Arbeit & soziale Gerechtigkeit Die Wahlalternative (WASG)

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1 Parteien und Wahlen l 5 Andreas M. Vollmer Arbeit & soziale Gerechtigkeit Die Wahlalternative (WASG) Entstehung, Geschichte und Bilanz Nomos

2 Parteien und Wahlen so der Titel der Reihe sind zentral für die politische Willensbildung. Bei Wahlen entscheiden Bürgerinnnen und Bürger darüber, wem sie die politische Führung anvertrauen. Wahl heißt allerdings immer: Herrschaft auf Zeit. Und Wahl heißt auch: Auswahl. Eine repräsentative Demokratie be nötigt Parteien als Mittler zwischen der Bevölkerung und der Regierung. Diese dienen der politischen Führungsauslese, wollen politische Verantwortung übernehmen und sollen unterschiedliche Interessen artikulieren. Sie selbst sind dem Postulat der innerparteilichen Demokratie verpflichtet. Bei aller Kritik an ihnen: Eine demokratische Alternative zu ihnen gibt es nicht. In dieser Reihe sollen Bücher mit einschlägigem Inhalt veröffentlicht werden: Monographien und Sammelbände. Dabei kann es sich um Themen handeln, denen grundlegende oder denen aktuelle Relevanz zukommt. Das Spektrum ist weit gespannt. Es reicht von Wahlanalysen über Studien zum Parteien system oder zu einzelnen Parteien. Auch die lange vernachlässigte Koalitionsforschung findet Berücksichtigung. Gleiches gilt für die Parlamentarismus- und die Wahlsystemforschung. Die Herausgeber wollen wichtige Analysen im Umkreis der Themen Parteien und Wahlen einer breiteren Öffentlichkeit vorstellen. Parteienkritik und alternative Partizipationsformen als Herausforderungen für die Parteiendemokratie gehören dazu. Möge dieses Themenspektrum auf Interesse bei einem größeren Leserkreis stoßen: bei interessierten Beobachtern der Politik, bei Multiplikatoren der politischen Bildung und bei der Wissenschaft. Parteien und Wahlen herausgegeben von Prof. Dr. Eckhard Jesse, Technische Universität Chemnitz Prof. Dr. Roland Sturm, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Band 5

3 Andreas M. Vollmer Arbeit & soziale Gerechtigkeit Die Wahlalternative (WASG) Entstehung, Geschichte und Bilanz Nomos

4 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Zugl.: Chemnitz, Univ., Diss., 2012 unter dem Titel: Entstehung, Geschichte und Bilanz der Partei Arbeit & soziale Gerechtig keit Die Wahlalternative (WASG) ISBN Auflage 2013 Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden Printed in Germany. Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

5 Danksagung Eine lange wissenschaftliche Reise geht zu Ende. Der herzliche Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Eckhard Jesse, ohne dessen fachliche Anregungen und wertvollen Hinweise die Dissertation nicht entstanden wäre. Herrn Professor Dr. Uwe Backes danke ich für die Zweitbegutachtung. Der Doktorandenkreis, eine Quelle der Inspiration und des wissenschaftlichen Dialogs, bleibt unvergessen. Die Erinnerung an die WASG und ihr Erbe für die Partei DIE LINKE droht hingegen zu verblassen. Diese Monographie, die sich dagegen wendet und einen Beitrag zur Erforschung nicht-etablierter Kleinparteien leistet, wurde im Juli 2012 der Philosophischen Fakultät der Universität Chemnitz als Dissertation vorgelegt; sie berücksichtigt Entwicklungen in der LINKEN bis Juni 2012 und wagt einen Ausblick in das Jahr Die Liebe meiner Frau Yuko, ihre unendliches Verständnis in Phasen der Stagnation, wie die Gespräche mit befreundeten Politologinnen und Politologen, bleiben in dankbarer Erinnerung. Die Durchsicht der Dissertation nach Tippfehlern übernahmen Dr. Ines Jung, Martina Rau, Susanne Riederer und Anita Skowronek. Ihnen danken meine Frau und ich für die Hilfe. Andreas Michael Vollmer 5

6 Vorwort Die Geschichte der PDS ist (auch) die Geschichte eines Namenswechsels. Aus der Staatspartei SED entstand im Dezember 1989 die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands Partei des Demokratischen Sozialismus ; im Februar entfiel die diskreditierte Bezeichnung SED ; 15 Jahre später lautete der Name Die Linkspartei. Diese fusionierte mit der Wahlalternative Arbeit & soziale Gerechtigkeit (WASG) am 16. Juni 2007 zur LINKEN. Die Geschichte der WASG beschreibt, analysiert und bewertet Andreas Michael Vollmer, der damit wissenschaftliches Neuland betritt. Bis auf die in mancher Sicht vordergründige Studie von Philipp Hiller, die sich auf die Analyse einschlägiger Bundestags-Drucksachen konzentriert, liegt keine Arbeit zum Thema vor, so dass derjenigen des Verfassers ein Alleinstellungsmerkmal zukommt. Die bisher nicht angemessene Aufarbeitung der kurzen Geschichte der WASG ist schon deshalb erstaunlich, weil der Erfolg der LINKEN zumal im Westen Deutschlands ohne die WASG so niemals eingetreten wäre. Beeindruckend fällt die Methodik mit dem ähnlichen Analyseraster für die einzelnen Zeitphasen aus. Dem Forschungsstand ist eine profunde Kenntnis der Literatur zu entnehmen. Die Arbeit Vollmers etwa ist parteiensoziologisch und extremismustheoretisch orientiert. Hinführend wird der Rolle linker Kleinparteien in der Bundesrepublik Deutschland nachgespürt mit Blick auf politische und rechtliche Rahmenbedingungen sowie auf Einflussmöglichkeiten und Grenzen, schließlich unter besonderer Berücksichtigung der erfolglosen 1982 gegründeten und 1991 aufgelösten Demokratischen Sozialisten wie der erfolgreichen 1980 ins Leben gerufenen Grünen, die sich 1993 mit dem Bündnis 90 vereinigt haben. Leider reizt der Autor die Parallele zwischen dem ostdeutschen Bündnis 90 und der westdeutschen WASG nicht ganz aus. Die Kapitel 3-6 schildern vier Phasen der WASG, wobei die Themenfelder zum Teil sich decken (Mitgliederentwicklung, Programmatik, Erscheinungsbild und Akteure, konkurrierende Strömungen sowie Wechselwirkungen mit der SPD), zum Teil zu Recht voneinander abweichen. Dieses Vierphasenmodell ist überzeugend gewählt, der unterschiedliche Umfang durch die Sache bedingt, der Verlauf jeweils sehr gut nachgezeichnet. Zunächst geht es um die Gründung zweier sozialer Protestbewegungen als Reaktion auf die Hartz IV-Politik der SPD. Aus der im Norden des Landes beheimateten Wahlalternative und der süddeutschen Initiative Arbeit und soziale Gerechtigkeit bildete sich im Juli 2004 der Verein Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit und im Januar 2005 die Partei Arbeit und soziale Gerechtigkeit Die Wahlalternative. Die zweite Phase reicht von der Parteigründung bis zur Wahl in Nordrhein-Westfalen. Diese Wahl war entscheidend nicht nur für das 7

7 Ende der SPD als Kanzlerpartei, sondern auch für das Zusammengehen der WASG mit der PDS. Bisher hatte die WASG zwei Argumente gegen die PDS ins Feld geführt: ihr Ost-Image und ihr Paktieren mit der SPD in Berlin. Doch Schröders Flucht nach vorne (das Herbeiführen von Neuwahlen durch das gewollte Scheitern der Vertrauensfrage) löste einen Wandel bei der WASG aus, zumal Oskar Lafontaine die SPD verlassen und sich bereitgefunden hatte, der WASG unter der Voraussetzung beizutreten, dass diese sich mit der PDS zusammenschließt. Die dritte Phase von der nordrhein-westfälischen Landtagswahl am 22. Mai 2005 bis zur Bundestagswahl am 18. September war mit knapp vier Monaten extrem kurz, aber für die Etablierung des Parteiensystems von großer Relevanz. Die zunächst umstrittene Kandidatur von WASG-Bewerbern auf den offenen Listen der in Linkspartei umbenannten PDS (Konkurrenz ging nun in Kooperation über) erwies sich als ein Erfolg. Vollmer schildert so detailliert wie instruktiv die Kandidatenaufstellung in den einzelnen Bundesländern. 12 Bewerber der WASG zogen in den Bundestag ein. Die Partei steigerte sich von 4,0 auf 8,7 Prozent (im Westen des Landes nicht zuletzt dank der WASG und dank Lafontaine von 1,1 auf 4,9 Prozent). Die vierte Phase setzt der Verfasser logischerweise von der Bundestagswahl 2005 bis zur Fusion der WASG mit der Linkspartei an. Das Scheitern der von der Linkspartei unterstützten WASG bei den Landtagswahlen 2006 in Baden- Württemberg wie in Rheinland-Pfalz beschleunigte die Einigung der beiden Parteien, und die Konkurrenzsituation bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl im selben Jahr konnte die Fusion nicht bremsen. Im Mai 2007 zog die Linkspartei, im Wahlkampf bereits als LINKE auftretend, zum ersten Mal in ein westdeutsches Landesparlament ein, wenige Wochen vor der Fusion. Stand bisher eher der deskriptive Aspekt im Vordergrund, so zielt das umfangreiche siebte Kapitel zum Erbe der WASG, das die Zeit von der Parteigründung bis zum Göttinger Parteitag 2012 betrifft, stark auf die Analyse. Dabei will Vollmer vor allem fünf Aspekte erörtern: die Rolle des WASG-Personals in der LINKEN; die Rolle der radikalen WASG-Strömungen in der LINKEN; die Etablierung der LINKEN in den westlichen Bundesländern; die Programmatik der LINKEN und die Nachhaltigkeit der WASG-Positionen; den Verlauf aktueller Konfliktlinien. Die folgende Paradoxie ist beachtenswert: Die WASG und die Linkspartei.PDS waren vor dem Zusammenschluss gemäßigter, als dies nach der Fusion 2007 der Fall war. Der Leser ermüdet bei der flüssig, ohne Jargon geschriebenen Studie nicht. Andreas Michael Vollmer hat eine instruktive und materialreiche Studie zur WASG vorgelegt, die Quellen vollständig und gut erschlossen (das Quellen- und Literaturverzeichnis ist imposant), die Hauptstränge der Entwicklung überzeugend herausgearbeitet, die jeweiligen Ursachen für die Vorgänge nachgezeichnet und die Partei mit common sense bewertet. Uwe Backes und Eckhard Jesse 8

8 Inhaltsverzeichnis I. Einleitung Untersuchungsgegenstand Problemstellung Forschungsstand Methodik Aufbau 24 II. Linke Kleinparteien in der Bundesrepublik Deutschland Politische und rechtliche Rahmenbedingungen Einflussmöglichkeiten und Grenzen Gründe für die Etablierung am Beispiel Die Grünen Gründe für das Scheitern am Beispiel Demokratische Sozialisten Zusammenfassung 55 III. Erste Phase der WASG (März 2004 bis Januar 2005): von sozialen Protestbewegungen zur Formierung als Partei 1. Ursachen für das Entstehen einer neuen politischen Kraft Gründung der Vereinigung Wahlalternative (WA) Gründung der Initiative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (ASG) Zusammenschluss zum Verein Arbeit und soziale Gerechtigkeit Die Wahlalternative (WASG) Programmatik, Erscheinungsbild und Akteure Konkurrierende Strömungen Verhältnis WASG und SPD Wechselwirkungen zwischen WASG und PDS Zusammenfassung

9 IV. V. VI. VII. Zweite Phase der WASG (Januar 2005 bis Mai 2005): von der Parteigründung zur Wahl in Nordrhein-Westfalen 1. Mitgliederentwicklung und Parteiaktivitäten Programmatik, Erscheinungsbild und Akteure Konkurrierende Strömungen Verhältnis WASG und SPD Wechselwirkungen zwischen WASG und PDS Zusammenfassung 105 Dritte Phase der WASG (Mai 2005 bis September 2005): von der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen zur Bundestagswahl 1. Bedeutung der Bundestagswahl für die WASG Mitgliederentwicklung und Parteiaktivitäten Programmatik, Erscheinungsbild und Akteure Konkurrierende Strömungen Verhältnis WASG und SPD Wechselwirkungen zwischen WASG und Linkspartei.PDS Zusammenfassung 152 Vierte Phase der WASG (September 2005 bis Juni 2007): von der Bundestagswahl zur Fusion mit der Linkspartei.PDS 1. WASG-Abgeordnete in der Linkspartei.PDS-Fraktion im Bundestag Eigenständige Landeswahlauftritte der WASG Programmatik, Erscheinungsbild und Akteure Konkurrierende Strömungen und Abspaltungen Verhältnis von WASG und SPD Vereinbarungen und Abkommen mit der Linkspartei.PDS Urabstimmungen und Parteitage im Fusionsprozess Zusammenfassung 256 Erbe der WASG für die Partei DIE LINKE (Juni 2007 bis Juni 2012): vom Vereinigungsparteitag zum Ost-West-Konfliktparteitag 1. Ehemalige WASG-Funktionäre in neuen Ämtern und Funktionen Neue Gruppen und Strömungen in der Partei DIE LINKE Etablierung in den westlichen Bundesländern WASG-Programm und Parteiprogramm DIE LINKE Aktuelle Konfliktlinien Zusammenfassung

10 VIII. Schlussbetrachtung Fazit Ausblick 425 IX. Anhang Literatur- und Quellenverzeichnis Verzeichnis der Abbildungen: Abkürzungsverzeichnis Kooperationsabkommen von WASG und Linkspartei.PDS