1.3 Handlungsfelder eines umfassenden Materialkostenmanagements
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- Christian Beutel
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1 64 II Umfassendes Kostenmanagement für fremdbezogene Produkte 1.3 Handlungsfelder eines umfassenden Materialkostenmanagements Kosten des Beschaffungsobjekts Die Einstandskosten umfassen die Gesamtkosten für die physische und rechtliche Verfügbarmachung des Beschaffungsobjekts bis an den Wareneingang des abnehmenden Unternehmens.
2 1 Kostenmanagement mit dem Fokus Preis und Total Cost 65 Zur Berechnung der Einstandskosten wird der Angebotspreis des Lieferanten um kostenrelevante Lieferungs- und Zahlungsbedingungen bereinigt. Die Verantwortung für die Einstandskosten des Beschaffungsobjekts liegt beim Einkauf. Erfolge bei den Einstandskosten haben in der Praxis einen hohen Stellenwert. Dieser ist darauf zurückzuführen, dass Einstandskostenerfolge dem Einkäufer direkt zugerechnet werden können (seine Beurteilung und sein Gehalt werden gelegentlich auch von seinen Einstandskosten- oder Preiserfolgen abhängig gemacht), Einstandskostenerfolge kurzfristig wirksam werden, Einstandskostenerfolge wegen des Hebeleffekts auf den Gewinn intern gut vermarktet werden können. Ist der Anteil der Kosten des Beschaffungsobjekts an den Gesamtkosten (Materialintensität) hoch und die Umsatzrendite gering, bewirkt bereits eine geringe Senkung der Materialkosten eine erhebliche Steigerung des Gewinns. Das folgende Beispiel demonstriert diese Hebelwirkung (vgl. auch Stölzle u. A S. 27f): Eine Senkung der Materialeinzelkosten um nur 5% steigert den Gewinn von bisher 10 auf 13,25 das entspricht einer Steigerung um 32,25% Der Anteil der Materialeinzelkosten am Umsatz sei 65%. Die Materialgemeinkosten betragen 10% der Materialeinzelkosten. Es wird angenommen, dass die Materialgemeinkosten und sonstigen Kosten Fixkostencharakter haben.
3 66 II Umfassendes Kostenmanagement für fremdbezogene Produkte Eine Umsatzsteigerung um 5% steigert dagegen den Gewinn nur von 10 auf 11,75 die Umsatzrendite steigt auf 11,19% das entspricht einer Steigerung um 11,19%. In diesem Beispiel, das durch eine hohe Materialintensität einen hohen Anteil der Materialeinzelkosten am Umsatz gekennzeichnet ist, verspricht die Senkung der Materialeinzelkosten im Vergleich zur Umsatzsteigerung also fast die dreifache Wirkung auf den Gewinn. Das auf die Kosten des Beschaffungsobjekts fokussierte Materialkostenmanagement (vgl. Abb. 1-7) führt Preis- und Total Cost-Analysen durch, um alternative Lieferquellen, sourcing-strategien, Materialien und alternative Preisvereinbarungen zu vergleichen und das Bestellverhalten zu optimieren. Hierzu vergleicht es die Höhe, Entwicklung und die Zusammensetzung der Einstandskosten, der total cost of ownership bzw. der life cycle cost. Darüber hinaus werden die Einflussfaktoren auf das eigene Preisverhalten und das Preisverhalten des Anbieters untersucht, um Ansatzpunkte zu finden, dieses zielorientiert zu beeinflussen (vgl. Abschnitt 2). Abb. 1-7: Handlungsfeld Kosten des Beschaffungsobjekts 1 2 Der Anteil der Materialeinzelkosten am Umsatz sei wiederum 65%. Es wird angenommen, dass die Materialgemeinkosten und sonstigen Kosten Fixkostencharakter haben.
4 1 Kostenmanagement mit dem Fokus Preis und Total Cost Bestandskosten Lagerkosten entstehen einerseits unabhängig von der eingelagerten Menge und unabhängig von dem Lagerwert für die Bereitstellung von Lagerraum und -ausstattung (Kosten für Miete bzw. Opportunitätskosten, Abschreibungen). Diese Kosten für Lagerraum und -ausstattung sind kurzfristig nicht beeinflussbar (fixe Kosten). Das im Lager gebundene Kapital verursacht (Opportunitäts-)Kosten, wenn das Material vor der Verarbeitung bezahlt werden muss und Fremdkapitalzinsen aufzuwenden sind oder Anlagezinsen entgehen. Kapitalbindungskosten sind durch kurzfristige Entscheidungen über Bestelltermine und -mengen beeinflussbar (variable Kosten) und können durch Konsignationslager auf den Lieferanten überwälzt werden. Bestand verursacht neben den genannten Kapitalbindungskosten auch ein Bestandsrisiko durch Schwund, Verderb und technische oder modische Überalterung. Bestandskosten werden in der Praxis durch einen Prozentsatz auf den Bestandswert erfasst. Ziel des Bestandsmanagements ist nicht die Bestandssenkung und auch nicht die Bestandskostensenkung, sondern der optimale Bestand. Das Bestandsmanagement muss die Kosten berücksichtigen, die durch geringere Bestände eingespart, aber auch bei anderen Kostenarten, in anderen Prozessschritten oder bei anderen Identnummern zusätzlich auftreten. Der optimale Bestand trägt den Kosten- und Leistungskonflikten Rechnung. Bestandsmanagement untersucht die hard und soft facts, die (vermeintlich) dazu führen, dass Sicherheitsbestand gehalten werden muss und dass Ausgleichs- oder Spekulationsbestand wirtschaftlich sind (vgl. Abb. 1-8). Bestandsmanagement nimmt gezielt Einfluss auf diese Bestandsverursacher (vgl. Abschnitt 3). Abb. 1-8: Motive (hard facts) für Bestände
5 68 II Umfassendes Kostenmanagement für fremdbezogene Produkte Beschaffungspersonalkosten Für die Beschaffungsmitarbeiter und die dort erstellten Leistungen (Bedarfsplanung, Bestellabwicklung, Beschaffungsmarktforschung, Verhandlungen etc.) entstehen Personal- und Sachkosten, die Gemeinkostenkostencharakter haben oder wegen des Erfassungsaufwands als solche behandelt werden. Gemeinkosten wurden lange Zeit aufgrund ihres Fixkostencharakters als unabänderlich betrachtet. Dies ist auch auf die mangelnde Transparenz der Gemeinkostenentstehung zurückzuführen, da die Kostenstellenrechnung zwar eine Trennung nach Kostenarten vornimmt, aber keine verursachungsgerechte Zuordnung auf Leistungen und Beschaffungsobjekte, für die diese Kosten entstanden sind, erlaubt. Das (Material)Gemeinkostenmanagement widmet sich besonders den bisher vernachlässigten Beschaffungspersonalkosten und gibt damit die auf Beschaffungsobjekte fokussierte Sichtweise im Kostenmanagement auf. Insbesondere für geringwertige Beschaffungsobjekte ist ein Gemeinkostenmanagement von großer Bedeutung es wird in der Literatur als C-Teile- Management bezeichnet. In der Materialgruppe der geringwertigen Beschaffungsobjekte besteht nämlich die Gefahr, dass die Beschaffungspersonalkosten die Ersparnisse bei den Einstands- und Bestandskosten übersteigen. Das (Material)Gemeinkostenmanagement geht in mehreren Schritten vor: Die Gemeinkostenanalyse befasst sich zunächst mit der Frage, für welche Beschaffungsleistungen Kosten in welcher Höhe entstehen und welche Einflussfaktoren (Kostentreiber) auf die Kosten wirken. Kostentreiber bilden Ansatzpunkte, die Gemeinkosten zu reduzieren. Die Kostentreiber werden in gestaltbare und unveränderliche Kostentreiber unterteilt. Aus der Sicht der Abteilung Einkauf ist der Kostentreiber Anzahl der neuen Lieferanten durch die Lieferantenpolitik gestaltbar, der Kostentreiber Teilevielfalt jedoch häufig ein Datum, da diese von der Produktentwicklung festgelegt wird. Im letzten Schritt werden Konzepte entwickelt, die Einfluss nehmen auf die identifizierten Kostentreiber. Entsprechend dieser Vorgehensweise ergibt die Analyse der Einkaufsgemeinkosten die folgenden Ansatzpunkte (vgl. Abb. 1-9): Einkaufspersonalkosten entstehen für Leistungen, die in der operativen Bestellabwicklung bedarfsabhängig, also für Bestellanforderungen, erbracht werden: Prüfung der Bestellanforderung, Suche nach Lieferanten, Ausschreibung, Angebotsvergleich, Verhandlung, Terminverfolgung, Prüfen der Auftragsbestätigung, Lieferung und Rechnung, Lieferantenbewertung. Sie werden als Bestellabwicklungskosten bezeichnet. Daneben fallen Aufgaben an, die unabhängig von einem aktuellen Bedarf auftreten die für diese Aufgaben anfallenden Kosten werden auch als Transaktionskosten bezeichnet. Hierzu zählen die Stammdatenpflege in der ERP-Software, die Beschaffungsmarktforschung, die funktionsübergreifende Zusammenarbeit, die Zulassung und Pflege von Lieferanten, die Verhandlung mit Lieferanten und die Entwicklung von Beschaffungsstrategien. Operative bedarfsabhängige Bestellabwicklungskosten werden zum einen bestimmt durch (vgl. Abb. 1-9) die Zahl der Bestellanforderungen, die pro Periode bearbeitet
6 1 Kostenmanagement mit dem Fokus Preis und Total Cost 69 werden. Diese ist wiederum abhängig von der Teilevielfalt, von der Bereitstellungsart, von der Höhe des Ausgleichsbestands und der Lieferantenpolitik (single sourcing bietet die Möglichkeit, Bedarfe mehrerer Identnummern in einem Bestellauftrag zusammenzufassen). Die operativen, bedarfsabhängigen Bestellabwicklungskosten werden zum anderen beeinflusst durch die Arbeitszeit, die für die Einkaufsleistungen (Bestellauftrag prüfen, Lieferantensuche, Anfragetätigkeit, Angebotsvergleich, Verhandlungen, Kontaktpflege, Stammdatenpflege etc.) aufgewendet wird. Die für eine Bestellanforderung anfallende Personalarbeitszeit wird von Bedarfsmerkmalen bestimmt: seltener oder einmaliger Bedarf erfordert einen hohen Aufwand vor der Auftragsvergabe die Spezifikation muss erarbeitet und abgestimmt werden, Lieferanten sind zu suchen und zu beurteilen, Angebote einzuholen und zu vergleichen. Dringender Bedarf benötigt eine persönliche Kontaktaufnahme zu Lieferanten, um deren kurzfristige Lieferfähigkeit zu prüfen und eine Beschleunigung der administrativen und logistischen Prozesse zu erreichen. Die Kostentreiber stehen offensichtlich untereinander in einer Ursache-Wirkungs- Beziehung und bilden einen Treiberbaum, eine Hierarchie. Die Organisation der Beschaffung wirkt als Kostentreiber, da sie Einfluss nimmt auf die Routine und das Wissen der Mitarbeiter. Sie ist verantwortlich für Doppelaufwand und Informations- und Abstimmungsaufwand zwischen den Prozessbeteiligten. Die Höhe der Transaktionskosten (vgl. Abb. 1-9) wird durch den Kostentreiber Teilevielfalt beeinflusst. Eine hohe Teilevielfalt hat nicht nur eine steigende Anzahl von Bestellanforderungen zur Folge, sondern auch eine steigende Zahl von Stammdaten, die gepflegt werden müssen, Lieferanten, die zugelassen und bewertet werden müssen sowie eine steigende Zahl von Warenanlieferungen und Rechnungen. Die Zahl und Zuverlässigkeit der Lieferanten wirken als weitere Treiber der Transaktionskosten, da die bedarfsunabhängigen Aufgaben der Beschaffung umfangreicher werden und unzuverlässige Lieferanten eine intensivere Überwachung benötigen. Die vom Einkauf praktizierte Sourcing-Strategie bildet einen weiteren Einflussfaktor auf die Transaktionskosten: langfristige Verträge mit wenigen Stammlieferanten reduzieren die Zahl der Verhandlungen und Lieferantenzulassungsverfahren. Auch die Entscheidung über den Umfang der Einkaufsleistungen, der je Beschaffungsobjekt aufgewendet wird, beeinflusst die Transaktionskosten Beispiele sind Art und Umfang des Lieferantenzulassungs- und -bewertungsverfahrens, die Häufigkeit und Intensität der Beschaffungsmarktforschung. Werden die Kostentreiber der Einkaufspersonalkosten danach klassifiziert, welche Abteilung direkten Einfluss auf sie hat, stellt sich heraus, dass die Bedarfsmerkmale außerhalb des Einkaufs, in der Entwicklung und in der Disposition festgelegt werden. Eine Veränderung der Bedarfsmerkmale erfordert prozess- und unternehmensübergreifende Anstrengungen. Die sourcing-strategie befindet sich jedoch ebenso wie die Entscheidung über den Umfang der Einkaufsleistungen je Beschaffungsobjekt innerhalb des Handlungsspielraums des Einkaufs und bilden geeignete Ansatzpunkte, auch abteilungsorientierte Konzepte zu entwickeln, die Einkaufspersonalkosten zu senken. Die Zusammenarbeit mit Stammlieferanten und der Abschluss von Rahmenverträgen reduzieren den Aufwand für Beschaffungsmarktforschung, Anfragetätigkeit und Verhandlungen. Der Einkauf kann den Umfang der Einkaufsleistungen für ein Beschaffungsobjekt differenzieren, d. h. der Leistungsumfang wird systematisch daraufhin gestaltet, welche Kosten die Leistung verur-
7 70 II Umfassendes Kostenmanagement für fremdbezogene Produkte sacht und welchen Nutzen sie im Hinblick auf die Qualitäts-, Versorgungs- und Flexibilitätsziele stiftet (Value Management). Leistungen, denen kein Nutzen (mehr) gegenübersteht, werden eliminiert, Leistungen mit schlechtem Kosten-Nutzen-Verhältnis werden reduziert oder fremdbezogen. Das Geschäftsprozessmanagement bemüht sich um Kostensenkung durch Vereinfachung, Standardisierung und Automatisierung der Geschäftsprozesse (z. B. Einsatz von ERP-Systemen, DTP-Systemen). Abb. 1-9: Treiber der Einkaufspersonalkosten Analog sind die Treiber der Personalkosten in den Abteilungen Disposition, Qualitätsprüfung, Wareneingang und Lager festzustellen und zu prüfen, ob und wie diese beeinflusst werden können.
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