Fixierung und freiheitsentziehende Maßnahmen unter juristischen Aspekten. BvPP-Fachtagung zum Thema Fixierung , Augsburg
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- Gerburg Bauer
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1 Fixierung und freiheitsentziehende Maßnahmen unter juristischen Aspekten BvPP-Fachtagung zum Thema Fixierung , Augsburg, M.mel. Fachanwalt für Medizinrecht
2 I. Einleitung II. III. IV. Definition von freiheitsentziehenden Maßnahmen Zulässigkeit/gesetzliche Grundlage der freiheitsentziehenden Maßnahme Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme V. Haftungsrechtliche Folgen, insbesondere VI. Sturzprophylaxe Resümee - 2
3 I. Einleitung Fixierung und/oder freiheitsentziehende Maßnahmen sind elementare Grundrechtseinschränkungen in das Menschenrecht der körperlichen Unversehrtheit und des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen. Urteile des Bundesverfassungsgerichts zur Zwangsbehandlung im Maßregelvollzug 2011 haben Zwangsbehandlung/-medikation in der forensischen Psychiatrie nur unter strengen inhaltlichen und verfahrensrechtlichen Einschränkungen erlaubt. - 3
4 Die Zwangsbehandlung wird nicht dadurch erlaubt, dass sie zum Zweck der Heilung vorgenommen wird. Selbst die Einwilligung des Betreuers nimmt der Maßnahme nicht den Eingriffscharakter (Bundesverfassungsgericht, Familienrechtzeitung 2011, S ). Selbstbestimmungsrecht des Patienten ist hohes Rechtsgut Bundesverfassungsgericht formuliert ein Recht auf Krankheit - 4
5 Artikel 15 Abs. 1 des Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung: Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden. Insbesondere darf niemand ohne seine freiwillige Zustimmung medizinischen oder wissenschaftlichen Versuchen unterworfen werden Verbot des Eingriffs aufgrund/wegen der Behinderung Keine Zwangsfürsorge im Rahmen einer Altersdiskriminierung - 5
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8 Bundesgerichtshof, Beschluss vom (Zeitschrift Gesundheitsrecht 2012, S. 498): Das Anbringen von Bettgittern sowie die Fixierung im Stuhl mittels eines Beckengurtes stellen freiheitsentziehende Maßnahmen im Sinne des 1906 Abs. 4 BGB dar, wenn der Betroffene durch sie in seiner körperlichen Bewegungsfreiheit eingeschränkt wird. Dieses ist dann der Fall, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Betroffene zu einer willensgesteuerten Aufenthaltsveränderung in der Lage wäre, an der er durch die Maßnahme gehindert wird. - 8
9 II. Definition: Freiheitsentziehende Maßnahmen Entscheidend ist, ob der Betreute durch die getroffene Vorkehrung gegen seinen natürlichen Willen darin gehindert wird, seinen jeweiligen Aufenthaltsort zu verlassen. Erforderlich ist nicht die Feststellung eines konkreten Willens des Betreuten, seinen Aufenthaltsort aktuell zu wechseln. Maßgeblich bleibt, dass der Betreute sich aufgrund der Maßnahme nicht körperlich bewegen könnte, wenn er es will. Freiheitsentziehende Maßnahmen sind Bettgitter, Stecktische, Festbinden, komplizierte Türschließeinrichtungen, auch: sedierende Medikamente. - 9
10 Zwangsbehandlung : Die Durchführung einer individuellen Behandlung unter Überwindung des ihr entgegenstehenden Patientenwillens Zwang ist immer traumatisches Erlebnis Symposium Ruhruniversität Bochum: Gewalt und Psyche die Zwangsbehandlung auf dem Prüfstand - 10
11 III. Zulässigkeit/gesetzliche Grundlage der Zwangsmaßnahmen und Zwangsbehandlung 1906 BGB Genehmigung des Betreuungserichts bei der Unterbringung Abs. 1 Eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, ist nur zulässig, solange sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil 1. aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt, oder - 11
12 Abs. 2 Die Unterbringung ist nur mit Genehmigung des Betreuungsgerichts zulässig. Ohne die Genehmigung ist die Unterbringung nur zulässig, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist; die Genehmigung ist unverzüglich nachzuholen. Abs. 3 Der Betreuer hat die Unterbringung zu beenden, wenn ihre Voraussetzungen wegfallen. Er hat die Beendigung der Unterbringung dem Betreuungsgericht anzuzeigen. - 12
13 Abs. 4 Die Absätze 1 bis 3 gelten entsprechend, wenn dem Betreuten, der sich in einer Anstalt, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung aufhält, ohne untergebracht zu sein, durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente oder auf andere Weise über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig die Freiheit entzogen werden soll. Abs. 5 Die Unterbringung durch einen Bevollmächtigten und die Einwilligung eines Bevollmächtigten in Maßnahmen nach Abs. 4 setzt voraus, dass die Vollmacht schriftlich erteilt ist und die in den Absätzen 1 und 4 genannten Maßnahmen ausdrücklich umfasst. - 13
14 Selbstgefährdung im Sinne von 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB setzt kein zielgerichtetes Handeln voraus. Es genügt, wenn der Betreute seine Gesundheit und sein Leben dadurch gefährdet, dass er beim Verlassen des Heimes planlos und ohne Beachtung des Straßenverkehrs umherirrt und sich hierbei der Gefahr aussetzt, verletzt zu werden oder er nachts ohne Bettgitter aus dem Bett fallen würde. - 14
15 Freiheitsentziehende Maßnahmen sind nur dann angebracht, wenn ein hohes Verletzungsrisiko durch einen Sturz entsteht, eine Gesundheitsgefahr, z. B. durch die Gefahr der Entfernung von Infusionen, besteht, bei aggressivem Verhalten, durch das der Betroffene selbst gefährdet würde, starker Unruhe, die zu gesundheitlicher Beeinträchtigung führt. - 15
16 Einwilligung in die Maßnahme Grundsätzlich entscheiden die einwilligungsfähigen Betroffenen selbst über die Anwendung der freiheitsentziehenden Maßnahme. Sind sie hierzu nicht mehr in der Lage, d. h., soll die Bewegungsfreiheit von nicht einwilligungsfähigen Betroffenen eingeschränkt werden, handelt es sich um eine freiheitsentziehende Maßnahme gem Abs. 4 BGB. Hierüber entscheidet der gesetzliche Vertreter, d. h. der rechtliche Betreuer oder ausreichend Bevollmächtigte. - 16
17 BGH Beschluss vom , Zeitschrift für Gesundheitsrecht 2012, S. 498: Das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen wird nicht dadurch verletzt, dass die Einwilligung eines von ihm Bevollmächtigten in eine freiheitsentziehende Maßnahme der gerichtlichen Genehmigung bedarf. Durch 1906 Abs. 5 Satz 1 (Vorsorgevollmacht) kann auf die notwendige gerichtliche Überprüfung der durch den Bevollmächtigten erteilten Einwilligung nicht verzichtet werden(!). - 17
18 Das Betreuungsgericht hat daher zum Schutz des Betroffenen nicht nur zu überprüfen, ob die Vorsorgevollmacht rechtswirksam ist, sondern auch ob die Vorsorgevollmacht durch den Bevollmächtigten im Sinne des Betroffenen ausgeübt wird. Eine Vorsorgevollmacht kann also ohne gerichtliche Kontrolle nicht erteilt werden. - 18
19 IV. Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme 1906 wird wie folgt in Abs. 3 ergänzt: Widerspricht eine ärztliche Maßnahme nach Abs. 1 Nr. 2 dem natürlichen Willen des Betreuten (ärztliche Zwangsmaßnahme), so kann der Betreuer in sie nur einwilligen, wenn 1. der Betreute aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann. - 19
20 2. zuvor versucht wurde, den Betreuten von der Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme zu überzeugen, 3. die ärztliche Zwangsmaßnahme im Rahmen der Unterbringung nach Abs. 1 zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, um einen drohenden erheblichen gesundheitlichen Schaden abzuwenden, 4. der erhebliche gesundheitliche Schaden durch keine andere, dem Betreuten zumutbare Maßnahme abgewendet werden kann und 5. der zu erwartende Nutzen der ärztlichen Zwangsmaßnahme die zu erwartende Beeinträchtigung deutlich überwiegt. - 20
21 V. Haftungsrecht Insbesondere: Sturz im Pflegeheim und im Krankenhaus Sachverhalt: Es ist nicht notwendig, alle nur erdenklichen Sicherheits- Vorkehrungen zu ergreifen, um Patienten vor Verletzungen, insbesondere durch Stürze zu bewahren. - 21
22 2 Abs. 1 Nr. 1 Heimgesetz: Die Würde sowie die Interessen und Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner von Heimen sind vor Beeinträchtigungen zu schützen. Die Selbstständigkeit, die Selbstbestimmung und die Selbstverantwortung der Bewohnerinnen und Bewohner sind zu wahren und zu fördern. Sorgfältige Abwägung zwischen der Menschenwürde und das Recht auf Fortbewegungsfreiheit einerseits und auf Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit andererseits, insbesondere vor Selbstgefährdungen durch Stürze. - 22
23 Obligatorische Anbringung eines Bettgitters ohne konkrete Hinweise auf eine bestehende Sturzgefahr ist grundsätzlich weder angebracht noch zulässig (BGH NJW 2005, S. 2613). Anbringung eines Bettgitters ist bei einem bewusstseinsklaren Patienten dann unzulässig, wenn dieser ausdrücklich oder konkludent die Maßnahme ablehnt. (OLG Koblenz, GesR 2009, S. 85) - 23
24 Ohne konkreten Anhalt für eine Gefährdung ist ein Alten- oder Pflegeheim nicht verpflichtet, beim Familiengericht die Fixierung oder sonstige freiheitsbeschränkende Maßnahme eines geistig verwirrten und/oder gehbehinderten Heimbewohners zu beantragen. Maßgeblich sind insoweit die Erkenntnisse, die vor dem tatsächlich eingetretenen Schadensereignis gewonnen werden konnten (OLG Koblenz, MedR 2002, S. 472). - 24
25 Ohne Genehmigung des Vormundschaftsgerichts besteht keine Pflicht (und keine Berechtigung!) zur Fixierung eines Heimbewohners. Auch bei einer bloßen körperlichen Behinderung rechtfertigt allein die Hinfälligkeit und Gebrechlichkeit des Bewohners keine speziellen Unterbringungs- oder unterbringungsähnliche Maßnahmen mit freiheitseinschränkendem Charakter wie etwa Fixierung oder das Hochfahren von Bettgittern. (Kammergericht Berlin, GesR 2005, S. 66). - 25
26 Bei Stürzen von Bewohnern im Pflegeheim gilt grundsätzlich die Beweislastumkehr unter dem Gesichtspunkt des voll Beherrschbaren Risikos (Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 3. Aufl., S. 971). Indes ist allein der Umstand, dass ein Heimbewohner im Bereich des Pflegeheims gestürzt ist und sich dabei verletzt hat, nicht automatisch der Schluss gerechtfertigt, dass eine schuldhafte Pflichtverletzung vorliegt. Wenn sich der Bewohner bzw. Patient im Einzelfall in einer konkreten gefahrgeneigten Situation (Untersuchungsliege, Massageliege, Umlagerung, Mobilisierungsmaßnahme) befindet, die eine gesteigerte Obhutspflicht auslöst, ist ein Sturz in aller Regel voll beherrschbar (Martis/Winkhart, wie vor). - 26
27 Der Sturz im Pflegeheim gilt dann als voll beherrschbar, wenn feststeht, dass der Schaden im Zusammenhang mit den konkret geschuldeten Hilfeleistungen entstanden ist, sich also ein Risiko im Herrschaftsbereich des Krankenhaus- oder Heimträgers im Rahmen der unmittelbaren Betreuung des Patienten bzw. Bewohners verwirklicht hat. - 27
28 Die Obhutspflichten des Heimträgers zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit der ihm anvertrauten Heimbewohner ist begrenzt auf die in Pflegeheimen üblichen Maßnahmen, die mit einem vernünftigen finanziellen und personellen Aufwand realisierbar sind. Maßstab muss dabei das Erforderliche und das für die Heimbewohner und das Pflegepersonal Zumutbare sein. (BGH Entscheidung vom , NJW 2005, S. 1937) - 28
29 Aktuell OLG Jena, Urteil vom , GesR 2012, S. 500: Bei sturzgefährdeten Patienten ist anerkannt, dass dem Krankenhausträger im Rahmen seiner vertraglichen Obhutspflicht obliegt, diesen Patienten zu überwachen und ihn vor Krankheitsbedingten Selbstgefährdungen und Selbstschädigungen (hier: Sturz) zu schützen. Umfang und Ausmaß der dem Krankenhaus obliegenden Pflege und Betreuung richten sich insoweit in erster Linie nach dem jeweiligen Gesundheitszustand des Patienten. Konkret und aus Sicht der Klinik (ex ante) kommt es darauf an, ob im Einzelfall wegen der Verfassung des Patienten damit gerechnet werden muss, dass sich der sturzgefährdete Patient ohne eine besondere Sicherung selbst schädigen wird. - 29
30 Andererseits schließt aber auch ein zunächst pflegerisch noch beherrschbarer Zustand des Patienten nicht aus, dass sich die zunächst nur latente Sturzgefahr zu einer konkreten Gefahrenlage zuspitzt, aus der eine gesteigerte Obhutspflicht des Klinikträgers erwächst, die Anlass für vorbeugende und sichernde Maßnahmen des ärztlichen und pflegerischen Personals erforderlich machen. Entscheidend hierfür ist, ob es vor den jeweiligen Sturzereignissen Hinweise auf eine konkrete (akute) Sturzgefährdung gibt, Die dann Anlass dafür ist, weitere Maßnahmen zur Überwachung und Sicherung des Patienten selbst zu ergreifen - 30
31 VI. Resümee - Fixierung oder freiheitsentziehende Maßnahmen sind traumatische Eingriffe in das Menschenrecht - Rechtsstaatliche Einschränkungen sind unbedingt zu beachten 1. nur zum Wohl des Betreuten 2. nur im Einverständnis mit Betreuten 3. oder mit Einwilligung des Betreuers und mit Kontrolle durch das Betreuungsgericht - Haftungsrechtliche und betreuungsrechtliche Urteile sehen Pflegealltag und wollen (dennoch) Recht des Betreuten stärken! - 31
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