Dr. Franziska Brantner Mitglied des Deutschen Bundestages
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1 Dr. Franziska Brantner Mitglied des Deutschen Bundestages Dr. Franziska Brantner, MdB WK Büro Bergheimerstr Heidelberg Asylarbeitskreis Heidelberg e.v. Plöck Heidelberg Heidelberg, den Sehr geehrte Mia Lindemann, liebe Engagierte beim Asylarbeitskreis Heidelberg, anbei finden Sie die Stellungnahme von Franziska Brantner zu den Anfang August übersandten Fragen mit Bezug zu verschiedenen Themen im Vorfeld der Bundestagswahl. Mit freundlichen Grüßen, i.a. Jan Becht Abschiebungen -Wie steht Ihre Partei zu Abschiebungen in Krisen- bzw. Kriegsgebiete, wie z.b. Afghanistan oder Irak? Wir Grüne im Bundestag setzen uns für effiziente und faire Asylverfahren ein. Nicht jeder, der zu uns kommt, wird in Deutschland bleiben können. Wird ein Asylantrag abgelehnt und gibt es keine weiteren Gründe, die einer Rückkehr entgegenstehen (wie gute Integration, Krankheit o- der die familiäre Situation), hat für uns die freiwillige Rückkehr Vorrang vor Abschiebungen. Aber: Keine Abschiebungen in Krisen- und Konfliktländer wie Afghanistan. Wir brauchen faire und schnelle Verfahren, bei denen der Einzelne im Mittelpunkt steht. Auch für Menschen, die in Deutschland kein Aufenthaltsrecht erhalten haben, gelten die Menschenrechte. Für uns steht das Schicksal des einzelnen Menschen im Mittelpunkt. -Werden Sie sich für einen bundesweiten Abschiebestopp in diese Länder einsetzen? Ja, das ist das Ziel. Zum jetzigen Zeitpunkt und in Bezug auf Baden-Württemberg möchte ich ergänzen: Selbstverständlich haben die Grünen in der Regierung in Baden-Württemberg die Frage Wahlkreisbüro Bergheimerstr Heidelberg phone: +49 (0) 6221 / fax: + 49 (0) 6221 / franziska.brantner.ma04@bundestag.de internet:
2 eines Abschiebestopps geprüft. Ein Stopp wäre aber nur für 3 Monate möglich gewesen. An der Situation der hier lebenden Afghanen hätte sich dadurch nichts geändert. Nach drei Monaten hätte der alte Rechtszustand, den die Bundesregierung vorgibt, wieder gegolten. Aus diesem Grunde haben sich Die Grünen in Baden-Württemberg für diesen Weg entschieden und mit der CDU vereinbart: Solange es keinen bundesweiten auf Dauer gültigen Abschiebestopp gibt, bleiben Abschiebungen auf rechtskräftig verurteilte Straftäter und Gefährder beschränkt. Familien und insbesondere Kinder werden nicht abgeschoben. Als zusätzliche Schutzmaßnahme müssen die Ausländerbehörden regelmäßig bei allen Flüchtlingen mit nur vorübergehendem Schutzstatus regelmäßig überprüfen, ob nicht inzwischen die Voraussetzungen für ein Bleiberecht auf Dauer vorliegen. Das wurde bisher unterlassen. Migrationsbekämpfung -Wie steht Ihre Partei zu den Versuchen, Abkommen mit Ländern wie Libyen, Mali und Niger zur Abwehr der Migration zu treffen? Etwaige Abkommen mit nordafrikanischen Ländern betrachten wir als falsch, da die Menschenrechte und die Genfer Flüchtlingskonventionen in den Ländern nicht durchgesetzt werden. Nicht nur im Fall von Libyen bestehen große Fragezeichen in Sachen Rechtsstaatlichkeit und Einhaltung humanitärer Standards. Statt Flüchtlingen wollen wir Fluchtursachen bekämpfen: Einen gerechten Handel, eine gerechte Agrar- und Fischereipolitik, ein konsequentes Eintreten für Menschenrechte und Demokratie in den afrikanischen Ländern und ein Stopp von Rüstungsexporten. -Wie steht Ihre Partei zur Seenotrettung durch NGO's und deren Behinderung? Wir stehen für eine menschenrechtliche Flüchtlingspolitik, in der Seenotrettung im Vordergrund stehen muss. Den humanitären Organisationen auf See muss unsere Hochachtung und unser Dank für ihren Einsatz gelten statt ihre Arbeit zu behindern. Die Verantwortung für die starken Flüchtlingsbewegungen im Mittelmeer liegt nicht bei ihnen. Wir brauchen endlich legale Wege für Flüchtlinge in die Europäische Union (EU) insbesondere mithilfe eines großzügigen, langfristig angelegten und auch verlässlichen Aufnahmeangebots im Rahmen des Resettlement-Programms des Flüchtlingshilfswerkes der Vereinten Nationen (UNHCR). Auch unser Land soll endlich seine Aufnahmezusagen zur Umverteilung von Schutzsuchenden aus Italien und Griechenland nach Deutschland einhalten. Und schließlich braucht es endlich eine durch die EU unterstützte zivile Seenotrettung im Mittelmeer. Rechte von geflüchteten Kindern und Jugendlichen -Wie wird sich Ihre Partei für die Einhaltung der Kinderrechte für geflüchtete Kinder und Jugendliche einsetzen? Wie steht Ihre Partei zu dem universellen Anspruch der Kinderrechte? Wie möchten Sie die Gleichbehandlung und den Schutz vor Diskriminierung konkret sicherstellen? Die Bedeutung der Kinderrechte kann nicht groß genug geschrieben werden. Wir setzen uns deshalb für die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz ein um ihrem universellen Anspruch 2
3 besser und wirksamer Rechnung tragen zu können. Konkret benötigen wir die Gleichstellung aller Kinder und Jugendlichen, die sich hier in Deutschland befinden egal, wo sie geboren wurden. Das beinhaltet beispielsweise die Möglichkeit, in die Kita oder zur Schule zu gehen, eine ausreichende gesundheitliche Versorgung zu erhalten, Angebote der Jugendhilfe zu bekommen oder auch in Vereinen und bei Freizeitangeboten mitzumachen. Hunderttausende geflüchtete Kinder und Jugendliche leben in unsicheren Verhältnissen. Sie warten auf sichere Aufenthaltstitel, leben in Massenunterkünften ohne Privatsphäre oder ausreichend Spielmöglichkeiten. Sprachkurse, Schulbildung und Ausbildung stehen nicht jedem offen, sondern hängen stark von aufenthaltsrechtlichem Status und dem Angebot vor Ort ab. Das gilt auch für Angebote der Kinder- und Jugendhilfe, die regional sehr unterschiedlich sind und häufig vom Engagement einzelner Personen abhängen. Doch Kinderrechte müssen überall in Deutschland verlässlich gewährleistet werden. Wichtig ist auch der verbesserte Zugang zu psychotherapeutischer und psychosozialer Versorgung. In Flüchtlingsunterkünften muss ein umfassender und deutschlandweit standardisierter Gewaltschutz eingeführt werden für alle vulnerablen Gruppen, seien es Kinder, Jugendliche, Frauen, LGBTIQ etc. -Wie wollen Sie den Übergang für junge volljährige Flüchtlinge aus der Kinder- und Jugendhilfe verbessern? Viele Kinder und Jugendliche werden weiterhin systematisch vom Bildungssystem ausgeschlossen. Dies verstößt u.a. gegen die UN-Kinderrechtskonvention und das Recht auf Bildung". Über 16- Jährigen muss die Möglichkeit gegeben werden, einen Schulabschluss nachzuholen. Die Kinder- und Jugendhilfe rein auf die Versorgung von Minderjährigen zu konzentrieren hätte gesamtgesellschaftlich erheblich negative Effekte, sowohl volkswirtschaftlich als auch für die jungen Geflüchteten. Junge Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft werden bis Mitte 20 auf unterschiedliche Weise unterstützt. Das sollte auch für Geflüchtete gelten. Im Falle von UMF wäre es falsch, wenn sie mitten im Integrationsprozess aus der Jugendhilfe gedrängt würden. Alles andere würde die Bemühungen, die vor dem 18. Geburtstag stattfanden, zunichtemachen. Eine solche Altersgrenze benachteiligt besonders weibliche Geflüchtete, da diese oftmals erst spät den Sprung aus problematischen Familienverhältnissen in die Jugendhilfe schaffen. Familienzusammenführung Der Schutz der Familie ist nicht nur im Grundgesetz, sondern auch auf europa- und völkerrechtlicher Ebene verbrieft. Dennoch wird das Recht auf Einheit der Familie von subsidiär geschützten geflüchteten Menschen in ungerechtfertigter Weise eingeschränkt. Der Leidensdruck ist für die Betroffenen oft unerträglich. -Wird sich Ihre Partei dafür einsetzen, dass der Familiennachzug unabhängig vom Aufenthaltsstatus ohne Verzögerung gewährt wird? Der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten muss wieder ermöglicht werden. Hier geht es um Kinder und gegebenenfalls Ehepartner. Es ist einer der wenigen legalen Wege um nach Deutschland zu kommen ohne von Schleppern abhängig zu sein. Es ist einer der wenigen Wege bei dem die deutschen Behörden wissen, wer nach Deutschland kommt. Warum gerade die Kinder die gefährliche Fahrt über das Mittelmeer auf sich nehmen sollen ist für uns nicht nachvollziehbar. Die Visumsverfahren zum Zwecke der Familienzusammenführung müssen beschleunigt 3
4 und entbürokratisiert werden. Auch wollen wir mehr Personal an den deutschen Botschaften einsetzen, um die Wartezeiten für Familienangehörigen-Visa zu verkürzen. Außerdem: Wer tagtäglich um das Leben seiner Kinder oder seines Ehepartners fürchten muss, kann sich schlechter auf die neue Gesellschaft einlassen. Rechtsstaatliche Verfahren -Wird sich Ihre Partei dafür einsetzen, rechtsstaatliche Verfahren für Asylantragssteller(innen) in vollem Umfang zu gewährleisten? Wir Grünen setzen uns für ein korrektes rechtsstaatliches Verfahren in jedem Einzelfall ein. Deshalb wollen wir schnellere und fairere Asylverfahren, um das lange Warten auf die Entscheidungen zu verkürzen und bessere Entscheidungen zu erhalten. Dazu brauchen wir eine bessere personelle und finanzielle Ausstattung der zuständigen Behörden sowie der weiteren nötigen Akteure wie Dolmetscher und Jugendämter etc. In Bezug auf Kinder und UMF ist wichtig, dass die Handlungsfähigkeit im Asylverfahren anstatt wie bisher mit 16 Jahren erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres beginnt. Die Asylverfahren müssen sich nicht nur formal stärker als bisher an den Bedürfnissen von Kindern orientieren, kinderspezifische Fluchtgründe müssen als Asylgründe anerkannt werden. Relocation -Wird sich Ihre Partei dafür einsetzen, dass die Umverteilung (relocation) von Geflüchteten aus Italien und Griechenland beschleunigt wird? Werden Sie unterstützen, dass relocation-flüchtlinge nach Heidelberg kommen? Für ein gemeinsames europäisches Asylverfahren sind funktionierende Umverteilungsmaßnahmen eine wichtige Stütze. Die Umverteilung von Geflüchteten aus Italien und Griechenland muss deutlich beschleunigt werden. Bislang hat Deutschland genau wie andere EU-Staaten seine Zusagen nicht eingehalten. Wir unterstützen natürlich auch eine Aufnahme eines Teils dieser Geflüchteten in Heidelberg, weil es hier gute Aufnahmebedingungen und engagierte Menschen in Vereinen, Zivilgesellschaft und Verwaltung gibt, die eine Integration unterstützen können. -Wird sich Ihre Partei dafür einsetzen, dass statt eines menschenfeindlichen Hin- und Hergeschiebes der Flüchtlinge ihre Abschiebung nach Griechenland und Italien ausgesetzt wird? Wir streben an, die sog. Dublin-Verordnung durch eine gerechte und deswegen auch nachhaltige Teilung der Verantwortung bei der Flüchtlingsaufnahme zwischen den Mitgliedstaaten zu ersetzen. Hierbei werden nicht nur die Bevölkerungsstärke und Wirtschaftskraft eines Mitgliedlandes berücksichtigt, sondern auch die Perspektive der Schutzsuchenden (familiäre Bindungen in bestimmte Mitgliedstaaten, Sprachkenntnisse etc.). Wir wollen so Ursachen für die Weiterwanderung von Schutzsuchenden innerhalb der EU gar nicht erst entstehen lassen. Länder, die sich dieser Art der Solidarität verweigern, dürfen die Suche nach einer stabilen Regelung zur Verantwortungsteilung innerhalb der EU nicht länger behindern. Sie sollen in einen speziellen Fonds einzahlen, und damit die finanziellen Mehraufwendungen der aufnehmenden Mitgliedstaaten mittragen. 4
5 Rassismus Gewalt gegen Flüchtlinge -Wie setzt sich Ihre Partei für die Bekämpfung von Rassismus und rechter Gewalt ein? Welche Ressourcen sollen dafür zur Verfügung gestellt werden? Welche konkreten Schritte sind geplant? Wir stehen für eine Bekämpfung rassistischer und rechtsextremer Gewalt mit allen rechtsstaatlichen Mitteln. Dabei treten wir menschenfeindlicher Propaganda entschieden entgegen und stehen für die Stärkung unserer Demokratie sowie Zivilgesellschaft und Prävention. Mit zahlreichen Initiativen setzen wir uns im Bundestag ein für eine Bekämpfung rechter Ideologie und Gewalt sowie die lückenlose Aufarbeitung des Terrors des NSU. Vielerorts stellen sich zivilgesellschaftliche Initiativen dem Hass entgegen. Viele engagierte Menschen in Kommunen, Behörden, Parteien, Vereinen, Verbänden, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften leisten unschätzbar wertvolle Arbeit für unsere Demokratie. Menschenfeindlicher Propaganda muss entschieden durch Förderung staatlicher und zivilgesellschaftlicher Angebote entgegengetreten werden, um ihre menschenfeindlichen Hintergründe offenzulegen. Diese Arbeit muss verlässlich finanziert werden. Wir wollen ein Demokratiefördergesetz auf den Weg bringen, das die dauerhafte Bundesförderung von demokratiefördernden und engagementpolitischen Initiativen und Projekten möglich macht. Der Staat muss Rechtsextremismus, alltäglichen und institutionell verankerten Rassismus mit allen rechtsstaatlichen Mitteln bekämpfen. Sicherheitsbehörden müssen den Blick nach rechts außen schärfen und dazu das breite Wissen zivilgesellschaftlicher Initiativen besser würdigen und als Expertenwissen in ihre Analysen einbeziehen. Am wichtigsten ist jedoch Prävention: Prävention kann, was keine Technik, keine Kamera dieser Welt kann: Demokratie stärken und Straftaten im Vorfeld verhindern. Wir müssen alles unternehmen, damit junge Menschen nicht in menschenverachtende und Gewalt verherrlichende Ideologien abgleiten, seien sie rechtsextremistisch oder islamistisch. Wir fordern eine Bildungsoffensive in Kindertagesstätten und Schulen, die Förderung von Demokratie- und Medienkompetenz junger Menschen sowie eine Stärkung von Beratungsstellen, Jugendverbänden und aufsuchender Jugendarbeit. Auch die Justizvollzugsanstalten sind in den Blick zu nehmen, denn sie waren in der Vergangenheit ebenfalls Stationen der Radikalisierung. Wir wollen Präventionsprogramme gegen Rechtsextremismus, als auch gewaltbereiten Islamismus und Salafismus massiv ausbauen und zivilgesellschaftliche Ansätze stärken. Auch Programme zur Deradikalisierung und für Aussteiger*innen aus der rechtsextremen und islamistischen Szene wollen wir stärken. 5
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