Legasthenie und Dyskalkulie

Transkript

1 Legasthenie und Dyskalkulie Ursachen, Diagnosen und Nachteilsausgleich im deutschen Bildungsföderalismus Referentin: Annette Höinghaus, Geschäftsführerin BVL

2 Themen Definition Ursache Diagnose Aktuelle Situation / Auswirkungen Nachteilsausgleiche / KMK-Empfehlung Rechtliche Rahmenbedingungen Ansatzpunkte

3 8 Millionen Menschen in Deutschland sind betroffen! Ca. 5 % aller Menschen haben eine Legasthenie und Ca. 5% aller Menschen haben eine Dyskalkulie

4 Lese-Rechtschreibstörung (Legasthenie) Lese-Rechtschreibsschwäche (LRS) LRS bei allg. Minderbegabung Schlechte Lese-Rechtschreibleistung Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e.v. Lese-Recht- Schreibstörung Lang andauernd nach ICD 10 F81.0 ca. 4-5 % Lese- Rechtschreibschwäche LRS Vorübergehend ca % aller Schüler LRS bei allg. Minderbegabung ca. 3 % Sonderpäd. Förderbedarf Schlechte Lese-Recht- Schreibleistung ca. 10 % aller Schüler Zerebrale Schädigung z.b. Unfall Schizophrenie Organische Ursachen z.b. Sehen, Hören Soziale oder schulische Faktoren

5 Rechenstörung (Dyskalkulie) Rechenschwäche Rechenschwäche bei allg. Minderbegabung Schlechte Rechenleistung Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e.v. Rechenstörung Lang andauernd nach ICD 10 F81.2 ca. 3 7 % Rechenschwäche Vorübergehend ca. 10 % aller Schüler Rechen- Schwäche bei allg. Minderbegabung ca. 3 %, Sonderpäd. Förderbedarf Schlechte Rechenleistung ca. 10 % aller Schüler Zerebrale Schädigung z.b. Unfall Schizophrenie Organische Ursachen z.b. Sehen, Hören Soziale oder schulische Faktoren

6 Ursachen Genetische Disposition Familien- und Zwillingsstudien Probleme in der neuronalen Vernetzung Bildgebende Verfahren zum Nachweis der neurobiologischen Veränderungen Teilleistungsstörungen

7 Wie lernen wir? Anlagen zum Lernen neurokognitiv bedingt angeborener start-up Mechanismus ermöglicht Lernen start- up Lesen und Schreiben Phonologische Bewusstheit start- up Rechnen Basale Zahlenverarbeitung

8 mangelnde Gelegenheiten zum Erlernen schulischer Fer>gkeiten Start- up wird nicht ak>viert entwicklungsbiologische (zentralnervös) bedingte Störung Startermechanismus ist defekt LRS Rechenschwierigkeiten gute Fördermöglichkeit Legasthenie Dyskalkulie Lernen nur über Kompensa>on möglich

9 Diagnostik Multiaxiale Diagnostik durch fachkundige Diagnostiker, wie z.b. Kinder- und Jugendpsychiater Sozialpädiatrische Zentren Psychologen/Schulpsychologen Standardisierte Testverfahren Lesetest, Rechtschreibtest, Rechentest

10 Schulische Auffälligkeiten Legasthenie Langsames Arbeitstempo in allen schriftlichen Fächern Diskrepanz zwischen mündlicher und schriftlicher Leistung Fehlerhäufung Eingeschränktes Lese-und Textverständnis Undeutliche, flüchtige Schrift Schwierigkeiten beim Erlernen einer Fremdsprache

11 Schulische Auffälligkeiten Dyskalkulie Zählendes Rechnen Langsames Kopfrechnen Schlecht automatisiertes 1x1 Unverständnis für den Aufbau mehrstelliger Zahlen Schlechte Orientierung im Zahlenraum Schlechtes Gefühl für Zeit Kein Verständnis für Textaufgaben

12 Themen Definition Aktuelle Situation / Auswirkungen Nachteilsausgleiche / KMK-Empfehlung Rechtliche Rahmenbedingungen Ansatzpunkte

13 Aktuelle Situation Legasthenie/Dyskalkulie werden meist zu spät erkannt Lehrerqualifikation! Individuelle Förderung findet schulisch selten qualifiziert statt Lehrerqualifikation, Lehrermangel, fehlende Förderstunden Eltern müssen außerschulische Förderung finanzieren

14 Aktuelle Situation Lese-/Rechtschreib- und Rechenkompetenz entscheidet über (Schul-)Erfolg Nachteilsausgleich ist meist nicht anforderungsgerecht Stärken werden selten gefördert und persönliche Ressourcen nicht ausgebaut Zugang zu bestimmten Ausbildungswegen bleibt versperrt

15 Aktuelle Situation Ausbildung oder Studium kann oftmals nicht erfolgreich abgeschlossen werden, da die notwendigen Unterstützungs-maßnahmen fehlen Vorurteile gegenüber Menschen mit einer Legasthenie oder Dyskalkulie führen zu einer Diskriminierung in der Gesellschaft

16 Aktuelle Situation (in der Ausbildung) Wenig Erfahrung der Ausbilder mit Legasthenie/Dyskalkulie Auszubildende haben Angst, offen über ihr Problem zu sprechen Berufsschulen sind oftmals wenig informiert Handreichungen zu möglichen Nachteilsausgleichen fehlen, bzw. sind nicht bekannt

17 Auswirkungen 40% der Betroffenen entwickeln psychosomatische Folgeerkrankungen Persönlichkeitsentwicklung wird gestört Schul- /Ausbildungsabschlüsse bleiben dem Begabungsniveau unter

18 Auswirkungen Abschlussnote entspricht nicht der Fachkompetenz Zugang zu Ausbildung, Studium und Beruf wird erschwert Wertvolle Ressourcen gehen dem Arbeitsmarkt verloren Volkswirtschaftliche Folgekosten

19 Themen Definition Aktuelle Situation / Auswirkungen Nachteilsausgleiche / KMK-Empfehlung Rechtliche Rahmenbedingungen Ansatzpunkte

20 Bei dem Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) vom Grundsätze zur Förderung von Schülerinnen und Schülern mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben oder im Rechnen, wurden die Erkenntnisse der medizinischen und psychologischen Fakultäten außer acht gelassen.

21 Das Störungsbild der Legasthenie oder Dyskalkulie wird nicht erfasst, sondern man spricht von besonderen Schwierigkeiten. Die Dyskalkulie wird wegen angeblich nicht ausreichender wissenschaftlicher Erkenntnisse außen vor gelassen. Nachteilsausgleich und Schutzmaßnahmen sollen mit der 10. Klasse enden.

22 Bei Abschlussprüfungen dürfen keine Sonderregelungen getroffen werden. Aber: Gerade bei Abschlussprüfungen sind Sonderregelungen wichtig, denn die Ergebnisse der Abschlussprüfungen entscheiden über die weitere Schullaufbahn und Zugang zu Ausbildung und zum Studium. Werden Nachteilsausgleiche verwehrt, dann wird in den seltensten Fällen ein begabungsgerechter Abschluss erreicht.

23 Aktuelle Situation in den Ländern Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e.v. In den wenigsten Ländern erhalten die betroffenen Schüler/innen Nachteilsausgleich und Notenschutz bis zum Schulabschluss. Schüler/innen bleibt folge dessen oftmals der Weg zu einem begabungsgerechten Schulabschluss, Ausbildung oder Studium versperrt.

24 Land Fördermaßnahmen Klasse Klasse Klasse Nachteilsausgleich Notenschutz Fördermaßnahmen Nachteilsausgleich Baden-Württemberg X X X X X ( X ) Notenschutz Fördermaßnahmen Nachteilsausgleich Bayern X X X X X X X X X Berlin X X X X X X Brandenburg X X ( X ) X X ( X ) X? X ( X ) Bremen X X X X ( X ) ( X ) ( X ) ( X ) ( X ) Hamburg X X X X? ( X ) ( X ) Hessen X X X X X X ( X ) ( X ) ( X ) Mecklenburg-Vorpommern X X X ( X ) ( X ) ( X ) ( X ) ( X ) ( X ) Niedersachsen X X X ( X ) X ( X ) Nordrhein-Westfalen X X X ( X ) ( X ) ( X ) Rheinland-Pfalz X? X X X X Saarland X X X ( X ) (X) ( X ) Sachsen X X ( X ) ( X ) ( X ) Sachsen-Anhalt Schleswig-Holstein X X X X X ( X ) ( X ) ( X ) Thüringen Notenschutz

25 Themen Definition Aktuelle Situation / Auswirkungen Nachteilsausgleiche / KMK-Empfehlung Rechtliche Rahmenbedingungen Ansatzpunkte

26 Rechtliche Rahmenbedingungen Grundgesetz Behindertenrecht UN-Behindertenrechtskonvention Schulrecht Länderhoheit Hochschulrecht Landeshochschulgesetze

27 Themen Definition Aktuelle Situation / Auswirkungen Nachteilsausgleiche / KMK-Empfehlung Rechtliche Rahmenbedingungen Ansatzpunkte

28 Individuelle Förderung / Unterstützung auch noch in der Ausbildung Nachteilsausgleiche Änderung der Prüfungsbedingungen z.b. mündliche Prüfungen Gewährung von Zeitverlängerungen bis zu 50 % der regulären Arbeitszeit Differenzierte Leistungsbewertung selbstverständlicher Einsatz technischer Hilfsmittel

29 Anpassung der Einstellungstests Berufliche Nach-Qualifizierung Nutzung der Fachkompetenz durch berufliche Weiterbildung Schaffung einer Unternehmenskultur, die einen wertschätzenden Umgang mit Menschen mit Beeinträchtigungen fördert.

30 Schließen Sie sich unserer WiB-Initiative an!

31 Lassen Sie uns gemeinsam Verantwortung übernehmen! Vielen Dank für Ihre Unterstützung Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e. V.