Stellungnahme der Verwaltung zum Schuldenbericht 2011
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- Ralph Jaeger
- vor 8 Jahren
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1 Stellungnahme der Verwaltung zum Schuldenbericht 2011 Zu dem Tagesordnungspunkt war verabredet, dass die Anmerkungen der FDP-Fraktion den Ratsmitgliedern mit einer Stellungnahme der Verwaltung zur Kenntnis gebracht werden. Im Folgenden sind die Beiträge der FDP-Fraktion jeweils umrahmt den Stellungnahmen der Verwaltung vorangestellt. Vorab wird von der Verwaltung ausdrücklich dem der Anfrage teilweise zu Grunde liegenden Eindruck, das Schuldenmanagement der Stadt Nettetal wäre unsolide, risikoreich oder verstoße gar gegen kommunalaufsichtsrechtliche Bestimmungen, entgegen getreten. Mit dem in der Ratssitzung transparent dargestellten Schuldenmanagement werden dagegen Risiken breit gestreut und mit konservativen Mitteln, die Chancen der aktuellen Niedrigzinsphase vorsichtig genutzt. Im Einzelnen wird dabei wie folgt Stellung genommen: Allgemein: Die Stadt Nettetal verfolgt im Rahmen des Zins- und Schuldenmanagements die Zielsetzung, das Portfolio zu optimieren und dabei die finanziellen Risiken zu analysieren und zu limitieren. Ein Ausschluss sämtlicher Zinsänderungsrisiken wird bewusst nicht betrieben. Dies würde eine hundertprozentige Festverzinsung des gesamten Portfolios über die komplette Restlaufzeit bedeuten und damit eine Partizipation an Niedrigzinsphasen unmöglich machen. Aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist eine aktive und zielgerichtete Bewirtschaftung des Portfolios in jedem Fall zu bevorzugen. Rat FDP Fraktion TO Ö 1.3 Anmerkungen zur Sitzungsvorlage 1033/ TOP Ö 1.3 Schuldenbericht der Stadt Nettetal Zinsentwicklung 2011 (Seite 4) Um die unterjährigen Zinsentwicklungen am Kapitalmarkt abzubilden, wurden kurz-, mittel- und langfristige Swapsätze gewählt In der Überschrift ist von der Zinsentwicklung 2011 die Rede, im Text von Swapsätzen. Swapsätze sind jedoch Zinsderivate! (inhaltlicher Fehler ) Zur Abbildung der Entwicklung von Kapitalmarktzinsen wurden unter 2.1 kurz-, mittel- und langfristige Swapsätze dargestellt. Bei Swapsätzen handelt es sich um Zinssätze von Derivaten, für die tatsächlich kein Geld am Kapitalmarkt aufgenommen werden kann. Allerdings eignen sie sich, von Kreditinstituten bestätigt, optimal als Indikator für die Marktentwicklung am Kapitalmarkt und können kostenlos bezogen werden. 1
2 3.2.4 Zinssicherungsgeschäft (Seite7) Das Darlehen mit dem höchsten Restkapital des Portfolios wird variabel verzinst. Allerdings erfolgt eine Zinssicherung mit Hilfe eines Derivates sodass es sich faktisch um eine festverzinsliche Darlehensvereinbarung handelt. Es treten demnach keine gesonderten Risiken auf Diese Aussage ist nicht korrekt. So kann z.b. die Kontrahenten Bank insolvent werden, und das Derivat ist wertlos. Im Fall von Dexia wäre dieser Fall im Oktober 2011 fast eingetreten. Dies kann unter Umständen zu deutlich höheren Zinszahlungen führen. Hier ist die Fragestellung Wie lange läuft das Darlehen und wie lange läuft der Zinsswap (Derivat)? Wie hoch waren die Kosten beim Abschluss des Geschäftes a) nur Darlehen mit Festzins und b) Darlehen var. mit Zinsswap? Besonders bedenklich ist, dass es sich hier um das Darlehen mit dem höchsten Restkapital handelt. Vorschlag : Umwandlung in ein Darlehen mit fester Laufzeit / Zins und Verkauf des Derivats (Zinsswap) Bei der unter Zinssicherungsgeschäfte angesprochenen Kombination aus variablem Darlehen und Derivat handelt es sich um die Finanzierung einer Ausleihung an die Stadtwerke Nettetal GmbH. Die Tilgungsstruktur des Darlehens und die Laufzeit von über 20 Jahren orientieren sich dabei an den spezifischen Anforderungen der Tochtergesellschaft. Zum Aufnahmezeitpunkt war es der Sparkasse Krefeld nur möglich eine entsprechend lange Laufzeit als Kombination aus variablem Darlehen und Derivat anzubieten (den Kreditinstituten wird bei der Abfrage freigestellt die gewünschten Konditionen ebenso als Derivat abzubilden). Die Ausgestaltung des Zinssatzswaps entspricht der des Ursprungsdarlehens, sodass auch die Laufzeiten identisch sind. Für den Abschluss des Derivates sind keine separaten Kosten erhoben worden und der angebotene Zinssatz wurde als günstigster der gesamten Angebotsabfrage gewählt. Das Darlehen unterscheidet sich nicht von einem gewöhnlichen festverzinslichen Darlehen und führt zu keinen Zinsänderungsrisiken. Die im Schuldenbericht getätigte Aussage ist demnach korrekt. Eine Ablöse des Derivats und Umschuldung des variablen Darlehens wäre unbegründet und kostspielig. 2
3 3.2.5 Zinsoptimierungsgeschäfte (Seite 8) Für 31% des Kreditportfolios wurden demnach Zinsoptimierungsgeschäfte eingegangen. Theoretisch besteht in dieser Höhe das Risiko die Zinssicherung zu verlieren. Zurzeit liegt der relevante. Hierbei handelt es sich um eine Spekulation(evtl. 88 GemO). Spekulationsgeschäfte sind Kommunen aber untersagt. URTEILE Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom 22. März 2011 einen Zinssatz-Swap-Vertrag zwischen der Deutschen Bank und einer privaten Klägerin wegen der Verletzung von Beratungspflichten für nichtig erklärt. Dem folgte jetzt ein weiteres Urteil des Bundesgerichtshofs gegen die WestLB wegen eines gleichartigen Spekulationsgeschäfts mit nordrhein- westfälischen Kommunen. Offenbar sind allein im Jahr 2005 von der WestLB mit hunderten von Gemeinden in Nordrhein-Westfalen Swap-Geschäfte (Zinswetten) immer nach dem gleichen Muster im Wert von insgesamt 4,1 Milliarden Euro abgeschlossen worden. Mithin droht eine Klagewelle, da zahlreiche geschädigte Gemeinden jetzt gegen diese Spekulationsgeschäfte mit guter Erfolgsaussicht klagen können. Es ist erstaunlich, dass in Deutschland der Gesetzgeber solange zögert, mit einer dringend erforderlichen Gesetzesänderung, die Spekulationsgeschäfte von Bundesländern, Kommunen und anderen öffentlichen Einrichtungen grundsätzlich für rechtsunwirksam zu erklären. Dies ist umso unverständlicher, als der Bundesgerichtshof derartige kompetenzüberschreitende ( ultra vires -)Geschäfte bereits vor über einem halben Jahrhundert für nichtig erklärt hat (BGH Urteil vom ). Aus rechtlicher Sicht handelt es sich in einer Vielzahl von Fällen um hochspekulative Geschäfte mit ungedeckten Zinsoptionen. Es sind mithin Derivatgeschäfte nach 2 Abs. 2 Nr. 3 WpHG oder Finanztermingeschäfte gemäß 2 Abs. 2a WpHG. Gleichzeitig steht aber bisher in Zweifel, ob solche Derivat- und Termingeschäfte gegen den Grundsatz des Spekulationsverbots nach 88 GemO verstoßen und damit nicht grundsätzlich rechtsunwirksam sind. Daher muss sich jetzt jede der betroffenen nordrhein-westfälischen Kommunen auf einen individuellen Klageweg begeben. Sammelklagen sind hier auch wenn die Verträge prinzipiell nach dem gleichen Muster gestrickt worden sind offenbar nicht zulässig. Dies führt zu zusätzlichen Kosten für den Steuerzahler. Zu dieser Rechtsunsicherheit hat die juristische Fachliteratur maßgeblich beigetragen, die derartige Spekulationsgeschäfte grundsätzlich auch für Kommunen als zulässig erklärte. Stadt- und Gemeindekämmerer wollten wohl damals mit derartigen Finanzinnovationen Zinskosten sparen oder zusätzliche Einnahmen aus höheren Zinsen erzielen und damit die Finanzierung klammer Kommunalhaushalte ermöglichen. Das ging die Erfahrung zeigt es nun gründlich schief (siehe hierzu die Aufstellung des Bundes der Steuerzahler allein für Nordrhein-Westfalen). Dr. Georg Erber ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Wettbewerb und Verbraucher Sollte es zu einem ( aus heutiger Sicht vielleicht nicht vorstellbaren ) Zinsanstieg kommen, müsste die Stadt Nettetal mit deutlich höheren Zinszahlungen rechnen. Für die drei aufgeführten Darlehen (Seite 8) in der Gesamthöhe von ,00 Euro würde bei Überschreiten 3 M Euribor > 5,5 bzw. 6 % pro ein Prozent Mehrzahlungen von ca ,- Euro p.a. auf die Stadt zukommen. Zu klären wäre auch die Höhe des Zusatzertrages. Bei den unter aufgeführten Zinsoptimierungsgeschäften handelt es sich um strukturierte Darlehen, nicht um Derivate. Diese wurden bewusst abgeschlossen, um in Hochzinsphasen die erzielbaren Zinssätze zu optimieren. Das mögliche Risiko ist mit einer Umwandlung in marktübliche Zinssätze genau beziffert und in der Höhe begrenzt. Zinsoptimierungsgeschäfte sollen bei der Stadt Nettetal auch weiterhin eingesetzt werden, ihr Anteil am Gesamtportfolio ist jedoch zu beschränken. Tagesaktuell liegt der 3-Monats-Euribor bei 0,862 %. Durch die Strukturierung der Darlehen konnten bisher ,89 gegenüber nicht optimierten Abschlüssen eingespart werden (Monitoring vom ). 3
4 Die angeführten Urteile und Klagen beziehen sich auf Derivate und nicht auf strukturierte Darlehen. Bei den in der Presse bekannt gewordenen Spekulationsgeschäften verschiedener Gemeinden handelt es sich um mehrfach gehebelte komplizierte Derivatkonstruktionen ohne Limitierung (z.b. Spread-Ladder-Swaps). Im Rahmen des Zinsund Schuldenmanagements der Stadt Nettetal wurden solche Produkte noch nie eingesetzt und werden auch zukünftig bewusst ausgeschlossen. Es soll lediglich auf einfache Standardprodukte zurück gegriffen werden, die sich zur Zinssicherung und -optimierung eignen und eine flexible Bewirtschaftung des Portfolios ermöglichen. Das allgemeine Spekulationsverbot, das sich aus 75 I GO NRW und 90 II Satz 2 GO NRW ableiten lässt, gibt den generellen Rahmen für das Zins- und Schuldenmanagement der Gemeinden vor und wird im Runderlass des Innenministeriums vom (zuletzt aktualisiert durch Änderungserlass vom ) zu Krediten und kreditähnlichen Rechtsgeschäften der Gemeinden (GV) konkretisiert. Dort wird eindeutig festgehalten, dass der Einsatz von Derivaten nur dann spekulativen Charakter hat, wenn sie losgelöst von Kreditgeschäften abgeschlossen werden (Konnexitätsgebot). Dies schließt auch nicht aus, dass beim Derivat eine kürzere Laufzeit als beim Ursprungsdarlehen vereinbart wird. Aus strategischen Gesichtspunkten kann dies durchaus sinnvoll sein. Das entsprechende Darlehen würde in diesem Fall unter Zinsfestschreibungen ausgewiesen werden, da wie bei allen festverzinslichen Darlehen, die nicht über die komplette Restlaufzeit zinsgesichert wären, eine frühzeitige Prolongation zu erfolgen hätte. Die Stadt Nettetal hat zu keinem Zeitpunkt spekulative Geschäfte im Sinne der GO NRW getätigt. 4
5 Darlehensgeber (Seite 10) Zu klären wäre, ob die Darlehensgeber die Kredite an einen Dritten (z.b. Hedge Fonds) weiter veräußern dürfen. Dies sollte aus gleich mehreren Gründen ausgeschlossen werden. Sollte ein Darlehensgeber insolvent werden( Im Fall Dexia wurde die Insolvenz im letzten Moment durch Frankreich und Belgien verhindert), so kann es sein, dass ein Derivat wertlos wird, das Darlehen aber von einem Dritten eingefordert wird. Die AGB s der Banken sehen vor, dass in einem Fall der deutlichen Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage die Kredite SOFORT fällig gestellt werden können. Sollte Nettetal eine Haushaltssperre erhalten, liegt dieser Fall vor. Die Hausbank wird die Kredite wohl kaum sofort fällig stellen. Anders dürften sich die Erwerber der Kredite verhalten. Hier ist davon auszugehen, dass die Kredite sofort fällig gestellt werden. Dies würde die Stadt unnötig in eine Liquiditätsfalle treiben. Neue Kredite wäre nur zu deutlich höheren Zins zu erhalten, ERGO höhere Kosten. Bezüglich des Ausfalls von Darlehensgebern ist zu sagen, dass die Stadt Nettetal ihr Darlehensportfolio möglichst breit gefächert aufgestellt hat, um Risiken aus einer möglichen Insolvenz von Darlehensgebern zu minimieren. Allerdings ist dies eine eher hypothetische Vorstellung, da im Falle einer Insolvenz ein Rechtsnachfolger in Form eines Insolvenzverwalters oder staatliche Garantien eintreten dürften und die Stadt ihre vertraglichen Verpflichtungen weiter zu erfüllen haben wird. Außerdem ist eine eigenständige Risikobewertung von Banken für Kommunen rechtlich und tatsächlich nicht möglich; Warnungen der zuständigen BaFin liegen für die städtischen Kreditgeber nicht vor. Bei der Weiterveräußerung von Darlehen an Dritte, wären die Stadt und der Erwerber ebenso an die vertraglichen Pflichten gebunden. Bezüglich einer sofortigen Rückforderung von Darlehen dürfte die Sparkasse theoretisch vielleicht etwas gehemmter als andere Darlehensgeber agieren, allerdings sollte ein diversifiziertes Portfolio der bessere Schutz gegen Ausfallrisiken sein. Im schlimmsten Fall wäre eine Umschuldung vorzunehmen und sich das Darlehen zu aktuellen Marktkonditionen bei einem anderen Kreditgeber zu beschaffen. Da Kommunen verfassungsrechtlich Bestandteil der Bundesstaaten sind, ist die Bonität kongruent zu der des Bundesstaates bzw. aufgrund der Haftung des Bundes zu der des Bundes, weshalb der Zugang zu Kommunalkrediten jederzeit gewährleistet ist. Der Ausfall von Geschäftspartnern dürfte in erster Linie ein Problem der Darlehensgeber sein. 5
6 Konklusion Im Kreditportfolio der Stadt Nettetal schlummern erhebliche Risiken. Insbesondre die unter Punkt Zinssicherungen und Zinsoptimierung aufgeführten Punkte können bei einer ungünstigen Zins- und Bankenentwicklung zu deutlich höheren Belastungen für den Haushalt führen. Um für die Zukunft keine unnötigen Risiken einzugehen, wäre eine Überarbeitung des Kreditportfolios zu empfehlen. Da es sich hier um eine sehr komplexe Materie handelt, scheint es geboten, einen externen Berater zu kontaktieren. Hierbei sollte es sich aber NICHT um die Partnerbanken der Stadt Nettetal handeln, da eine Interessenskollision nicht auszuschließen ist. Das Portfolio der Stadt Nettetal wurde mehrfach von externen Beratern analysiert. Dabei wurde bewusst nicht nur auf Gespräche mit der Hausbank gesetzt. Gleichzeitig hat die Stadt im Jahre 2011 an der ersten Kommunalen Verschuldungsdiagnose der Sparkassen- Finanzgruppe teilgenommen, die eine umfassende Analyse des Schulden- und Derivate- Portfolios zum Ergebnis hatte. Von allen Seiten wurde der Stadt Nettetal ein ausgewogenes Schuldenportfolio bestätigt, das keinen akuten Änderungsbedarf erkennen lässt. Parallel zu den externen Beratungsgesprächen wurden Mitarbeiter des Finanzbereichs im kommunalen Zins- und Schuldenmanagement fortgebildet. Die Notwendigkeit einer weiteren Analyse durch Dritte wird seitens der Verwaltung nicht geteilt. Tatsächlich haben Beratungen oder Hinweise bspw. durch die Gemeindefinanzierungsanstalt oder die WestLB bei den jeweiligen Kommunen zu deutlichen höheren Risiken geführt (Fremdwährungskreditsicherungsgeschäfte), weshalb der ausgewogene Weg der Stadt Nettetal vorzugswürdig erscheint. 6
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