Gebäude-Schadstoffe aus juristischer Sicht
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- Jörn Kalb
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1 DCONex Schadstoff Management: Gebäude-Schadstoffe aus juristischer Sicht - Pflichten und Verantwortung von Eigentümern, Planern und Schadstoff-Sachverständigen - Rechtsanwalt und Notar M. Wilke Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht Königsberger Straße 2, Frankfurt am Main Tel.: (069) Telefax: (069) Vortrag am 24. April 2009
2 Rechtsgebiete Öffentliches Recht Zivilrecht Strafrecht i.d.r. Über-/ Unterordnungsverhältnis Gleichordnung Beispiele: - Bauordnungsrecht - Umweltrecht inkl. Gefahrstoffrecht - Arbeitsschutzrecht Beispiel: -Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Beispiele: -Strafgesetzbuch (StGB) -Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OwiG) Vertragsrecht Deliktsrecht
3 3 Verantwortungs- und Handlungsphasen 1. Erkennen 2. Bewerten 3. Beseitigen - im Falle eines Verdachts - als Vorsorgemaßnahme - Bewertung erkannter Schadstoffe - Entscheidung, ob und wie Beseitigung erfolgt - (vollständige) Beseitigung - Eindämmung vorhandener Gefahren
4 3 Verantwortungs- und Handlungsphasen 1. Erkennen 2. Bewerten 3. Beseitigen öffentlich-rechtlich: Gefahrenabwehr (insbes. nach Bauordnungsrecht) - Eigentümer - Bauherr - Planer zivilrechtlich: Kaufrecht - Eigentümer Werkvertragsrecht - Planer
5 3 Verantwortungs- und Handlungsphasen 1. Erkennen 2. Bewerten 3. Beseitigen öffentlich-rechtlich: Arbeitsschutz - Sachverständiger - Arbeitgeber von Fachunternehmen zivilrechtlich: Werkvertragsrecht - Sachverständiger - Fachunternehmen
6 3 Verantwortungs- und Handlungsphasen 1. Erkennen 2. Bewerten 3. Beseitigen öffentlich-rechtlich: Arbeitsschutz - Bauunternehmen - Entsorgungsunternehmen - SiGeKo / Bauherr Bauordnungsrecht - am Bau Beteiligte Abfall-/ Immissionsschutzrecht - Entsorgungsunternehmen - weitere am Bau Beteiligte zivilrechtlich: Werkvertragsrecht - Bauunternehmen - Transportunternehmen - Entsorgungsunternehmen - überwachender Planer
7 Arbeitsschutz Vorschriften & Regeln Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) Chemikaliengesetz (ChemG) Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) Baustellenverordnung (BaustellV) Technische Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) TRGS 519 (Asbest) TRGS 521 (KMF) TRGS 522 (Formaldehyd) TRGS 524 (Kontaminierte Bereiche) TRGS 616 (PCB) Berufsgenossenschaftliche Regeln (BGR) BGR 128 (Kontaminierte Bereiche) BGR 121 (Arbeitsplatzlüftung - lufttechnische Maßnahmen) BGR 163 (Sicherheit und Gesundheitsschutz beim Umgang mit krebserzeugenden und erbgutverändernden Gefahrstoffen) VdS - Richtlinien (bspw. zur Brandschadensanierung - VdS 2357)
8 Bauordnungsrecht 16 Landesbauordnungen Verbindliche Wirkung basieren überwiegend auf: Musterbauordnung (MBO) Vorgeschlagen von der ARGE-Bau, als Muster unverbindlich
9 Bauordnungsrecht 3 Abs. 1 MBO: Anlagen sind so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit und die natürlichen Lebensgrundlagen, nicht gefährdet werden. 13 S. 1 MBO: Bauliche Anlagen müssen so angeordnet, beschaffen und gebrauchstauglich sein, dass durch Wasser, Feuchtigkeit, pflanzliche und tierische Schädlinge sowie andere chemische, physikalische oder biologische Einflüsse Gefahren oder unzumutbare Belästigungen nicht entstehen. Wird konkretisiert durch:
10 Bauordnungsrecht 13 S. 1 MBO Doppelte Schutzfunktion Schutz vor -chemischen -physikalischen und -bakteriologischen Einflüssen: Bauliche Anlagen Nutzer, Nachbarn (?)
11 Regelungsgegenstand der LBO Anordnen Beseitigen Errichten Ändern Genehmigungspflichtig / Genehmigungsfrei Keine Auswirkung auf Anwendbarkeit Außerhalb des Anwendungsbereiches nur: Maßnahmen unerheblichen Ausmaßes ohne Auswirkung auf Schutzgüter
12 Verantwortliche nach Bauordnungsrecht MBO Eigentümer 53 Entwurfsverfasser 54 I Fachplaner 54 II Bauunternehmer 55 Bauleiter 56 I Fachbauleiter 56 II - Eigentümer trägt die Hauptverantwortung - Die übrigen am Bau Beteiligten sind Erfüllungsgehilfen mit eingeschränkter Verantwortlichkeit - Gleichwohl insbes. 55, 56 MBO von großer Bedeutung: Pflicht, für eine mit den öffentlich-rechtlichen Anforderungen übereinstimmende Bauausführung zu sorgen.
13 Technische Baubestimmungen 3 III 1 MBO: Die von der obersten Bauaufsichtsbehörde durch öffentliche Bekanntmachung als Technische Baubestimmungen eingeführten technischen Regeln sind zu beachten. Veröffentlichung in der Liste der Technischen Baubestimmungen (zuletzt auch im Land Niedersachsen) Insbesondere: Richtlinie für die Bewertung und Sanierung Polychlorierter Biphenyl (PCB-) belasteter Baustoffe und Bauteile in Gebäuden (PCB-RL) Richtlinie für die Bewertung und Sanierung schwachgebundener Asbestprodukte in Gebäuden (Asbest-RL) Nicht identisch mit: TRGS RL 2003/18/EG Richtlinie für die Bewertung und Sanierung Pentachlorphenol (PCP)- belasteter Baustoffe und Bauteile in Gebäuden (PCP-RL) ETB-RL zur Begrenzung der Formaldehydemission in der Raumluft bei Verwendung von Harnstoff-Formaldehydharz-Ortsschaum Keine entsprechende Richtlinie zu KMF
14 Bestandsschutz Grundsätzlich aus Art. 14 I GG Aber: Instandhaltungspflichten der Eigentümer/Verfügungsberechtigte auch außerhalb der eigentlichen Bautätigkeit: 3 Abs. 1 MBO Anlagen sind so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit und die natürlichen Lebensgrundlagen, nicht gefährdet werden. 13 S. 1 MBO Bauliche Anlagen müssen so angeordnet, beschaffen und gebrauchstauglich sein, dass durch Wasser, Feuchtigkeit, pflanzliche und tierische Schädlinge sowie andere chemische, physikalische oder biologische Einflüsse Gefahren oder unzumutbare Belästigungen nicht entstehen. Folge: Bei Kenntnis / Verdacht des Eigentümers betr. das Vorliegen von Schadstoffen ggf. Vornahmepflicht für Maßnahmen zur Erkennung von Schadstoffen
15 Durchbrechung des Bestandsschutzes Grundsätzlich gilt, dass dann, wenn bauliche Anlagen in Übereinstimmung mit dem materiellen Baurecht errichtet werden, spätere Änderungen des materiellen Rechts nicht zur Illegalität der Anlage führen. Beispiel: Art. 54 IV BayBO: Bei bestandsgeschützten baulichen Anlagen können Anforderungen gestellt werden, wenn das zur Abwehr von erheblichen Gefahren für Leben und Gesundheit notwendig ist. Anpassungsverlangen, soweit geeignet erforderlich angemessen Konkrete Gefahr muss vorliegen: Im konkreten Einzelfall ist in überschaubarer Zukunft der Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich.
16 Durchbrechung des Bestandsschutzes am Beispiel Asbest Festgebundene Fasern abstrakte Gefahr Bestandsschutz Durchbrechung grds. nur möglich, wenn... I Schwachge - bundene Fasern II... und Dringlichkeitsstufe... III konkrete Gefahr Bewertung 80 Punkte Durchbrechung möglich
17 Öffentlich-rechtliche Verantwortlichkeit des Planers Entwurfsverfasser Bauleiter 54 Abs.1 S.3 MBO 56 Abs.1 MBO Der Entwurfsverfasser hat dafür zu sorgen, dass die für die Ausführung notwendigen Einzelzeichnungen, Einzelberechnungen und Anweisungen den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entsprechen. Der Bauleiter hat darüber zu wachen, dass die Baumaßnahme entsprechend den öffentlich - rechtlichen Anforderungen durchgeführt wird und die dafür erforderlichen Weisungen zu erteilen. Mindestinhalt der Bauvorlagen: Bauausführung entspricht den technischen Baubestimmungen - Ergebnis der Schadstoffbewertung - Sanierungskonzept Überwachung Weisung Ggf. Übernahme von arbeitsschutzrechtlichen Verantwortlichkeiten als SiGeKo
18 Zivilrechtliche Verpflichtung aus Planerverträgen Leistungsphasen nach 15 HOAI Grundlagenermittlung Vorplanung Entwurfsplanung Genehmigungsplanung Ausführungsplanung Vorbereitung der Vergabe Mitwirkung bei der Vergabe Objektüberwachung Objektbetreuung und Dokumentation
19 Besondere Pflichten des Planers beim Bauen im Bestand Lph 1 Lph 5 Bauerkundigungspflicht hinsichtlich Baustoffe Bauart altersbedingter Abnutzungsgrad Nachweisbare Beratung Unterbreitung von Lösungsvorschlägen Erstellung einer genehmigungsfreien Planung: ggf. Berücksichtigung von Schadstoffen Je stärker der Eingriff in den Bestand, umso intensiver die Erkundigungspflicht Lph 6 Lph 8 Besondere Sorgfalt beim Erstellen von Leistungsbeschreibungen und -verzeichnissen Intensivere Objektüberwachung als bei Neubauten
20 Haftung des Schadstoffgutachters Öffentlich-rechtliche Verantwortlichkeit nur bei Übernahme von Pflichten eines am Bau Beteiligten Zivilrechtliche Haftung ggü. Auftraggeber wegen Verletzung der Pflichten aus Werkvertrag Haftung gegenüber Dritten ggf. aus 823 II BGB i.v.m. arbeitsschutzrechtlichem Schutzgesetz Haftung gegenüber Dritten aus dem Schutzbereich des Hauptvertrages, wenn... 1) Gutachten erkennbar für Dritten erstellt wurde, 2) der Sachverständige über besondere, durch staatliche Anerkennung oder einen vergleichbaren Akt ausgewiesene Sachkunde verfügt und 3) zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bekannt / erkennbar waren (bsp. Drittschutz bei unrichtigem Gutachten über Altlasten für Käufer)
21 Aufklärungspflichten des Eigentümers/ Auftraggebers bei der Beauftragung von Bauleistungen OLG Düsseldorf, Urteil vom U 10/98: Erwähnt der Auftraggeber von Rohrleitungsarbeiten in seiner Ausschreibung nicht, dass die zu entfernenden Leitungen in erheblichem Umfang mit Asbest ummantelt sind - weil er dies vor der Ausschreibung nicht aufgeklärt hat -, und kommt es dann wegen der vom Auftraggeber übernommenen Entsorgung des Asbests zu einer lange andauernden Unterbrechung der Ausführung, so kann der Auftragnehmer nach Kündigung des Bauvertrages Schadensersatz gemäß 6 Nr. 7, Nr. 6 VOB/B verlangen.
22 Aufklärungspflichten des Eigentümers beim Verkauf einer Immobilie Üblicher Haftungsausschluss: Ansprüche und Rechte der Käufer wegen Sachmängeln des Grundstücks, des Gebäudes und etwa mitverkaufter beweglicher Sachen - auch Schadensersatzansprüche, sofern der Verkäufer nicht vorsätzlich handelt - werden daher ausdrücklich ausgeschlossen. ABER Grenzen durch 444 BGB Auf eine Vereinbarung, durch welche die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen oder beschränkt werden, kann sich der Verkäufer nicht berufen, soweit er den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat. RECHTSFOLGE Mängelrechte: - Rücktritt - Minderung - Schadensersatz Anfechtungsrecht bei arglistiger Täuschung
23 Voraussetzungen arglistigen Verhaltens Behauptung wider besseres Wissen Behauptung ins Blaue hinein Verschweigen offenbarungspflichtiger Tatsachen
24 Arglist bei Verschweigen offenbarungspflichtiger Mängel Grundsatz: Ausnahme: ungünstige Eigenschaften brauchen grundsätzlich nicht ungefragt offenbart werden Hinweispflicht soweit: Vorliegen eines Mangels bekannt oder zumindest für möglich gehalten wird Verkäufer hat Kenntnis oder nimmt folgende Umstände billigend in Kauf: 1) Vertragspartner kennt Fehler nicht und 2) Vertragspartner hätte bei Kenntnis den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen Besonderheit: Arglist erfasst also auch Verhaltensweisen, die nicht von betrügerischer Absicht getragen sind (bloßes Fürmöglichhalten + Inkaufnehmen )
25 Arglist Fallbeispiel 1 Positive Kenntnis von schwach gebundenen Asbestfasern Keine Aufklärung vor Vertragsschluss Betrügerisches Verhalten vorwerfbar Rechtsfolge: Alle Mängelrechte kommen in Betracht
26 Arglist Fallbeispiel 2 OLG Celle / BGH Kenntnis von Verkleidung der Außenfassade mit Asbestzementtafeln; anderer Kaufinteressent war deshalb vom Kauf abgerückt keine Aufklärung LG Hannover positive Kenntnis von asbestbelasteter Hausfassade keine Aufklärung OLG Celle: Arglist ( - ) Rechtsfolge: keine Mängelrechte Arglist ( + ) BGH Urteil v : Arglist ( + ) Rechtsfolge: ggf. Schadensersatz Rechtsfolge: alle Mängelrechte
27 Verdachtsfälle Fallbeispiel 3 Verdacht bei Verkäufer bzgl. Schadstoffen Erkennbarkeit aufgrund vorhandener Informationen Konkrete Verdachtsmomente Fahrlässige Unkenntnis Bedingt vorsätzliche Unkenntnis Keine Hinweispflicht Hinweispflicht ABER: Einzelfallabhängig! Zu berücksichtigen sind: - Ausmaß der Gesundheitsgefährdungen - mögliche Relativierung von Verdachtsmomenten
28 Bagatellfälle Fallbeispiel 4 Schaden stellt nur einen Bruchteil des vereinbarten Kaufpreises dar Grundsatz: 323 V S. 2 BGB Hat der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt, so kann der Gläubiger vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist. Rechtsprechung des BGH: Rechtsfolge: bei arglistiger Täuschung ist Pflichtverletzung i.d.r. erheblich Rücktritt und Schadensersatz statt der ganzen Leistung trotz 323 V 2 komplette Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses!
29 Aktuelle Entwicklungen Arbeitsschutzrecht kürzlich beschlossene Änderungen der TRGS 400 und 521 Umweltrecht allgemein Schaffung eines Umweltgesetzbuches
30 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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