Axilladissektion vs. keine Axilladissektion bei Frauen mit invasivem Brustkrebs und positiven Sentinellymphknoten
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- Ewald Weiner
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1 Strahlenther Onkol : DOI /s Online publiziert: 9. November 2012 Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012 T. Fehm D. Wallwiener Universitätsfrauenklinik Tübingen Axilladissektion vs. keine Axilladissektion bei Frauen mit invasivem Brustkrebs und positiven Sentinellymphknoten Konsequenzen für den Strahlenonkologen Originalpublikation Giuliano AE, Hunt KK, Ballman KV et al (2011) Axillary dissection vs. no axillary dissection in women with invasive breast cancer and sentinel node metastasis. JAMA 305: Ziel der Arbeit. In den letzten Jahren hat der Lymphknotenstatus zunehmend bei der Selektion der adjuvanten Systemtherapie an Bedeutung verloren. Hingegen tragen die Tumorbiologie sowie die Ergebnisse von modernen molekularbiologischen Tools (z. B. upa/pai-1, Oncotype Dx) zunehmend zur Entscheidungsfindung bei. Darüber hinaus ist der therapeutische Benefit einer kompletten Axilladissektion, insbesondere bei klinisch unauffälliger Axilla, fraglich [1, 2]. Da die Sentinellymphknotenbiopsie (SNB) den Lymphknotenstatus adäquat vorhersagt, wird die komplette Axilladissektion bei fehlender prognostischer und prädiktiver Relevanz sowie fraglichem therapeutischen Benefit zunehmend in Frage gestellt. Ziel der Z0011-Studie war es, den Einfluss einer kompletten Axilladissektion bei Mammakarzinompatientinnen mit positiven Sentinellymphknoten (SN) und klinisch unauffälliger Axilla auf das Gesamtüberleben zu evaluieren [3]. Patienten und Methodik. Für die Studie geeignete Mammakarzinompatientinnen hatten folgende Einschlusskriterien zu erfüllen: ct1/ct2-tumore, klinisch unauffällige Axilla, weniger als 3 histologisch befallene Lymphknoten. Alle Patientinnen erhielten eine brusterhaltende Therapie mit anschließender perkutaner Homogenbestrahlung der Brust über tangentiale Felder. Eine gesonderte Bestrahlung der Lymphabflusswege erfolgte nicht und galt als Ausschlusskriterium. Die Systemtherapie war nicht vorgegeben und wurde durch den behandelnden Arzt festgelegt. Patientinnen, die die Einschlusskriterien erfüllten, erhielten entweder nur eine alleinige SNB oder eine komplette Axilladissektion (ALND; mindestens 10 Lymphknoten entfernt). Ergebnisse. Insgesamt konnten nur 891 von 1900 geplanten Patientinnen rekrutiert werden. Letztendlich wurden 856 Patientinnen in die Intention-totreat -Analyse eingebracht. In 106 Fällen (27,4%) mit positivem SN wurden durch die ALND weitere positive Lymphknoten nachgewiesen. Das mediane Follow-up betrug 6,3 Jahre. Die 5-Jahres-Überlebenrate (5-JÜR) betrug 91,8% in der Gruppe mit ALND im Vergleich zu 92,5% bei Patientinnen mit alleiniger SNB. Das rezidivfreie Überleben lag bei 82,2% bzw. 83,9%. Die Raten lokoregionaler Rezidive waren unabhängig vom axillären Management, jedoch waren die Komplikationen bei einer SNB signifikant geringer. Schlussfolgerung der Autoren. Bei Mammakarzinompatientinnen kann unter bestimmten Umständen auf eine komplette Axilladissektion trotz positiver Sentinellymphknoten verzichtet werden. Kommentar Die Studie von Guiliano [3] zeigt, dass Mammakarzinompatientinnen mit klinisch unauffälliger Axilla und 1 2 positiven Sentinellymphknoten nicht von einer Axilladissektion profitieren. Diese Ergebnisse haben mittlerweile die senologischen Fachgesellschaften, z. B. die AGO-Kommission Mamma veranlasst, für diese spezielle Subgruppe von Mammakarzinompatientinnen die komplette Axilladissektion bei positiven SN nicht mehr als alleinigen Standard zu empfehlen ( Dennoch müssen in diesem Zusammenhang die Schwächen und Besonderheiten der Studie insbesondere unter Berücksichtigung radioonkologischer Aspekte berücksichtigt werden. 1. Insgesamt war das Rezidivrisiko der eingeschlossenen Patientinnen sehr gering. Über 70% hatten lediglich T1- Tumore. Mehr als ein Drittel der Patientinnen wiesen nur Mikrometastasen auf, die aufgrund der effizienten Systemtherapiekonzepte keine prognostische Relevanz aufweisen [3]. Deshalb sind die geringen Raten lokoregionaler Rezidive unabhängig vom axillären Management plausibel. Mittlerweile wurden die Daten der IBCSG-23-Studie vorgestellt, die eine alleinige SNB beim Vorliegen von Mi- Strahlentherapie und Onkologie
2 krometastasen als adäquates axilläres Management aufgrund der geringen Lokalrezidivrate und identischer Überlebenswahrscheinlichkeiten im Vergleich zu den Patientinnen, die eine komplettes Axillastaging erhalten haben, rechtfertigen [4]. 2. Die Ergebnisse der Z0011-Studie dürfen nur auf Patientinnen mit brusterhaltender Therapie übertragen werden, da diese alle obligat eine Bestrahlung der betroffenen Brust erhalten. Diese bedingt, dass auch die ipsilateralen axillären Lymphabflusswege zumindest in Teilbereichen von Level I und möglicherweise auch im Level II relevante, d. h. tumorizide Dosen erhalten. Angaben zu den in der Z0011- Studie eingesetzten Bestrahlungstechniken bzw. den über die tangentialen Felder axillär eingestrahlten Dosen liegen bisher nicht vor. Dies schränkt die Interpretation der Daten deutlich ein und relativiert die Schlussfolgerung der Autoren erheblich. Auf keinen Fall darf aufgrund der Z0011- Daten eine ALND bei Patientinnen mit positiven SN nach Mastektomie unterlassen werden, da diese häufig keine postoperative Strahlentherapie erhalten. 3. Eine Radiotherapie der Axilla als gesondertes Zielvolumen wurde in der Z0011-Studie nicht durchgeführt. Eine solche ist ebenfalls mit einer Morbidität analog zur Axilladissektion verbunden. Mittlerweile wurden jedoch erste Daten der NCIC-CTG- MA.20-Studie vorgestellt [5]. Diese belegen einen signifikanten Benefit für die Radiotherapie der Axilla bei nodalnegativen (!) Patientinnen sowie bei Befall von 1 bis 3 Lymphknoten. Ab 4 befallenen Lymphknoten ist eine Bestrahlung der Lymphabflusswege laut Leitlinien obligat. Die Ergebnisse aus der Z0011-Studie sowie der NCIC-CTG-MA.20-Studie könnten zunächst zu einem therapeutischen Dilemma beim axillären Management führen. Die Daten der Z0011-Studie weisen darauf hin, dass eine lokale Sanierung der Axilla auch bei positiven Sentinels nicht notwendig ist. Die MA.20-Studie zeigt jedoch einen signifikanten Benefit für die lokoregionale Tumorkontrolle der Axilla durch eine Radiotherapie. Jedoch muss bei der Interpretation der Studien bedacht werden, dass sich das Risikoprofil der in den beiden Studien eingeschlossenen Patientinnen erheblich unterscheidet. Aus diesem Grund wird im Kommentar von Haffty et al. [6] empfohlen, Low-risk -Patientinnen mit positivem Sentinel mit alleiniger SNB ohne zusätzliche Radiotherapie der Axilla zu behandeln. Hingegen sollten bei High-risk -Patientinnen (d. h. bei G3, ER-negativ, LVI-positiven Kon stellationen) mit hohem Risiko für den Befall weiterer Lymphknoten (definiert als >30%) die Lymphabflusswege inklusive Axilla mitbestrahlt werden. In diesem Zusammenhang kann auch der Einsatz von Nomogrammen, welche die Wahrscheinlichkeit weiterer positiver Non- Sentinellymphknoten abschätzen, sinnvoll sein. Diese an der Tumorbiologie orientierten und differenzierten Therapieempfehlungen zeigen, dass one size fits all heute nicht mehr für die Primärtherapie bei Mammakarzinompatientinnen zutrifft. Bei jeder Patientin muss basierend auf Tumorbiologie, individuellen Rezidivrisikofaktoren und geplantem operativen Konzept eine individualisierte Entscheidung bezüglich des axillären Managements unter Berücksichtigung der aktuellen Studien erfolgen. Korrespondenzadresse Prof. Dr. T. Fehm Universitätsfrauenklinik Tübingen Calwer Str. 7, Tübingen tanja.fehm@med.uni-tuebingen.de Literatur 1. Fisher B, Montague E, Redmond C et al (1980) Findings from NSABP protocol No. B-04-comparison of radical mastectomy with alternative treatments for primary breast cancer: I radiation compliance and its relation to treatment outcome. Cancer 46: Hwang RF, Gonzalez-Angulo AM, Yi M et al (2007) Low locoregional failure rates in selected breast cancer patients with tumor-positive sentinel lymph nodes who do not undergo completion axillary dissection. Cancer 110: Giuliano AE, Hunt KK, Ballman KV et al (2011) Axillary dissection vs. no axillary dissection in women with invasive breast cancer and sentinel node metastasis. JAMA 305: Galimberti V, Cole BF, Zurrida S et al (2011) Update of International Breast Cancer Study Group Trial to compare axillary dissection versus no axillary dissection in patients with clinically node negative breast cancer and micrometastases in the sentinel node. Cancer Res 24: Whelan TJ, Olivotto I, Ackerman I et al (2011) NCIC- CTG MA.20: an intergroup trial of regional nodal irradiation in early breast cancer. J Clin Oncol 29:80 6. Haffty BG, Hunt KK, Harris JR et al (2011) Positive sentinel nodes without axillary dissection: implications for the radiation oncologist. J Clin Oncol 29: Strahlentherapie und Onkologie
3 Strahlenther Onkol : DOI /s Online publiziert: 19. Oktober 2012 Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012 R. Souchon MVZ Radioonkologie, Universitätsklinikum Tübingen Kein Vorteil für die Gesamtgruppe der Mammakarzinompatientinnen durch adjuvante Therapie mit Zoledronsäure Originalpublikation Yan T, Yin W, Zhou Q et al (2012) The efficacy of zoledronic acid in breast cancer adjuvant therapy: a meta-analysis of randomised controlled trials. Eur J Cancer 48: Hintergrund. Ob Patientinnen mit Mammakarzinom von einer adjuvanten Therapie mit Zoledronsäure in Bezug auf ihre Überlebenswahrscheinlichkeit profitieren, ist unklar. Eine Metaanalyse randomisierter klinischer Studien (RCT) sollte die klinischen Ergebnisse von Zoledronsäure im adjuvanten Therapiekonzept genauer klären [1]. Methodik. Unter den in Pubmed seit 1996 gelisteten Arbeiten und den online verfügbaren Abstracts der ASCO-Jahrestagungen ( ) und der San Antonio Breast Cancer Symposien ( ) erfüllten 5 Studien mit 3676 Studien- und 3678 Kontrollgruppenpatientinnen die Suchkriterien und wurden in die Metaanalyse einbezogen. Primärer Studienendpunkt war das krankheitsfreie Überleben (DFS); sekundäre Endpunkte waren das Gesamtüberleben (OS), ein lokoregionaler oder distanter Erkrankungsrückfall und das Überleben ohne ossäre Metastasierung. Ergebnisse. Verglichen mit den Kontrollgruppen bewirkte Zoledronsäure in der adjuvanten Therapie des Mammakarzinoms keine signifikanten Vorteile hinsichtlich OS, DFS, lokoregionalem oder distantem Erkrankungsrückfall oder dem Überleben ohne Knochenmetastasen. Allerdings ergab die Hinzunahme von Zoledronsäure für die Subgruppe postmenopausaler Patientinnen einen signifikanten Vorteil bezüglich DFS (RR 0,763; 95%- KI 0,658 0,884; p<0,001), distantem (RR 0,744; 95%-KI 0,611 0,906; p=0,003) und lokoregionalem Rückfall (RR 0,508; 95%- KI 0,340 0,760; p=0,001). Schlussfolgerung der Autoren. Zoledronsäure hat möglicherweise bei postmenopausalen Patientinnen einen Effekt. Weitere Studien sind jedoch notwendig für die Beurteilung von Zoledronsäure bei prämenopausalen Patientinnen, abhängig vom Erkrankungsstadium und den verschiedenen pathologischen Typen des Mammakarzinoms. Kommentar Kommt es bei Patientinnen mit Mammakarzinom zu einem Erkrankungsrückfall, manifestiert sich dieser in 70% als ossäre Metastasierung. Ist das der Fall, beträgt die mittlere Überlebenswahrscheinlichkeit nur noch ca. 20 Monate. Eine Skelettmetastasierung ist verbunden mit dem Risiko pathologischer Frakturen, weiterer relevanter Morbidität und eingeschränkter Lebensqualität. Außerdem sind zusätzliche Verluste an Knochensubstanz durch GnRH-Analoga mit Östrogenentzug bei prämenopausalen oder durch Aromatase-Inhibitoren bei postmenopausalen Patientinnen zu bedenken. Hierin begründet sich die besondere Bedeutung von Therapien zur Verhinderung von Knochenschwund und ossärer Metastasierung. Bisphosphonate erwiesen sich dafür als sehr geeignet, indem sie die durch Osteoklasten vermittelte Knochenresorption blockieren. Als Vertreterin der 3. Generation von Bisphosphonaten steigert die intravenös zu applizierende Zoledronsäure die Knochendichte signifikant und reduziert dadurch die Häufigkeit von Knochenbrüchen durch Metastasierung und Osteoporose. Präklinische Daten und klinische Untersuchungen legen nahe, dass Zoledronsäure darüberhinausgehende direkte und indirekte antitumoröse Effekte hat: Verhinderung von Tumorzelladhäsion, -invasion und -proliferation sowie Apoptoseinduktion bei verschiedenen humanen Mammakarzinomzelllinien. In Tiermodellen mit Mammakarzinomen wurde ein längeres Überleben gefunden, aber auch Verstärkungen der Chemotherapiewirkungen in vitro und in vivo. Des Weiteren wurde in einer Phase-II-Studie die Fähigkeit von Zoledronsäure zur Reduktion disseminierter Tumorzellen im Knochenmark bei Mammakarzinompatientinnen der Stadien II und III dokumentiert, allerdings auf marginalem Signifikanzniveau [2]. In der vorliegenden Metaanalyse, in die ABCSG-12-, ZO-FAST-, Z-FAST-, E-ZO- FAST- und AZURE-Trials eingingen, haben sich solche Effekte der adjuvant oder neoadjuvant applizierten Zoledronsäure für die Gesamtgruppe der Patientinnen mit Mammakarzinom in den Stadien II oder III nicht bestätigen lassen, gemessen am DFS oder an pathologisch kompletter Remission nach primärer Systemtherapie. Auffallend war jedoch eine hochsignifikante Heterogenität des Zoledron- Strahlentherapie und Onkologie
4 säureeffekts in Abhängigkeit vom Menopausenstatus, ohne dass es hierfür eine Erklärung gäbe. Immerhin deutet die Analyse der postmenopausalen Patientinnen darauf hin, dass adjuvant gegebene Zoledronsäure prognostisch günstige Effekte bzgl. DSF und Erkrankungsrückfall haben kann Effekte, die sich bei nichtpostmenopausalen Patientinnen, bei denen die Ovarialfunktion nicht unterdrückt wird, nicht nachweisen ließen. Die Ergebnisse für die Subgruppen postmenopausaler und mit GnRh- Analogon therapierter prämenopausaler (ABCSG-Trial) Patientinnen in der Metaanalyse mit mutmaßlich positivem Effekt von Zoledronsäure für Patientinnen mit niedrigem Östrogenspiegel bzw. unter antiöstrogener endokriner Systemtherapie werden gestützt durch den Nachweis synergistischer Interaktionen von Letrozol und Zoledronsäure bezüglich einer Apoptoseinduktion unter Postmenopausalstatus-Bedingungen in vitro [3]. Im Gegensatz dazu ließ sich bei prämenopausalen Patientinnen dieser Effekt im AZURE-Trial, dem einzigen unter den in die Metaanalyse einbezogenen Daten von prämenopausalen Patientinnen mit unbeeinflusster Ovarialfunktion, nicht finden. Fazit F Die Gesamtgruppe der Patientinnen mit Mammakarzinom profitiert nicht von einer adjuvanten Zoledronsäuretherapie, liefert jedoch beachtenswerte Argumente für die Anwendung bei postmenopausalen Patientinnen. F Ob und worin möglicherweise Unterschiede im Menopausenstatus im Hinblick auf Effekte der Zoledronsäure bestehen, ist weiterhin unklar. F Fünf der in die erste Metaanalyse zur adjuvanten Zoledronsäuretherapie einbezogenen Studien wiesen z. T. substantielle Schwächen auf: Fokussierung auf postmenopausale und ER-/PR-positive Patientinnen, stark divergierende Definitionen der Postmenopause, hoher Anteil an fehlenden detaillierten Angaben zu den Langzeitverläufen einschließlich applizierter endokriner Systemtherapie (AZU RE-, ABCS12-, E-ZO-FAST-Trials), uneinheitliche Methoden für die Ermittlungen des Ausgangspunkts und des Erkrankungsrückfalls, divergierende, insgesamt relativ kurze mittlere Nachbeobachtungszeiten (36 62 Monate), fehlende Doppeltverblindung sowie Effekte eines verspäteten Einsatzes von Zoledronsäure in den ZO-FAST-, Z-FAST-, E-ZO-FAST-Z-Trials. F All dies kann in unterschiedlichem Ausmaß die Ergebnisse beeinflussen. Somit sind die Interpretationen aus den Daten der Metaanalyse limitiert und weisen worauf auch die Autoren hinweisen die Metaanalyse eher als hypothesengenerierende Studie aus. F Die zurückhaltenden Empfehlungen in der aktualisierten deutschen S3- Leilinie und in den AGO-Empfehlungen von 2012 bezüglich einer adjuvanten Zoledronsäuretherapie werden durch die vorliegende Metaanalyse gerechtfertigt. Es besteht keine Zulassung der Zoledronsäure für diese Indikation [4, 5]. Korrespondenzadresse Prof. Dr. R. Souchon MVZ Radioonkologie, Universitätsklinikum Tübingen Hoppe-Seyler-Str. 3, Tübingen rainer.souchon@med.uni-tuebingen.de Literatur 1. Yan T, Yin W, Zhou Q et al (2012) The efficacy of zoledronic acid in breast cancer adjuvant therapy: a meta-analysis of randomised controlled trials. Eur J Cancer 48: Aft R, Naughton M, Trinkaus K et al (2010) Effect of zoledronic acid on disseminated tumour cells in women with locally advanced breast cancer: an open label, randomized, phase II trial. Lancet Oncol 11: Neville-Webbe HL, Coleman RE, Holen I (2010) Combined effects of bisphosphonate, zoledronic acid and aromatase inhibitor letrozol on breast cancer cells in vitro: evidence of synergistic interaction. Br J Cancer 102: Interdisziplinäre S3-Leitlinie für die Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms. Langversion 3.0, Aktualisierung AWMF-Register-Nummer: L 5. Guidelines of the AGO Breast Committee 2012, Version 1. Herausgegeben von der Kommission Mamma der AGO (vertreten durch: Anton Scharl) Update AGO Breast Committee. Deutsche Version 2012 vs Strahlentherapie und Onkologie
5 Strahlenther Onkol : DOI /s Online publiziert: 31. Oktober 2012 Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012 M. Bremer Klinik für Strahlentherapie und spezielle Onkologie, Medizinische Hochschule Hannover Radikale Prostatektomie versus Zuwarten beim lokalisierten Prostatakarzinom Originalpublikation Wilt TJ, Brawe MK, Jones KM et al (2012) Radical prostatectomy versus observation. N Engl J Med 367: Ziel der Arbeit. Untersuchung der Effektivität der radikalen Prostatektomie (RPE) gegenüber dem Zuwarten ( observation ) beim lokal begrenzten, mittels PSA-Testung diagnostizierten Prostatakrebs (PI- VOT trial). Patienten und Methode. Von 1994 bis 2002 wurden 731 Männer (<75 Jahre, Lebenserwartung mind. 10 Jahre) mit lokalisiertem Prostatakarzinom (T1 2, Nx, M0, ipsa <50) randomisiert zwischen RPE und Zuwarten. Das mittlere Alter betrug 67 Jahre, nur 10% der Patienten waren <60 Jahre. Der mediane ipsa-wert betrug 7,8. Etwa 50% der Patienten hatten einen nichtpalpablen Tumor (ct1c) und nur ca. 25% hatten einen Gleason-Score 7. Die Risikogruppen nach D Amico verteilten sich in 40% niedriges, 34% intermediäres und 21% hohes Risiko. Der primäre Endpunkt war die Gesamtmortalität, sekundärer Endpunkt war die prostatakarzinomspezifische Mortalität. Patienten im Beobachtungsarm erhielten eine palliative Therapie im Falle einer symptomatischen Progression oder Metastasierung. Wegen langsamer Rekrutierung wurde das ursprüngliche Ziel von 2000 Patienten während der Studienlaufzeit auf 740 gesenkt (Rekrutierung 7 Jahre, Nachbeobachtung 8 Jahre). Statistisch wäre hiermit eine 25%ige relative Risikoreduktion mit einer Power von 91% nachweisbar gewesen. Ergebnisse. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 10 Jahren waren 47% der Patienten im Operationsarm und 49,9% der Patienten im Beobachtungsarm verstorben (HR 0,88; 95%-KI 0,71 1,08; p=0,22). Nur 5,8% der Patienten im Operationsarm und 8,4% im Beobachtungsarm starben am Prostatakrebs (HR 0,63; 95%-KI 0,36 1,09; p=0,09), wobei der absolute Unterschied nach 4 Jahren 0% und nach 12 Jahren 3,0% betrug. Knochenmetastasen traten im Verlauf nach RPE in 4,7% und beim Zuwarten in 10,6% der Fälle auf (HR 0,4; 95%-KI 0,22 0,70; p<0,001). Unterschiede im Überleben in Abhängigkeit von Alter, Komorbidität, selbstberichtetem Allgemeinzustand oder Histologie fanden sich nicht. Die RPE war bei einem ipsa >10 (p=0,04 für Interaktion) mit einer verringerten Gesamtmortalität assoziiert, bei Tumoren mit intermediärem oder hohem Risiko zeigte sich eine Senkung der Mortalität (p=0,07 für Interaktion). Patienten mit niedrigem Risiko zeigten nach RPE gegenüber Zuwarten hingegen einen nichtsignifikanten Anstieg der Gesamtmortalität (absoluter Unterschied nach 12 Jahren 5,4%). Therapiebedingte Nebenwirkungen traten innerhalb von 30 Tagen nach der Operation bei 21,4% der Patienten auf, darunter war ein Todesfall. Die 2-Jahres-Raten für Harninkontinenz und erektile Dysfunktion waren bei Patienten im Operationsarm signifikant häufiger. Schlussfolgerung der Autoren. Patienten mit lokalisiertem Prostatakarzinom, detektiert in der frühen PSA-Ära, profitierten während einer Nachbeobachtungszeit von mindestens 12 Jahren nicht von einer radikalen Prostatektomie hinsichtlich Gesamt- und prostatakarzinomspezifischer Mortalität. Der absolute Unterschied betrug weniger als 3%. Kommentar Zwar beträgt das Lebenszeitrisiko des Mannes an Prostatakrebs (PCA) zu erkranken 17%, das Risiko, daran auch zu sterben hingegen nur 3% [3, 5], was eine therapeutische Zurückhaltung bei einer relevanten Anzahl betroffener Männer nahelegt. Bei der hier kommentierten Arbeit (PI- VOT-Studie, [7]) handelt es sich um eine hochrelevante Untersuchung zum Wirksamkeitsvergleich der radikalen Prostatektomie gegenüber einem reinen Zuwarten ( observation ) in der frühen PSA- Ära. Lediglich Patienten mit höherem Risiko wiesen tendenziell eine Senkung der Mortalität durch die RPE auf. Folgende Aspekte erscheinen für den Radioonkologen besonders erwähnenswert: 1. Gegenüber der einzigen vergleichbaren randomisierten Studie der Scandinavian Prostate Cancer Group (SPCG4 trial, RPE vs. watchful waiting ; [1]), welche aus einem Untersuchungszeitraum vor Anwendung regelhafter PSA-Tests stammt, hatten in der PIVOT-Studie mehr Patienten einen nichtpalpablen Tumor (50% vs.12%) und einen PSA-Wert <10. Die Senkung der Gesamtmortalität im Operationsarm betrug in der hier kommentierten PIVOT-Studie absolut 2,9%, in der SPCG4-Studie hingegen 6,6%. In der PIVOT-Studie Strahlentherapie und Onkologie
6 starben 7,1% der Patienten an ihrem Prostatakarzinom gegenüber 19,5% in der SPCG4-Studie. 2. Die fehlende Signifikanz der Mortalitätssenkung in der PIVOT-Studie lässt sich mit der günstigeren Prognose von Patienten erklären, deren Tumoren mittels PSA-Testung und damit frühzeitig diagnostiziert werden. Die hiermit verbundene geringere Wahrscheinlichkeit einer Tumorprogression führt zu einem geringeren Benefit einer aktiven Therapie und zur Notwendigkeit längerer Nachbeobachtungszeiten, um solche Effekte überhaupt nachweisen zu können. 3. Wegen der Absenkung der ursprünglich geplanten Patientenzahl von 2000 auf 740 Patienten war die Studie nicht ausreichend gepowert, um klinisch relevante Unterschiede tatsächlich aufzudecken [6]. Nur 15% der Todesfälle waren PCAbzw. therapiebedingt. Für das Erreichen des Studienziels (Senkung der Mortalität um relative 25% durch die RPE!) hätte es somit eines enormen Therapieeffektes durch die RPE bedurft. 4. Zeitgemäßer Vergleich zur RPE (bzw. zur radikalen Strahlentherapie) beim lokal begrenzten PCA ist heute nicht mehr das Zuwarten ( observation ), sondern die aktive Überwachung ( active surveillance ). Randomisierte Studien hierzu laufen [4]. Mittels aktiver Überwachung können bei Patienten mit lokalisiertem PCA tumorspezifische 10-Jahres-Überlebensraten von % erreicht werden, wenn bei niedrigem Risiko weiter überwacht und nur bei Übergang in ein höheres Risiko aktiv therapiert wird [2, 3]. Therapeutische Zurückhaltung mittels Active-surveillance -Strategien ist den geeigneten Patienten (ct1c 2a, PSA 10, GS 6, Tumor in 2 Stanzen, 50% Tumor in einer Stanze) leitliniengerecht als adäquate Methode zu vermitteln und als Beitrag zur Vermeidung von Übertherapien und allen damit verbundenen Konsequenzen anzusehen. Korrespondenzadresse Prof. Dr. M. Bremer Klinik für Strahlentherapie und spezielle Onkologie, Medizinische Hochschule Hannover Hannover Bremer.Michael@mh-hannover.de Literatur 1. Bill-Axelson A, Holmberg L, Filén F et al (2008) Radical prostatectomy versus watchful waiting in localized prostate cancer: the Scandinavian prostate cancer group-4 randomized trial. J Natl Cancer Inst 100: Dall era MA, Albertsen PC, Bangma C et al (2012) Active surveillance for prostate cancer: a systematic review of the literature. Eur Urol [Epub ahead of print] 3. (o A) (2011) Interdisziplinäre Leitlinie der S3 Qualität bei zur Früherkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms. Vers. 2,0. Aktualisierung Rosario DJ, Lane JA, Metcalfe C et al (2012) Short term outcomes of prostate biopsy in men tested for cancer by prostate specific antigen: prospective evaluation within ProtecT study. BMJ 344:d7894 doi: /bmj.d SEER cancer statistics review , Bethesda National Cancer Institute. csr 6. Thompson IM (2012) Prostate cancer uncertainty and a way forward. N Engl J Med 376: Wilt TJ, Brawe MK, Jones KM et al (2012) Radical prostatectomy versus observation. N Engl J Med 367: Fazit Patienten mit lokalisiertem Prostatakarzinom profitieren hinsichtlich Gesamtüberleben oder tumorspezifischem Überleben nicht von einer radikalen Prostatektomie, wenn sie bei Diagnosestellung ein niedriges Risiko aufweisen. Gleiches ist im Analogieschluss von der radikalen Strahlentherapie anzunehmen. Die in der Rubrik Literatur kommentiert seit 2010 erschienenen Beiträge sind online verfügbar unter Strahlentherapie und Onkologie
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