Qualitätsanforderungen an zahnärztliche Gerichtsgutachten
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1 514 Fortbildung Allgemeine Zahnheilkunde Qualitätsanforderungen an zahnärztliche Gerichtsgutachten H. U. Brauer 1, M. Dick 2, W. Walther 3 1 Esslingen, 2 Magdeburg, 3 Karlsruhe Rechtliche Auseinandersetzungen zwischen Zahnärzten und Patienten nehmen stetig zu. Für die Klärung dieser Rechtsstreitigkeiten wird vom Gericht ein zahnmedizinischer Sachverständiger für die Beantwortung der Fragen des Beweisbeschlusses beauftragt. Es stellt sich die Frage, was ein gutes zahnärztliches Gutachten auszeichnet. Im Folgenden werden Anforderungen an das zahnmedizinische Gutachten zusammengetragen und eine Checkliste für das gute Gutachten vorgestellt. Mit diesem Werkzeug hat der sachverständig tätige Zahnarzt nach Erstellung seines Gutachtens, die Möglichkeit dieses nochmals zu reflektieren. Andererseits kann mit der Checkliste die Qualität zahnärztlicher Gutachten transparent gemacht werden. Schlüsselwörter Gutachten Haftungsrecht Qualitätssicherung Rechtliche Auseinandersetzungen zwischen Zahnarzt und Patient, insbesondere nach Anfertigung von Zahnersatz und implantologischen Behandlungen, nehmen zu [6, 8, 23, 27, 37]. Für den Anstieg gibt es mehrere Ursachen (Tab. 1). Für die Klärung des Rechtstreits wird vom Gericht in aller Regel ein zahnmedizinischer Sachverständiger für die Beantwortung der Fragen des Beweisbeschlusses beauftragt. Das Gerichtsgutachten dient der Hauptaufgabe, einen strittigen zahnmedizinischen Sachverhalt mit zahnmedizinischer Fachkunde zu klären [4, 17]. Der Sachverständige soll ein möglichst überzeugendes Gutachten abliefern, da der Schlüssel zu einem guten richterlichen Votum ein gutes Sachverständigengutachten ist [15]. Es stellt sich die Frage, was ein gutes Gutachten auszeichnet. Zur besseren Übersicht sind die folgenden Abschnitte gegliedert anhand übergeordneter Qualitätskriterien. Tab. 1 Ursachen für den Anstieg der Rechtsstreitigkeiten [2, 8, 10, 21, 27] gestiegene finanzielle Eigenbeteiligung der Patienten gesteigerte Erwartungshaltung durch Werbung höherer Stellenwert der Ästhetik evtl. Einsatz risikobehafteter Behandlungsmittel gesunkene Hemmschwelle der Patienten, ausgelöst durch Medien und Politik Zunahme an Rechtschutzversicherungen Formaler Aufbau Allgemein sind im Kopf des medizinischen Gutachtens Name, eventuell Stellung (Funktion) sowie Fachrichtung des Sachverständigen anzugeben. Die Datierung des Gutachtens sollte nicht vergessen werden. Es folgen Angaben über den Rechtsstreit und Auftraggeber. Damit das Gutachten auch losgelöst von den Akten verständlich ist, empfiehlt es sich, die Beweisfrage wörtlich wiederzugeben [7, 23]. Es folgt die Aufzählung der Grundlagen, auf die sich das Gutachten stützt [7, 23]. Dazu gehören zunächst die Gerichtsakten, bei denen durch einen Zusatz (Angabe der Seitenzahlen) festzuhalten ist, in welchem Zeitpunkt und Umfang diese Akten dem Sachverständigen vorgelegen haben und die Nennung der Untersuchung des Patienten [7]. Es folgt die Schilderung des Sachverhalts und zwar ohne Wertungen, in gedrängter Form. Grundlage hierfür bildet das Krankenblatt [7, 34]. Am Ende des Gutachtens sollte eine Zusammenfassung mit der vollständigen Beantwortung der Beweisfragen erfolgen [7, 23, 27, 34]. Abschließend ist das Gutachten eigenhändig vom Gutachter zu unterschreiben [7, 24, 27]. Bei besonders umfangreichen und komplexen Gutachten dient ein Inhaltsverzeichnis der besseren Übersicht [27]. Verständlichkeit und Sprache In einem guten Sachverständigengutachten herrscht eine klar verständliche Ausdrucksweise [7, 15, 28, 30, 31]. Übersichtlichkeit erreicht man durch kurze Sätze sachlichen Inhalts [14]. Aus juristischer Sicht wird insbesondere Verständlichkeit für den verständigen Laien gefordert [19, 34]. Verständlichkeit bedeutet nicht, dass auf medizinische Fachsprache gänzlich verzichtet werden müsste. Allerdings sollten Richter und Prozessbeteiligte die gutachterlichen Ausführungen ohne klinische
2 Fortbildung Allgemeine Zahnheilkunde 515 Wörterbücher verstehen können [34], daher sollte man sich um die Erklärung medizinischer Fachausdrücke bemühen [7, 14, 25]. Ebenso sind nicht medizinische Fremdwörter möglichst sparsam einzusetzen [34]. Auch Abkürzungen, wie OK, UK, SKD, RKP etc., sind zu vermeiden [14], da sie regelmäßig mit Missverständnissen behaftet sind [27]. Die gutachterlichen Erörterungen sollten laienverständlich und in klarer, prägnanter und eindeutiger Ausdrucksweise herausgearbeitet werden [15, 25]. Die künstliche Aufblähung des Gutachtens durch vermeidbare, anamnestische Angaben, die sich schon im Vorgutachten finden oder gar die aus der Akte abgeschriebene Anam nese und die Wiederholung entbehrlicher Aktenauszüge ist zu vermeiden [14]. Anamnese und Befund Das Gutachten muss von den richtigen und möglichst vollständigen Tatsachen ausgehen [33]. Grundlagen eines Gutachtens sollten in erster Linie die dem Gutachter vorgelegten, zeitnah entstandenen, ärztlichen Dokumente sein. Nicht Hauptgrundlage der Begutachtung sollten dagegen Vorbringungen der Parteien (Klageschrift, Klageerwiderung etc.), Zeugenaussagen, nachträglich und im Rahmen des Verfahrens entstandene Gedächtnisaufzeichnungen etc. sein [15]. Zur Erstellung eines medizinischen Sachverständigengutachtens ist in aller Regel eine Untersuchung des Patienten zur Erhebung der Anamnese und des Befunds unerlässlich [25]. Das Bemühen des Sachverständigen bei der Anamneseerhebung und Untersuchung muss sein, den Wahrheitsgehalt der subjektiven Aussagen zu erhellen und einen je nach Fragestellung umfassenden aktuellen Befund zu erheben [27]. Lediglich im Aktengutachten stützt sich die Klärung der Beweisfragen ausschließlich auf die Akte [14, 25]. Auf die Fragestellung als Ausgangsbasis folgt bei Aktengutachten die Vorgeschichte im Indikativ nach Aktenlage. Das Aktengutachten kann demnach nur eine Interpretation oder Neuinterpretation unkontrolliert und unergänzt übernommener Vorgänge und ärztlicher Befunde sein [14]. Um der Doppelfunktion des Sachverständigen als Arzt und Gutachter gerecht zu werden, gehört es zu seiner wichtigsten Aufgabe, medizinisch bedeutsame Sachverhalte und Befunde mit größter Sorgfalt zu erheben, sie unverfälscht zu dokumentieren und in einer klar vom Befundteil getrennten Stellungnahme argumentativ so zu verwerten, dass die Entwicklung, wie er zu seiner Meinung gekommen ist, einleuchtet [19]. Der Befund, so fordern auch Günther und Heifer, muss umfassend, detailliert und gegebenenfalls wiederholt erhoben werden. Die Niederschrift des Befunds hat ausführlich zu sein [14]. Bei zahnärztlichen Gutachten fordert Oehler einen intraoralen Befund, der mit einem Untersuchungsformular mit Zahnschema erhoben werden sollte [27]. Ein extraoraler Befund und auch ein über den Kiefer- und Gesichtsbereich hinausreichender Befund sollte ebenfalls erhoben werden, falls dieser für die Fragestellung relevant ist. Die Datumsangabe der gutachterlichen Untersuchung sollte im Gutachten nicht fehlen [27]. Falls notwendig wird die Untersuchung ergänzt durch Röntgenaufnahmen und Situationsabformungen für Modelle. Extra- und intraorale Fotodokumentationen können die gutachterliche Untersuchung ergänzen. Da Entscheidungskriterien und Befundbeurteilungen zwischen Zahnärzten nicht endgültig standardisiert werden können, ist eine standardisierte Kontrolle einer zahnärztlichen Behandlung durch festgelegte Parameter allein nicht möglich [36]. Somit kann beispielsweise die von Münstermann [26] entworfene Checkliste zur Nachbegutachtung bei prothetischen Leistungen lediglich als Gedächtnisstütze bei der gutachterlichen Untersuchung fungieren. Wichtigster Kontrollparameter für die zahnärztliche Therapie scheint der Patient zu sein. Daher muss bei der Beurteilung der Patient mit seinen Vorstellungen und Wünschen seiner Behandlung beteiligt und in die Entscheidung integriert werden. Ohne das persönliche Patienteninterview ist eine sachliche Überprüfung zahnärztlicher Behandlung nicht möglich [36]. Beurteilung Durch das Gutachten muss der Sachverständige sowohl dem Zahnarzt als auch dem Juristen eine verständliche Darlegung der wertenden Kriterien vermitteln [6]. Als konkrete Stellungnahme müssen sich die im Gutachten erarbeiteten Voraussetzungen verteidigen lassen. Das Gutachten und insbesondere die Beurteilung im Gutachten stellt eine verbindliche Äußerung dar, die nur sehr schwer rückgängig gemacht werden kann [17]. Der medizinische Gutachter ist dabei an den Beweisbeschluss gebunden [2, 23]. Die gutachterliche Beurteilung kann daher nur so gut sein wie die gestellten Beweisfragen. Deshalb sollte vor Annahme des Gutachtens geprüft werden, ob die Fragen verständlich, vollständig, eindeutig und angemessen sind [4, 25]. Im Falle, dass die Fragen des Beweisbeschlusses Lücken, Ungereimtheiten oder Unverständliches enthalten, ist laut Zivilprozessordnung 407a Abs. 3 Satz 1 der Sachverständige verpflichtet, auf diese Mängel im Beweisthema aufmerksam zu machen und auf eine Ergänzung bzw. Richtigstellung desselben zu drängen [34]. Bezüglich des
3 516 Fortbildung Allgemeine Zahnheilkunde sachlichen Inhalts muss die Beurteilung die zu begutachtende Versorgungsstufe, den Zeitpunkt der Behandlung berücksichtigen und die Methodenfreiheit im Blick behalten [1, 33]. Im Allgemeinen sollten der Begutachtung als gesichert geltende, medizinische Erkenntnisse zugrunde gelegt werden. Oftmals kann der Sachverständige nur mit den Begriffen der mehr oder minder großen Wahrscheinlichkeit operieren [22]. Sofern die Beantwortung einer Gutachtenfrage die Einbeziehung medizinischer Hypothesen und die Darstellung kontroverser Ansichten erfordert, sollte dies aus der Argumentation zweifelsfrei hervorgehen. Der Gutachter selbst steht vor der Schwierigkeit, subjektive Beschwernisse ebenso wie objektive Krankheitssymptome, labortechnische und apparative Untersuchungsbefunde berücksichtigen zu müssen, deren Brauchbarkeit und prognostische Bedeutung mit einem absoluten, allgemeinverbindlichen Maßstab eigentlich nicht zu fassen sind [24]. Besonders Fragen nach der Prognose sind in der Medizin mit einer großen Unsicherheit behaftet und unterliegen zumeist der subjektiven Einschätzung [32]. Auch wenn der Anspruch der absoluten medizinischen Wahrheit nicht erfüllbar ist, sollte die Beantwortung der Fragen nach der Leistungsfähigkeit und vor allem nach ursächlichen Zusammenhängen unter dem Primat exakter Wissenschaftlichkeit erfolgen [24]. Der Behandlungsstandard ist naturgemäß nicht gesetzlich festgelegt [13]. Der Behandlungsstandard, so definierte Ankermann, ist die nach gesicherter medizinischer Erkenntnis und Erfahrung erreichte und erreichbare Qualität der zahnärztlichen Versorgung innerhalb einer Bandbreite akzeptierter Variationen [1]. Dieser Behandlungsstandard entwickelt sich durch neue Materialien, Verfahren und Gesetzesregeln kontinuierlich weiter [12]. Für die Frage nach dem allgemein anerkannten Stand des ärztlichen Handelns gilt dies cum grano salis [15]. D.h. die Frage des fachärztlichen Standards ist stets aus der Sicht ex ante zu beurteilen, sodass sich der Sachverständige bei der Begutachtung räumlich, zeitlich und sachlich in die Behandlung zurückversetzen muss. Gerade auch deshalb, da der heutige Qualitätsstandard der Behandlungsfehler von morgen sein kann [35]. Zahnärztliche Eingriffe sind im juristischen Sinne tatbestandsmäßige Körperverletzungen [2, 38] und bedürfen zu ihrer Rechtfertigung die Einwilligung des Patienten [14, 27, 38]. Die Patientenaufklärung bildet das Gegengewicht zur medizinischen Autorität [2]. Dabei sollte die Aufklärung des Patienten im Allgemeinen sowohl über den Befund, die Therapie, mögliche Alternativen, das jeweilige Risiko der Therapie, das Risiko bei Unterlassung der Therapie als auch über die Kosten erfolgen [17]. Häufig muss der Sachverständige Stellung nehmen, ob eine Aufklärung stattgefunden hat bzw. ob diese ausreichend erfolgt war. Hier sollte der Sachverständige sich bewusst machen, dass er keine juristische Wertung abgeben soll, sondern vielmehr aus zahnärztlicher Sicht darlegen, wie man als Zahnarzt im streitgegenständlichen Fall bei gleichem Kenntnisstand zum damaligen Zeitpunkt verfahren und aufgeklärt hätte. Die Praxis zeigt, dass von Patientenanwälten scheinbar routinemäßig infrage gestellt wird, ob eine Aufklärung überhaupt stattgefunden hat und diese ausreichend war, mit dem Ziel der Beweislastumkehr. Bei der Bewertung durch den Sachverständigen ist generell eine emotionale und eine sachgerechte, dem zahnärztlichen Eingriff adäquate Bewertung zu unterscheiden [17]. Im guten Gutachten ist nur Platz für eine sachgerechte, dem zahnärztlichen Eingriff adäquate Bewertung. Eine Beurteilung im Sinne von einem in dubio pro aegroto ist unzulässig [18, 25, 31]. Die Beurteilung selbst muss nachvollziehbar sein. Sachverständigengutachten sind wie gerichtliche Urteile nicht verständlich, wenn Zwischenschritte in einem durchgehenden Gedankengang fehlen [31]. Der gerichtliche Sachverständige sollte zu einem klaren Ergebnis kommen, auf das sich das Gericht im Urteil stützen kann. Es dürfen mit der Erstattung des Gutachtens keine neuen Zweifel aufgeworfen werden [31]. Aus Sicht der zahnärztlichen Profession ist es von Bedeutung, dass die Zahnmedizin in der Beurteilung in ihrer tatsächlichen Komplexität und Kompliziertheit dargestellt wird [17, 18]. Bei der Vermutung, dass ein psychosomatisches Geschehen (Mit-)Auslöser für das Scheitern einer zahnärztlichen Behandlung ist, darf dies der Gutachter keinesfalls verschweigen, sondern muss darauf aufmerksam machen. Bei strittigen Sachverhalten sollten die Sachverhalte getrennt bewertet werden. Bei Fragen nach der Kausalität wird die (Fehl-)Deutung einer vorhandenen zeitlichen Verbindung zwischen 2 Ereignissen als Post-hoc-ergo-propter-hoc-Trugschluss bezeichnet [39]. Als weitere typische Fehler in der gutachterlichen Beurteilung sind ein überhebliches Urteil und die Überschätzung der eigenen Expertenschaft zu nennen [18]. Sachlichkeit Der Sachverständige beurteilt prospektiv oder retrospektiv eine zahnärztliche Behandlungsstrategie und/oder ein zahnärztliches Behandlungsergebnis [18]. Der Gutachter muss sich um Objektivität bemühen [31]. Diese Verpflichtung zur Objektivität als Grundlage jeder
4 gutachterlichen Tätigkeit wird in der Eidesnorm für Sachverständige in der Zivilprozessordnung 410 Abs. 1 Satz 2 beschrieben. Der Sachverständige muss seine eigene emotionale Befindlichkeit erkennen und reflektieren [33]. Objektivität geht vor Standessolidarität. Die vermeintliche Kollision zwischen Kollegialitätsgebot einerseits und Verpflichtung zur Objektivität andererseits ist inzwischen aufgelöst worden [9]. Allerdings geht Objektivität auch vor Rivalität, da in der Praxis nicht selten Gutachter auftreten, die dem beklagten Zahnarzt besonders kritisch gegenüberstehen und nur patientenfreundliche Gutachten kennen. Die Anfertigung eines Gutachtens bleibt eine verantwortungsvolle, oftmals schwierige ärztliche Aufgabe. Dabei sollte der Patient, der Anspruch auf verständnisvolle Zuwendung, angemessene Untersuchung und fachkompetente, objektive Beurteilung hat, im Mittelpunkt bleiben [24]. Deshalb kann das medizinische Gutachten kein Selbstzweck oder der Profilierung des Arztes dienlich sein, sondern hilft einer Behörde oder einem Gericht bei der Aufgabe, darüber eine bindende Feststellung zu treffen, was im jeweiligen Fall als medizinische Wahrheit anzusehen ist [24]. Selbstverständlich haben im Gutachten reine Mutmaßungen und Unterstellungen keinen Platz [5, 18, 34]. Einer externen Nachprüfung kaum zugänglich ist das gutachterliche Votum bei der Bewertung dessen, was einem sorgfältig behandelndem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf (grober Behandlungsfehler), der Bewertung von Missgriffen, deren Vorkommnis bereits prima facie (Anscheinsverdacht) auf mangelnde Sorgfalt hinweist und bei der Beantwortung der Frage nach der medizinischen Notwendigkeit der Dokumentation. Bei diesen Punkten wird der Gutachter zwangsläufig seine persönliche Erfahrung zugrunde legen [15]. Zusammenfassung der Beurteilung Am Ende eines Gutachtens sollte eine Zusammenfassung mit der vollständigen Beantwortung der Beweisfragen erfolgen [7, 17, 23, 27, 34]. Die Zusammenfassung gibt in gestraffter Form Antwort auf die Beweisfragen [17] und darf nicht in Widerspruch zu den vorangegangenen Ausführungen stehen [7, 27, 34]. Derartige Gutachten werden als irreführende Gutachten bezeichnet [27, 34]. Sofern die vom Auftraggeber gestellten Fragen allzu widersinnig erscheinen bzw. allzu weit von den konkreten Problemen entfernt liegen, empfiehlt es sich, das Gutachten zunächst mit den eigenen in sich logischen Schlussfolgerungen zu beenden, um dann gesondert auf die spezifischen, gestellten Fragen einzugehen [15]. Der Sachverständige trägt zur Entscheidungsfindung bei, besitzt je-
5 518 Fortbildung Allgemeine Zahnheilkunde Tab. 2 Die Checkliste für das gute zahnärztliche Gutachten [3] CHECKLISTE Das gute zahnärztliche Gutachten im Zivilprozess Seite 1 Gutachten Gericht: Aktenzeichen: I. Formaler Aufbau I.1 Ist das Gutachten insgesamt übersichtlich und ist dieses klar gegliedert? I.2 Weist das Gutachten einen gewissen Umfang auf? I.3 Ist bei sehr umfangreichen, komplexen Gutachten ein Inhaltsverzeichnis vorhanden? I.4 Sind Verfasser, Rechtssache, Auftraggeber, Patient und Datum genannt? I.5 Ist das Gutachten eigenhändig unterschrieben? I.6 Sind die Grundlagen, auf die sich das Gutachten stützt, vollständig aufgelistet? I.7 Ist das Beweisthema bzw. sind die Fragen des Beweisbeschlusses wiedergegeben? I.8 Ist eine kurze Sachverhaltsschilderung erfolgt? I.9 Sind die vom Patienten geäußerten Beschwerden im Gutachten wiedergegeben? II. Verständlichkeit und Sprache II.1 Ist das Gutachten für den verständigen Laien verständlich? II.2 Ist die Sprache im Gutachten einfach und präzise? II.3 Sind wenig (nicht medizinische) Fremdwörter vorhanden? II.4 Sind keine Abkürzungen verwendet bzw. falls doch sind diese erläutert? II.5 Sind medizinische Fachbegriffe übersetzt bzw. diese verständlich erklärt? II.6 Ist die Anamnese aus Sicht des Untersuchten wiedergegeben? II.7 Ist ein Zahnschema zur Veranschaulichung vorhanden? II.8 Sind gegebenenfalls Skizzen zur Veranschaulichung vorhanden? III. III.1 Anamnese und Befund Wurde der Patient vom Gutachter untersucht? Falls nicht zutreffend weiter unter IV. III.2 Ist das Datum der gutachterlichen Untersuchung vermerkt? III.3 Wurde der Zahnstatus vollständig erhoben? III.4 Wurden weitere Befunde (Modelle, Röntgen etc.) erhoben und ausführlich dokumentiert? III.5 Wurden zur besseren Veranschaulichung Fotos gemacht? IV. Sachlichkeit IV.1 Ist der Gutachter unvoreingenommen? IV.2 Hat eine emotionsfreie Befunderhebung stattgefunden? IV.3 Gründet sich das Gutachten nicht auf bloßen Mutmaßungen und Behauptungen? doch keine Entscheidungskompetenz [19]. Die abschließende Wertung der verschiedenen Dokumente gegeneinander ist ausdrücklich nicht Sache des Gutachters. Literaturzitate Die Angabe von Literaturbelegen ist nötig, um das Gutachten evidenzbasiert und nachprüfbar zu machen, wenn es um Innovationen, verlassene Verfahren, Schulenstreits und zum Ausschluss einer Diskrepanz mit vorhandenen Leitlinien geht [15]. Günstig ist es, Aussagen zu den anderen bewertungsrelevanten Aspekten mit Belegen zu versehen [15]. Wenn allgemeingültiges und präsentes Wissen wiedergegeben wurde, sind Literaturzitate jedoch nicht nötig [23]. Bei der Behauptung, eine bestimmte Untersuchungsmethode sei selbstverständliche, allgemeine Pflicht und das Unterlassen schlechterdings nicht verständlich, ist ein Auszug aus einem trivialen Alltags-Standard- Lehrbuch angebracht [15]. Selbstverständlich ist die Anzahl der zitierten Literaturstellen kein Qualitätskriterium, sondern ihre Treffsicherheit für das spezifische Problem [15]. Eingang in das Gutachten sollte nur jene Fachliteratur finden, die zum Ereigniszeitpunkt bereits veröffentlicht war [7, 28, 34]. Andererseits kann man kritisch anmerken, dass angesichts des Umfangs der medizinischen Literatur selbst die unsinnigsten Behauptungen durch Literaturbelege untermauert werden können [20]. In nicht seltenen Fällen geht der Gutachter offenbar davon aus, dass sich der Leser allein durch die Tatsache, dass ein oder mehrere Literaturzitate aufgeführt werden, entsprechend beeindrucken lässt und damit Diagnostik und Beurteilung des Gutachtens von vornherein nicht mehr infrage stellt [29]. Im Zusammenhang mit Literaturzitaten soll auch die zunehmende Bedeutung von Leitlinien im Arzthaftungsrecht Erwähnung finden. Aus haftungsrechtlicher Sicht ist der fachärztliche Standard für die Qualität der ärztlichen Behandlung maßgebend. Dieser Standard wird durch Fakten ausgefüllt, die in der Regel der medizinische Sachverständige feststellt [13]. Medizinische Leitlinien, als innerprofessionell durch ärztliche Fachgremien verfasste, nach dem Grad ihrer Verbindlichkeit abgestufte Handlungsempfehlungen zur diagnostischen und therapeutischen Vorgehensweise für bestimmte Situationen, geraten hierbei zunehmend ins juristische Interesse [13]. Es ist absehbar, dass Leitlinien zunehmend die Rechtsfindung einer stark an autoritativen Texten orientierten Justiz beeinflussen werden [11, 13]. Schon jetzt muss konstatiert werden, dass Leitlinien häufiger von Juristen als von Medizinern eingesehen werden. Daher kann es im zahnärztlichen Gutachten sinnvoll sein, Stellungnahmen der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK), zumal diese online für jedermann zugänglich sind, in die Beurteilung im zahnärztlichen Gutachten aufzunehmen. Checkliste Die vorgestellten Qualitätsanforderungen an zahnärztliche Sachverständigengutachten sind in der Checkliste von Brauer zusammengefasst
6 Fortbildung Allgemeine Zahnheilkunde 519 (Tab. 2). Um zu prüfen, ob diese Anforderungen vollständig sind, wurden exemplarisch Richter von Amts-, Land- und Oberlandesgerichten sowie Fachanwälte für Medizinrecht um eine Expertise zu Qualitätsmerkmalen zahnmedizinischer Sachverständigengutachten gebeten. Als Hauptqualitätskriterium stellte sich bei dieser Befragung eindeutig der Wunsch nach einem verständlichen Gutachten heraus. Hierbei wurden mehrfach Zahnschemata sowie erklärende Skizzen gefordert. Die erstellte Checkliste wurde anhand von 25 Sachverständigengutachten, die von erfahrenen Gutachtern verfasst wurden, auf Praktikabilität überprüft. Die Checkliste erwies sich als vollständig, praktikabel und trennscharf [3]. Diskussion Der vorliegende Beitrag stellt die Qualitätskriterien zahnärztlicher Sachverständigengutachten im Zivilprozess zusammen. Aus Sicht der Zahnärzteschaft ist es unabdingbar, sich mit dem Thema Gutachten zu beschäftigen, da rechtliche Auseinandersetzungen zwischen Zahnarzt und Patient zugenommen haben und vermutlich weiter steigen werden. Darüber hinaus gibt das Sachverständigengutachten Auskunft über das zahnärztliche Selbstverständnis [4, 17]. Der zahnärztliche Berufsstand hat somit ein Interesse an einer sachgerechten Darstellung des aktuellen zahnmedizinischen Wissenstands und einer adäquaten Beurteilung zahnärztlicher Behandlungsmaßnahmen und Therapieergebnisse durch den Sachverständigen. In großen Teilen der Bevölkerung herrscht die rein mechanistische Vorstellung der Zahnmedizin vor [16]. Das berufsständische Interesse muss darauf abzielen, die Zahnmedizin in der Öffentlichkeit in ihrer tatsächlichen Komplexität und Kompliziertheit darzustellen und nicht naiv technisch zu vereinfachen. Sachverständigengutachten als innerprofessionelle Stellungnahmen können einen Beitrag leisten, den zahnmedizinischen Eingriff vor dem öffentlichen Bewusstsein entsprechend zu vertreten. Gutachten als Aushängeschild der Profession sollten klar strukturiert und fehlerfrei sein sowie sich durch logische Argumentation und Stringenz auszeichnen. Zusammenfassung Ein zahnärztliches Gerichtsgutachten sollte für den verständigen Laien vor allem verständlich und nachvollziehbar sein. Dies hilft allen beteiligten Parteien. Daher sollte bei der Erstellung des Gutachtens nachgedacht werden, ob ein Zahnschema und Skizzen zum besseren Verständnis beitragen können. Im guten Gutachten Tab. 2 Die Checkliste für das gute zahnärztliche Gutachten [3] CHECKLISTE Das gute zahnärztliche Gutachten im Zivilprozess Seite 2 V. Beurteilung V.1 Enthält sich der Gutachter juristischer Ausführungen? V.2 Wurden Versorgungsstufe, Zeitpunkt der Behandlung und Methodenfreiheit beachtet? V.3 Liegt keine Beurteilung in dubio pro aegroto vor? V.4 Ist die Beurteilung, insbesondere bei schwierigen Gedankengängen, nachvollziehbar? V.5 Hat die Beurteilung ein eindeutiges Ergebnis? V.6 Wurde die tatsächliche Kompliziertheit zugrunde gelegt und dargestellt? V.7 Gründet sich die Beurteilung nicht auf einer rein mechanistischen Betrachtungsweise? V.8 Wurde, falls zutreffend, auf eine psychosomatische Erkrankung aufmerksam gemacht? V.9 Wurden die Erwartungen des Patienten in der Beurteilung berücksichtigt? V.10 Wurde bei strittigen Sachverhalten eine getrennte Beurteilung gegeben? V.11 Liegt bei Fragen nach der Kausalität kein Post-hoc-ergo-propter-hoc- Trugschluss vor? V.12 Überschätzt der Sachverständige nicht seine eigene Expertenschaft? V.13 Setzt sich der Gutachter mit Vorgutachten auseinander? V.14 Wurden Meinungsstreitigkeiten in der Literatur, falls vorhanden, dargestellt? V.15 Weist die Beurteilung einen adäquaten Umfang auf? VI. Zusammenfassung VI.1 Ist eine Zusammenfassung vorhanden und ist diese knapp gehalten? VI.2 VI.3 VII. Sind die Fragen des Beweisbeschlusses präzise und schlüssig beantwortet? Stimmt die Zusammenfassung mit den vorangegangenen Ausführungen überein? Literaturzitate VII.1 Wurde wissenschaftliche Literatur zitiert? VII.2 VII.3 Wurde Bezug auf das Erfahrungswissen des Sachverständigen genommen? Wurden Leitlinien, Empfehlungen, Richtlinien etc. im Gutachten berücksichtigt? VII.4 War die zitierte Literatur zum strittigen Zeitpunkt bereits veröffentlicht? VII.5 Wurde aus allgemeinen Standardwerken zitiert? VII.6 Sind die Literaturfundstellen adäquat? untermauern entsprechende Literaturbelege die Beurteilungen des Sachverständigen. Anhand der vorgestellten Checkliste hat ein zahnärztlicher Sachverständiger nach Erstellung seines Gutachtens die Möglichkeit dieses nochmals zu reflektieren. Dies dient einerseits der Qualitätssicherung durch ein Werkzeug, das die Qualität zahnärztlicher Gutachten transparent macht und andererseits dazu, dass der Sachverständige sein Gutachten selbstbewusst abliefern kann.
7 520 Fortbildung Allgemeine Zahnheilkunde The Quality Standard of Dental Expert Opinions in Civil Action Lawsuits concerning dental litigation are increasing. The court puts the dental expert in charge to clarify the court order. The question does arise what is a good expert opinion. The following paper describes the quality standard of dental expert opinions. A checklist is presented for the better expert opinion. By this checklist the dental expert could reflect his work and the quality of dental expert opinions could be made transparent. Key Words Expert Opinion Litigation Quality Standard Literaturverzeichnis 1 Ankermann E. Behandlungsstandard und -spielraum in der Zahnmedizin aus haftungsrechtlicher Sicht. Dtsch Zahnärztl Z 1991; 46: Bergmann KO. Die Arzthaftung Ein Leitfaden für Ärzte und Juristen. Berlin, Heidelberg: Springer, Brauer HU. Das zahnärztliche Gutachten im Zivilprozess Konzeption einer Checkliste für das gute zahnärztliche Sachverständigengutachten. 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