www.boeckler.de Böckler Konferenz für Aufsichtsräte 2015 Finanzinvestoren nach der Krise Heuschrecken oder Rettungsanker Berlin, 11. Februar 2015 Alexander Sekanina, Hans-Böckler-Stiftung
2 Der klassische Private Equity Investor investiert bevorzugt als Mehrheitseigentümer im Mittelstand (Bsp.: Nachfolge in Familienunternehmen, Abspaltungen) kontrolliert die Geschäftspolitik und erzielt seine Rendite v. a. aus dem späteren Weiterverkauf des Unternehmens Sonderfall: aktivistische Minderheitsaktionäre in börsennotierten Gesellschaften (z. B. Hedge Fonds, Private Equity Gesellschaften, Staatsfonds )
Typischer Ablauf einer Beteiligung (Buyout-Modell) Eigenkapitalgeber (z. B. Pensionsfonds, Versicherer, Banken ) investieren in Fonds (begrenzter Laufzeit) Private Equity Gesellschaft (= Beteiligungsgesellschaft) gründet und verwaltet Fonds (begrenzte Laufzeit) führt Kauf durch und nimmt anschließend Einfluss im Unternehmen 3 Fondgesellschaften Fremdkapitalgeber (Banken, Anleihegläubiger ) leitet Gelder der Investoren weiter stellen Kredite zur Verfügung -> Nutzung des sog. Leverage- Effekts Kaufpreis des Unternehmens wird investiert Zielunternehmen (= übernommenes Unternehmen)! Dieses Vorgehen ist häufig anzutreffen, muss aber nicht auf jeden Finanzinvestor zutreffen. So verzichten einige Investoren z. B. gänzlich auf den Einsatz von Fremdkapital oder auf die Nutzung von Fonds- Konstruktionen.
4 Beteiligungsphase und Weiterverkauf (nach ca. 2-8 Jahren) Eigenkapitalgeber (z. B. Pensionsfonds, Versicherer, Banken ) leitet Erlöse weiter Fondgesellschaften Fremdkapitalgeber (Banken, Anleihegläubiger ) verwaltet Fonds und löst diese nach Verkauf der Unternehmen auf Private Equity Gesellschaft (= Beteiligungsgesellschaft) Auszahlung des Verkaufserlöses und ggf. Gewinnausschüttungen zahlt Zinsen auf Kredit Vergütung für Fondsverwaltung (sog. Management- Fee ) und Beteiligung am Weiterverkaufserlös ( Carried Interests ) strategischer Einfluss auf Unternehmen, leitet späteren Weiterverkauf ein -> i. d. R. umfassender Einsatz von Beratern Zielunternehmen (= übernommenes Unternehmen) mögliche Verkaufswege: Verkauf an strategischen Investor der gleichen Branche Verkauf an weiteren Finanzinvestor ( secondary buyout ) Börsengang Management-Buyout -> entscheidend: wie kann der höchste Verkaufserlös erzielt werden
5 Knackpunkt im Geschäftsmodell: Die Exit-Orientierung Im Unterschied zu einem strategischen, langfristigen Investor besteht bei Finanzinvestoren von vorneherein eine Exit-Orientierung: Ziel der Beteiligungsgesellschaft ist es, das Unternehmen über kurze oder mittlere Sicht möglichst gewinnbringend weiterzuverkaufen -> bei begrenzten Fondslaufzeiten ist der zeitliche Druck größer
6 Knackpunkt im Geschäftsmodell: Die Exit-Orientierung Im Vordergrund stehen also ein möglichst günstiger Kauf des Unternehmen und ein möglichst teurer Weiterverkauf. Entscheidend ist aus Sicht der Beschäftigten v. a. die Frage, auf welchem Weg die Wertsteigerungen erreicht werden sollen.! i. d. R. sind keine Verbundeffekte ( Synergien ) zwischen dem Geschäft des Investors und dem Zielunternehmen möglich!
7 Die Strategien der Investoren Wie kann der Verkaufswert gesteigert werden? Maßnahmen und Strategien die PE-Investoren in der Vergangenheit häufig vorantrieben (Beispiele; nicht abschließend): Buy-and-Built-Strategie Internationalisierung Fokussierung Effizienz- und Kostensenkungsprogramme Schöpfung von liquiden Mitteln und Hebung stiller Reserven
8 Aktuelle Entwicklungen Die Branche während und nach der Krise 2002 2008: Boomjahre von Private Equity: Vielzahl von Übernahmen zu hohen Preisen (massive Nutzung von Krediten) Dann kam die Krise (2008 2011): Rezession in den Industriestaaten; Einbruch der Aktienkurse => Rentabilität der Zielunternehmen sinkt, Exit-Schwierigkeiten Kreditklemme: Eingeschränkter Zugang zu Krediten Schwierigkeiten der PE-Gesellschaften, neue Mittel einzuwerben
9 Aktuelle Entwicklungen Die Branche während und nach der Krise Die Situation heute: seit 2011: zunehmende Erholung des Marktes und wachsende Zahl an Übernahmen geringes Zinsniveau und Geldflut der Zentralbanken: Kapitalgeber suchen attraktive Investments -> Fonds der großen PE-Gesellschaften füllen sich wieder ( dry powder ) Industrie-Unternehmen verstärkt als Mitbieter (-> Preise steigen)
10 Aktuelle Entwicklungen Die Branche während und nach der Krise Anzeichen für geringeren Umfang an Kreditfinanzierung Anzeichen für stärkere Fokussierung auf Wachstumsbranchen ( Hidden Champions ) Stärkere Ausrichtung auf Wachstums- und Internationalisierungsstrategien? => neue Anforderungen an Investoren: mehr Branchen- und Standortkenntnis
11 Aktuelle Entwicklungen Die Branche während und nach der Krise Ergebnisse Private Equity Monitor Deutschland 2013 2013 wurden 191 deutsche Unternehmen von PE-Gesellschaften übernommen (117.000 Beschäftigte) davon hatten 50 Unternehmen mindestens 500 Mitarbeiter stark betroffen: industrieller Kernsektor (Maschinen/Anlagenbau, Elektronik/Elektrotechnik, Chemie/Pharma, Fahrzeugbau) mit 68 Übernahmen 39 secondary buyouts, d. h. Unternehmen wurde von einer Beteiligungsgesellschaft an die nächste weiterverkauft (61.929 betroffene Mitarbeiter)
12 Fazit Chancen und Risiken aus Arbeitnehmersicht Mögliche Chancen: Bereitstellung dringend benötigten Kapitals Anstoß notwendiger Strategiewechsel, die auch im Interesse der Beschäftigten sein können betriebswirtschaftliches Know How bei Einstieg eines strategischen Investors aus gleicher Branche drohen ggf. Arbeitsplatzverluste durch realisierte Synergien (z. B. Zusammenlegungen, Zentralisierungen)
13 Fazit Chancen und Risiken aus Arbeitnehmersicht Mögliche Risiken: kurzer bzw. klar begrenzter Beteiligungshorizont in Verbindung mit hohem Renditedruck durch Kapitalgeber hohe Zusatzkosten der Beteiligung durch Beraterverträge, Kreditzinsen, Verwaltungshonorar der Fondsmanager ( management fee ) bei umfangreichen Ausschüttungen -> Mittel fehlen für Investitionen fehlende Branchen- und Standortkenntnis
14 Fazit Chancen und Risiken aus Arbeitnehmersicht Mögliche Risiken (ff.): Kostenhebel Personal schnell im Fokus Entscheidungsträger sind nicht mehr vor Ort ansprechbar Hohe Schuldenlast bei umfassender Ausnutzung des Leverage-Effekts Gefahr, innerhalb der PE-Branche weitergereicht zu werden ( im System stecken zu bleiben )
15 Weiterführende Literatur Böttger (2006): Strukturen und Strategien von Finanzinvestoren, Arbeitspapier der Hans-Böckler-Stiftung, http://www.boeckler.de/pdf/p_arbp_120.pdf IG-Metall (2010): Finanzinvestoren entzaubern Wie Betriebsräte Arbeitsplätze sichern, wenn Finanzinvestoren in das Unternehmen einsteigen, http://www.igmetallnrw.de/uploads/media/2012_02_08_finanzinvestorenl.pdf Haves, Wilke, Meixner, Reich, Vitols (2013): Private Equity and Labour in Europe: Did the crisis change the perception and role of Private Equity, Studie der Hans- Böckler-Stiftung, http://www.boeckler.de/pdf/mbf_pb_finanzinvestoren_private_equity.pdf
16 Weiterführende Literatur Scheuplein, Teetz (2014): Private Equity Monitor Deutschland 2013, http://www.boeckler.de/pdf/scheuplein_monitor_endbericht_kurz.pdf; Kurzfassung unter: http://www.boeckler.de/pdf/p_mbf_report_2015_7.pdf Laßmann/Rupp (2010): Betriebs- und Dienstvereinbarungen: Beschäftigungssicherung, 2. Auflage, BUND-Verlag (2010) Rupp (2012): Betriebs- und Dienstvereinbarungen: Restrukturierungsprozesse in Betrieben und Unternehmen, BUND-Verlag (2012) Thamm, Schiereck (2014): Shareholder Activism in Deutschland Eine Bestandsaufnahme, Corporate Finance 1/2014, S. 17 27.
17 Fragen, Anregungen, weitere Informationen Alexander Sekanina Referat Wirtschaft Hans-Böckler-Stiftung Hans-Böckler-Straße 39 40476 Düsseldorf Tel.: 0211/7778-168 Fax: 0211/7778-4168 E-Mail: Alexander-Sekanina@boeckler.de