Neue Ankergruppen für die enantioselektive kombinatorische Festphasensynthese
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1 ISTITUT FÜR RGAISCHE CHEMIE eue Ankergruppen für die enantioselektive kombinatorische Festphasensynthese Von der Fakultät für Mathematik, Informatik und aturwissenschaften der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der aturwissenschaften genehmigte Dissertation vorgelegt von Diplom-Chemiker Johannes Köbberling aus Göttingen Berichter: Universitätsprofessor Dr. D. Enders Universitätsprofessor Dr. C. Bolm Tag der mündlichen Prüfung: Diese Dissertation ist auf den Internetseiten der Hochschulbibliothek online verfügbar.
2 Die vorliegende Arbeit wurde unter Anleitung von Herrn Prof. Dr. D. Enders am Institut für rganische Chemie der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen in der Zeit von Januar 1998 bis Dezember 2000 angefertigt. Herrn Prof. Dr. D. Enders danke ich herzlich für sein großes Interesse am Fortgang dieser Arbeit und für die Bereitstellung optimaler Arbeitsbedingungen. Herrn Prof. Dr. C. Bolm danke ich für die Übernahme des Korreferats.
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4 Teile dieser Arbeit sind bereits veröffentlicht oder zur Veröffentlichung vorbereitet: 1. S. Bräse, D. Enders, J. Köbberling, F. Avemaria, Angew. Chem. 1998, 110, ; Angew. Chem. Int. Ed. Engl. 1998, 37, [CA 130:196356] Entwicklung eines regenerierbaren traceless linker -Systems für Reaktionen an fester Phase ein überraschender Festphasen-Effekt. 2. S. Bräse, J. Köbberling, D. Enders, M. Wang, R. Lazny, S. Brandtner, Tetrahedron Lett. 1999, 40, [CA 130:296215] Triazenes as Robust and Simple Linker for Amines in Solid-Phase rganic Synthesis. 3. R. Lazny, J. Poplawski, J. Köbberling, D. Enders, S. Bräse, Synlett 1999, [CA 131:257031] Triazenes: A Useful Protecting Strategy for Sensitive Secondary Amines. 4. J. Köbberling, D. Enders, E. Bremus-Köbberling, A. Gillner, S. Brandtner, GIT Laboratory Journal 2000, 4, 205. Micro-Reactor-Design for Solid Phase Applications. 5. D. Enders, J. H. Kirchhoff, J. Köbberling, T. H. Peiffer, rg. Lett. 2001, Asymmetric Synthesis of α-branched Primary Amines on Solid Support via ovel Chiral Hydrazine Linkers.
5 »Kaum ist bis jetzt eine Anforderung der Gewerbe, der Industrie, der Physiologie durch die wissenschaftliche Chemie unbefriedigt geblieben. Eine jede Frage, scharf und bestimmt gestellt, ist bis jetzt gelöst worden.«justus v. Liebig (Chemische Briefe, 4. Aufl., Heidelberg 1859.) für Elke und meine Eltern
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7 IHALT Inhalt 1. Einleitung Die Bedeutung von Chiralität Die Asymmetrische Synthese Analgetika Kombinatorische Chemie Diversität Technische Aspekte Festphasensynthesen Ankergruppen für die Festphasensynthese Ankergruppen für die Peptidsynthese Linker für Alkohole Linker für Amine Photolabile Linker Safety-Catch-Linker Spurlose Ankergruppen Harze mit chiralem Linker Immobilisierte Reagenzien Scavenger -Harze Ziele dieser Arbeit Hauptteil Die T1-Ankergruppe Derivatisierungsreaktionen am T1- Linker...39 I
8 IHALT Die spurlose Abspaltung Die T2-Ankergruppe Anwendung von Triazenen als Schutzgruppe Synthese von Piperidon-Derivaten am T2- Linker Synthese einer Piperazinbibliothek am T2- Linker Synthese und Anwendung eines SAMP-Harzes Synthese von (2S,4R)-1-Amino-2-methoxymethyl-4-(polystyrolmethyloxy)-pyrrolidin (SAMP-Harz) Synthese eines Harzes mit teildeuteriertem SMP- Linker Synthesen mit dem SAMP-Harz Synthese mehrerer Bibliotheken α-alkylierter Ketone Zusammenfassung und Ausblick Experimenteller Teil Anmerkungen zur Analytik Geräte und Aufnahmetechniken Analytischen Daten in den Einzelbeschreibungen Berechnung der Elementaranalysen von Harzen Lösungsmittel und Reagenzien Allgemeine Arbeitstechniken Arbeiten unter Inertgas Reaktionskontrolle Produktreinigung Spezielle Geräte zur Festphasensynthese Allgemeine Arbeitsvorschriften Die T1-Ankergruppe Aufbau der Triazenverbindungen Umsetzungen an den T1-Harzen II
9 IHALT Abspaltung der Produkte Die T2-Ankergruppe Synthese des T2- Linkers Synthese von Piperidonderivaten am T2- Linker Synthese von Piperazinderivaten am T2- Linker Synthese und Anwendung des SAMP-Harzes Synthese von trans-4-hydroxy-(l)-prolin-methylester-hydrochlorid Synthese von (2S,4R)-1-Benzoyl-4-hydroxy-prolin-methylester Synthese von (2S,4R)-1-Benzoyl-4-(tert-butyl-dimethyl-silanyloxy)- prolin-methylester Synthese von (2S,4R)-1-Benzyl-4-(tert-butyl-dimethyl-silanyloxy)-2- hydroxymethyl-pyrrolidin Synthese von (2S,4R)-1-Benzyl-4-(tert-butyl-dimethyl-silanyloxy)-2- methoxymethyl-pyrrolidin Synthese von (2S,4R)-4-(tert-Butyl-dimethyl-silanyloxy)-2- methoxymethyl-pyrrolidin Synthese von (2S,4R)-4-(tert-Butyl-dimethyl-silanyloxy)-2- methoxymethyl-1-trityl-pyrrolidin Synthese von (2S,4R)-4-Hydroxy-2-methoxymethyl-1-trityl-pyrrolidin Immobilisierung des Auxiliares Synthese von (2S,4R)-2-Methoxymethyl-4-(polystyrol-methyloxy)-1- trityl-pyrrolidin Synthese von (2S,4R)-2-Methoxymethyl-4-(polystyrol-methyloxy)- pyrrolidin ( SMP-Harz ) Synthese von (2S,4R)-2-Methoxymethyl-1-nitroso-4-(polystyrolmethyloxy)-pyrrolidin Synthese von (2S,4R)-1-Amino-2-methoxymethyl-4-(polystyrolmethyloxy)-pyrrolidin ( SAMP -Harz) Synthese von (2S,4R)-[2-Methoxymethyl-4-(polystyrol-methyloxy) pyrrolidin-1-yl]-(4-nitro-benzylidene)-amin III
10 IHALT Synthese von Trideuteromethyl-SMP-Harz Synthese immobilisierter Hydrazone Eine Bibliothek chiraler α-substituierter Ketone Automatisierte Synthese Literatur Anhang Abkürzungen Ausgewählte Spektren Syntheseprogramme Synthese a-alkylierter Ketone über die entsprechenden Hydrazone Acylierung von Piperazin am T2-Harz im Miniblock Symposien Patente (angemeldet) IV
11 EILEITUG 1. Einleitung 1.1. Die Bedeutung von Chiralität Die grundlegende Erkenntnis von L. Pasteur, [1] daß organische Verbindungen in Form von optischen Isomeren auftreten können, die sich wie Bild und Spiegelbild verhalten und die Erklärung für dieses Phänomen basierend auf der Theorie des tetraedrischen Kohlenstoffs durch J.H. van t Hoff [2] und J.A. Le Bel [3] haben die Arbeit organischer Synthesechemiker bis in die Gegenwart hinein beeinflußt. Viele in der atur vorkommende Substanzen sind optisch aktiv und ihre Wirksamkeit in biologischen Systemen ist häufig von der absoluten Konfiguration abhängig. So führt z. B. die Wechselwirkung körpereigener Enzyme und Rezeptoren mit Carvon im Falle des (R)-Isomers zur Wahrnehmung eines Minzaromas, wohingegen das (S)-Enantiomer den Geruch von Kümmel verströmt (Abb. 1). [4] H 3 C CH 2 (S)-1 (S)-Carvon Kümmelaroma H 2 C (R)-1 (R)-Carvon Minzaroma Abb. 1: Die Enantiomere von Carvon. Insbesondere für pharmakologische Wirkstoffe hat die unterschiedliche biologische Aktivität der Enantiomere einer Substanz außerordentliche Bedeutung. Dies kann von stark unterschiedlicher Wirksamkeit über ein unterschiedliches ebenwirkungsprofil bis hin zu komplett gegensätzlichem Verhalten reichen. Der Unterschied in der Wirksamkeit zwischen den Enantiomeren einer Verbindung wird als eudismisches Verhältnis bezeichnet. Zum Beispiel ist (R)-( ) PU-95666E am Dopamin D 2 -Rezeptor mehr als 100 mal und am 5-HT 1A -Rezeptor mehr als 10 mal aktiver als das (S)-(+)-Enantiomer (Abb. 2). [5] 1
12 EILEITUG H CH3 H 3 C H H (R)-2 ( )-PU-95666E D 2 9 µmol 5-HT 1A 73 µmol (+)-PU-95666E >1000 µmol >1000 µmol H (S)-2 Abb. 2: Die Wirksamkeit der Enantiomere von PU-95666E variiert stark. Wenn die ebenwirkungen eines Wirkstoffs nur von einem Enantiomer ausgehen, so kann das andere in enantiomerenreiner Form als Wirkstoff zugelassen werden. Bei dem Tuberkulostatikum Dexambutol handelt es sich um das (+)-Enantiomer von Ethambutol. ( )-Ethambutol verursacht Blindheit (Abb. 3). H 3 C H H H H (S,S)-3 Dexambutol (+)-Ethambutol Tuberculostatikum H 3 C H H (R,R)-3 H H ( )-Ethambutol verursacht Blindheit Abb. 3: (+)-Ethambutol ist ein wirksames Tuberkulostatikum. Beim Propoxyphen, einem synthetischen pioid ist das Wirkprofil der Enantiomere deutlich verschieden: (+)-Propoxyphen wird unter dem Handelsnamen Darvon als Analgetikum vertrieben, sein Spiegelbild ( )-Propoxyphen wurde als ovrad gegen Husten verabreicht * (Abb. 4). H 3 C H 3 C H 3 C H 3 C (R,S)-4 (S,R)-4 Darvon (+)-Propoxyphene Analgetikum ovrad (-)-Propoxyphene Antitussivum Abb. 4: Die spiegelbildlichen Wirkstoffe Darvon und ovrad. * Ein Palindrom: "Darvon sides reversed is ovrad." 2
13 EILEITUG Bei dem Analgetikum Tramadol, dem Racemat aus (S,S)- und (R,R)-2- [(Dimethylamino)methyl]-1-(3-methoxyphenyl)cyclohexan-1-ol (5) haben die Enantiomere zwar unterschiedliche Wirkung, ergänzen sich aber positiv zu einem besonders wirksamen Medikament, so daß in diesem Fall das Racemat zugelassen ist (Abb. 5). CH3 H 3 C H H 3 C H (S,S)-5 ( )-Tramadol (R,R)-5 (+)-Tramadol Abb. 5: Die Enantiomere des racemischen Wirkstoffs Tramadol. Seltener ist der Fall, daß beide Enantiomere gegenteilige Wirkung aufweisen: Bei dem Dihydropyridinderivat Bay-k-8644 ist das ( )-Enantiomer ein starker Ca-Kanal- Agonist, während sein Enantiomer schwach antagonistische Wirkung aufweist (Abb. 6). F 3 C CF 3 2 H 3 C 2 H 3 C H (S)-6 ( )-Bay k 8644 H 3 C H (R)-6 (+)-Bay k 8644 Abb. 6: Die Enantiomere von Bay-k-8644 haben gegenteilige Wirkung. Aufgrund dieses unterschiedlichen Verhaltens müssen heute von jedem neuen Medikament beide Enantiomere separat auf ihre biologische Aktivität untersucht werden. Ein Racemat wird als das Gemisch zweier unterschiedlicher Wirkstoffe behandelt. ur wenn beide Enantiomere annähernd identische Wirkung aufweisen oder synergistische Effekte zwischen den beiden Wirkstoffen bestehen, kann das Racemat zugelassen werden. Ausnahmen von dieser Regelung gelten naturgemäß für all die Wirkstoffe, die unter physiologischen Bedingungen racemisieren. Auch metabolische Deracemisierungen können die Zulassung eines Racemates ermöglichen (Abb. 7). So 3
14 EILEITUG ist (S)-Ibuprofen ungefähr viermal wirksamer als (R)-Ibuprofen, diese Verbindung wird jedoch unter physiologischen Bedingungen selektiv in das (S)-Enantiomer umgewandelt. H Metabolische Inversion H H 3 C (R)-7 Ibuprofen (S)-7 Abb. 7: Ibuprofen wird im Körper deracemisiert. Die verschärften Zulassungsbedingungen für pharmakologische Wirkstoffe haben dazu geführt, daß die Produktion von racemischen Wirkstoffen zunehmend an Bedeutung verliert und die pharmazeutische Industrie ein wachsendes Interesse der Herstellung enantiomerenreiner Substanzen (EPC = Enantiomerically Pure Compound) [6] entgegenbringt. Mitunter können dabei patentrechtliche Überlegungen von Unternehmen eine zusätzliche Rolle spielen. Sind beide Enantiomere eines Wirkstoffs hinreichend aktiv, so kann zunächst das Racemat vertrieben werden und nach Ablauf der Schutzfrist der geschützte Vetrieb des aktiveren Enantiomers als EPC begonnen werden ( chiral switch ). Auf diese Weise kann eine deutliche Verlängerung der Patentlaufzeit für einen Wirkstoff erzielt werden. [7] H 3 C H 3 C F H H F (S)-8 ( )-floxacin (R)-8 (+)-floxacin Abb. 8: (S)-( )-floxacin ist Levofloxacin. Ein Beispiel ist der Wirkstoff floxacin (Abb. 8), ein Chemotherpeutikum mit einer weiten Wirkbreite gegen Bakterien aus der wichtigen Klasse der Gyrasehemmer. (S)-( )-floxacin wird nach erneuter Patentierung von Aventis als Levofloxacin vertrieben. 4
15 EILEITUG H 2 H H H 9 (R,R)-Labetalol Dilevalol Abb. 9: Dilevalol, das aktivste Stereoisomer von Labetalol Labetalol, ein Antihypertonikum, das einen selektiven α1-adrenergen Rezeptorblocker und gleichzeitig einen unselektiven β-rezeptorblocker darstellt, wird als racemisches 1:1 Diastereomerengemisch vertrieben. Das aktivste Stereoisomer, (R,R)-Labetalol wird als Dilevalol derzeit klinisch getestet (Abb. 9). Dem Synthesechemiker stehen generell drei Möglichkeiten zur Herstellung von EPCs zur Verfügung: Synthese racemischer Gemische mit anschließender Racematspaltung. [8] Derivatisierung optisch reiner Synthesebausteine aus der atur (ex chiral pool). [9,10] Asymmetrische Synthese (stöchiometrisch, katalytisch, biologisch). [11-16] Die Asymmetrische Synthese ach Definition von J. D. Morrison und H. S. Mosher handelt es sich bei der Asymmetrischen Synthese um einen Reaktionstyp, bei dem eine prochirale Gruppierung innerhalb eines Moleküls in eine chirale überführt wird und dabei stereoisomere Produkte in ungleichen Mengen gebildet werden. [17] Voraussetzung für das bevorzugte Entstehen eines Stereoisomers ist dabei eine von außen in das prochirale Molekül eingebrachte Chiralitätsinformation, die zu diastereotopen Übergangszuständen unterschiedlicher Energieniveaus führt. Im Folgenden sind die beiden wichtigsten Wege zur Aufhebung der Symmetrie der Übergangszustände beschrieben: Chirale Katalysatoren und Enzyme bewirken eine asymmetrische Induktion, da in der katalysierten Reaktion diastereomorphe Übergangszustände erzeugt werden. Wenn die Chiralitätsinformation eine ausreichend große Induktion bewirkt, und wenn die 5
16 EILEITUG Katalysatoren leicht wiedergewonnen werden können, stellen sie eine sehr elegante Methode dar. So wird z.b. Levodopa nach dem bekannten Monsanto-Verfahren durch enantioselektive Reduktion der entsprechenden Ausgangsverbindung mit Hilfe eines chiralen Rhodiumkomplexes hergestellt (Abb. 10). H H H H H 2, [Rh]* H H 2 H H (L)-Dopa H Abb. 10: Synthese von L-Dopa nach Monsanto. Kovalent gebundene Chiralitätsinformationen in Form von chiral modifizierten Hilfsreagenzien (Auxiliaren) werden in der asymmetrischen Synthese häufig angewendet. Auch hier ist es wünschenswert, das Auxiliar wiederzugewinnen. Der gegenüber einer Katalysatorrückgewinnung größere Aufwand durch zusätzliche Abspaltungsreaktionen hat bisher eine industrielle Anwendung erschwert. Im Labormaßstab (z.b. in der aturstoffsynthese) wird diese Methode jedoch sehr erfolgreich eingesetzt. Vorteilhaft ist es, wenn solche chiralen Auxiliare in beiden enantiomeren Formen aus natürlichen Quellen darstellbar sind und sie leicht in das Edukt einführbar bzw. aus dem Produkt abspaltbar sind, wie z.b. (S)- bzw. (R)-1-Amino-2-methoxymethyl-pyrrolidin (SAMP/RAMP), die aus den leicht zugänglichen Aminosäuren (S)- und (R)-Prolin darstellbar sind. [18] H 2 (S)-12 SAMP H 3 C (R)-12 RAMP H 2 Abb. 11: Die chiralen Auxiliare (S)- bzw. (R)-1-Amino-2-methoxymethyl-pyrrolidin. Die Verwendung von SAMP bzw. RAMP ermöglicht den Zugang zur stereoselektiven Darstellung unterschiedlichster chiraler Verbindungen. Die 6
17 EILEITUG synthetisch besonders wichtige C-C-Verknüpfung in α-stellung zur Carbonylgruppe gelingt mit Hilfe von SAMP-/RAMP-Hydrazonen mit ausgezeichneten Enantioselektivitäten. R 1 SAMP -H 2 R 2 R R 3 R 2 3 oder xalsäure LDA, THF R 3 X Li R R 1 1 CH R 1 R2 3 R 2 R 2 R Abb. 12: Asymmetrische C-C-Verknüpfung in α-stellung zur Carbonylgruppe. Dabei wird die Carbonylkomponente in das korrespondierende chirale SAMP-Hydrazon überführt, anschließend folgt die chiral induzierte Deprotonierung des Hydrazons mit einer Base, meist Lithiumdiisopropylamid, zur metallierten Spezies. Dieses Azaallyl-System wird im Folgenden mit einem Elektrophil, z.b. einem Alkylhalogenid umgesetzt, wobei dieses metallo-retentiv von derselben Seite wie das vom Methoxymethylhenkel des Auxiliars komplexierte Lithium angreift. Dies führt in guten Ausbeuten zu den α-substituierten Hydrazonen, aus denen durch Abspaltung des Auxiliars, beispielsweise mittels zonolyse, die α-chirale Carbonylverbindung freigesetzt werden kann. [19] 7
18 EILEITUG 1.2. Analgetika Analgetika zählen zu den wichtigsten und verbreitetsten Medikamenten. Seit der ersten Reindarstellung von Morphin im Jahr 1806 durch Sertürner und der Einführung in der modernen Schmerztherapie sind sie aus der Medizin nicht mehr wegzudenken. Spätestens seit dem Ende des Amerikanischen Bürgerkrieges 1865 sind aber auch die Gefahren, nämlich das Suchtpotential opioider Substanzen, bekannt. Die moderne Analgesieforschung ist deswegen bemüht, Substanzen zu entwickeln, die zwar die schmerzlindernde Wirkung, nicht aber das Suchtpotential von Morphium besitzen. Morphium und analoge Substanzen entfalten ihre Wirkung über die Wechselwirkung mit spezifischen Rezeptoren, die in allen Wirbeltieren zu finden sind. Die körpereigenen Substanzen, die normalerweise diese piatrezeptoren aktivieren, sind kurzkettige Peptide - die Endorphine und Enkepaline. ach W. R. Martin [20] gibt es mindestens drei verschiedene piatrezeptoren (die µ-, κ- und δ-rezeptoren). Rezeptoren vom µ-typ sind in erster Linie für die supraspinal analgesierende, atemdepressive und für die euphorisierende Wirkung der piate verantwortlich. Die Stimulation dieser Rezeptoren ist wahrscheinlich der wichtigste suchtauslösende Faktor. Durch Erregung der κ-rezeptoren werden spinale Analgesie, Sedation, Miosis und ebenfalls Abhängigkeit hervorgerufen. Stimulation der δ-rezeptoren führt auch zu einer spinalen Analgesie, weiterhin jedoch zu Dysphorie und Halluzinationen. Zusätzlich können pioide noch am sogenannten σ-rezeptor angreifen, der nicht zur Familie der pioidrezeptoren zählt. [21] Durch die unterschiedliche Affinität zu den verschiedenen Rezeptoren kann das variable Wirkungsprofil verschiedener piate erklärt werden. Die analgetische Wirkung dieser Substanzen scheint aber nicht ausschließlich an diese Rezeptoraffinität gekoppelt zu sein. Für die verschiedenen Substanzklassen (Endorphine/Enkepaline, Morphine, synthetische pioide, Abb. 13), die an diesen Rezeptoren analgetische Wirkung 8
19 EILEITUG entfalten, sind intensive Untersuchungen zur Struktur-Aktivitäts-Beziehung (SAR) durchgeführt worden. [22,23] Ein aktives Molekül zeichnet sich aus durch einen Aromaten (häufig Hydroxy-substituiert) und ein ca. 3-4 Bindungen entferntes basisches (meist tertiäres, häufig Dimethyl-substituiertes) Stickstoffatom. Wenn diese in der richtigen räumlichen Anordnung zueinander stehen, ist eine analgetische Wirkung zu erwarten. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß schon kleine Änderungen am Molekül dessen Wirkung vollkommen aufheben können: Der Austausch eines -Methylrestes an Morphinderivaten gegen Allyl- oder Methylencyclopropyl-Reste führt zu stark antagonistischer Wirkung (19). H H H H H H CH 2 H R H Ph H H H H 2 Morphin aloxon (Antagonist) Tyr-Gly-Gly-Phe-Leu/Met Met/Leu-Enkephalin 20 H CH3 CEt H CH 3 CH3 H 3 C 21 H 3 C (Hydroxy)-Pethidin Levomethadon Tilidin Tramadol Abb. 13: Verschiedene opioide Wirkstoffe. Traurige Berühmtheit erlangte die Designerdroge MPPP (24, 1-Methyl-4-phenyl-4- propionyloxy-piperidin), die in den 70er Jahren in Amerika aus Pethidin entwickelt worden ist. Die Umkehr der Estergruppe führte zu einer deutlichen Vereinfachung der Synthese bei Erhalt der Wirksamkeit. Die Estergruppierung kann jedoch bei falscher Reaktionsführung während der Herstellung leicht eliminiert werden, was zu dem hochtoxischen Derivat MPTP (25, 1-Methyl-4-phenyltetrahydropyridin) führt. Dies wird in den ervenzellen der Substantia igra zu einem Pyridiniumderivat oxidiert, das die Zellen nicht mehr verlassen kann und irreversibel Morbus Parkinson hervorruft (Abb. 14). [22] 9
20 EILEITUG Enzymatische xidation Pethidin MPPP MPTP eurotoxischer Metabolit Abb. 14: Der Weg von Pethidin zu MPTP. Besonderes Augenmerk unter den synthetischen pioiden verdient der Wirkstoff Tramadol (5) im Medikament Tramal der Firma Grünenthal GmbH, der von der World Health rganisation auf Stufe zwei der Schmerztherapie krebskranker Patienten empfohlen wird. [24] Tramadol (5) ist das Racemat aus (S,S) und (R,R) 2-[(Dimethylamino)methyl]-1-(3- methoxy-phenyl)cyclohexan-1-ol. Insbesondere die Struktur von (R,R)-Tramadol zeigt Ähnlichkeiten mit Morphium. Da bei Tramadol die für piate typischen ebenwirkungen wie Atemdepression, bstipation und Auswirkungen auf das Herz- Kreislauf-System nur eine untergeordnete Rolle spielen, wird es trotz seiner gegenüber Morphium ca. fünfmal geringeren Wirkung bei mäßig starken bis starken Schmerzen eingesetzt. Das Suchtpotential ist so gering, das es in Deutschland nicht unter das Betäubungsmittelgesetz fällt. Diese Trennung von Analgesie und opioiden ebenwirkungen geht im wesentlichen auf zwei Effekte zurück. Der pioidanteil, der bevorzugt im (R,R)-Enantiomer vertreten ist, ist an der analgetischen Wirkung relativ gering beteiligt (geringe Affinität des Wirkstoffs zu piatrezeptoren bei gewisser Bevorzugung des µ-rezeptors). Zudem wird die gute Wirkung erst durch synergistische Kombination mit dem (S,S)- Enantiomer erreicht, das im wesentlichen die Wiederaufnahme des eurotransmitters oradrenalin hemmt. Zusätzlich trägt auch der in vivo gebildete Hauptmetabolit -Demethyltramadol zur komplexen Gesamtwirkung bei. [25-28] Aufgrund dieser bereits sehr guten Eigenschaften bietet sich Tramadol als Leitstruktur für die Entwicklung neuer Wirkstoffe mit den Methoden der kombinatorischen Chemie und anschließendem HTS (High-Throughput-Screening) an. 10
21 EILEITUG 1.3. Kombinatorische Chemie Seit R. B. Merrifield [29,30] 1963 die erste Festphasenpeptidsynthese veröffentlicht hat, ist dieser Ansatz zur Standardmethode für die Synthese von Peptiden entwickelt worden und wird heute mit hoher Zuverlässigkeit voll automatisiert durchgeführt. [31,32] eben Polystyrolharzperlen (beads) wurden ab 1984 von H. M. Geysen auch aminfunktionalisierte Polyethylenstäbchen (pins) eingesetzt, die so angeordnet waren, daß sie genau in eine Mikrotiterplatte paßten (Abb. 15a). [33] Aufbauend auf diesen Methoden entwickelten Mitte der 80er Jahre verschiedene Arbeitsgruppen Techniken, um Mischungen von Substanzen zu synthetisieren: R. A. Houghten [34] erfand 1985 die sogenannte Teebeutel-Methode, bei der diskrete Harzportionen in Beuteln aus Polypropylensieb eingeschlosssen waren. Mit diesen konnten nun chemische Reaktionen wie an normalem Harz durchgeführt werden, wobei Schritte wie Schutzgruppenabspaltungen an allen Beuteln gemeinsam durchgeführt werden konnten (Abb 15b). So waren erstmals Bibliotheken von einigen hundert Peptiden schnell zugänglich. Abb. 15: Polyethylenstäbchen nach Geysen und Tea-Bags nach Houghten (Quelle [35]). 11
22 EILEITUG H. M. Geysen [36] setzte ab 1986 Mischungen von verschiedenen Aminosäuren zur Kupplung an seine Pins ein, wobei er die jeweiligen Konzentrationen der zu kuppelnden Aminosäuren an deren relative Reaktionsgeschwindigkeit anpaßte, um jeweils gleichviel von jeder Aminosäure anzukuppeln. A. Furka war ab 1988 der erste, der durch die Anwendung der von ihm erfundenen Mix and Split Methode (Abb. 16) Peptidbibliotheken in virtuell unbegrenzter Größe synthetisieren konnte, [37,38] weswegen er zusammen mit H. M. Geysen als Erfinder der Kombinatorischen Chemie angesehen werden kann. Abb. 16: Mix and Split Synthese nach A. Furka (Quelle [35]). Der Begriff Kombinatorische Chemie für diese Form der Synthese beruht auf den mathematischen Verfahren, die zur Auffindung einer aktiven Verbindung in einer solchen Mischungsbibliothek angewendet werden müssen, man spricht hier von der Dekonvolution einer Bibliothek. Meistens werden Teilbibliotheken nachsynthetisiert, um die aktive Spezies einzugrenzen. Die für eine derartige rekursive Dekonvolution notwendigen Verfahren aus der Kombinatorik waren letztendlich amensgeber für dieses neue chemische Arbeitsgebiet. Heute wird der Begriff Kombinatorische Chemie sehr viel weiter gefaßt, so daß im Prinzip jede (simultane) Herstellung einer Produktmatrix (bzw. Bibliothek) von n*m Produkten ausgehend von n+m Edukten als kombinatorische Synthese bezeichnet wird. Diese Aufweichung dürfte damit zusammenhängen, daß fast nur noch Bibliotheken von Einzelsubstanzen und nicht mehr von Mischungen synthetisiert 12
23 EILEITUG werden. Der achteil des größeren Syntheseaufwands für eine derartige Synthese von Einzelsubstanzen kann durch den Einsatz von speziellen Geräten zur Parallelsynthese weitgehend ausgeglichen werden Diversität Die Kombinatorische Chemie wurde als Methode entwickelt, um schnell viele verschiedene Substanzen zu synthetisieren. Dies wurde erforderlich zur Ausnutzung aller Möglichkeiten, welche die modernen automatisierten Testsysteme (HTS) liefern. Trotzdem wird die Anzahl der Reaktionsprodukte, die bei der Kombination aller theoretisch möglichen und geeigneten Reagenzien synthetisiert werden könnten, so groß, daß die Synthese- und screening-möglichkeiten einer jeden rganisation bei weitem überschritten werden. Der Ausdruck Virtuelle Bibliothek ist eingeführt worden, um alle theoretisch möglichen Substanzen, die durch eine parallele Synthese zugänglich sind, zu umschreiben. Das Ziel muß daher die Zusammenstellung einer kleineren, aber intelligenteren Bibliothek sein, um ein Maximum an Diversität mit einer minimalen Anzahl von Komponenten zu erreichen. [39] Selbst wenn noch keine mechanistischen Erkenntnisse über Wechselwirkungen des Rezeptors bekannt sind, können Substanzklassen einer Bibliothek durch den Einsatz von privilegierten Strukturen so ausgewählt werden, daß die Funktionalitäten in Anlehnung an eine Struktur, die bereits Aktivität in der gewünschten Form gezeigt hat, nur noch modifiziert werden. [40] Moleküle können nach ihren strukturellen Eigenschaften wie Molmasse, Form, Flexibilität, Lipophilie, Ladungsverteilung und Dipolmoment gruppiert werden. Die Definition und Messung der Diversität [41-43] einer gegebenen Bibliothek sind wichtig bei der Entscheidung über die Startmaterialien. [44,45] Die Suche nach Leitstrukturen und deren weiterführende Wirkoptimierung, wird geleitet durch die Pfizer rule of five, die C. Lipinski aufgestellt hat. [46] Hierin wird annähernd festgelegt, welche Grundeigenschaften ein medizinischer Wirkstoff haben muß. iedermolekulare organische Moleküle, die man small drug-like molecules nennt, sind Moleküle, die Lipinskis rule of five erfüllen: Es gibt nicht mehr als fünf Wasserstoff-Bindungs-Donoren. 13
24 EILEITUG Die Summe der Stickstoff- und Sauerstoffatome im Molekül ist nicht größer als zehn. Die Molmasse ist kleiner als 500. Der berechnete Logarithmus des ctanol-wasser-verteilungskoeffizienten (logp) ist kleiner als fünf. Substrate mit aktivem Transport und aturstoffe sind ausgenommen Technische Aspekte Trägermaterialien Mikro- und makroporöse Polystyrol / Divinylbenzol-Copolymerisate Diese Harze sind preiswert und können einfach und mit hoher Beladung (normalerweise mmol/g) funktionalisiert werden. Sie werden häufig in der Festphasensynthese von Peptiden und kleinen organischen Molekülen eingesetzt. Zunächst wurden diese Harze durch nachträgliche Funktionalisierung eines PS/DVB Copolymerisats hergestellt. Die nachträgliche Friedel-Crafts Chloromethylierung führt jedoch zu uneinheitlichen leicht gelben Produkten und zu weiterer Quervernetzung. Moderne Harze werden direkt durch Copolymerisation von PS, DVB und p-chloromethylstyrol hergestellt (ACT Paramax, Polymer Labs Stratosphere ). Diese Harze sind farblos, haben ein besseres Quellverhalten und sind durch die einheitliche para-substitution besser für MR-Untersuchungen geeignet. Harze mit hydrophilen PEG-Einheiten Harze mit PEG- Spacern zwischen dem Polymer-Rückgrad und der Ankergruppe, z.b. Tentagel [47] sind weniger hydrophob und quellen besser in protischen Lösungsmitteln wie Wasser oder Methanol. Sie sind allerdings mechanisch weniger stabil und haben eine geringere Beladung als reine Polystyrol-Harze. Sie finden breite Anwendung in der festphasenunterstützten Synthese von Peptiden und kleinen organischen Molekülen. euere Harze dieser Art haben die Ankergruppen nicht mehr am Ende der PEG-Kette, sondern am Polystyrol. Die PEG-Einheiten sind in das PS- Rückrat des Polymers eingebaut. 14
25 EILEITUG euere Entwicklungen Insbesondere für den Einsatz als immobilisierte Reagenzien und Abfangreagenzien, im Folgenden Scavenger genannt, ist es wünschenswert, eine sehr hohe Beladung des Harzes mit funktionellen Gruppen zu erreichen. Beladungen über 2.0 mmol/g sind für PS/DVB Harze nur schwer erreichbar. Einen anderen Ansatz verfolgen Barrett et al. und Hodges et al. Sie polymerisieren ein funktionalisiertes Monomer, so daß jede Wiederholungseinheit eine funktionelle Gruppe trägt und somit Beladungen >3.5 mmol/g erreichbar sind. A.G.M. Barrett nutzt dafür die RM-Polymerisation funktionalisierter orbonene und gelangt zu den sogenannten RMP-Spheres. [48-51] J.C. Hodges hat ein TEMP-modifiziertes Polystyrol entwickelt, an das in einer lebenden aktiven Polymerisation funktionalisierte Styrolmonomere pfropfcopolymerisiert werden können. Aufgrund des sichtbaren Größenzuwaches der Polymer-Beads durch diese Zöpfe gab er ihnen den amen Rasta-Resins. [52,53] Parallelsynthese an diskreten Harzportionen Pins, Kronen und Laternen Polystyrol- oder Polymethacrylamid-derivatisierte Matrizen können auf verschiedenen Trägermaterialien verankert werden. Zu dieser Gattung zählen die Polyethylenkronen, die auf der Spitze von adeln (pins) aufgetragen sind. [33] Die pins sind normalerweise in der Art einer 96er Mikrotiterplatte angeordnet. Diese von Geysen et al. zur Synthese von Peptidbibliotheken entwickelte Methode [54-55] hat eine breite Anwendung bei der Synthese von Bibliotheken kleiner organischer Moleküle erlangt. Inzwischen werden häufig kommerziell erhältliche Synphase-Crowns und -Lanterns verwendet, die nicht mehr in einem Raster angeordnet sind, sondern einzeln entweder durch Farbmarkierungen oder durch Transponderchips (s. u.) markiert (tagging) sind. [56-60] IRRI-Kans Eine Variation der tea bag-technik wurde von IRRI entwickelt. [61] Die Harze werden in kleine stabile Polypropylenzylinder (kans) ( ml) gefüllt, die mit einem Transponderchip ausgestattet sind, aus dem mit einer kombinierten Sende- und 15
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