Erben und Vererben 2011. Risiken beim Vererben und Schenken. 1. Erster Risikobereich: Ehegattentestamente



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Transkript:

Biallo & Team (www.biallo.de) Redaktions-Service für regionale Tageszeitungen Horst Biallo Helga Riedel Fritz Himmel (Autor dieses Beitrags) Max Geißler Annette Jäger Marcus Preu Klaus Justen Rolf Winkel Sandra Petrowitz Gesamtseitenzahl 6 (1 Min = 0,62 EUR) Infos zum techn. Anbieter NEXTID gibt es unter Tel. 01805393938 Erben und Vererben 2011 Risiken beim Vererben und Schenken Bei jeder sechsten Erbschaft in Deutschland kommt es zum Streit. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Studie der Postbank durch das Institut für Demoskopie Allensbach im März 2011. Häufigste Ursache ist, dass "einige Hinterbliebene sich benachteiligt fühlen" (73 Prozent). Mit einer Nennung von immerhin 57 Prozent wird als zweithäufigster Grund genannt, dass "die Hinterbliebenen schon vor dem Erbfall zerstritten sind". In offenkundigem Missverhältnis zur zunehmenden Bedeutung von Erbschaften steht das Wissen der Bevölkerung. Ein Drittel der Deutschen weiß nicht, was hinter Begriffen wie gesetzliche Erbfolge, Testament oder Pflichtteil steckt. 1. Erster Risikobereich: Ehegattentestamente Im deutschen Erbrecht haben Ehepartner und eingetragene gleichgeschlechtliche Lebenspartner die Möglichkeit gemeinsam ein Testament, das sogenannte Ehegattentestament, zu erstellen. Das bedeutet, dass beide Partner in einem einzigen Schriftstück ihren beiderseitigen letzten Willen niederlegen können. Es werden somit Verfügungen über zwei Sterbefälle getroffen. Solche testamentarische Verfügungen haben immer vor der gesetzlichen Erbfolge Vorrang und dienen meist dazu, den überlebenden Partner nach dem Tod des anderen finanziell abzusichern. Denn Verheiratete sind keinesfalls Alleinerben des Ehegatten. Ehegattentestamente können genau wie Einzeltestamente sowohl notariell als auch privatschriftlich errichtet werden. Falle 1 Unterschätzte Bindungswirkung Im Ehegattentestament werden in der Regel wechselseitige Verfügungen getroffen, von denen man sich nur unter sehr engen Voraussetzungen lösen kann, da sie eine strenge Bindungswirkung entfalten. Setzen sich z.b. beide gegenseitig als Erben ein, liegt eine solche wechselbezügliche Verfügung vor. Bindende testamentarische Verfügungen gelten insbesondere für die Erbeinsetzung, das Vermächtnis oder Auflagen. In einem gemeinschaftlichen Testament haben Ehepartner also die Möglichkeit, ihre jeweiligen Anordnungen so miteinander zu verbinden, dass die einzelnen Anordnungen in ihrem Bestand voneinander abhängig sind. Widerruft ein Partner solch eine sogenannte wechselbezügliche Verfügung oder erweist sich diese als nichtig, so verliert auch die mit dieser verknüpften Anordnung des anderen Ehepartners ihre Wirksamkeit. Eine Lösung von dieser Bindungswirkung zu Lebzeiten ist nur möglich durch ein neues gemeinschaftliches Testament, einseitige Erklärung vor dem Notar (muss dem Partner auch mitgeteilt werden), Scheidung oder bei grobem Undank durch einen der Ehepartner. Unbedingt beachten: Einseitige, nicht wechselbezügliche Verfügungen, die in einem gemeinschaftlichen Testament enthalten sind, können auch einseitig von jedem Partner durch eine weitere testamentarische Verfügung widerrufen werden. Mit dem Tod des anderen Ehegatten erlischt das Recht zum Widerruf. Das bedeutet im Klartext: Stehen in dem gemeinsamen Testament so genannte wechselbezügliche Verfügungen, und das ist meistens der Fall, dann ist der überlebende Ehegatte nach dem Tode des Ersten an das Testament gebunden und kann kein neues anderes

2 Testament mehr machen, auch für den Fall, dass ihm die eingesetzten Erben nicht mehr passen. Beispiel: Albert G. und seine Frau Lilo verfassen ein Ehegatten-Testament. Da die beiden keine Kinder haben, setzen sie ihren gemeinsamen langjährigen Freund Klaus W. als Schlusserben ein. Nach dem Tod von Lilo kommt es immer öfter zum Streit zwischen den beiden Männern. Albert möchte das Testament daraufhin ändern. Er bekommt jedoch von einem Anwalt die betrübliche Auskunft, dass dies nicht mehr geht. Auch Schenkungen sind nicht mehr ohne weiteres möglich. Diese absolute Bindungswirkung kann man umgehen, indem man dem überlebenden Partner eine Änderungsmöglichkeit einräumt. Damit darf der länger Lebende das Testament auch nach dem Tod des Partners modifizieren und kann dadurch flexibel auf unerwartete Situationen reagieren. Aber dies birgt ein großes Risiko: Der Überlebende erhält dadurch auch die Möglichkeit, Entscheidungen zu treffen, die nicht im Sinn des Verstorbenen sind, sagt Klaus Michael Groll, Präsident des Deutschen Forums für Erbrecht. Der überlebende Ehepartner kann sich von dem Ehegattentestament sonst nur dadurch lösen, indem er die Erbschaft ausschlägt. In diesem Fall tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Am weitesten verbreitet ist das gemeinschaftliche Testament als sogenanntes Berliner Testament. Dabei setzen sich die Ehegatten gegenseitig und wechselbezüglich als Alleinerben ein. Der überlebende Ehegatte wird zunächst Vollerbe über den gesamten Nachlass. Erst nach dessen Ableben geht das Vermögen dann auf einen Dritten, meistens die Kinder, über. Das bedeutet, dass die Kinder zunächst von der Erbschaft ausgeschlossen werden. Trotzdem haben sie ein Recht auf den Pflichtteil, was nicht ungefährlich sein kann (siehe Falle 3). So kann das im ersten Erbfall enterbte Kind seinen Pflichtteil geltend machen, also Zahlung eines Geldbetrags vom länger lebenden Elternteil verlangen. Besteht das Erbe überwiegend aus Sachwerten, zum Beispiel dem Elternhaus, kann es in vielen Fällen schwierig werden, den Pflichtteil in bar aufzutreiben, mahnt Anwalt Groll. Falle 2 der Erbschaftsteuer-Flop Bei größeren Vermögen drohen vor allem beim Berliner Testament erhebliche Steuerfallen. Denn die Freibeträge der Kinder werden nach dem Tod des erstversterbenden Ehepartners noch überhaupt nicht genutzt. Die weitere Folge: Der Nachlass wird in voller Höhe zweimal besteuert, sowohl dann, wenn die Witwe oder der Witwer erbt, als auch dann, wenn die Kinder später den zweiten Elternteil beerben, sagt Agnes Fischl, Fachanwältin für Erbrecht und Steuerberaterin der Kanzlei Convocat aus München. Der Freibetrag von 400.000 Euro pro Erbfall und Schenkung steht übrigens jedem Kind nicht nur einmal, sondern einmal pro Elternteil zu. Die Kinder erben hier aber erst beim Tod des zweiten Elternteils. Hinzu kommt unter Umständen die höhere steuerliche Belastung, weil nach dem Stufentarif wegen des höheren Erbes (vielleicht) ein höherer Steuersatz anzuwenden ist. Damit kann diese Testamentsform sogar ungünstiger sein als die gesetzliche Erbfolge. Tipp: Um den Freibetrag für die Kinder nutzen zu können, empfiehlt es sich in vielen Fällen, beim Tod des Erstversterbenden den Kindern einen Geldbetrag in Höhe des Freibetrages zukommen zu lassen. Oder schon zu Lebzeiten Regelungen getroffen zu haben. Mit der Erbschaftsteuerreform greift diese Steuerfalle zum Glück nicht mehr so häufig. Beispiel: Bleibt der überlebende Ehepartner als Erbe in dem selbst genutzten Familienheim zehn Jahre wohnen, muss für diese Immobilie, die häufig den Hauptwert des Nachlasses ausmacht, überhaupt keine Erbschaftsteuer gezahlt werden. Falle 3 die Pflichtteilsproblematik Konfliktpotential birgt das gemeinschaftliche Ehegatten-Testament noch in einem weiteren Punkt. So können Pflichtteilsberechtigte, z.b. die gemeinsamen Kinder, beim Tode des erstverstorbenen Elternteils ihre Pflichtteilsansprüche geltend machen. Risiko: Sind die Vermögenswerte nicht flüssig, kann das sogar das Zerschlagen des gesamten Vermögens, zum Beispiel eines Unternehmens oder eines Familiensitzes, bedeuten. Zur Absicherung des Ehegatten und um Streit zu vermeiden, ist es daher ratsam, vorher bei den Kindern für den Nachlass des

3 erstverstorbenen Ehepartners einen notariellen Pflichtteilsverzicht einzuholen. Sollten sich diese nicht darauf einlassen, besteht die Möglichkeit, eine Strafklausel einzufügen. Diese bestimmt, dass ein Kind, das beim ersten Erbfall seinen Pflichtteil verlangt, auch beim Tod des Letztversterbenden nur den Pflichtteil erhält. Gleichzeitig soll das Kind, das seinen Pflichtteil nicht geltend macht, in Höhe des Pflichtteilsanspruchs auch ein Geldvermächtnis erhalten. Dieses wird erst mit dem Tod des zweiten Elternteils zur Zahlung fällig gestellt. (Jastrow sche Klausel). Diese Klausel entfaltet eine gewisse Abschreckungswirkung. Mit der Pflichtteilsklausel werden die als Schlusserben eingesetzten Kinder quasi doch noch enterbt, wenn sie nach dem Tod des Erstversterbenden ihren Pflichtteil verlangen. Dessen Einforderung lässt sich zwar damit nicht ausschließen, in der Regel werden die Abkömmlinge jedoch nicht den Pflichtteil der Erbenstellung vorziehen. Eine Garantie, dass Kinder damit ihren Pflichtteil nicht verlangen, ist aber auch mit dieser Formulierung nicht gegeben. Formulierungsbeispiel für eine Klausel: Macht eines unserer Kinder nach dem Tod des Erststerbenden entgegen dem Willen des überlebenden Ehegatten seinen Pflichtteil oder Pflichtteilsergänzungs-anspruch geltend und erhält es ihn auch, dann sind dieses Kind sowie dessen Kinder und Kindeskinder sowohl für den ersten als auch für den zweiten Erbfall von der Erbfolge einschließlich angeordneter Vermächtnisse und Auflagen ausgeschlossen. oder Wenn einer unserer Abkömmlinge beim Tod des zuerst Versterbenden gegen den Willen des Längerlebenden den Pflichtteil verlangt, sollen er und seine Abkömmlinge auch beim Tod des Letztversterbenden nur den Pflichtteil erhalten. Rat: Pflichtteilsrechte können die gesamte Nachfolge-Konzeption hinfällig machen, so dass insbesondere dann qualifizierter juristischer Rat eingeholt werden muss, wenn Pflichtteilsansprüche minimiert werden sollen. Besteht der Nachlass z.b. nur aus einer selbstbewohnten Immobilie, und soll die Ehefrau diese Immobilie erhalten, so ist damit zu rechnen, dass die Kinder für den Fall, dass sie ihre Pflichtteilsansprüche geltend machen, den Verkauf der Immobilie erzwingen würden. In diesem Fall wird es sich anbieten, den Kindern und der Ehefrau das Wohnhaus vermächtnisweise zu gleichen Teilen zuzuwenden und der Ehefrau ein lebenslanges Wohnrecht einzuräumen. Grundsätzlich beachten: Auch wenn viele es nicht gerne hören wichtig ist bei einer gemeinsamen Testamentsgestaltung, den überlebenden Ehegatten nicht von der Großzügigkeit der Kinder abhängig zu machen. Was heute noch wie eitel Sonnenschein aussieht, kann morgen schon anders sein. Die Interessenslage von Kindern kann sich im Laufe der Jahre ändern. Haben sie selbst Familie, ist ihnen eventuell ihre eigene Lebenssituation wichtiger als die des Elternteils. 2. Zweiter Risikobereich: Der Pflichtteilsergänzungsanspruch Das Pflichtteilsrecht lässt Abkömmlinge oder Eltern sowie Ehegatten und eingetragene Lebenspartner auch dann am Nachlass teilhaben, wenn sie der Erblasser per Testament oder Erbvertrag von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen hat. Der Pflichtteil umfasst die Hälfte des jeweiligen gesetzlichen Erbteils, ist immer ein Geldanspruch und berechnet sich aus zwei möglichen Töpfen. Dabei werden der Nachlass und mögliche vorausgegangene Schenkungen zusammengerechnet und daraus dann der Pflichtteil bestimmt. Vermögende können bereits zu Lebzeiten durch Geschenke an andere Personen unliebsame Erbberechtigte ausbremsen. Um den Pflichtteilsberechtigten davor zu schützen, dass so sein Anspruch ausgehöhlt wird, sieht der Gesetzgeber den Pflichtteilsergänzungsanspruch vor. Seit 2010 gilt folgende Regelung: In den meisten Fällen wird eine Schenkung für die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs jährlich immer weniger berücksichtigt, je länger sie zeitlich zurückliegt. Hat eine Schenkung nur ein Jahr vor dem Erbfall stattgefunden, wird sie voll bei der Verteilung des Erbes mit eingerech-

4 net, im zweiten Jahr jedoch nur noch zu 9/10, im dritten zu 8/10 usw. Sind seit der Schenkung zehn Jahre verstrichen, bleibt sie komplett außen vor. In der Realität sieht es dann so aus: Ein Vater schenkt seinem Sohn ein Haus im Wert von 500.000 Euro, die Tochter soll leer ausgehen. Ihr Pflichtteil schmilzt nun Jahr für Jahr gegen null, je nachdem, wann der Vater stirbt. Anwältin Fischl warnt bereits: Der Zeitpunkt der genauen Übergabe birgt hohes Streitpotential, denn jedes Jahr ist nun bares Geld wert. Vorsicht Falle die Ausnahmen: Es ist hier immer darauf zu achten, dass die Vermögensübertragung juristisch auch als Schenkung eingestuft wird. Andernfalls läuft die Neuregelung ins Leere, da die Zehnjahresfrist nicht beginnt. Das trifft zum Beispiel zu, wenn sich der Schenker ein Nießbrauchrecht (Wohn- und Nutzungsrecht, Anm. d. Red.) oder einen Widerruf der Schenkung vorbehält, betont Fischl. Aufpassen heißt es auch bei Übertragungen von Vermögen an Ehegatten. Die Zehnjahresfrist - und damit auch die Abschmelzung des Wertes der Schenkung - beginnt hier erst mit Scheidung oder Tod. Dies ergibt sich aus der gesetzlichen Regelung des Paragraf 2325 Abs. 3 Satz 3 BGB ( Ist die Schenkung an den Ehegatten erfolgt, so beginnt die Frist nicht vor der Auflösung der Ehe. ). Im Klartext: Selbst bei einer Schenkung unter Ehepartnern, die 20 Jahre vor dem Erbfall erfolgte, kann es noch zugunsten eines Pflichtteilsberechtigten zu einer Anrechnung auf den Nachlass kommen. Wer also Erbansprüche sicher mindern will, muss das Vermögen an Kinder oder andere Personen übertragen. Wichtig für bereits getätigte Schenkungen: Die neue Regel gilt für alle Schenkungen, egal ob sie vor oder nach der Gesetzesänderung zum 1. Januar 2010 erfolgt sind, wenn der Erblasser oder Schenker in 2010 oder später verstorben ist. Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Schenkungen ab 2010 Die Schenkung erfolgt... So wird der Schenkungswert beim Pflichtteilsergänzungsanspruch berücksichtigt...im 1. Jahr vor dem Erbfall 100 %...im 2. Jahr vor dem Erbfall 90 %...im 3. Jahr vor dem Erbfall 80 %...im 4. Jahr vor dem Erbfall 70 %...im 5. Jahr vor dem Erbfall 60 %...im 6. Jahr vor dem Erbfall 50 %...im 7. Jahr vor dem Erbfall 40 %...im 8. Jahr vor dem Erbfall 30 %...im 9. Jahr vor dem Erbfall 20 %...im 10. Jahr vor dem Erbfall 10 %...im 11. Jahr oder früher 0 % Quelle: RA Klinger, München 3. Hilfreiche Rechtsprechung Berliner Testament: Mit jedem Erbfall entsteht ein Pflichtteilsanspruch Setzen sich im Rahmen eines Berliner Testaments die Ehegatten wechselseitig zu Erben ein, hat jedes von seinen Eltern enterbte Kind danach zwei Pflichtteilsansprüche, je einen beim Tod jedes Elternteils (OLG Koblenz, Az.: 2 U 831/09). Bundesgerichtshof erhöht Pflichtteil an Lebensversicherungen Mit zwei wichtigen Entscheidungen hat der BGH die Rechte von Pflichtteilsberechtigten erweitert. Lebensversicherungen fallen mit wenigen Ausnahmen nicht in den Nachlass. Wenn ein Erblasser einen Dritten (also nicht den Pflichtteilsberechtigten) als Bezugsberechtigten eingesetzt hat, hat er den Dritten zu Lebzeiten beschenkt. Der Wert der Lebensversicherung wird damit bei einem Pflichtteilsanspruch berücksichtigt. Zum Vermögen des Pflichtteilsschuldners gehört dann auch der Wert der Lebensversicherung. Der BGH hat hier entschieden, dass der Rückkaufswert als Vermögenswert anzusetzen ist. Der Rückkaufswert ist fast im-

mer deutlich höher als die Summe der eingezahlten Prämien (aber meistes auch geringer als die Versicherungssumme, (Bundesgerichtshof, Az.; IV ZR 73/08 und IV ZR 239/08. Pflichtteil: Bewertung von nach dem Erbfall veräußerten Nachlassgegenständen Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils. Nicht selten gibt es zwischen dem Pflichtteilsberechtigten und dem ausgleichspflichtigen Erben Streit über den Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls (Todestag des Erblassers). Darlegungs- und beweispflichtig für den Wert des Nachlassgegenstandes ist stets der Pflichtteilsberechtigte. Hat der Erbe einen Nachlassgegenstand nach dem Erbfall veräußert, orientiert sich der Wert, soweit nicht außergewöhnliche Verhältnisse vorliegen, am tatsächlich erzielten Verkaufspreis. Das gilt unabhängig davon, ob der Gegenstand (hier: Grundstück) zu einem Preis veräußert wird, der über oder unter dem durch einen Sachverständigen ermittelten Schätzwert liegt. Will der Pflichtteilsberechtigte einen höheren Anspruch geltend machen, muss er nachweisen, dass der Nachlassgegenstand unter Wert veräußert wurde, (Bundesgerichtshof, Az.: IV ZR 124/09). Nach der Schenkung eingetretene Wertgewinne erhöhen nicht den Pflichtteilsanspruch Grundstücke als nicht verbrauchbare Sachen sind für den Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Schenkungen nur mit dem Wert in Ansatz zu bringen, den sie zur Zeit des Erbfalls haben. Der Pflichtteilsberechtigte hat auf etwaige Erhöhungen des Wertes der verschenkten Sache grundsätzlich keinen Anspruch und somit auch kein berechtigtes Feststellungsinteresse am Verlaufserlös (OLG Brandenburg, Az.: 13 U 79/10). Verjährung des Pflichtteilsanspruchs Hoffnung für benachteiligte Pflichtteilsberechtigte gibt ein Urteil des Oberlandesgerichts München, welches bereits verjährte Pflichtteilsansprüche über den Umweg eines Schadensersatzanspruches wegen falscher oder unvollständiger Auskunft des Erben über den Nachlass wieder aufleben lässt. Der Pflichtteilsberechtigte hat sowohl einen Auskunftsanspruch als auch einen Zahlungsanspruch auf denjenigen Anteil, der durch die fehlerhafte Auskunft zuvor nicht geltend gemacht wurde, (OLG München, 20 U 3260/10). Notarieller Erbverzicht will gut überlegt sein Häufig erklären Kinder gegenüber ihren Eltern einen notariellen Erbverzicht und erhalten im Gegenzug eine Abfindung. Einen solchen Verzicht sollte man gut überlegen, denn er gilt auch dann, wenn die Eltern bis zu ihrem Tod noch erhebliches Vermögen anhäufen. In einem vom Landgericht Coburg entschiedenen Fall übertrug eine Mutter ihrer Tochter und ihrem Sohn je ein Grundstück. Darüber hinaus besaß sie zum damaligen Zeitpunkt kein Vermögen. Die Tochter erklärte einen notariellen Erbverzicht. Bis zu ihrem Tod erwarb die Mutter jedoch erneut ein Haus und Ackergrundstücke im Gesamtwert von rund 170.000 Euro. Dies erbte nach dem Tod der Mutter allein der Sohn, denn die Richter sahen den Erbverzicht der Tochter als uneingeschränkt wirksam an (LG Coburg, Az.: 21 O 295/08). Hinweis: Der Redaktion ist es durch Gesetz untersagt, Ihnen individuellen Rechtsrat zu erteilen. Wenden Sie sich daher bitte immer an einen Rechtsanwalt oder einen Steuerberater. 4. Freibeträge und Besteuerung, gültig seit 2010 Das Erbschaft- und Schenkungssteuerrecht ist bei der Übertragung von Vermögen geprägt durch hohe persönliche Freibeträge. Die Höhe des Freibetrages richtet sich nach dem Verwandtschaftsgrad. Ehepartner haben einen Freibetrag von einer halben Million Euro, Kinder von 400.000 Euro und Enkelkinder bis in alle weiteren Glieder immerhin noch 200.000 Euro, bevor die Finanzbehörde auf den Plan tritt. Erst nach Abzug der gesetzlichen Freibeträge und Verbindlichkeiten verlangt der Fiskus für die verbliebene

Restsumme einer Erbschaft oder Schenkung dann Steuern. Die Höhe der Steuer ist abhängig von der jeweiligen Erbschaftsteuerklasse. In der ganz überwiegenden Zahl der Schenkungen bzw. Erbfälle fällt im Ergebnis keine Erbschaftsteuer an. Vorteil: Die persönlichen Freibeträge gemäß Paragraf 16 ErbStG beginnen nach Ablauf einer Zehnjahresfrist wieder neu. Mit Schenkungen nach Plan lassen sich die Freibeträge daher mehrmals nutzen. Sonderfall: Besteuerung von selbst genutztem Wohneigentum beachten Grundsätzlich gilt: Auf vererbte Immobilien werden nur Steuern fällig, wenn der Wert über den Freibeträgen liegt und dann auch nur anteilig für den höheren Wert. Ansonsten gilt: Die Vererbung von selbst genutztem Wohneigentum bleibt immer steuerfrei, wenn der überlebende Ehepartner (bzw. eingetragene Lebenspartner) oder die Kinder anschließend in dem Haus - eine bestimmte Mindestfrist (zehn Jahre) - wohnen bleiben. In diesen zehn Jahren darf es weder zu einer Vermietung, zu einer Verpachtung oder zu einer Nutzung des ererbten Wohneigentums als Zweitwohnsitz kommen. Für Kinder gilt zusätzlich noch die Einschränkung, dass eine Wohnfläche von 200 Quadratmetern nicht überschritten werden darf. Achtung: Wird die Immobilie vor Ablauf der Zehnjahresfrist verkauft, vermietet oder der Hauptwohnsitz verlegt, werden je nach Wert der Immobilie Steuern fällig. Freibeträge für Erb- und Schenkungsfälle (Stand: 01.01.2010) Betroffene Personen Steuerklasse Allgem. Freibetrag Versorgungsfreibetrag * Ehepartner I 500.000 256.000 Kinder, Stief-, Adoptivkinder sowie Enkel, deren Eltern bereits verstorben sind I 400.000 10.300 bis 52.000** Enkel, deren Eltern noch leben, Urenkel I 200.000 Nur bei Erbschaft: Eltern und Großeltern I 100.000 Geschiedener Ehegatte, Geschwister, Neffe, Nichten, Schwieger-, Stiefeltern, Schwiegerkinder, nur bei Schenkung: Eltern / Großeltern II 20.000 Verlobte, Lebensgefährten sowie alle übrigen III 20.000 Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft III 500.000 256.000 * = Die Versorgungsfreibeträge gelten nicht bei Schenkungen. Sie gelten im Erbfall nur in voller Höhe, wenn der/die Hinterbliebene keine weiteren Versorgungsbezüge, z. B. Witwenoder Waisenrente, bekommt. Andernfalls wird der jeweilige Kapitalwert der Rente abgezogen. ** = Höhe ist abhängig vom Alter der Kinder: bis 5 J. = 52.000, 5-10 J. = 41.000, 10-15 J. = 30.700, 15-20 J. = 20.500, 20-27 J. = 10.300. / Alle Angaben in Euro. Weitere sachliche Freibeträge: Für den Erwerb von Hausrat durch Personen der Steuerklasse I beträgt der sachliche Freibetrag 41.000 Euro und von anderen beweglichen körperlichen Gegenständen, die nicht als Hausrat gelten, 12.000 Euro. Der sachliche Freibetrag für Hausrat und andere bewegliche körperliche Gegenstände beträgt beim Erwerb durch Personen der Steuerklassen II und III 12.000 Euro. Der Beitrag wurde auf inhaltliche Richtigkeit überprüft von Steuerberaterin und Fachanwältin für Erbrecht Agnes Fischl, Kanzlei Convocat, Mühlbaurstr. 1, 81677 München. Tel. 089 / 615663-0, Internet: www.convocat.de.