Materielles Recht. Verfahrensrecht
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- Heike Fuchs
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1 PROFESSOR DR. WOLFGANG VOIT Vorlesung ZPO II, SS 2008, Folie 1 Materielles Recht Gläubiger materiellrechtlicher Anspruch im Sinne des 194 Abs. 1 BGB, gerichtet auf Tun, Dulden oder Unterlassen Schuldner Verfahrensrecht 1. Erkenntnisverfahren Gläubiger durch Rechtsschutzbegehren gekennzeichneter prozessualer Anspruch, auf Leistung, Feststellung oder Gestaltung gerichtet Schuldner Justizgewährungsanspruch, soweit zur Durchsetzung (vermeintlicher) Rechte erforderlich Staat Justizgewährungsanspruch 2. Vollstreckungsverfahren Gläubiger titulierter Anspruch Schuldner Vollstreckungsanspruch, soweit zur Durchsetzung des titulierten Anspruchs erforderlich Staat Eingriff in das Schuldnervermögen im Interesse der Rechtsdurchsetzung für den Gläubiger
2 PROFESSOR DR. WOLFGANG VOIT Vorlesung ZPO II, SS 2008, Folie 2 Rechtsbeziehungen in der Zwangsvollstreckung Gläubiger ( ) Schuldner materiellrechtlicher Anspruch titulierter Anspruch ( 704 Abs.1, 794 Abs. 1 ZPO), gerichtet auf Leistung (Tun, Dulden, Unterlassen), da andernfalls Vollstreckung nicht erforderlich Vollstreckungsverhältnis (Sonderverbindung, vgl. 717 Abs. 2, 3, 841, 842 ZPO) Vollstreckungsanspruch (Anspruch auf Durchführung der Zwangsvollstreckung) als ein öffentlich-rechtliches vom Bestehen eines materiellrechtlichen Anspruchs grundsätzlich unabhängiges Verhältnis Staat Eingriff in das Schuldnervermögen auf der Grundlage eines öffentlich-rechtlichen vom Bestehen eines materiellrechtlichen Anspruchs grundsätzlich unabhängigen Verhältnisses
3 PROFESSOR DR. WOLFGANG VOIT Vorlesung ZPO II, SS 2008, Folie 3 Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung Antrag des Gläubigers (vgl. 754 ZPO) Allgemeine Verfahrensvoraussetzungen Anwaltszwang nach 78 ZPO nur, soweit ausnahmsweise das Landgericht als Vollstreckungsorgan tätig wird, z.b. 887, 888, 890 ZPO, oder bei Familiensachen in den Fällen des 78 Abs. 2 ZPO Deutsche Gerichtsbarkeit: 18 ff. GVG, Art. 25 GG Zivilrechtsweg: 13 GVG, abzugrenzen nach 704, 794 ZPO Parteifähigkeit: 50 ZPO, 124 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB Prozeßfähigkeit: 51 Abs. 1, 52 ZPO Prozeßführungsbefugnis: Nach Angabe im Vollstreckungstitel, Umschreibung nach 727 ff. ZPO Rechtsschutzbedürfnis Allgemeine Vollstreckungsvoraussetzungen, 750 Abs. 1 ZPO Titel Klausel Zustellung
4 PROFESSOR DR. WOLFGANG VOIT Vorlesung ZPO II, SS 2008, Folie 4 Prozeßfähigkeit als Voraussetzung der Zwangsvollstreckung Problemkreis 1: Erforderlichkeit - seitens des Gläubigers erforderlich, da er einen Antrag stellt - seitens des Schuldners zur Wahrung seiner prozessualen Abwehrrechte erforderlich (h.m., früher wurde zum Teil gegenteilig entschieden, soweit der Schuldner lediglich die Zwangsvollstreckungsmaßnahme duldet) - rangwahrende Pfändungsmaßnahmen nach h.m. dennoch wirksam Problemkreis 2: Bindung an die Beurteilung der Prozeßfähigkeit im Erkenntnisverfahren - problematisch nur bei gerichtlichem Erkenntnis (nicht bei Vergleich oder vollstreckba- rer notarieller Urkunde), da Entscheidung des Gerichts durch Vollstreckungsverfahren nicht in Frage gestellt werden darf - h.m.: Bindung stets zu bejahen, auch bei Versäumnisurteil und Vollstreckungsbe- scheid a.a. : Bindung nur, soweit Gericht sich mit der Frage auseinandergesetzt hat - Bei Veränderungen nach der letzten mündlichen Verhandlung im Erkenntnisverfahren ist das Vollstreckungsorgan nach allen Auffassungen zur Prüfung berechtigt und verpflichtet, da in derartigen Fällen die richterliche Erkenntnis nicht in Frage gestellt wird (zeitliche Grenze der Rechtskraft).
5 PROFESSOR DR. WOLFGANG VOIT Vorlesung ZPO II, SS 2008, Folie 5 Vollstreckungsbefugnis Im Vollstreckungstitel genannte Partei oder einer von mehreren alleinprozeßführungsbefugten Gesamtgläubigern (z. B BGB) auf Leistung an alle Gesamtgläubiger Umschreibung nach 727 ff. ZPO bei Rechtsnachfolge oder Wechsel der Verfügungsbefugnis isolierte Vollstreckungsstandschaft nach h. L. unzulässig
6 PROFESSOR DR. WOLFGANG VOIT Vorlesung ZPO II, SS 2008, Folie 6 Der Titel als Grundlage der Zwangsvollstreckung Identität des durch Titel/Klausel festgelegten Vollstreckungsschuldners mit dem Träger des Vermögens, in welches die Vollstreckung betrieben werden soll Nachweis durch Gläubiger, notfalls Klage auf Feststellung der Identität bei Personenmehrheiten GbR: 736 ZPO Titel gegen die GbR nach neuer Rechtsprechung auch ausreichend ohg/kg: 124 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB Erbengemeinschaft: 747 ZPO Sonderfall: Testamentsvollstreckung: 748 ZPO Bestimmtheit des im Titel bezeichneten Anspruchs Nachweis durch Gläubiger, notfalls Klage auf Feststellung des Inhalts des Titels Herausgabeanspruch: eindeutige Identifizierung Zahlungsanspruch: Angabe einer bestimmten Summe, Koppelung an Index des statistischen Bundesamts zulässig Zinsanspruch: Angabe des Beginns der Verzinsung und des Zinssatzes
7 PROFESSOR DR. WOLFGANG VOIT Vorlesung ZPO II, SS 2008, Folie 7 Vollstreckbarkeit des Urteils 704 ZPO Rechtskraft vorläufige Vollstreckbarkeit formelle Rechtskraft ( 705 ZPO) Verkündung wenn kein Rechtsmittel statthaft (Urteile des BGH) [Das Erreichen der Erwachsenheitssumme ist Frage der Zulässigkeit, nicht der Statthaftigkeit, vgl. auch 713 ZPO; Nichtzulassung der Revision ebenfalls keine Frage der Statthaftigkeit] Berufung: 517 ZPO i.d.r. 1 Monat Ablauf der Rechtsmittelfrist Revision: 548 ZPO i.d.r. 1 Monat (bei Zulassung) bzw. 544 ZPO (Nichtzulassungsbeschwerde, 1 Monat) Einspruch gegen Versäumnisurteil: 339 ZPO i.d.r. 2 Wochen Fristberechnung: 222 ZPO
8 PROFESSOR DR. WOLFGANG VOIT Vorlesung ZPO II, SS 2008 Folie 8 Problem des Schadensersatzanspruchs nach 717 Abs. 2 ZPO Kläger Versäumnisurteil 1. Instanz; vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung Kläger vollstreckt, anschließend wird VU aufgehoben Beklagter Schadensersatzforderung nach 717 Abs. 2 Rückgängigmachung des Vollstreckungserfolgs (Hauptsache, Zinsen, Kosten) weiterer Schaden (entgangener Gewinn, Nutzung) weitere, von dem klageweise geltend gemachten Anspruch unabhängige Forderung Problem: Aufrechnung des Klägers mit anderer Forderung gegen den Beklagten zulässig? prozessuales Verständnis des 717 Abs. 2: hinsichtlich der Rückgängigmachung des Vollstreckungserfolges keine Aufrechnung; es soll auf jeden Fall die frühere Lage wieder hergestellt werden. Aufrechnung wegen des sonstigen Schadens zulässig materiellrechtliches Verständnis des 717 Abs. 2: Schadensersatzpflicht als Ausdruck eines materiellrechtlichen Anspruchs wegen verschuldensunabhängiger Verletzung des Vollstreckungsverhältnisses, so daß Aufrechnung uneingeschränkt möglich ist Vgl. dazu BGH NJW 1997, 2601.
9 PROFESSOR DR. WOLFGANG VOIT Vorlesung ZPO II, SS 2008, Folie 9 Vorläufige Vollstreckbarkeit in der Regel jedes Urteil, Ausnahmen: Rechtsmittel ist nicht statthaft (Vollstreckbarkeit auf der Grundlage formeller Rechtskraft) Fälle des 704 Abs. 2 ZPO Erklärung durch Gericht von Amts wegen, Nachholung nach 716, 321 ZPO ohne Sicherheitsleistung 708 ZPO Antrag des Gläubigers 710, 714 ZPO gegen Sicherheitsleistung 709 ZPO (Art der Sicherheitsleistung 108 ZPO, in der Praxis: Bankbürgschaft) Sicherungsvollstreckung 720 a ZPO Antrag des Schuldners 712, 714, aber 713 ZPO Sicherheitsleistung des Schuldners 711, 708 Nr ZPO, aber 713 ZPO
10 PROFESSOR DR. WOLFGANG VOIT Vorlesung ZPO II, SS 2008, Folie 10 Ausländische gerichtliche Entscheidungen als Vollstreckungstitel 722 ZPO Vollstreckungsurteil (nur zur Durchführung der Zwangsvollstreckung erforderlich, nicht bei Inzidentprüfung) VO (EG) Nr. 44/2001 sowie Staatsverträge, z.b. LugÜ sachlicher Anwendungsbereich: Zivil- und Handelssachen (vgl. Art. 1) Entscheidung eines Gerichts eines Mitgliedsstaats (Art. 31), Prozeßvergleich (Art. 58) oder vollstreckbare Urkunde (Art. 57) Kein Vollstreckungsurteil erforderlich Vollstreckungsklausel erforderlich: Vorsitzender einer Kammer des LG am Wohnsitz des Schuldners oder am Ort, an dem nach den Behauptungen des Antragstellers vollstreckt werden soll (vgl. Art. 39 Abs. 2) Rechtsbehelf: Beschwerde zum OLG, Art. 43 persönlicher Anwendungsbereich der VO: Vertragsstaaten des LugÜ (soweit für deutsche Gerichte von Relevanz): Art. 1 Abs. 3: Mitgliedsstaaten mit Ausnahme von Dänemark Island, Norwegen, Polen, Schweiz Vollstreckung ausländischer Titel über unbestrittene Forderungen VO (EG) Nr. 805/2004 ivm ff. ZPO - keine Vollstreckungsklausel erforderlich (also keinerlei innerstaatliche Prüfung) - Anträge auf Verweigerung, Aussetzung oder Beschränkung der Vollstreckung: Amtsgericht - Entscheidung durch Beschluss; Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln entsprechend 769 Abs. 1, 3 sowie 770, aber auch ohne Sicherungsleistung zulässig - Einstellung entsprechend 775, 776 ivm Vollstreckungsabwehrklage, 1086
11 PROFESSOR DR. WOLFGANG VOIT Vorlesung ZPO II, SS 2008, Folie 11
12 PROFESSOR DR. WOLFGANG VOIT Vorlesung ZPO II im SS 2008, Folie 12 Vollstreckungstitel nach 794 ZPO Prozeßvergleich ( 794 Abs.1 Nr.1 ZPO vor deutschem Gericht innerhalb eines anhängigen Verfahrens oder vor Gütestelle zwischen den Parteien Beilegung des Rechtsstreits Protokollierung, 160 Abs. 3 Nr. 1, im PKH-Verfahren 118 Abs. 1 S. 3, während Beweisaufnahme 492 Abs. 3 oder schriftliche Annahme eines Vergleichsvorschlags, 278 Abs. 6 Prozeßhandlungsvoraussetzungen Voraussetzungen des 779 BGB (i.e. strittig) Titel nach 794 Abs. 1 Nr. 2a,b,3,3a für vollstreckbar erklärte Schiedssprüche, Anwaltsvergleiche ( 794 Abs.1 Nr. 4a, b ZPO) vollstreckbare Urkunden ( 794 Abs.1 Nr.5 ZPO) deutscher Notar Anspruch, der vergleichsweisen Regelung der Parteien zugänglich ist, und sich weder auf Abgabe einer Willenserklärung richtet noch den Bestand eines Mietverhältnisses über Wohnraum betrifft Unterwerfungserklärung des Schuldners Kostenfestsetzungsbeschluß ( 794 Abs. 1 Nr. 2, 795 a ZPO) Vollstreckungsbescheide ( 794 Abs. 1 Nr. 4 ZPO)
13 Prozeßvergleich Aus 794 Abs. 1 Nr. 1, 160 Abs. 3 Nr. 1 ZPO zu entnehmende Voraussetzungen: Vor deutschem (auch unzuständigem) Gericht innerhalb eines anhängigen Verfahrens (auch bei dessen Unzulässigkeit), auch im PKH-Verfahren, 118 Abs. 1 Nr. 3, auch im Beweisaufnahmeverfahren, 492 Abs. 3; Gütestellen gleichgestellt zwischen den Parteien (nicht notwendig alle Streitgenossen; Dritte können einbezogen werden, insoweit kein Anwaltszwang; entgegen dem Wortlaut ist ein Vergleich zwischen allein einer Partei und einem Dritten kein Prozeßvergleich, da insoweit keine verfahrensbeendigende Wirkung eintreten kann) (teilweise) Beilegung des Rechtsstreits (Vergleich muß zumindest einen Teil des Streits betreffen, andere Punkte können einbezogen werden) Protokollierung (h. M., arg. 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO a. E.; str., a. A.: 160 Abs. 3 Nr. 1 ZPO ist Sollvorschrift) und Genehmigung oder schriftliche Annahme eines gerichtlichen Vergleichsvorschlags, 278 Abs. 6 Doppelnatur des Prozeßvergleichs Prozeßhandlung (arg.: Verfahrensbeendigung und Vollstreckungstitel) Aus der Einordnung als Prozeßhandlung abzuleitende Anforderungen Prozeßhandlungsvoraussetzungen (Prozeßfähigkeit, Postulationsfähigkeit, Erklärung in mündlicher Verhandlung) Dispositionsbefugnis zugleich materiellrechtlicher Vergleich i. S. d. 779 BGB Aus der Einordnung als Willenserklärung abzuleitende Anforderungen Wirksamkeit der Erklärung (Geschäftsfähigkeit; keine Anfechtung etc.) ggf. Vertretungsmacht (regelmäßig in der Prozeßvollmacht enthalten, 81, 83 ZPO) gegenseitiges Nachgeben, 779 BGB, str., liegt jedenfalls im Verzicht auf weitere Rechtsverfolgung Fehlen verfahrensrechtlicher Voraussetzungen Verfahren wird nicht beendet Entscheidung darüber und über eine eventuelle Umdeutung in dem bereits begonnenen Verfahren neue Klage ist unzulässig, 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO Fehlen materiellrechtlicher Voraussetzungen Soweit damit Vergleich unwirksam ist (z. B. Anfechtung), entfällt auch die verfahrensbeendigende Wirkung Fortsetzung des ursprünglichen Verfahrens (Terminantrag) wenn Vergleich nicht im Bestand betroffen wird (Rücktritt; Wandelung) neues Verfahren (str.; a. A.: Verfahrensfortsetzung, arg. Prozeßökonomie). mit der Lehre von der Doppelnatur des Prozeßvergleichs konkurrierende andere Ansichten: privatrechtlicher Vertrag mit prozessualen Folgen prozessualer Tatbestand Nebeneinander (Doppeltatbestand) von privatrechtlichem Vergleich und Prozeßbeendigungsvertrag Zur Abgrenzung: Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut, 1053 ZPO, steht Urteil gleich, 1055 ZPO; keine Doppelnatur
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