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1 Homepage: Tel. 0461/ Postfach 36 (Raum 064) Office: HG350 / EB 105 Sprechstunden: Do 12:00 14:00 Uhr oder nach tel. bzw. - Vereinbarung 1

2 Logo der Vorlesung 2

3 Vorläufiger Semesterplan (ohne Gewähr) ab am Donnerstag 08:15 bis 09:45 (Audimax) Einführung in die Thematik, Organisation Grundlagen der Sozialisationsforschung Historische Entwicklung Sozialisation durch Medien (Mediensozialisation) Politische Sozialisation Sozialisationsfeld Kindergarten Sozialisation in der Familie Weihnachtsferien Schulische Sozialisation Soziales Verhalten in der Schule, Schule und abweichendes Verhalten Jugendphase: Sozialisation in der Gruppe von Gleichaltrigen (Peer-groups) Sozialisation, Koedukation und Geschlecht Zusammenfassung und Abschluss 3

4 2. Veranstaltung am Thema: Grundlagen der Sozialisationsforschung Arbeitsdefinition Sozialisation Lit: Hillmann, Karl-Heinz ( ): Wörterbuch der Soziologie. Stuttgart, S. 805ff. (Auszug) Sozialisation (engl. socialization): Bezeichnung für die Gesamtheit aller Vorgänge, in deren Verlauf der Einzelmensch zu einem aktiven Angehörigen einer Gesellschaft und Kultur wird. Durch Prozesse der Sozialisation gewinnt das Individuum seine Identität als eine in der Gesellschaft handlungsfähige Persönlichkeit. Sozialisation umfasst: Vergesellschaftung des Menschen im Sinne einer Internalisierung (Verinnerlichung) von soziokulturellen Werten, Verhaltenserwartungen und sozialen Rollen sowie Personalisation des Menschen im Sinne von Besonderung seiner individuell bestimmten Auseinandersetzung mit den Angeboten und Einflüssen seiner Gesellschaft. 4

5 2. Veranstaltung am Thema: Grundlagen der Sozialisationsforschung Gegenüber dem Begriff Erziehung ist Sozialisation als Oberbegriff aufzufassen, denn er umschreibt neben den von speziellen Personen und intentional vorgenommenen pädagogischen Prozessen auch alle sonstigen Mechanismen der Beeinflussung und Persönlichkeitsbildung. Die soziologische Theorie der Sozialisation widmet sich primär den Mechanismen der Vermittlung von Mensch und Gesellschaft. Sie benutzt dabei in erster Linie das Konzept der Rollentheorie, das Sozialisation als einen Vorgang des instinktreduzierten Menschen in das bestehende gesellschaftliche Rollensystem und darum die zweite, die sozio-kulturelle Geburt des Menschen betrachtet. Der sozialisierte Mensch ist demnach Träger von Rollen. Für die Lebenschancen des einzelnen Individuums ist zudem maßgeblich, in welcher sozialen Schicht es sozialisiert worden ist (schichtspezifische Sozialisation). 5

6 2. Veranstaltung am Thema: Grundlagen der Sozialisationsforschung Sozialisationsinstanzen, Sozialisationsagenten (engl. agencies of socialization), Sozialisationsmedien: Synonyme Bezeichnungen für gesellschaftliche Gruppen (Familie, PeerGroups), Organisationen (Kindergarten, Schule, Hochschule, Betriebe) und Medien (Massenmedien), die durch Vermittlung von Sprache, Werten, Normen, Wissen und Fertigkeiten maßgeblich zur Sozialisation der Persönlichkeit beitragen. Sozialisation, schulische und außerschulische, ist von zahllosen und unterschiedlichen Einflüssen abhängig. Gegenwärtig und auch für die nahe Zukunft sind meines Erachtens drei besondere Aspekte herauszustellen: Die elektronischen (neuen) Medien und die neuen Anforderungen in Freizeit und Arbeitswelt (Mediensozialisation). Sozialisation möglichst präzise zu erfassen, erscheint unmöglich, da sich hinter dem Begriff ein ganzes Bündel von theoretischen Fragen und Problemstellungen verbirgt. 6

7 2. Veranstaltung am : Thema: Grundlagen der Sozialisationsforschung Der Sozialisationsbegriff richtet sich gegen ein enges Verständnis von Erziehung. Der Mensch wird durch Institutionen und Interaktionsprozessen zum Mitglied einer Gesellschaft. Als Beispiele zentraler Sozialisationsinstanzen gelten Familie und Schule. Darüber hinaus lässt sich die geschlechtsspezifische Sozialisation thematisieren. Im Mittelpunkt neuerer Sozialisationsforschung steht das Modell des produktiv realitätsverarbeitenden Subjekts. Dies bedeutet: Die beiden großen Analyseeinheiten Gesellschaft auf der einen Seite und Organismus/Psyche auf der anderen Seite finden ihren Schnittpunkt in der Persönlichkeit bzw. Persönlichkeitsentwicklung. 7

8 2. Veranstaltung am : Thema: Grundlagen der Sozialisationsforschung Grundlegende Aspekte des Sozialisationsprozesses (Claessens 1979) Soziabilisierung: Prozess, in dem dem menschlichen Nachwuchs die Möglichkeit erschlossen wird, menschliche Eigenschaften zu entwickeln, Aufbau einer Ich-Identität, einem Grundverständnis der eigenen Persönlichkeit im Unterschied zu anderen Personen. Enkulturation: Prozess der soziokulturellen Prägung des Individuums, Aneignung von kulturspezifischen Regeln, Normen und Werte. Sekundäre soziale Fixierung: Prozess der Vorbereitung des Individuums auf die Übernahme spezialisierter gesellschaftlicher Anforderungen und Positionen. 8

9 2. Veranstaltung am : Thema: Grundlagen der Sozialisationsforschung Weitere Merkmale: Sozialisation kennt keine zeitlichen und räumlichen Begrenzungen, sie umfasst einen lebenslangen Vorgang. Sozialisation erfolgt immer in spezifischen und unterschiedlichen Kontexten. Sozialisation geschieht in sozialen Situationen überwiegend ungeplant und unbeabsichtigt. Soziale Situationen beinhalten vielfältige Erfahrungsmöglichkeiten (sog. strukturiertes Erfahrungsmaterial). Ein grundlegender Aspekt von Sozialisationsprozessen umfasst die selektive und eigensinnige individuelle Aneignung dieses Erfahrungsmaterials. 9

10 2. Veranstaltung am : Thema: Grundlagen der Sozialisationsforschung Sozialisationsforschung befasst sich mit: Stadien des Sozialisationsprozesses (Sozialisation im Kinder-, Jugend- und Erwachsenenalter) vielfältigen Dimensionen der Sozialisation (Sprache, Moral, Identität) Auswirkungen unterschiedlicher Sozialisationsbedingungen (Milieu, Erziehungsstile) vielfältigen Sozialisationsinstanzen (Familie, Freunde, Kindergarten, Schule, Peer-Groups, Medien etc 10

11 2. Veranstaltung am : Thema: Grundlagen der Sozialisationsforschung Institutionen und Sozialisation Grundlegende Merkmale: Sozialisationsprozesse laufen überwiegend in Institutionen ab. Die Hauptfunktion von Institutionen richtet sich danach, Sozialisation in geplanter und organisierter Form zu betreiben. Beispiele: Kindergarten, Schule, Hochschule, VHS, Jugendheime Institutionen entlasten und produzieren Sicherheiten. Institutionen sind lästig und unterdrücken durch organisierte Formen der sozialen Kontrolle bzw. durch Zwangsmaßnahmen oder Handlungsnormierungen. Kommunikations- und Handlungsformen sind eingeschränkt bzw. können nicht frei gewählt werden. Kommunikation in Institutionen richtet sich inhaltlich vorbestimmten, funktional ausgerichteten und meist auch hierarchisch definierten Rahmenbedingungen. Personen in Institutionen haben bestimmte Aufgaben zu erledigen und erfüllen dabei wechselseitige Rollenerwartungen. Beispiel: Lehrer und Schüler. 11

12 2. Veranstaltung am : Thema: Grundlagen der Sozialisationsforschung Institutionen und Sozialisation Personen in Institutionen kommunizieren und kooperieren miteinander, beeinflussen sich wechselseitig und verändern auf diese Weise ihre Persönlichkeiten. Inhalte und Formen der Kommunikation in den verschiedenen Institutionen prägen entsprechend unterschiedliche Sozialisationsprozesse. Die gesellschaftliche Perspektive fragt danach, welche Aufgaben und Funktionen Institutionen erfüllen. Die individuelle Perspektive fokussiert Verhaltensanforderungen und Rollenerwartungen bzw. welche Aneignungsformen Subjekte gegenüber diesen Anforderungen entwickeln und wie sich diese auf die Persönlichkeitsstruktur auswirkt. Es lassen sich Institutionen, in denen Sozialisation nebenbei abläuft, von Institutionen unterscheiden, die gesellschaftlich geplante und organisierte Sozialisation durchführen (Beispiel: Schule). 12

13 2. Veranstaltung am Thema: Grundlagen der Sozialisationsforschung Sozialisationsbedingungen Die allgemeine Struktur der Sozialisationsbedingungen umfasst vier Ebenen: Ebene 1 Subjekt Erfahrungsmuster, Einstellungen, Wissen, emotionale Strukturen und kognitive Fähigkeiten Ebene 2 Interaktionen Eltern-Kind-Beziehungen, schulischer Unterricht, und Tätigkeiten Kommunikation zwischen Gleichaltrigen, Freunden und Verwandten Ebene 3 Institutionen Betriebe, Massenmedien, Schulen, Universitäten, Militär und Kirchen Ebene 4 Gesamtgesellschaft ökonomische, soziale, politische, kulturelle Struktur Diese Einteilung zeigt auf einfache Weise; dass die Gesamtgesellschaft (Ebene 4) nicht gleichsam direkt, sondern vermitteln über Institutionen (Ebene 3) und Interaktionen (Ebene 2) das Subjekt (Ebene 1) beeinflusst. Die jeweils doppelseitigen Pfeile deuten an, dass der Einfluss nicht deterministisch (bestimmend) von unten nach oben verläuft, sondern dass sich die Ebenen wechselseitig beeinflussen und die Wirkungen in beide Richtungen verlaufen. 13

14 2. Veranstaltung am : Akteure in Sozialisationsprozessen 14

15 2. Veranstaltung am Akteure in Sozialisationsprozessen (Begriffe) Sozialisatoren: Akteure, die es heranwachsenden Personen ermöglichen, Mitglieder der Gemeinschaft zu werden und die diesen Personen mit den Normen und Rollen dieser Gemeinschaft vertraut machen durch:. Sozialisationsinstanzen: Personen oder Institutionen, welche die Zielsetzung zur Gestaltung von Sozialisationsprozessen explizit innehaben (Eltern, Lehrpersonen, Schulen etc.). Sie verfügen über Belohnungs- und Sanktionskompetenzen gegenüber dem Sozialisanden. Sie sind in der Regel nicht frei wählbar. Sozialisationsagenten: Personen oder Institutionen, welche ohne expliziten Auftrag oder Sanktionsmittel in Wahlgemeinschaften oder zufälligen Kontakten sozialisierend wirken. Sie vermitteln quasi nebenbei Werthaltungen und Verhaltensmodelle, wie z.b. Medien und Werbung. Sozialisanden: Neuankömmlinge, Personen und Personengruppen aller Art. 15

16 2. Veranstaltung am Sozialisation im 21. Jahrhundert: Verhalten und Orientierung auf Zeit Hinsichtlich angekündigter und möglicher zukünftiger Sozialisationseinflüsse lassen sich folgende Tendenzen charakterisieren,, die Kinder und Jugendliche in der heutigen Gesellschaft begegnen: Traditionelle Normen und Werte verlieren an Legitimations- und Überzeugungskraft. Ein stabiler und in sich einheitlicher sozialer Korridor, der den Heranwachsenden den Weg weist, fällt weg. Mobilität und Flexibilität im Sinne von generellen Beschleunigung und Kurzlebigkeit bestimmen zunehmend den Arbeitsalltag bzw. den gesamten Lebensalltag. Der lineare Karriere- und Berufsweg löst sich auf. Für den Eintritt in ein anspruchvolles Erwerbsleben avancieren Schnelligkeit, Spontanität, Risikobereitschaft, Selbständigkeit, Mobilitätsbereitschaft zu neuen Schlüsselqualifikationen. 16

17 2. Veranstaltung am Sozialisation im 21. Jahrhundert: Verhalten und Orientierung auf Zeit Lebenslange Arbeitsverträge entfallen, in der Berufswelt zählen Kreativität und Selbstverantwortung. Lebensgefühle von Erlebnishaftigkeit, Spaß, Thrill und Stimulation prägen verstärkt den persönlichen Verhaltensstil der Menschen. Die Breite der Entscheidungsmöglichkeiten und der erweiterten persönlichen Freiheiten (hinsichtlich der Individualisierungs-, Erlebnis- und Pluralisierungstendenzen) erschweren zunehmend sich zu orientieren und den Aufbau von einer persönlichen Identität. Die neue Unübersichtlichkeit löst frühere Orientierungsrahmen und normative Traditionen zunehmend auf. Sie erreicht die Sozialisation von Kindern und Jugendlichen bereits heute schon in ganzer Breite. 17

18 2. Veranstaltung am Exkurs: Kindheit und Kindheitsforschung (kindheitssoziologische Überlegungen) Kindheit ist heute eine kulturelle Selbstverständlichkeit, die mit normativen Setzungen und entsprechenden Verhaltenserwartungen verbunden ist. Sie umfasst eine von Reifungs- und Wachstumsprozessen begleitete eigenständige Lebensphase. Die gesellschaftliche Wahrnehmung der Lebensphase Kindheit als Schulkindheit gehört zu den selbstverständlich gewordenen kulturellen Grundmustern der Generationenbeziehungen zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Vor allem in der bildungssoziologischen Forschung werden Kinder als Schülerinnen und Schüler in ihrer herkunftsbedingten Abhängigkeit von der Elterngeneration betrachtet. Dabei steht die Wahrnehmung von Kindern und Kindheit hinsichtlich des Generationenverhältnisses und dem darin enthaltenen gesellschaftlichen Bildungsanspruches im Mittelpunkt. Das Kind als Kind im Zusammenleben der Generationen gilt als das zentrale Thema innerhalb der Kindheitsforschung. Das Generationenverhältnis muss daher, ebenso wie das Klassen- und Schichenverhältnis oder das Geschlechterverhältnis, mehr den je als Schlüssel zum Verständnis des menschlichen Zusammenlebens betrachtet werden. 18

19 2. Veranstaltung am Phasen des Sozialisationsprozesses (Grobeinteilung): Primäre Sozialisation (in der Regel durch die Familie) Sekundäre Sozialisation (z.b. durch die Schule) Tertiäre Sozialisation (z.b. durch die Berufsausbildung bzw. Beruf) Quartäre Sozialisation (durch die neuen Medien) Selbstsozialisation (durch konkrete gesellschaftliche Lebensbedingungen) Arbeitsdefinition Sozialisationsforschung Unter dem Sammelbegriff Sozialisationsforschung lassen sich im deutschsprachigen Raum soziologische, psychologische, biologische, medizinische und pädagogische Forschungsansätze zusammenfassen, die sich mit interdisziplinärem Anspruch der Forschungsfrage zuwendet, wie der Mensch zu einem gesellschaftlich handlungsfähigen Subjekt wird (Ottermeyer/Kellermann). 19

20 2. Veranstaltung am Lernaktivitäten 1 ( ) Aufgaben zum Text: 1. Beschreiben Sie mit Ihren eigenen Worten den Begriff Sozialisation! 2. Auf welchen Ebenen erfolgen die Sozialisationsprozesse? Nennen Sie die Ebenen und beispielhafte Aspekte für jede Ebene! 3. Welche allgemeine Phasen befinden sich innerhalb der Sozialisationsprozesse? 4. Welche Zukunftsaussichten meint Sozialisation im 21. Jahrhundert? Wo sehen Sie Gefahren? 5. Recherchieren Sie über die Thematik im Internet und in der Bibliothek (Semester-App.!) 6. Denken Sie über Ihre eigene Sozialisation und Sozialisationsinstanzen nach! 20

21 Fragen der Sozialisation Ich danke für die Aufmerksamkeit! Vorlesung um