Suizidalität Definitionen
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- Frank Baum
- vor 7 Jahren
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1 Suizidalität Definitionen Suizidalität ist die Summe aller Denk- und Verhaltensweisen von Menschen oder Gruppen von Menschen, die in Gedanken, durch aktives Handeln, Handeln lassen, oder passives Unterlassen den eigenen Tod anstreben bzw. als mögliches Ergebnis der Handlung in Kauf nehmen. Suizidale Handlungen sind alle begonnenen, vorbereiteten oder auch abgebrochenen bzw. durchgeführten Versuche, sich das Leben zu nehmen, sofern sie in dem Wissen, in der Erwartung, in dem Glauben, dass mit der erwählten Methode das Ziel tot zu sein erreichbar sei, durchgeführt werden. Wird die suizidale Handlung überlebt, handelt es sich um einen Suizidversuch. Nach Wolfersdorf, 2003
2 Vorkommen von psychischen Krisen und Suizidalität 350 bis 500 psychiatrische Notfälle jährlich pro Einwohner Münchner Krisenstudie (2000): 35 bis 40 Krisenfälle pro Tag im Stadtgebiet München davon 1/5: erstmaliges Auftreten Ein Drittel der Fälle: keine fachspezifische Soforthilfe Krisendienst Psychiatrie München (2010): akute Krisenfälle mit 876 Einsätzen/persönlichen Beratungen in 25,7%: Suizidalität im Vorfeld oder während der Krisenintervention Suizidziffern BRD 2008 (je Einwohner): weiblich: 5,8 männlich:17,5 gesamt: 11,5 Suizidversuchsrate (geschätzt): 10-faches der Suizidrate Häufigkeit von Suizidalität?
3 Klinische Schweregrade von Suizidalität Wunsch nach Ruhe, Pause Unterbrechung im Leben (mit dem Risiko zu sterben) Todeswunsch (jetzt oder in einer unveränderten Zukunft lieber tot zu sein als zu leben) Suizidgedanke Erwägung als Möglichkeit Impuls (spontan sich aufdrängend, zwanghaft) Suizidabsicht Mit oder ohne Plan Mit oder ohne Ankündigung Suizidhandlung Vorbereiteter Suizidversuch, begonnen und abgebrochen (Selbst und Fremdeinfluss) Durchgeführt (selbst gemeldet, gefunden) Gezielt geplant, impulshaft durchgeführt Suizid Tod durch oder in Folge der Handlung Passive Suizidalität Zunehmender Handlungsdruck, Zunahme des Handlungsrisikos Aktive Suizidalität
4 Präsuizidales Syndrom Zunehmende Einengung: situative Einengung dynamische Einengung (einseitige Ausrichtung von Apperzeption, Assoziationen, Verhaltensmustern und Abwehrmechanismen) Einengung der zwischenmenschlichen Beziehungen Einengung der Wertwelt Aggressionsstauung und Aggressionsumkehr: fehlende Aggressionsabfuhr und Wendung der Aggression gegen die eigene Person Suizidphantasien: aktiv intendiert passiv sich aufdrängend (nach Ringel 1953)
5 Stadien der Suizidalität Mäßige Suizidgefahr Hohe Suizidgefahr Anzahl betroffener Menschen Passive Todeswünsche Suizidgedanken Suizidideen Suizidpläne Vorbereitungen Suizidale Handlungen Erwägung Ambivalenz Entschluss
6 Suizidalität bei depressiven Patienten % leiden an Suizidideen % weisen einen Suizidversuch auf % mit rezidivierender Depression versterben durch Suizid bei 90 % der Suizidenten psychiatrische Erkrankung im Vorfeld, am häufigsten Depression (40-70 %) Wenn eine Depression vorliegt, dann sollte die Suizidalität immer aktiv exploriert werden!
7 Vorgehen in der telefonischen Krisenintervention I Anliegen Dringlichkeit in der Einschätzung des Anrufers Name, Adresse, Telefonnummer des Anrufers Anlass, Auslöser Wurde im Zusammenhang mit aktueller Krise bereits etwas unternommen? Zugänglichkeit und Bewusstseinstrübung Aktuelle Fremd- und Selbstgefährdung Frühere Suizidversuche oder Fremdgefahr Weitere psychophatologische Auffälligkeiten (wenn Exploration möglich: Angabe zu Bewusstsein, Orientierung, Inhaltlichen und Formalen Denkstörungen, Ich-Störungen, Sinnestäuschungen Affekt, Antrieb, interpersoneller Kontakt) Leitsyndrom
8 Vorgehen in der telefonischen Krisenintervention II Symptomatik: Wie lange schon? Warum jetzt? Psychiatrische Vorgeschichte, frühere Klinikaufenthalte Medikamente (aktuell, früher, Veränderungen) Aktueller Konsum von Alkohol oder Drogen Krankheiten, somatische Beschwerden Wichtige Bezugspersonen (Familie, Therapeuten, Betreuer), Vereinbarungen Wohnsituation Auftragslage Unterbrechung / Abschluss Nächste Handlungsschritte klar besprechen Anrufer fragen, ob wesentliche Vereinbarungen verstanden wurden Gegebenenfalls Möglichkeit des Rückrufs nutzen
9 Abschätzung der Dringlichkeit in der telefonischen Krisenintervention I Höchste bis hohe Dringlichkeit (Notarzt, Polizei) Deutliche, unklare Bewusstseinstrübungen Bewusstseinstrübungen, die zunehmen Angst und infarktverdächtige Brustschmerzen Zum Suizid Entschlossene, die allein sind Gewaltbereite Menschen, die andere unmittelbar gefährden Dringlich (sofortiger Notfalleinsatz notwendig) Jede Bewusstseinstrübung außerhalb eines banalen Alkohol- oder Drogenrausches Unberechenbare, unruhig-verwirrt-wahnhaft wirkende Klienten Suizidale Patienten, zu denen kein tragfähiger Kontakt besteht Opfer von Verbrechen, schweren Unfällen, Katastrophen Gefährdete Personen mit Weglauftendenz Gewalttätige, bedrohliche, erregte Personen, besonders bei Gewalt in der Vorgeschichte in Kombination mit Unberechenbarkeit / Rausch / Verwirrtheitszustand Mehrfachproblemsituationen Entzugssymptomatik mit fraglichen Komplikationen
10 Abschätzung der Dringlichkeit in der telefonischen Krisenintervention II Bedingt dringlich (alleinige Telefonberatung nicht ausreichend, zeitnahe Einbestellung) Unruhig-verwirrt-wahnhaft wirkende Personen mit vertrauenerweckender Bezugsperson Suizidale, von Angehörigen betreute Personen, zu denen ein tragfähiger Kontakt besteht Besorgte, verzweifelte Personen mit Kindern Menschen in heftigen Beziehungskonflikten (ohne Gewalttätigkeit oder Bedrohung) Panikattacke ohne medizinisch bedrohliche Begleitsymptomatik Schwere soziale Notlage Fraglich dringlich (wenn Telefonberatung nicht reicht, erneuten Anruf vereinbaren) Besorgte, verzweifelte Menschen (ohne Suizidalität), die sich während des Telefonats beruhigen Dem Berater bekannte Patienten, die keine akute Verschlechterung des Zustandes schildern Gewöhnlicher Rausch oder unkomplizierter Drogenentzug (Alkoholentzug immer gefährlich!) Besorgte Angehörige, die ohne unmittelbaren Anlass, sondern aus Zermürbung anrufen
11 Umgang mit Suizidalität in der telefonischen Krisenintervention Dringlichkeit entscheidet über Maßnahmen Dringlichkeitsstufe Vorkommen Maßnahme am Telefon Höchste Dringlichkeit Hohe Dringlichkeit Bedingt dringlich Akut Suizidale, die allein sind; Suizidale am Beginn des Suizidversuchs Alle übrigen Suizidalen; Opfer von Verbrechen, Unfällen; Alleinstehende / Alleinerziehende; Multiproblemsituationen Alle übrigen verzweifelten Menschen Sofortige Einbeziehung von Drittpersonen, Polizei oder Feuerwehr Ankündigen eines sofortigen Notfalleinsatzes Evtl. reicht telefonische Beratung aus (nach Rupp, 2003)
12 Schritte der Krisenintervention im Erstkontakt Setting: sich vorstellen, Funktion und Institution erklären, Dauer der Zuständigkeit angeben, erste Schritte beschreiben, um Kooperation bitten Besprechen: gegenwärtige Krise was hat sich ereignet? Wer war / ist beteiligt? Bewältigungsversuche jetzt und in früheren Krisen Ermutigen: schwer aushaltbare Gefühle äußern, evtl. widersprüchliche Gefühlslagen des Klienten aufnehmen; rückmelden wie gesagtes verstanden wurde Konfrontation des Klienten mit eigener Sicht der Realität Funktion stellvertretender Hoffnung übernehmen Hoffnungslosigkeit des Klienten akzeptieren, eigene Erwartungen der Besserung dagegensetzten Suizidalität ansprechen Angehörige und Umfeld, wenn nötig andere Professionelle einbeziehen Positive Pausenwünsche befürworten, riskanten Pausenwünschen entgegenarbeiten Evtl. syndromale Medikamentenbehandlung (nach Rupp, 2003)
13 Wichtige Handlungsprinzipien der Krisenintervention Rascher Beginn Auftragslage klären und benennen Gefahr eingrenzen, Chance erkennen Sicherheit und Schutz gewährleisten Fokussierung auf die aktuelle Situation bzw. Hauptproblematik Alle sofort verfügbaren Ressourcen einsetzen Kommunikationskompetenz beachten Interaktion evaluieren
14 Krise und Notfall Institutionelle Hilfen Gefährdungsgrad Professionelle Hilfen Notarzt Feuerwehr Polizei Niedergel. Facharzt Flank. Einrichtungen Soziale Dienste Beratungsstellen Intensivstation Notfall z.b. suizidale Intoxikation Krise pathologisch, z.b. berufliches Scheitern Krise normal z.b. Reifungskrise Grenzkriterium Unmittelbare Gefährdung von Leben und Gesundheit Grenzkriterium Zusammenbruch v. Individuum, Angehörigen oder Gemeinde Arzt Pfleger/Schwester Sozialarbeiter Psychologe Nicht professionelle Hilfe Selbsthilfegruppe Pfarrer Familie Zeit (nach Häfner, 1978)
15 Krisenversorgung München Anforderungen ab 2007 Allen Münchner Bürgern soll rund um die Uhr professionelle Krisenhilfe zur Verfügung stehen Einzelbausteine (Krisendienst Ost, Mobiler Psychiatrischer Krisendienst München, Krisenambulanz Atriumhaus) sollen zu einem Krisenkompetenz-Netzwerk gebündelt werden Als Eingangstür soll in dessen Zentrum eine Leitstelle Psychiatrie mit Abklärungs- und Steuerungsfunktion stehen Bekanntheitsgrad, Verfügbarkeit und Verbindlichkeit von Krisenhilfe sollen erhöht werden
16 Einzugsgebiet des Krisendienstes Psychiatrie München
17 Leitstelle des Krisendienstes Psychiatrie München Eine Telefonnummer Zuständigkeit stadtweit Erweitertes Zeitfenster Notruf für Betroffene, Angehörige, Primärversorger, Behandler Kein Ausschluss bestimmter Krisen und Notfälle Soforthilfe verbindlich vermittelt Eintrittspforte in ein breites Krisen-Hilfenetz
18 Trägerverbund und Organisationsstruktur ggmbh des Projektevereins Diakonie Hasenbergl e.v. Caritasverband Ärztliche Einsätze KVB Psychiatrischer Bereitschaftsdienst Klinikum München-Ost/ Atriumhaus Soziale Dienste Psychiatrie ggmbh Kooperationsvertrag Mobile Teams Nord/Ost Leitstelle am Atriumhaus Mobile Teams Süd/West Krisenambulanz am ZAK Nord/Ost Krisenambulanz Atriumhaus Süd/West
19 Leitstelle Psychiatrie Eintrittspforte ins Krisenkompetenz-Netzwerk Wer? Betroffene, Angehörige, Bezugspersonen, Fachstellen Anlass? Seelische Notlagen, psychiatrische Notfälle, Beratungswunsch, Suche nach Empfehlungen, allgemeine Anliegen, Behandlungsfragen Telefonische Beratung/ Krisenintervention Information, Entlastung Entscheidungshilfe, Vermittlung, Lotsendienst Leitstelle am Atriumhaus Zuweisung zu stationärer (Krisen-) Behandlung Klinikum München-Ost Krisenstationen Atriumhaus/KMO/ZAK andere Psychiatrische Kliniken Mobile Einsätze vor Ort Mobile Teams des Krisendienstes, Psychiatrischer Bereitschaftsdienst der KVB Vermittlung in ambulante Krisenbehandlung und -beratung z.b. Krisenambulanzen Atriumhaus und Nord des KMO am ZAK, Niedergelassene Nervenärzte, Psychiater, Psychotherapeuten; SPDis, GPDis, (Spezial-) Beratungsstellen und Ambulanzen
20 Krisenkompetenz-Netzwerk Notfall Praxen Psychiatrischer Bereitschaftsdienst KVB Notfall Praxen Mobile Teams Nord/Ost Leitstelle Mobile Teams Süd/West SPDis/GPDis Nord Krisenambulanz ZAK Nord/Ost Krisenambulanz Atriumhaus Süd/West SPDis/GPDis West SPDis/GPDis Ost SPDis/GPDis Süd KIT Allgemeine Beratungsstellen Polizei Rettungsdienste Spezifische Krisenberatungsangebote Kliniken Psychiatrische Pflegedienste
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