Zukunft des Europäischen Sozialfonds in Deutschland ab 2014
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- Käthe Bader
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1 Zukunft des Europäischen Sozialfonds in Deutschland ab 2014 Positionspapier der ESF-Verwaltungsbehörden von Bund und Ländern zu den Legislativvorschlägen der Europäischen Kommission zur Kohäsionspolitik Vorbemerkung Mit dem vorliegenden Positionspapier beziehen die ESF-Verwaltungsbehörden von Bund und Ländern zu wesentlichen Eckpfeilern der vorgeschlagenen künftigen Ausgestaltung des ESF kritisch Position. Der ESF ist das wichtigste arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitische Förderinstrument der EU und trägt erheblich zur Umsetzung der Strategie Europa 2020 bei. Eine zielgerichtete auf nationale und regionale Bedürfnisse ausgerichtete ESF Förderung fördert substanziell die Integration von Menschen in den Arbeitsmarkt und deren Beschäftigungsfähigkeit. Diesen Ansatz wollen wir auch in Zukunft erfolgreich für die Menschen umsetzen und sichern. Die von der Europäischen Kommission vorgelegten Verordnungsentwürfe für die Förderperiode ab 2014 (Allgemeine Verordnung und ESF Verordnung) sind in wesentlichen Punkten nicht geeignet, die Wirksamkeit, Vielfalt und Flexibilität des Europäischen Sozialfonds und seiner Programme auch ab 2014 zu erhalten. Wir befürchten, dass materielle, finanzielle und administrative Erschwernisse die inhaltlichen Fördermöglichkeiten des ESF erheblich einschränken und hierdurch nationalen und regionalen Problemlagen zukünftig nicht mehr adäquat begegnet werden kann. die Europäische Kommission einen unverhältnismäßigen Einfluss auf die nationalen und regionalen Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitiken nimmt. finanzielle Sanktionsmechanismen bei fehlender Zielerreichung die für die Projektarbeit notwendige Planungssicherheit gefährden. vorwiegend standardisierte und hinsichtlich der Zielvorgaben leicht erfüllbare ESF- Programme konzipiert und damit innovative und ergebnisoffene Förderansätze zurückgedrängt werden. unkalkulierbare Anlastungsrisiken für die Haushalte von Bund und Ländern entstehen. 1
2 Unser gemeinsames Ziel ist es, den ESF auch ab 2014 erfolgreich umzusetzen. Dazu brauchen wir aber Gestaltungsspielräume, Planungssicherheit sowie einen effektiven und flexiblen Rahmen, der nicht zu bürokratisch ist und die eigentliche Umsetzung behindert. Nur so können wir den europäischen Mehrwert und die hohe Akzeptanz für den ESF erhalten. 2
3 Zukunft des Europäischen Sozialfonds in Deutschland ab 2014 Positionspapier der ESF-Verwaltungsbehörden von Bund und Ländern zu den Legislativvorschlägen der Europäischen Kommission zur Kohäsionspolitik Teil I: Übergeordnete Eckpunkte Partnerschaftsvereinbarung (Art AllgVO): Der Verordnungsentwurf sieht eine Partnerschaftsvereinbarung vor, welche zwischen dem Mitgliedstaat und der Kommission abgeschlossen werden soll und die den Rahmen für den Einsatz der EU-Mittel bildet. In dieser Partnerschaftsvereinbarung sind nach den Vorstellungen der Europäischen Kommission nicht nur die Kernelemente aller Operationellen Programme des jeweiligen Mitgliedstaates darzustellen, sondern auch die politischen Strategien sowie damit verbundene verbindliche Indikatoren und Meilensteine. Abweichungen ziehen Sanktionen nach sich. Die ESF-Verwaltungsbehörden von Bund und Ländern sprechen sich dafür aus, die Vorschriften über die Partnerschaftsvereinbarung grundlegend zu überarbeiten. Es handelt sich um eine einseitige Verpflichtungserklärung des Bundes und der Länder gegenüber der Europäischen Kommission. Insbesondere durch die in der Partnerschaftsvereinbarung verankerten Konditionalitäten und Sanktionsmechanismen würde der Kontroll- und Verwaltungsaufwand für die vielfältige und föderal strukturierte ESF-Förderung in Deutschland noch weiter zunehmen. Zudem wären im Zuge der Sanktionsmechanismen schwer kalkulierbare und unzumutbare Anlastungsrisiken für die nationalen Haushalte nicht auszuschließen. Die Partnerschaftsvereinbarung sollte lediglich die strategischen ESF- Prioritäten und ESF-Ziele auf der Ebene der Mitgliedstaaten enthalten, da sie sonst angesichts der unterschiedlichen Kompetenz- und Zuständigkeitsverteilung insbesondere bei einer föderal organisierten und regional ausgerichteten ESF-Förderung wie in Deutschland nicht mehr handhabbar wäre. ESF-Mindestanteil (Art. 84 Ziff.3 AllgVO): Die Verordnungsentwürfe sehen für die stärker entwickelten Gebiete einen ESF-Anteil von mindestens 52 % und für Übergangsregionen einen ESF-Anteil von mindestens 40 % und mindestens 25 % für die weniger entwickelten Regionen vor. Die ESF-Verwaltungsbehörden von Bund und Ländern unterstützten die elementar wichtige Rolle, die dem ESF im Rahmen der 3
4 europäischen Kohäsionspolitik und der Strategie Europa 2020 zukommen soll. In Anlehnung an den Vorschlag der Europäischen Kommission wird ein substanzieller ESF-Anteil an den zur Verfügung stehenden Gesamtmitteln der drei Fonds (EFRE + ESF + Kohäsionsfonds) zur Erfüllung der ESF-relevanten Europa 2020 Ziele (u.a. Beschäftigungserhöhung, Senkung der Schulabbrecherquote, Erhöhung tertiärer Bildungsabschlüsse, Armutsbekämpfung) befürwortet. Thematische Konzentration (Art. 4 ESF-VO): Der Verordnungsentwurf sieht eine Konzentration von 80 % der ESF-Mittel in stärker entwickelten Regionen, 70 % in Übergangsregionen und 60 % in weniger entwickelten Regionen auf max. 4 von 18 Interventionsprioritäten vor. Grundsätzlich wird seitens der ESF- Verwaltungsbehörden von Bund und Ländern eine thematische Konzentration der ESF- Förderung im Hinblick auf eine höhere Effektivität und einen zielgerichteten Einsatz der ESF-Mittel insbesondere auch bezogen auf die Ziele der Europa 2020 Strategie begrüßt. Die ESF-Verwaltungsbehörden von Bund und Ländern weisen darauf hin, dass die insgesamt 18 ESF-Interventionsprioritäten im Hinblick auf ihren Inhalt und Umfang seitens der Europäischen Kommission hinreichend flexibel zu gestalten sind. Eine Konzentration der ESF-Mittel auf eine limitierte Anzahl von ESF-Interventionsprioritäten wird daher nur unter der Bedingung akzeptiert, dass es Ermessensspielräume gibt, zu welchen thematisch passenden ESF- Interventionsprioritäten einzelne ESF-Programme zugeordnet werden und diese auf OP-Ebene gelten (d. h. zwischen einzelnen OPs können diese unterschiedlich ausfallen). Falls dies nicht gewährleistet ist, müsste die vorgeschlagene hohe Konzentration neu bestimmt werden, da diese nicht geeignet ist, die Anpassung des ESF an die jeweiligen regionalen Besonderheiten zu gewährleisten. Ex-ante-Konditionalitäten (u.a. Art Anhang IV AllgVO): Der Verordnungsentwurf enthält eine 22 Seiten lange Liste an Vorbedingungen (Ex-ante- Konditionalitäten), die nach Ansicht der Europäischen Kommission vom Mitgliedstaat bzw. den Ländern erfüllt werden müssen und bei Nichterfüllung finanziell sanktioniert werden. Die Vorgaben reichen von allgemein gehaltenen Bestimmungen, die in Deutschland als erfüllt gelten können, bis hin zu sehr detaillierten Regelungen. Darzustellen ist auch eine Reihe nationaler Strategien. Die ESF-Verwaltungsbehörden von Bund und Ländern lehnen in Anlehnung an die Position der Bundesregierung zu Konditionalitäten vom Juni 2011 die vorgeschlagenen ESF-relevanten Ex-ante-Konditionalitäten, die der Europäischen Kommission die Deutungshoheit inkl. etwaiger Sanktionsmechanismen (u. a. Zahlungsaussetzungen) bezüglich nationaler Politikziele und Strategien i.s. von Strukturreformkonditionalitäten ermöglichen, strikt ab. Generell sollten sich die Ex-ante- 4
5 Konditionalitäten auf Bereiche beschränken, die im Rahmen der ESF-Programmumsetzung beeinflussbar sind. Zudem sollen die Ex-ante-Konditionalitäten sicherstellen, dass Strukturen und Verfahren zu einer effizienten ESF-Umsetzung zu Beginn einer Förderperiode vorhanden sind und eine ordnungsgemäße ESF-Umsetzung gewährleistet werden kann. Alle darüber hinaus gehenden Ex-ante-Konditionalitäten müssen aus der Sicht der ESF- Verwaltungsbehörden gestrichen werden. Verstärkte Ergebnisorientierung (Art. 18 ff AllgVO): Die ESF-Verwaltungsbehörden von Bund und Ländern begrüßen grundsätzlich das Ziel einer verstärkten Ergebnisorientierung bei der ESF-Förderung. Die Einführung einer Leistungsgebundenen Reserve gekoppelt mit einer verstärkten Ergebniskontrolle über ein limitiertes Set an quantifizierbaren ESF-Zielen (u. a. über gemeinsame ESF-Indikatoren) auf der Ebene der einzelnen OPs, ist im Hinblick auf einen effektiven und effizienten ESF-Mitteleinsatz klarer zu definieren. Es ist nach wie vor unklar, auf Grundlage welcher konkreter Indikatoren und welcher konkreter Sanktionsmechanismen die Zuteilung der zum Teil erheblichen Beträge gerecht und nachvollziehbar geregelt werden soll. Zudem werden Sanktionsmechanismen, die zur Suspendierung/Streichung von ESF-Mitteln und damit zu unkalkulierbaren Haftungsrisiken in den Haushalten von Bund und Ländern führen (z. B. bei Nicht-Erfüllung von Zielen oder bei aus Sicht der Europäischen Kommission ungenügender Beachtung der länderspezifischen Empfehlungen zur Beschäftigungspolitik), strikt abgelehnt. Teil II: Durchführungsbezogene Eckpunkte Akkreditierungsverfahren (Art. 117 AllgVO): Neben den bewährten Verwaltungsstrukturen soll nach Vorstellungen der Europäischen Kommission zukünftig eine weitere Prüfeinrichtung (Akkreditierungsstelle) eingerichtet werden. Für die Strukturfonds bedeutet das Akkreditierungsverfahren und die Etablierung einer zusätzlichen Akkreditierungsbehörde ein mehr an Verwaltung, Bürokratie, Kosten und Komplexität, dem kein Mehrwert oder Nutzen gegenübersteht. Bisher wurde die Zertifizierung der Verwaltungs- und Kontrollsysteme für jedes Operationelle Programm von nationalen Prüfeinrichtungen erstellt und von der Europäischen Kommission genehmigt. Aufgrund des bisherigen Genehmigungsverfahrens gab es eine ausreichende Sicherheit, dass die Systeme auch aus Kommissionssicht funktionieren. Diese Rechtsicherheit entfällt nun, da die Akkreditierung nur von einer (erst zu etablierenden) zusätzlichen nationalen Einrichtung 5
6 vorgenommen werden soll. Bund und Länder haben sich daher auch bei den Verhandlungen zur EU-Haushaltsordnung gegen einen Systemwechsel und für eine Optimierung der bestehenden Systeme ausgesprochen, statt zusätzliche Strukturen zu etablieren, die nicht per se zu einer Erhöhung der Verwaltungsqualität führen. Insgesamt entsteht der Eindruck, dass die Europäische Kommission durch ständige Umstrukturierung eher zusätzlichen Verwaltungsund Personalaufwand schafft als zur Effektivität des Systems beiträgt. Dies zeigt sich auch in dem Vorschlag, zukünftig die Prüfbehörde bei Programmen mit Gesamtkosten von über 250 Mio. Euro nicht mehr in der gleichen öffentlichen Einrichtung unterzubringen wie die Verwaltungsbehörden. Hingegen können die bisher getrennten Verwaltungs- und Bescheinigungsbehörden wieder zusammengefasst werden. Jährliche Zuverlässigkeitserklärung (Art. 76, 64 AllgVO): Der Verordnungsentwurf sieht einen jährlichen Rechnungsabschluss vor. Demnach sollen die Verwaltungs- und Prüfbehörden jährliche Zuverlässigkeitserklärungen über das Funktionieren der Systeme abgeben vergleichbar mit der bisherigen Abschlusserklärung einer gesamten Förderperiode. Dies erfordert unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand ohne erkennbaren Mehrwert. Dieser dem Agrarbereich entlehnte Ansatz lässt sich nicht auf den ESF übertragen und ist nicht mit der Komplexität der Strukturfonds vereinbar. Ein jährlicher Abschluss wird dem Charakter der aus den Strukturfonds geförderten oft mehrjährigen Projekte nicht gerecht. Befugnisübertragungen/Delegierte Rechtsakte: Kritisch zu bewerten sind die in den Verordnungsvorschlägen an maßgebenden Stellen verankerten Ermächtigungen zum Erlass von Durchführungsrechtsakten bzw. sog. delegierten Rechtsakten (vgl. statt vieler: Erwägungsgrund 88 der AllgVO). Hier räumt sich die Europäische Kommission Handlungsspielräume ein, deren Ausmaß nicht abschätzbar und somit einer kritischen Beurteilung, Rechtssicherheit und Transparenz entzogen ist. Besonders heikel und risikoreich sind hierbei die Bereiche Finanzkorrekturen (Art. 136 Abs.4, 6 AllgVO) und die Änderungskompetenz für die Anhänge I und V zur AllgVO (Art. 141 AllgVO). Finanzkorrekturen und Zahlungsaussetzungen: Der Umfang der Tatbestände, die Finanzkorrekturen und Zahlungsaussetzungen nach sich ziehen können, wurde erheblich erweitert (z. B. Zielverfehlungen Art. 20 Abs. 4 AllgVo). Dem gegenüber wurden tatbestandliche Voraussetzungen nicht klar gefasst, sondern lassen der Europäischen Kommission weite Spielräume für Eingriffe. Erfasst werden nun z. B. auch abstrakte Gefährdungslagen (Art. 77 Abs.2 AllgVO), d. h. bereits die Möglichkeit von 6
7 Auswirkungen bzw. das Risiko von Auswirkungen kann Finanzkorrekturen auslösen. Derartiges führt wiederum zu unkalkulierbaren Haushaltsrisiken für Bund und Länder sowie zu einer Verringerung der Planungssicherheit. E-Kohäsion: Die beabsichtigte Umstellung des gesamten Informationsaustauschs zwischen Empfängern und Verwaltungsbehörden, Bescheinigungsbehörden, Prüfbehörden und zwischengeschalteten Stellen über elektronische Datensysteme ( E-Cohesion ) bis zum ist nicht realistisch. Für eine solche Verpflichtung zum vollständigen elektronischen Informationsaustausch müssen folgende Fragen geklärt werden: Datenschutz, Datensicherheit, durchgängige Berücksichtigung der nationalen Sicherheitsstandards aller Beteiligten auch außerhalb der Verwaltung, Kompatibilität mit bisher eingeführten Systemen, elektronische Signatur und Verlässlichkeit und Authentizität von Ausgaben- und Zahlungsbelegen. Eine Übertragung auf elektronische Medien führt nicht automatisch zur Senkung der Bürokratiekosten. Eigenständige Operationelle Programme von Bund und Ländern: Die ESF-Verwaltungsbehörden von Bund und Ländern befürworten vor dem Hintergrund starker regionaler Unterschiede das bisherige erfolgreiche Modell fortzuführen (Kontinuitätsansatz), d. h. eigenständige Operationelle ESF-Programme der Länder sowie ein eigenständiges ESF- Bundes-OP für Gesamtdeutschland ab 2014ff. Getrennte OPs sichern klare Verantwortungsteilung und Transparenz in den Zuständigkeiten, z. B. bei Aussetzungen von Zahlungen und Unregelmäßigkeiten. 7
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