Grounded Theory, Deskriptive Feldforschung, Handlungsforschung. Forschungsmethoden deskriptive Feldforschung
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- Samuel Kramer
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1 Sozialwissenschaftliche Methoden und Methodologie SS 2008 Prof. Dr. Walter Hussy Veranstaltung 6 Qualitative Methoden: Forschungsmethoden: Grounded Theory, Deskriptive Feldforschung, Handlungsforschung Systematik sozialwissenschaftlicher Methoden qualitative Ausrichtung quantitative Ausrichtung Forschungsmethoden deskriptive Feldforschung Experiment Handlungsforschung Quasiexperiment qualitatives Experiment Zusammenhangsstudien Forschungsprogramm Subjektive Theorien Erhebungsmethoden teilnehmende Beobachtung Interview Gruppendiskussion Analysemethoden hermeneutische Verfahren Kodierverfahren Verfahren der Typenbildung Inhaltsanalyse Befragen Testen Beobachten deskriptive Statistik Inferenzstatistik multivariate Datenanalyse Qualitative Forschungsmethoden Unter Forschungsmethoden versteht man wie bereits definiert - die generelle Vorgehensweise beim Aufstellen der Fragestellung, bei der Planung, der Durchführung und der Auswertung einer Unter- suchung. Im qualitativen Bereich sind hier zu unterscheiden:
2 Qualitative Forschungsmethoden n Einzelfallanalyse n Deskriptive Feldforschung n Gegenstandsbezogene Theorienbildung n Handlungsforschung n Qualitatives Experiment n Dokumentenanalyse n Biographische Forschung n Erhebung und Rekonstruktion Subjektiver Theorien n Gegenstandsbezogene Theorienbildung (Grounded Theory): Grundprinzipien n Datenerhebung und -auswertung überschneiden sich n Überschneidung führt zu spiralförmigem Verlauf n Theorie soll in den Daten verankert sein (Stichworte: dichte Beschreibung, gesättigte Theorie) n Theorie ist gesättigt, wenn theoretische Erwartungen mit empirischen Beobachtungen übereinstimmen Gegenstandsbezogene Theorienbildung (Grounded Theory): Beispiel Studie von Glaser und Strauss zur Interaktion des Krankenhauspersonals mit Sterbenden (1965). Sie wollten wissen, wie solche Interaktionen sich gestalten, wie sie erlebt werden und wovon die Art und Weise der Interaktion abhängt. Am Anfang der Datenerhebung steht üblicherweise eine Vermutung so könnte es bei- spielsweise sein, dass die Interaktionen anders aus- sehen, je nachdem, ob das Krankenhauspersonal es mit Patient/inn/en mit einer chronischen Erkrankung oder einem akuten Leiden zu tun hat
3 Gegenstandsbezogene Theorienbildung (Grounded Theory): Beispiel Nun könnte es sein, dass diese Fälle Daten erbringen, die sich zwar von den Daten für die Patient/inn/en mit akutem Leiden unterscheiden; aber auch im Vergleich der chronischen Fälle untereinander ergeben sich vielleicht Unterschiede. In dieser Situation werden die Forscher/innen Vermutungen darüber anstellen, in welcher Hinsicht die chronischen Fälle untereinander verschieden sind Gegenstandsbezogene Theorienbildung (Grounded Theory): Beispiel Die Daten könnten Hinweise auf zwei weitere potenzielle Einflussfaktoren enthalten, nämlich Alter der Patient/inn/en und vom Personal zugeschriebene Verantwortung für die eigene Krankheit. Für diese beiden Faktoren wären weitere Fälle in die Stichprobe einzubeziehen. Und diese neuen Fälle ergeben voraus- sichtlich Anhaltspunkte für weitere relevante Einfluss- faktoren, wie etwa Verlauf der Krankheit oder Mög- lichkeit, den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen Grounded Theory: Vorgehen Entwicklung einer Fragestellung / Leitidee theoretical sampling Datenerhebung im Feld stop and memo kodieren gesättigte Theorie
4 theoretical sampling bei der Grounded Theory Fallauswahl und Analyse des Datenmaterials beeinflussen sich gegenseitig Prinzip: Minimierung und Maximierung von Unterschieden Ziel: Ausschöpfung der maximalen Variation im Gegenstandsbereich Arten des Kodierens bei der Grounded Theory n Offenes Kodieren: datennahes Kodieren, mög- lichst nah an der Begrifflichkeit der Befragten n Axiales Kodieren: Anreicherung, Ausarbeitung und zugleich Abstrahierung der Kategorien n Theoretisches Kodieren: Integration aller Kate- gorien zu einem theoretischen Modell (Erstellen einer Basiskategorie) gesättigte Theorie Grounded Theory: Abbruchkriterium Theoretische Sättigung: Eine gegenstandsbezogene Theorie gilt als theore- tisch gesättigt, wenn die Einbeziehung zusätzlicher Fälle in die Stichprobe nicht mehr zu einer Erwei- terung der Theorie führt. Wenn dieser Punkt erreicht ist, kann zugleich auch die Theorie als vollständig gelten. gesättigte Theorie
5 Deskriptive Feldforschung: Zielsetzungen n Vermeidung von Verzerrungen des Gegenstandes, indem > der Gegenstand in seinem natürlichen Umfeld belassen wird und > die Forschenden den Gegenstand nicht durch Eingriffe und ihre Anwesenheit verändern. n Kennenlernen der Innenperspektive der Beteiligten Beispiel: Marienthal-Studie n Untersuchung der Auswirkungen von Arbeitslosigkeit im natür- lichen Umfeld der Betroffenen n Eine Mitarbeiterin wohnte zwei Monate vor Ort; insgesamt verbrachte die Arbeitsgruppe 120 Tage in Marienthal n Allmähliche Kontaktherstellung, z.b. durch: > Teilnahme an politischen Aktivitäten > Kleidersammlung > Angebot einer ärztlichen Sprechstunde > Angebote von Kursen Deskriptive Feldforschung: Vorgehen n Festlegen der Fragestellung n Herstellung des Feldkontakts n Materialsammlung n Ausstieg aus dem Feld n Auswertung (Protokollierung und Aufbereitung)
6 Deskriptive Feldforschung: Methoden Teilnehmende Beobachtung n Befragung n Aufzeichnungen (apparative Beobachtung) n Nonreaktive Methoden: Sammlung von Dokumenten Grundprinzip: Die Datenerhebung erfolgt zunächst breit gestreut, dann zunehmend fokussierter Marienthal-Studie: Art des gesammelten Materials n Ausführliche Lebensgeschichten von 32 Männern und 30 Frauen n Zeitverwendungsbögen des Tagesablaufes von 80 Personen n Inventare von Mahlzeiten in 40 Familien über eine Woche hinweg n Beschreibung der Weihnachtsgeschenke von 80 Kleinkindern n Gesprächsthemen und Beschäftigungen in öffentlichen Lokalen n Entleihzahlen in der öffentlichen Bibliothek Teilnehmende Beobachtung: Merkmale n Die Beobachtung erfolgt teil- oder nonstandardisiert, indem lediglich Beobachtungsdimensionen festgelegt werden. Die möglichen Ausprägungen auf diesen Dimensionen werden im Verlauf der Beobachtung ermittelt. n Die Forscher/innen werden selbst untersuchten Gegenstandsbereichs. zu Mitgliedern des n Teilnehmende Beobachtung kann offen oder verdeckt er- folgen
7 Marienthal-Studie: Beobachtungsdimensionen n Stellung zur Arbeitslosigkeit > Wie sah die erste Reaktion aus? > Was haben die Menschen getan, um Arbeit zu finden? > Welche Pläne haben die Menschen noch? > Welcher Arbeitsersatz wird geleistet?... n Wirkungen der Arbeitslosigkeit > Wirkungen auf den physischen Zustand > Wirkungen auf die Schulleistungen der Kinder > Wirkungen auf Kriminalität > Veränderungen innerhalb der Familie Deskriptive Feldforschung: Probleme n Handeln im Feld: > Einstieg - Herstellung des Feldkontakts > Agieren im Feld - Reaktionen auf das Feld > Gefahr des Distanzverlusts ( going native ) > Ausstieg - Entwicklung der Beziehungen n Auswertung: Materialfülle n Ethische Probleme: Doppelcharakter der im Feld aufgebauten Beziehungen Deskriptive Feldforschung: Anwendungsbedingungen n Das Feld muss zugänglich sein. n Forscher/innen müssen im Feld eine sinnvolle Funktion einnehmen können. n Forscher/innen müssen geschult sein (Balance zwischen Anteilnahme und kritischer Distanz). n Das Vorhaben muss ethisch gerechtfertigt sein
8 Handlungsforschung Die Handlungsforschung geht auf Lewin zurück, der in den 1940 Jahren die Diskriminierung von Minderheiten vor Ort untersuchte und dabei Veränderungsinitiativen einbrachte Handlungsforschung: zentrale Merkmale n Problembezug: Handlungsforschung ist immer sozial- und gesellschaftskritisch und setzt an konkreten sozialen Problemen an. n Praxisveränderung: Die Ergebnisse der Handlungsforschung werden noch während des Forschungsprozesses in die Praxis umgesetzt. n Gleichberechtigter Diskurs: Die erforschten Personen werden als gleichberechtigte Partner angesehen und an allen Phasen des Forschungsprozesses beteiligt Handlungsforschung: Vorgehen n Gemeinsame Erarbeitung einer Problem- und Zieldefinition n Pendeln zwischen Informationssammlung, praktischem Handeln Diskurs und n Ziel des Diskurses ist die Ausarbeitung von Hand- lungsorientierungen, die als Basis für die folgenden prak- tischen Handlungen dienen n Über diese Handlungen und ihre Folgen werden erneut Informationen gesammelt usw
9 Handlungsforschung: Probleme n Grenzen der Handlungsforschung durch die gesellschaftliche Einbettung (Gesetze, Regeln in Institutionen usw.) n Beiderseitiges Problembewusstsein n Hohe Anforderungen an die erforschten Personen. Die Ergebnisse sind stark von deren Kompetenzen abhängig n Handlungsforschung ist auf sympathische Benachteiligte beschränkt (kein gleichberechtigter Diskurs z.b. mit Nazis) Handlungsforschung: Fazit n Handlungsforschung ist in Europa selten anzutreffen n Häufiger dagegen z.b. in Südamerika und Australien (Un- terstützung der Organisation der Aborigines in Australien) n In Europa und USA werden Elemente aus der Handlungs- forschung in andere Projekte integriert (z.b. Rückmeldung an die erforschten Personen in der Forschung zur angewandten Arbeits-, Organisations- und Betriebspsychologie) Literatur (zur gesamten Veranstaltungsreihe) Hussy, W., Schreier, M. & Echterhoff, G Forschungsmethoden der Psychologie. Berlin: Springer. (ab September/Oktober 2008 im Buchhandel erhältlich)
> Zur Glogowski-Affäre (SPD): bis ca. Mai 2000 > Zur Kohl-Affäre (CDU): bis ca. Mai 2000
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