7 Warum professionelle Krisenintervention? Vorbemerkung. 9 Krisen und Krisenbewältigung verstehen. 9 Was bedeuten Krisen?
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- Berndt Winkler
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2 7 Warum professionelle Krisenintervention? Vorbemerkung 9 Krisen und Krisenbewältigung verstehen 9 Was bedeuten Krisen? 11 Wodurch unterscheiden sich»krise«und»notfall«? 13 Wie kommt es zur Krise? 15 Was geschieht unter einer kritischen Belastung? 24 Wie lässt sich eine Krise bewältigen? 27 Was soll Krisenintervention bewirken? 29 Was tragen psychotherapeutische Methoden bei? 33 Gewusst, wann und wie methodisches Vorgehen 33 Drehbuch: die fünf Phasen einer Intervention Phase: Verbinden Phase: Vorbereiten Phase: Verstehen Phase: Verändern Phase: Verabschieden 47»Schlüsselsyndrome«: Vorgehen je nach Störungsbild 49 Setting: Rahmenbedingungen für lösbare Aufgaben schaffen 52 Beurteilung: von der Triage bis zur Evaluation 57 Kommunikation: zuhören und moderieren 60 Im Fokus: schützen und Neues wagen 62 Maßnahmen: Mittel der Entlastung und Bewältigung 62 Vernetzung 63 Psychohygiene 63 Entlastung 65 Medikamente 65 Time-out
3 67 Notfall: Vorgehen bei akuter Problematik 67 Selbst- und Fremdgefährdung einschätzen 69 Vorgehen bei Suizidalität 74 Vorgehen bei Drohung und Gewalt 82 Nachbearbeitung eines Gewaltvorfalls 82 Die Betreuung von Opfern 83 Nachbesprechung mit dem Täter 85 Vorgehen bei wahnhaftem Verhalten 90 Umgang mit schwer kommunikationsgestörten Patienten 93 Klinikeinweisung und Zwangsmaßnahmen 102 Krise: Vorgehen bei kommunikationsfähigen Klienten 102 Einzelberatung 113 Paar- und Familiengespräche 117 Umgang mit»schwierigen«personen 122 Selbsthilfe für Helferinnen und Helfer 122 Der eigenen Krise vorbeugen! 125 Sich Überforderung eingestehen! 128 Multiprofessionelle Zusammenarbeit fördern! 133 Nach der Chance suchen Schlussbemerkung 134 Ausgewählte Literatur
4 ABBILDUNG 4 Die 5 Phasen und 9 Schritte einer Notfallintervention 1. Phase»Verbinden«Telefonische Kontaktaufnahme 2. Phase»Vorbereiten«1. Schritt: Triage Schlüsselsyndrom? Dringlichkeit? Zuständigkeit? Interventionsort? Teilnehmende? 2. Schritt: Vorbereitung Telefonische Kurzintervention Persönliche Vorbereitung 3. Schritt: Setting Rahmenbedingungen schaffen Klienten und Angehörige aktivieren 3. Phase»Verstehen«4. Schritt: Gesprächsintervention Zuhören Stellung beziehen 5. Schritt: Abklärung Notfallanlass? Aktuelle Lebenssituation? Befürchtungen, Hoffnungen? Kooperation mit dem Helfer? 6. Schritt: Beurteilung und Hilfestrategie 1. Kriterium: seelisch-körperliche Gefährdung 2. Kriterium: psychosoziale Gefährdung Schlussfolgerung: Hilfestrategie 4. Phase»Verändern«7. Schritt: Notfallkonferenz Gemeinsame Problemdefinition Planung der entlastenden Veränderung 8. Schritt: Ambulante Maßnahmen Vernetzung Psychohygiene Entlastung Medikamente Time-out 9. Schritt: Evaluation Klinikeinweisung? Behandlungsbündnis Evaluation 5. Phase»Verabschieden«Abschied Übergang zu Krisenintervention 46
5 »Schlüsselsyndrome«: Vorgehen je nach Störungsbild»Schlüsselsyndrome«sind typische psychiatrisch-psychosoziale Prob lemlagen, wie sie von Anrufern, meist Laien, bei einem Notfall geschildert werden. Die Vorgehensweisen bei diesen unterschiedlichen psychiatrischen Situationen entsprechen den in diesem Buch dargelegten Prinzipien. Ausgebildete Fachpersonen sollten spezifische Methoden anwenden, um angemessen auf die jeweils störungsbedingten Auffälligkeiten zu reagieren. Sie hier im Einzelnen zu erläutern ist nicht möglich (siehe dazu Rupp 2010). Ein paar Hinweise seien an dieser Stelle aber gegeben, um darzulegen, welche weiteren Fachpersonen durch nichtmedizinische Krisenhelfer hinzugezogen werden müssen, wenn psychiatrische Auffälligkeiten dominieren. h Schlüsselsyndrome, Seite 67 Bei psychischen Störungen, die mit Fieber einhergehen oder bei denen eine Bewusstseinstrübung auftritt oder sogar zunimmt, sowie bei Angstzuständen, die mit Brustschmerz verbunden sind und vorgängig noch nicht medizinisch abgeklärt wurden, ist eine sofortige medizinische Intervention dringend notwendig. Auch wenn andere körperliche Beschwerden vorhanden sind, setze man sich mit einem Arzt in Verbindung. Bei Personen, zu denen trotz anzunehmender Sprachkompetenz keine Kommunikation gelingt und die ein skurriles, verschrobenes, durch Ansprechen nicht veränderbares Verhalten aufweisen oder bei denen erhebliche Wahrnehmungsverzerrungen beobachtet werden können, ist eine sofortige psychiatrische Hilfe notwendig. Es kann sich bei unbekannten Personen nicht nur um eine psychotische, sondern auch um eine hirnorganische Störung handeln, weshalb eine ärztliche Abklärung erforderlich ist. Menschen, die verzweifelt sind, ratlos, auch Suizidgedanken äußern, sich von diesen Suizidgedanken jedoch im Lauf des Gesprächs nachvollziehbar distanzieren, können im Rahmen einer psychosozialen Begleitung betreut werden. Falls nach einem eingehenden Beratungsgespräch nach 47
6 wie vor eine akute Suizidalität nicht ausgeschlossen werden kann oder die betreffende Person nicht vertragsfähig wirkt, ist sofort eine psychiatrische Betreuung anzufordern. Diese Personen dürfen nicht sich selbst überlassen werden. Menschen, die im Zusammenhang mit Konflikten gewaltbereit oder gewalttätig geworden sind, jedoch in der Kommunikation ansprechbar sind und auf die Interventionen eines Notfallhelfers einzugehen beginnen, können im Rahmen einer Beratung weiterbetreut werden, es sei denn, es sind psychopathologische Zustände feststellbar, wie sie in den oberen drei Abschnitten beschrieben wurden. Personen in einem Rauschzustand beziehungsweise einem Folgezustand im Zusammenhang mit Suchtmittelkonsum (etwa beim Entzug) sind einer medizinischen Betreuung zuzuführen, falls es sich nicht um einen banalen Rauschzustand handelt und sich das Erscheinungsbild nicht verschlechtert. Dies gilt wieder unter der Voraussetzung, dass die in den oberen Abschnitten geschilderten psychopathologischen Veränderungen nicht vorliegen. Eine besondere Personengruppe sind Menschen, die sich sozusagen in einer chronischen Krise oder gar in einer Dauer-Notfallsituation befinden. Häufig sind dies Personen mit einer emotional instabilen Persönlichkeit, die sich selbst verletzen und immer wieder von Suizidgedanken geplagt werden. Dies ist für Notfallhelfer oder Krisenberater die anspruchsvollste Personengruppe. Falls die oben erwähnten Zustandsbilder im Zusam - menhang mit chronischen Krisenverläufen auftreten, ist zu verfahren wie oben beschrieben. Falls keine derartigen Beschwerdebilder vorliegen, bewähren sich spezifische Vorgehensweisen, die andernorts ausführlicher beschrieben (Rupp 2010) und hier in Abbildung 5 als Übersicht zusammengestellt sind. 48
7 ABBILDUNG 5 Beizug medizinischer Fachpersonen je nach Notfallsyndrom Körperliche Problematik im Vordergrund (Fieber über 39 Grad, Brustschmerz, Bewusstseinstrübung, Übelkeit und Erbrechen, schlechter körperlicher Allgemeinzustand etc.) Y Arzt Realitätsfremde Wahrnehmungen (Wahn, Halluzinationen wie Stimmenhören etc.), absonderliches, unberechenbares Verhalten, nicht abklingende psychomotorische Erregung etc. Y Facharzt für Psychiatrie Menschen, die sich von einer Suizididee nicht glaubhaft distanzieren können Y Facharzt für Psychiatrie Personen in einem Rausch oder Entzug mit körperlichen (z. B. epileptischer Anfall) oder psychischen (z. B. Wahn oder Erregung und Verwirrung) Komplikationen beziehungsweise mit bleibender oder gar zunehmender Bewusstseinstrübung Y Arzt Menschen, die chronisch suizidal sind, sich selbst verletzen und emotional instabil sind Y Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapeut Je nach Ausmaß der aktuellen Gefährdung gibt es unterschiedliche Akzente in der Vorgehensweise. Je weniger eine Person ansprechbar erscheint oder auf das Kommunikationsangebot sinnvoll reagiert, desto eher sind aktive Interventionen, gegebenenfalls auch Maßnahmen unter Beizug von weiteren Helfern bis hin zu Polizei und Rettungsdiensten notwendig. MERKE d Bei Verdacht auf akute medizinische oder psychiatrische Gefährdung sofort einen Arzt und bei Gewaltgefahr die Polizei, bei Gefährdung von Kindern das Jugendamt hinzuziehen. Setting: Rahmenbedingungen für lösbare Aufgaben schaffen In der Aus- und Weiterbildung von Psychiatern und Psychotherapeuten und von anderen Helfern im psychosozialen Bereich wird in erster Linie die methodische Vorgehensweise in einem regulären Setting vermittelt. Ein reguläres Setting im Rahmen vorher vereinbarter regelmäßiger Sprechstundenbegegnungen ist dann möglich, wenn sich Menschen nicht in einer Notlage befinden. Doch auch in akuten Situationen ist es wichtig, die Rahmenbedingungen für den Einsatz ausdrücklich zu defi- 49
8 nieren. Diese müssen in kurzer Zeit festgelegt werden. Je nach Verlauf der Intervention braucht es später eine Anpassung an die veränderte Lage, worüber ausdrücklich zu informieren ist. Es sind dabei unterschiedliche Settings möglich. Nahezu immer findet der Erstkontakt während einer Krise Erstkontakt am Telefon statt, häufig über Drittpersonen. Der Helfer stellt sich mit seiner Funktion vor: Nach erfolgter Kontaktaufnahme umreißt er mit knappen Worten, welche Aufgaben er hat und welchen Zeitraum er zur Verfügung stellt, um mit der betreffenden Person zu sprechen. Die telefonische Intervention ist anspruchsvoll, da eine ganze Reihe von nonverbalen Signalen fehlt, die die Wortbotschaften kommentieren. Dadurch kann man sich bezüglich der Dringlichkeit eines notwendigen Einsatzes täuschen. Deshalb ist im Zweifelsfall von der gefährlicheren Variante auszugehen. Falls die Anrufer kommunikationsfähig sind, können das Setting für die Intervention und die bis zum persönlichen Helferkontakt vor Ort verstreichende Zeit besprochen werden. Die Anrufer und die unmittelbar betroffenen Personen Tee-Intervention brauchen Handlungsanleitungen, die die Wartezeit strukturieren helfen. Sehr bewährt hat sich die»tee-intervention«: Der Notfallhelfer orientiert über die Dauer der Wartezeit und empfiehlt den Betreffenden, falls sie sich noch im Bett befinden, aufzustehen, eine Dusche zu nehmen, sich anzuziehen und anschließend einen Tee zuzubereiten, da der Notfallhelfer viel unterwegs gewesen und froh sei, zu Beginn etwas zu trinken. Dies ist nicht nur für den Helfer sinnvoll, sondern viele Menschen in Krisen haben nicht mehr richtig getrunken, nicht mehr richtig gegessen und sind häufig auch übernächtigt. Zudem wird den Hilfesuchenden die Gastgeberrolle übertragen, die sie sofort mit Kompetenz ausstattet, die ihnen vertraut ist. Das gibt dem Hausbesuch eine gut strukturierte Ausgangslage. Ein Hausbesuch ist sinnvoll, wenn es um eine akute Selbst- Hausbesuch und Fremdgefährdung geht und die betroffenen Personen nicht mehr si- 50
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