JA zur Solidarischen Bürgerversicherung - NEIN zur ungerechten Kopfpauschale ein Thesenpapier der Jusos Gießen
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- Helene Kirchner
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1 JA zur Solidarischen Bürgerversicherung - NEIN zur ungerechten Kopfpauschale ein Thesenpapier der Felix Diehl 26. Oktober 2010 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung: Schwarz-gelbe Gesundheitspolitik gegen die Mehrheit der Menschen 2 2 Der Zustand des Gesundheitswesens Das Steigen des Beitragssatzes und die Legende der Kostenexplosion Die wahren Ursachen der Beitragssteigerung Eckpunkte der Solidarischen Bürgerversicherung Die Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze Die einkommensabhängige Erhebung der Krankenversicherungsbeiträge Den Kuchen vergrößern: Die Heranziehung aller Einkommensarten zur Finanzierung Schluss mit der Zwei-Klassen-Medizin: Beschränkung der Privaten Krankenversicherung (PKV) auf Zusatzangebote Beibehaltung der paritätischen Finanzierung Ausweitung der kostenlosen Familienversicherung und des Sachleistungsprinzips Die Abschaffung der Praxisgebühr Fazit: JA zur Solidarischen Bürgerversicherung! Landesvorsitzender der Jusos Hessen 1
2 1 Einleitung: Schwarz-gelbe Gesundheitspolitik gegen die Mehrheit der Menschen Seit 2003 wurden vermehrt Rufe nach einer grundlegenden Reform der Einnahmeseite des Gesundheitswesens unter dem Stichwort Bürgerversicherung laut. Schon im vorgezogenen Bundestagswahlkampf 2005 wurde die Frage der Reform der Krankenversicherung neben steuerpolitischen Diskussionen zur zentralen thematischen Auseinandersetzung zwischen den politischen Lagern aus SPD und Bündnis 90/ DIE GRÜNEN auf der einen, CDU/ CSU und FDP auf der anderen Seite. Obwohl sich das Modell der Bürgerversicherung laut vorherigen Umfragen im Gegensatz zu Kopfpauschalen -Modellen der Unionsparteien größerer Beliebtheit in allen Bevölkerungsgruppen und in allen Parteianhängerschaften erfreute 1, harrt es bis heute seiner Umsetzung. 1 Bei abgewandelten Fragestellungen im Dezember 2003 und November 2004 sprachen sich 70% / 68% für ein Bürgerversicherungsmodell und 16% / 24% für ein Kopfpauschalenmodell aus, vgl. Infratest dimap / Dezember 2003; Infratest dimap/ November
3 Durch die schwarz-gelbe Gesundheitsreform des Gesundheitsministers Philipp Rösler (FDP), die zum 1. Januar 2011 in Kraft treten soll, wird in das Modell der Kopfpauschale eingestiegen. Kostensteigerungen im Gesundheitssystem sollen zukünftig allein von gesetzlich Versicherten über Zusatzbeiträge bezahlt werden. Perspektivisch sollen bei der Kopfpauschale alle Versicherten unabhängig vom Einkommen den gleichen Beitrag zahlen.dann würden die Krankenschwester und der Vorstandsboss den gleichen Krankenversicherungsbeitrag bezahlen. Mit dieser Gesundheitsreform werden Bezieher/innen niedriger und mittlerer Einkommen besonders belastet. CDU und FDP betreiben eine massive Umverteilung von unten nach oben. Die soziale Alternative zur Kopfpauschale ist die solidarische Bürgerversicherung: Indem alle Versicherten von allem den gleichen Anteil zahlen tragen stärkere Schultern mehr als schwache Schultern. 2 Der Zustand des Gesundheitswesens Um geeignete Reformvorschläge für die Einnahmeseite des Gesundheitssystems zu machen - und nur um die Einnahmeseite geht es bei der Entscheidung zwischen Bürgerversicherung und Kopfpauschale - bedarf es zunächst einer grundlegenden Analyse. 2.1 Das Steigen des Beitragssatzes und die Legende der Kostenexplosion Der durchschnittliche Beitragssatz in der Gesetzlichen Krankenversicherung hat sich seit 1970 fast verdoppelt. In der politischen Debatte wird oft von einer Kostenexplosion im Gesundheitswesen in den letzten 30 Jahren gesprochen. Als Ursache für eine solche vergangene und zukünftig prognostizierte Explosion der Kosten werden vor allem der medizinisch-technische Fortschritt und der demographische Wandel angeführt. Bei der Legende der Kostenexplosion handelt es sich aber um eine konservative Erfindung. Tatsächlich sind die Kosten im Gesundheitssystem zwar nominal von 29,3 Milliarden e (1975 im alten Bundesgebiet) auf 134,3 Milliarden e (2002 im gesamten Bundesgebiet) gestiegen. Diese Zahl sagt aber noch wenig aus. Entscheidend ist der Anteil der Ausgaben für die gesetzliche Krankenversicherung gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP). Hier hat sich der Anteil der Gesundheitskosten seit 1975 bis zur Wiedervereinigung nur geringfügig von 5,8% auf 6,1% gesteigert. 2 Folglich sind die Ausgaben für das Gesundheitssystem lediglich entsprechend des Anstiegs des Wohlstands gemessen am BIP gewachsen. 2 Bericht der Projektgruppe des SPD-Parteivorstandes: Modell einer solidarischen Bürgerversicherung v
4 Weder durch den oft beschworenen medizinisch-technischen Fortschritt noch durch den demographischen Wandel entstehen relevante Mehrkosten. Der medizinisch-technische Fortschritt ist Bestandteil des allgemeinen Fortschritts und führt daher zu keinen nennenswerten Kostensteigerungen. Da technischer Fortschritt auch Produktivität erzeugt, werden Mehrausgaben im Gesundheitswesen kompensiert. 3 Auch der demographische Wandel begründet keine steigenden Kosten. Das liegt daran, dass erhöhte Kosten in dem letzten Lebensjahr vor dem Tod und nicht in den letzten Lebensjahren anfallen. 4 Es ist also finanziell irrelevant, ob der Tod mit beispielsweise 60 oder 80 Jahren eintritt. Die Menschen werden älter, weil sie gesund altern. 2.2 Die wahren Ursachen der Beitragssteigerung Wesentliche Ursache für steigende Beiträge ist das Sinken der Grundlohnsummenquote, also der Anteil der beitragspflichtigen Einkommen am Bruttoinlandsprodukt, von 54% im Jahr 1974 auf 44% im Jahr Da Krankenversicherungsbeiträge nur auf Lohn- und Lohnersatzleistungen erhoben werden und gleichzeitig seit 30 Jahren nahezu der gleiche Anteil aus dem BIP für das Gesundheitssystem aufgewandt wird, muss der Beitrag auf diesen relativ kleiner werdenden Teil notwendigerweise steigen. Zudem steigen Beiträge durch die ungerechte Beitragsbemessungsgrenze. Da Super-Reiche nicht entsprechend ihres Vermögens zur Finanzierung des Gesundheitswesens herangezogen werden, müssen die anderen drauf zahlen. 3 Eckpunkte der Solidarischen Bürgerversicherung Durch die Bürgerversicherung soll mehr Verteilungsgerechtigkeit erzielt werden und der Beitragssatz zur Krankenversicherung gesenkt werden. Die Solidarische Bürgerversicherung besteht aus einem Bündel von Reformmaßnahmen des Gesundheitswesens. Diese sollen hier kurz angerissen werden. 3.1 Die Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze Die Beitragsbemessungsgrenze schreibt fest, dass die Bemessung für die Höhe der individuellen Beiträge zur Krankenversicherung nur bis zu einem bestimmten Höchstbetrag im Verhältnis zum Durchschnittseinkommen erfolgt. Dieser liegt bei ca e. Wer beispielsweise monatlich e verdient muss also nur so viel zahlen als würde er e monatlich verdienen. Dadurch werden Spitzenverdiener ohne sachlichen Grund begünstigt. Mittlere Einkommen, gerade Familien, werden dadurch besonders belastet. Die veral- 3 Thorsten Schäfer-Gümbel, Thomas Spies und Andrea Ypsilanti: Plädoyer für die Solidarische Bürgersicherung, August Thomas Spies: Die Bürgerversicherung solidarisch und zukunftsfähig, 2006, S DGB-Bundesvorstand: Eckpunkte des DGB für eine solidarische Bürgerversicherung,
5 tete Bismarcksche Logik: Die Masse für die Masse, die Klasse für die Klasse war schon damals reaktionär und ist es heute noch. Richtig ist, dass jeder entsprechend seiner Leistungsfähigkeit zur Finanzierung des Gesundheitssystems beiträgt. Die Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze bewirkt im Ergebnis eine erhebliche Umverteilung zugunsten kleiner und mittlerer Einkommen. Durch die finanzielle Entlastung dieser Einkommensgruppen würde zudem die Binnennachfrage und damit die Konjunktur gestärkt: Das Geld für das Brot zum Essen muss sofort ausgegeben werden, wer schon den dritten Porsche in der Garage stehen hat, weiß oft nicht wohin mit dem ganzen Schotter. Bei einer vollständigen Streichung der Beitragsbemessungsgrenze wäre mit einer Halbierung des Beitragssatzes zu rechnen Die einkommensabhängige Erhebung der Krankenversicherungsbeiträge Anders als nach den Vorstellungen von CDU und FDP mit der Kopfpauschale soll der Beitrag zur Krankenversicherung einkommensabhängig bleiben. Das ist gerecht, damit stärkere Schultern mehr tragen als Schwache. Besserverdienende werden so immer noch geschont, da keine Progression wie im Steuersystem erfolgt. 3.3 Den Kuchen vergrößern: Die Heranziehung aller Einkommensarten zur Finanzierung Wie oben dargestellt beruhen die massiven Beitragssatzsteigerungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung nicht auf einer Kostenexplosion, sondern auf dem Sinken des Anteils der beitragspflichtigen Einkommen am Bruttoinlandsprodukt. Das heißt das Einkommen aus abhängiger Beschäftigung im Vergleich zu anderen Einkommensarten geringer geworden sind. Denn in der Gesetzlichen Krankenversicherung werden Beiträge gemäß 226 Abs. 1 SGB V nur auf Arbeitsentgelte, Rente, Versorgungsbezüge und Arbeitseinkommen erhoben. Modern und sozial gerecht wäre es heute auch zusätzliche Einkommensarten zur Finanzierung heranzuziehen. Jeder soll gemessen an seiner Leistungsfähigkeit gleichermaßen an den Lasten der Finanzierung des Gesundheitswesens beteiligt werden: Alle von allem den gleichen Anteil. Neben Einkommen aus abhängiger Beschäftigung sollten auch Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft, selbständiger Arbeit oder Gewerbebetrieben erfasst werden. Zudem müssten auch Vermögenseinkommen zur Finanzierung der Gesundheitsausgaben herangezogen werden. Heranzuziehen sind schließlich Kapitalvermögen und - bei Berücksichtigung angemessener Freibeträge zur Schonung von mittleren Einkommen - Erträge aus Vermietung und Verpachtung. 6 Jürgen Borchert und Dieter Eißel: Bürgerversicherung jetzt! Gegen den marktradikalen Kahlschlag in der Sozialpolitik, 2004, S
6 3.4 Schluss mit der Zwei-Klassen-Medizin: Beschränkung der Privaten Krankenversicherung (PKV) auf Zusatzangebote Die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ist nach dem Solidarprinzip organisiert, das heißt die laufenden Ausgaben werden im Umlageverfahren abgedeckt und Beiträge werden (bis zur Beitragsbemessungsgrenze) einkommensabhängig erhoben. 7 Heute sind beinahe 90 % aller Versicherten in der Gesetzlichen Krankenversicherung organisiert. Die übrigen 10 % der Gesellschaft sind in der Privaten Krankenversicherung (PKV) zusammengefasst, die nach dem Äquivalenzprinzip organisiert ist. Je nach individuellem Gesundheitsrisiko ändert sich die Beitragshöhe für die Versicherten, was Jungen und Starken hilft, alte und schwache Menschen aber benachteiligt. Leistungserbringer erhalten für die Behandlung privat Versicherter eine höhere Honorierung. Mit der Ungleichbehandlung von privat Versicherten und Kassenpatienten muss Schluss ein! Sinnvoll ist, dass private Krankenversicherer zukünftig als zusätzliches Angebot über den Leistungskatalog hinaus beispielsweise Auslandskrankenschutz, Wellness-Angebote und medizinisch nicht notwendige Verfahren anbieten Beibehaltung der paritätischen Finanzierung CDU und FDP wollen die Arbeitgeberbeiträge zukünftig einfrieren. Kostensteigerungen sollen dann nur noch die Arbeitnehmer treffen. Das ist einseitig und ungerecht. Ökonomisch wäre die Beibehaltung des Arbeitgeberbeitrages zur Krankenversicherung sinnvoll, um ein zwingendes Interesse der Arbeitgeber an der Kostenkontrolle auf der Ausgabenseite aufrechtzuerhalten, um massive Beitragssatzsteigerungen zu vermeiden. 3.6 Ausweitung der kostenlosen Familienversicherung und des Sachleistungsprinzips Entsprechend der heutigen Gesetzlichen Krankenversicherung sollen einkommenslose Ehegatten und Kinder in der Versicherung für alle Bürgerinnen und Bürger kostenfrei 7 Bertram Schulin: Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 1 Krankenversicherungsrecht, 14 Rn Vgl. Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung: Nachhaltigkeit in der Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme Bericht der Kommission (sog. Rürup-Kommission ), 2003, S
7 mitversichert sein. Im Gegensatz zur nachträglichen Kostenerstattung in der Privatversicherung beinhaltet das Sachleistungsprinzip, dass der Patient direkt vom Arzt versorgt wird ohne finanziell in Vorleistung treten zu müssen. Dieses Sachleistungsprinzip soll in der Solidarischen Bürgerversicherung generell gelten. 3.7 Die Abschaffung der Praxisgebühr Die Praxisgebühr hat ihre erhoffte Steuerungswirkung verfehlt. Menschen besuchen heute nicht allgemein weniger Fachärzte, sondern sozial schwache Menschen besuchen heute seltener überhaupt einen Arzt. Es ist eine Unverschämtheit, dass eine Gebühr zum Erhalt gesundheitlicher Leistungen zu entrichten ist! Gesundheit als öffentliches Gut soll unabhängig vom Einkommen staatlich garantiert werden. Hier muss die Bundes-SPD Fehler aus der Vergangenheit eingestehen und korrigieren. 3.8 Fazit: JA zur Solidarischen Bürgerversicherung! Die Solidarische Bürgerversicherung ist die richtige Antwort auf die Herausforderungen und Ansprüche für das Gesundheitssystem. Durch die Heranziehung zusätzlicher Einkommensarten wie Kapitalvermögen werden alle zur Finanzierung des Gesundheitssystems herangezogen. Durch die Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze können zudem erhebliche Beitragssatzsenkungen erzielt werden. Statt mit der ungerechten Kopfpauschale, die dem finanzstarken Millionär die gleichen Lasten aufbürdet wie der alleinerziehenden Mutter, ist die Bürgerversicherung sozial ausgewogen: Starke Schulten sollen mehr tragen als schwache Schultern! 7
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