist wegen der Unterschiedlichkeit nicht möglich. Ziel der Reformer muss sein, erkannte rechtliche Schwächen und soziale Ungerechtigkeiten in den Modellen abzustellen. Dabei muss man auch ein Abweichen vom Idealbild in Kauf nehmen, um zukunftsfähige und umsetzbare Kompromisse zu finden, damit die in Kapitel Eins gesteckten Ziele auch erreicht werden können. Dazu sollte auch ein Blick ins europäische Ausland geworfen werden, damit Deutschland die Fehler der Nachbarn nicht wiederholt und gewonnene positive Erfahrungen einarbeiten kann, gemäß dem Sprichwort: Besser gut geklaut als schlecht selber erfunden! In den Konzepten der Bürgerversicherung müssen die folgenden herausgearbeiteten Punkte geändert werden: Zur Berücksichtigung der demografischen Entwicklung wird der Versicherungskreis auf die gesamte Bevölkerung ausgedehnt. Dies sieht aber in den einzelnen Vorstellungen eine Einschränkung des Geschäftsfeldes der PKV oder gar ihre Auflösung vor. Da dieses, wie beschrieben, einen enormen Eingriff in das Eigentum der PKV darstellt, muss die PKV in das System integriert und nicht bewusst ausgeschlossen werden. Familienmitglieder sollen in der Bürgerversicherung kostenlos mitversichert werden. Die Einkünfte von Ehepartnern sind beitragspflichtig; diese bewusste Täuschung des Bürgers muss richtig gestellt werden. Durch die Vermischung von Netto- und Bruttoprinzip zur Ermittlung der Beiträge, werden gleich hohe Einkünfte verschieden behandelt. Zur gerechten Ermittlung der Versicherungsbeiträge kann aber nur ein Prinzip verwendet werden.

11 Durch die Einbeziehung des Finanzamtes zur Ermittlung von Beiträgen der Bürgerversicherung, wird eine noch nicht zu überschauende bürokratische und rechtlich unsichere Hürde aufgebaut. Diese schafft weder die geforderte Transparenz noch Effizienz der Krankenkassen. In den Konzepten der Kopfpauschale bedürfen folgende Punkte einer nochmaligen Bearbeitung: Eine zusätzliche Belastung der unteren Einkommensschichten gilt es zu vermeiden. Durch die steuerfinanzierten Zuschüsse zur Krankenversicherung erhält der Staat enormen Einfluss auf die Krankenversicherung. Diesen Einfluss gilt es so gering wie möglich zu halten. Die zweckgebundene Verwendung muss mit eingearbeitet werden. Die Höhe der Steuereinnahmen unterliegt konjunkturellen Schwankungen. Somit unterliegt auch die Finanzierung der Krankenkassen erheblichen Schwankungen. Die Anzahl der Zuschussbedürftigen unterliegt nicht nur der demografischen Entwicklung sondern ebenfalls konjunkturellen Schwankungen. In konjunkturell schwachen Zeiten nimmt z.b. die Zahl der Arbeitslosen zu, die Einnahmen sinken, aber die Ausgaben steigen, da die Anzahl der Zuschussberechtigten steigt. Dies ist ein absehbarer Teufelskreislauf. Für Deutschland ist die Durchführung einer kompletten Reform wichtig und nicht nur einzelne, kleine Punkte, die wiederum nur einzelne Symptome behandeln, aber nicht den Kern erfassen.

12 Bibliografie Primärquellen Bericht der Kommission Soziale Sicherheit (Herzog-Kommission) zur Reform der sozialen Sicherungssysteme, Berlin, 29. September 2003, Seite 16 bis 27 Rürup-Kommission, Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, Nachhaltigkeit in der Finanzierung der Sozialen Sicherungssysteme, Berlin, 2003, Bürgerversicherung Seite 149-160; Gesundheitsprämie Seite 161-174 CDU, Beschluss des 17. Ord. Parteitages, Leipzig, 1.-2. Dezember 2003 SPD, Bericht der Projektgruppe Bürgerversicherung des Parteivorstandes, Berlin, 26. August 2004 FDP, Beschluss des 55. Ord. Bundesparteitages, Dresden, 5.-6. Juni 2004 BÜNDNIS 90 /DIE GRÜNEN, 23. Ord. Bundesdeligiertenkonfezenz, Kiel, 2.-3. Oktober 2004 PDS, Die solidarische Bürgerversicherung. Ein Vorschlag der PDS. Initiativen für eine andere Politik. Projektgruppe Solidarische Bürgerversicherung beim Parteivorstand der PDS, Berlin, 2004 Statistisches Bundesamt 31. Januar 2006 Statistisches Bundesamt 2005 GG, Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1; 40. Auflage, München, 2005 SGB IV 23, in SGB XI, 7. Auflage, München, 2005 Sekundärliteratur Informationen zur politischen Bildung, Bevölkerungsentwicklung, Bonn, 2004, Seite 22 Fritz Beske, Veränderungsoptionen in der gesetzlichen Krankenversicherung, Bürgerversicherung, Kopfpauschale und andere Optionen im Test, Institut für Gesundheits-System-Forschung, Kiel 2004, Pilz, Frank, Der Sozialstaat, Bonn, 2004, Seite 250-259 Gesprächskreis Arbeit und Soziales, Bürgerversicherung versus Kopfpauschale, Bonn, 2003