Hubert-Ralph Schmitt Gerd Kunert Eva Stichler. Neue Wege ALTERSVERSORGUNG. Ein praktischer Leitfaden für den Arbeitgeber
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- Heinrich Diefenbach
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1 Hubert-Ralph Schmitt Gerd Kunert Eva Stichler Neue Wege der betrieblichen ALTERSVERSORGUNG Ein praktischer Leitfaden für den Arbeitgeber
2 1 ANALYSE DER GESETZLICHEN RENTENSITUATION 1.1»Nichts ist so sicher wie die Rentenlücke!«Mit Inkrafttreten der Rentenreform 2001 wurde ein neues Kapitel im Geschichtsbuch der deutschen Alterssicherung aufgeschlagen. Bislang war das in Deutschland seit vielen Jahrzehnten existierende Drei-Säulen-System der Alterssicherung von der Zielsetzung geprägt, dass die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung zumindest für langjährig Versicherte grundsätzlich zur Sicherung des Lebensstandards im Alter ausreichen sollte. Aufgrund ökonomischer und demografischer Prozesse kommt es jedoch zu einer bedrohlichen Veränderung der Relation von Leistungsempfängern zu Beitragszahlern, wodurch sich die gesetzliche Rentenversicherung mit erheblichen Finanzierungsschwierigkeiten konfrontiert sieht. Man kann also nicht mehr behaupten:»die Rente ist sicher!«, sondern man muss vielmehr feststellen:»nichts ist so sicher wie die Rentenlücke!«. Ursprünglich war die gesetzliche Rentenversicherung nur als eine Grundsicherung konzipiert und die rasanten Leistungssteigerungen in den Sechziger- und Siebzigerjahren, ausgelöst durch das»wirtschaftswunder«in Deutschland, gehören längst der Vergangenheit an. Die gesetzliche Rentenversicherung steht vor einer schwierigen Zeit. Ursächlich dafür sind insbesondere drei Gründe: 1. Die Veränderung in der Altersstruktur. Sie stellt die größte Gefahr dar. Bereits seit den Sechzigerjahren sinken die Geburtenzah- 27
3 len, während die Lebenserwartung steigt. Demzufolge wird in den nächsten Jahrzehnten der Anteil der Rentner im Vergleich zu den Erwerbstätigen überproportional steigen. Im Jahr 1950 kamen vier erwerbstätige Personen noch für einen Rentner auf. Gegenwärtig müssen rechnerisch nur noch rund 2,5 Arbeitnehmer für einen Rentner aufkommen. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes werden im Jahr ,3 Arbeitnehmer für die Rentenzahlung eines Rentners sorgen müssen. Können Sie sich vorstellen, alleine mit Ihrer Arbeitskraft für die Rentenleistung eines Rentners aufzukommen? Entwicklung der Altersstruktur in Deutschland bis Die Abnahme der Erwerbstätigkeitsquote. Eine hohe Arbeitslosenzahl bedeutet nichts anderes als den Ausfall weiterer Beitragszahler. Außerdem steht eine immer kürzere Lebensarbeitszeit (bedingt unter anderem durch wesentlich längere Schulausbildungszeiten) einer steigenden Anzahl an Teilzeitarbeitsplätzen gegenüber. Ein zusätzliches Problem entstand nach der deutschen Wiedervereinigung durch die Eingliederung der älteren Arbeitnehmer und Rentner aus den neuen Bundesländern infolge der Verpflichtungen aus dem Einigungsvertrag. 28
4 Derzeit rechnet die Regierung mit einer Versorgungslücke von 33 % im Rentenbezug. In der Praxis ist diese jedoch weit größer, da die Werte nur für Rentner gelten, die exakt den Annahmen des Modells der Bundesregierung (Eckrentner) entsprechen. Bereits heute liegt das Rentenniveau von Haupteinkommensbeziehern bei 59 % des letzten Nettoeinkommens. Bei Nichteinkommensbeziehern liegt es zum Teil sogar erheblich niedriger. Da aufgrund der vorher erwähnten Veränderungen das Rentenniveau weiter sinken wird, wird die dadurch entstehende Versorgungslücke immer größer werden. 3. Versteuerung der Altersrente. Ab 2005 unterliegen Alterseinkünfte der Besteuerung, beginnend mit einem Anteil von 50 % der Einkünfte, der dem individuellen Steuersatz zugrundegelegt wird. Dies gilt für alle Bestandsrenten sowie für die in diesem Jahr erstmals gezahlten Renten. Der steuerbare Anteil der Rente wird bis zum Jahr 2020 in 2-%-Schritten auf 80 % und anschließend in Schritten von 1 % auf 100 % bis zum Jahr 2040 ansteigen. Der sich nach Maßgabe dieser Prozentsätze ergebende steuerfrei bleibende Teil der Rente wird auf Dauer festgeschrieben. Das bedeutet, dass für Personen, die im Jahr 2040 oder später in Rente gehen, die Rente unter Berücksichtigung der dann geltenden Freibeträge in voller Höhe der individuellen Besteuerung unterliegt, ebenso aber auch die zukünftigen Rentensteigerungen. Sehen Sie hierzu die Tabelle im Anhang unter Kapitel Praktische Beispiele der Versorgungslücke Um das Problem der uns bevorstehenden Versorgungslücke anschaulicher zu machen, werden wir drei Gruppen mit unterschiedlichem Einkommen gegenüberstellen und ihre Versorgung im Alter von 65 Jahren darstellen. 29
5 Gruppe I Gruppe II Gruppe III in Euro in Euro in Euro Bruttoeinkommen Versorgungsziel (75 %*) Altersrente mit 65** (ca. 38 % vom Brutto*) Versorgungslücke alt zzgl. Abzüge im Alter: ca. 10 % vom Brutto (Steuer + KV + PV) Versorgungslücke NEU ca ca * Maximal bis zur BBG ** Rente mit 67, siehe Kapitel1.3. Durch diese Beispiele wird schnell ersichtlich, dass gerade bei Verdienern, deren Einkommen über der Beitragsbemessungsgrenze liegen (für 2009 West: p. a., Ost: p. a.), die Versorgungslücke noch drastischer ausfallen wird als bei denen, die unter der Beitragsbemessungsgrenze liegen. Diese Versorgungslücke, die durch die Absenkung des Rentenniveaus entsteht, soll durch den Ausbau einer zusätzlichen kapitalgedeckten Altersversorgung im Rahmen einer staatlich geförderten privaten und betrieblichen Vorsorge ausgeglichen werden. 30
6 in % des Bruttoeinkommens p.a. Versorgungslücke Bruttoeinkommen in TEUR 1.3 Rentenreformen Damit der Anstieg des Beitragssatzes begrenzt bleibt, sind zahlreiche Beschränkungen in den Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung beschlossen worden. Senkung des Rentenniveaus. Planziel der Rentenreform 2001 war, das Rentenniveau des Eckrentners von gegenwärtig 70,1 % bis ins Jahr 2030 auf 67,8 % seines letzten Nettoeinkommens zu senken und parallel dazu den Beitragssatz auf maximal 22 % des Bruttolohns zu stabilisieren. Es bleibt jedoch zu bezweifeln, ob damit die gesetzliche Rentenversicherung saniert werden kann. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist davon auszugehen, dass die Prognosen der Rentenfinanzen auf zu optimistischen Annahmen basieren. Experten, wie zum Beispiel Professor Meinhard Miegel, rechnen eher mit einem Rentenniveau von 63,5 %. Seiner Meinung nach garantiert eine Wettervorhersage für einen Tag im Jahr 2030 eine höhere Trefferquote als der Zustand der Rentenkasse im gleichen Jahr. Anhebung der Beitragssätze. Die Bundesregierung hat als erstes Zeichen für die umfassenden Reformen seit dem 01. Januar
7 die Beitragssätze zur gesetzlichen Rentenversicherung von vormals 19,1 % auf 19,5 % und seit 2007 auf 19,9 % angehoben. Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze zur gesetzlichen Rentenversicherung. Auch deren stetiges Anheben soll zur Stabilisierung der desolaten Finanzlage beitragen. Anhebung der BBG zur GRV WEST OST In 2003 von monatlich Für 2005 auf monatlich Für 2006 auf monatlich Für 2008 auf monatlich Für 2009 auf monatlich Anhebung der Lebensarbeitszeit. Wie besorgniserregend es derzeit um die staatlichen Sozialsysteme bestellt ist, hat Bert Rürup dargestellt. Rürup plädierte für eine umfassende Neuordnung der staatlichen Sozialsysteme. Er regte eine längere Lebensarbeitszeit bis zum Alter von 67 Jahren an. Inzwischen ist das Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz) vom 20. April 2007 in Kraft getreten. Mit dem Gesetz wird unter anderem die Regelaltersgrenze beginnend ab dem Jahr 2012 für die Geburtsjahrgänge 1947 bis 1964 schrittweise über einen Zeitraum von 17 Jahren auf 67 Jahre angehoben. Die Anhebung erfolgt zunächst um einen Monat pro Jahrgang, ab dem Geburtsjahr 1959 um zwei Monate. Bis zum Jahr 2011 einschließlich berechtigt die Vollendung des 65. Lebensjahres zum Bezug der Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Ein weiterer, viele meinen untauglicher Versuch, die Situation in den Griff zu bekommen. 32
8 Vorsicht ist vor allen Dingen auch geboten bei den Berechnungen der Bundesregierung. Diese beruhen auf der Annahme einer steigenden Beschäftigung, trotz rückläufiger Bevölkerungszahlen und einer Arbeitslosenquote von 3 % bis zum Jahr Weiter wird von der Bundesregierung immer der sogenannte Eckrentner herangezogen, der über 45 Jahre ein durchschnittliches Einkommen hatte und stets in Vollbeschäftigung war. Es handelt sich also um einen Menschen, den es mit seinem Arbeitsverlauf hinsichtlich seiner versicherungspflichtigen Tätigkeit nur selten gibt. Unberücksichtigt bleibt bei dieser Darstellung auch, dass durch die Erhöhung der Regelaltersgrenze nochmals eine verdeckte Rentenkürzung erfolgen wird, weil viele immer noch mit durchschnittlich 63 Jahren in Rente gehen werden, dann aber höhere Abschläge in Kauf nehmen müssen. Was kostet die vorzeitige Rente? Wer früher in Rente geht und damit länger Rente bekommt, muss lebenslange Abzüge in Kauf nehmen. Für jeden Monat vor dem regulären Rentenalter werden 0,3 % abgezogen. Wer zum Beispiel nach 35 Versicherungsjahren mit 63 statt mit 67 in Rente gehen will, muss Abzüge von 14,4 % hinnehmen (48 Monate x 0,3 %). Die Versorgungslücke wird zusätzlich durch die Versteuerung der Rente nochmals höher. Leistungskürzungen im Bereich der Erwerbsminderungsund Berufsunfähigkeitsrente. Demnach ist die Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrente seit dem 01. Januar 2001 durch eine zweistufige Erwerbsminderungsrente ersetzt worden. Für alle nach dem 1. Januar 1961 geborenen Personen entfällt somit der Berufsschutz. Dies ist eine der wesentlichsten Kürzungen und am meisten unterschätzen Gefahren im Bereich der Erwerbsminderungs- und Berufsunfähigkeitsrente. Wir empfehlen, dieses Risiko über eine private Absicherung einzugrenzen. Im Bereich der betrieblichen Altersversorgung sollte dieses Risiko nicht abgedeckt werden (siehe Kapitel 6.5). 33
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