Grundlagen der Kulturwissenschaften
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- Linus Straub
- vor 8 Jahren
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1 Fakultät für Sprach-, Literatur- & Kulturwissenschaften Professur für Neuere deutsche Literatur & Kulturgeschichte PD Dr. Ulrich Fröschle Grundlagen der Kulturwissenschaften 2. und 3. Übung
2 ABLAUF 1. Grundlagen der Rhetorik 2. Topik / Raum als Analysekategorie
3 1. Rhetorik
4 Fünf Stadien der Redeproduktion: 2 1.) inventio Findung der Argumente Topik 2.) dispositio Auswahl und Anordnung der Gedanken 3.) elocutio sprachliche Darstellung, Vertextung; dabei Stilqualität beachten, Ausschmückung mit rhetorischen Figuren 4.) memoria Einüben der Rede (verliert im Schreibprozess an Bedeutung) 5.) pronuntiatio/actio wirkungsvoller Vortrag, Aufführung (bei schriftlicher Form: wirkungsvolle Präsentation)
5 Die vier Redeteile: 1.) exordium (Anfang) 22.) narratio (Erzählung) 3.) argumentatio (Beweisführung) -probatio(beweisbekräftigung) - refutatio (Widerlegung der gegnerischen Position) 4.) peroratio (Redeschluss)
6 Vier Stilnormen (Cicero): 1.) grammatisch korrekt 2.) klar und verständlich 3.) geschmückt 4.) Angemessenheit der Rede
7 Die drei Stilebenen - der einfache Stil (genus subtile) - der mittlere Stil (genus medium) - der hohe Stile (genus grande)
8 Sprachfiguren: Redeschmuck und Denkformen Tropen - Sprungtrope: Metapher - Grenzverschiebungstrope: Metonymie Metaphorisches Denken, Analogieschlüsse - Kognitionsverfahren - Inverse Semantik (Gerhard Luhn)
9 2. Topik
10 [E]in topos allgemeinster Art ist Betonung der Unfähigkeit, dem Stoff gerecht zu werden ; ein topos der Lobrede: Lob der Vorfahren und ihrer Taten. Im Altertum wurden Sammlungen von solchen topoi angelegt. Die Lehre von den topoi Topik genannt wurde in eigenen Schriften behandelt. / Die topoi sind also ursprünglich Hilfsmittel für die Ausarbeitung von Reden. Sie sind, wie Quintilian [ ] sagt, Fundgruben für den Gedankengang [ ]. Sie werden Klischees, die literarisch allgemein verwendbar sind, sie breiten sich über alle Gebiete des literarisch erfaßten und geformten Lebens aus. Ernst Robert Curtius: Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter (1947)
11 1.) Topik als Erinnerungslehre 2.) Topik als ein Kategoriensystem, das die Technik schlüssiger Argumentation vermittelt (Aristoteles) (z.b. Kausalschlüsse, Vergleichsschlüsse, Einordnungsschlüsse) 3.) Topik als Suchhilfe, ein Raster zum Auffinden der Argumente (Quintilian; Cicero) (Topoi, die auf Personen [loci a persona]und solche, die auf Sachen basieren [loci a re]) 4.) Topik als ein Bestand von Exempeln, Themen und Mustergeschichten, oft bezogen auf die Gemeinplätze (loci communis) 5.) Topik als eine Grundstruktur menschlichen Denkens und Orientierens Siehe dazu Lothar Bornscheuer: Topik. Zur Struktur der gesellschaftlichen Einbildungskraft, Frankfurt/Main 1976
12 Die Denkfigur als Pathosformel oder Energieconserve (Aby Warburg) z.b.: Das andere Deutschland / Struktur: Oberfläche Tiefe Denn was heute unter dem wüsten oberflächenschorf noch halb im traume sich zu regen beginnt, das geheime Deutschland, das einzig lebendige in dieser zeit, das ist hier, nur hier zu wort gekommen. (Karl Wolfskehl 1910) Ich nenne uns Volk Hölderlins, weil es zutiefst im deutschen Wesen liegt, dass sein innerster Glutkern unendlich weit unter der Schlackenkruste, die seine Oberfläche ist, nur in einem geheimen Deutschland zutage tritt. (Norbert von Hellingrath 1915)
13 # Hier eine Aktualisierung des Topos im sozialistischen Exil Vgl. auch später die DDR mit ihren Gründungsmythen!
14 Raum als Analysekategorie der spatial / topographical turn spatial turn => Geographie; Edward W. Soja topographical turn => Sigrid Weigel Der Raum ist hier nicht mehr Ursache oder Grund, von der oder dem die Ereignisse und deren Erzählung ihren Ausgang nehmen, er wird selbst vielmehr als eine Art Text betrachtet, dessen Zeichen oder Spuren semiotisch, grammatologisch oder archäologisch zu entziffern sind. Pionier-Denker: Jurij Lotman: Die Struktur literarischer Texte, München 1972
15 Friedrich Hölderlin: Der Tod fürs Vaterland [ Außenraum realitätsähnliche Schlachtbeschreibung:] Du kömmst, o Schlacht! schon wogen die Jünglinge Hinab von ihren Hügeln, hinab in's Tal, Wo keck herauf die Würger dringen, Sicher der Kunst und des Arms, doch sichrer Kömmt über sie die Seele der Jünglinge, Denn die Gerechten schlagen, wie Zauberer, Und ihre Vaterlandsgesänge Lähmen die Knie den Ehrelosen. [Raumstruktur: Oben/unten; semantische Aufladung räumlicher Struktur/Wertungen; Bindung Figurengruppen an Ortsbestimmungen usw.]
16 [ Innenraum imaginierte Anrede, Seelenraum:] O nimmt mich, nimmt mich mit in die Reihen auf, Damit ich einst nicht sterbe gemeinen Tods! Umsonst zu sterben, lieb' ich nicht, doch Lieb' ich, zu fallen am Opferhügel Für's Vaterland, zu bluten des Herzens Blut Für's Vaterland und bald ist's gescheh'n! Zu euch Ihr Teuern! komm' ich, die mich leben Lehrten und sterben, zu euch hinunter! [Oben/unten übernommen und verlagert: Figuren hier lyrisches Ich, das eigenen Schlachtentod am Opferhügel imaginiert, und die Teuern unten; räumliche Bewegungslinie der Schlacht wird übernommen und fortgeführt: vom symbolisch beladenen Opferhügel hinunter ins Elysium, Ort der seliger Helden]
17 [Raum der Toten/unterirdisch: Figuren der Helden und Dichter sowie lyrisches Ich unten im Elysium und damit zugleich erhoben] Wie oft im Lichte dürstet' ich euch zu seh'n, Ihr Helden und ihr Dichter aus alter Zeit! Nun grüßt ihr freundlich den geringen Fremdling und brüderlich ist's hier unten; Und Siegesboten kommen herab: Die Schlacht Ist unser! Lebe droben, o Vaterland, Und zähle nicht die Toten! Dir ist, Liebes! nicht Einer zu viel gefallen. [Gedicht operiert systematisch mit Raumstruktur; sujethaltig (Lotman), also ereignishaltiges Gedicht, da semantische Grenze zwischen Leben und Tod überschritten; Beispiel für Sinnbildung mit räumlichen Operatoren!]
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