Intelligenz und Kreativität Intelligence and Creativity
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- Werner Haupt
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1 Intelligenz und Kreativität Intelligence and Creativity Christoph Perleth 1 Was ist Intelligenz? Definitionen und Theorien zur Intelligenz Intelligenz wird meist definiert als allgemeine Fähigkeit zum Denken oder Problemlösen in Situationen, die für das Individuum neuartig, d. h. nicht durch Lernerfahrungen vertraut sind, sodass keine automatisierten Handlungsroutinen zur Problemlösung eingesetzt werden können. Die bekannte Definition Wechslers (vgl. Heller, 2000) beinhaltet darüber hinaus, dass intelligentes (Problemlöse-)Verhalten auch zweckvoll und vernünftig, also ökonomisch sein soll. Andere Definitionen von Intelligenz enthalten zwar ebenfalls in der Regel diese Aspekte, betonen jedoch zusätzlich, dass intelligentes Verhalten aufgaben- oder bereichsspezifisch betrachtet werden muss, wobei in jüngerer Zeit auf die Bedeutung des Vorwissens abgehoben wird. Aber bereits Thurstone unterschied in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts sieben Primärfaktoren der Intelligenz (vgl. genauer unten). 1.1 Das Konzept der Allgemeinen Intelligenz Die psychometrische Intelligenzforschung verfolgte seit den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts zwei Richtungen (vgl. Perleth, 1997): Eindimensionale Intelligenzmodelle sehen in der Tradition von Spearman (20er Jahre) die allgemeine Intelligenz g (vom englischen generell intelligence ) als bereichsunspezifische, umfassende Fähigkeit, die für die Bewältigung geistiger Aufgaben benötigt wird, wobei von Fall zu Fall noch spezifische, auf die jeweilige Aufgabe bezogene Kompetenzen hinzukommen müssen (z. B. Wortschatz bei verbalen Aufgabenstellungen). Mehrdimensionale Modelle thematisieren mehrere unabhängige Intelligenzfaktoren (vgl. Abschnitt 1.2). In der Tradition eindimensionaler Modelle steht auch der sowohl in der Öffentlichkeit als auch bei Beratungspersonal populäre Intelligenzquotient (IQ), der trotz aller Kritik immer noch als globales Maß für die geistige Leistungsfähigkeit angesehen wird. Das Modell Spearmans wurde von seinen Schülern weiterentwickelt, beispielsweise durch Zwischenebenen zwischen den spezifischen Leistungsanforderungen und der allgemeinen Intelligenz: So kann man etwa unterschiedliche sprachliche oder visuomotorische Leistungsanforderungen (z. B. Puzzle) auf einer Zwischenebene zusammenfassen. In manchen Modellen entsteht dadurch eine komplexe Baumstruktur (mit oben lie-
2 16 Christoph Perleth g g vt ht s 1 s 2 s 3 s n s v1 s v2 s v3 s h1 s h2 s h3 Abbildung 1: Modelle der allgemeinen Intelligenz: Spearmans Modell (links) und Wechslers Modell (rechts) gendem Stamm), wobei immer die allgemeine Intelligenz an der Spitze steht (vgl. Abb. 1). Im Modell von Spearman wirkt sich die allgemeine Intelligenz g bei allen spezifischen Leistungsanforderungen s 1,s 2, s n aus. Im rechts abgebildeten Modell wird eine Ebene eingeschoben, die die allgemeine Intelligenz in verbale Teilleistungen (vt) und Aufgaben, die handelnd bearbeitet werden (ht; z. B. puzzleähnliche Aufgaben), untergliedert. Dieses Modell liegt den klassischen Tests von Wechsler zu Grunde (vgl. Holling, Preckel & Vock, 2004). Cattell (z. B. 1965), ein Schüler Spearmans, entwickelte in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts ein Zweifaktorenmodell der Intelligenz, das zwischen der sogenannten flüssigen (fluiden) und der kristallisierten Intelligenz unterscheidet. Die flüssige Intelligenz g f stellt dabei die allgemeine Fähigkeit dar, in neuartigen Situationen und anhand von sprachfreiem, figuralem Material, Denkprobleme zu erfassen, Beziehungen herzustellen, Regeln zu erkennen, Merkmale zu identifizieren und rasch wahrzunehmen (Weiß & Osterland, 1980, S. 4) und entspricht damit in etwa der allgemeinen Intelligenz g im Sinne Spearmans. Dieser Intelligenzfaktor (induktives Denken) wird von Cattell als weitgehend angeboren verstanden und bis heute aufgrund der sprachfreien Gestaltung entsprechender Testverfahren vielfach solchen Untersuchungen zu Grunde gelegt, bei denen Intelligenz und ihre Entwicklung weitgehend unabhängig von soziokulturellen Einflüssen erfasst werden sollen. Dies ist beispielsweise in der schulpsychologischen und sonderpädagogischen Diagnostik bei der Untersuchung von Kindern mit nicht deutscher Muttersprache der Fall oder dann, wenn internationale Vergleiche vorgenommen werden sollen (siehe beispielsweise die Anmerkungen zum Flynn-Effekt unten). Die kristallisierte Intelligenz demgegenüber ist nach Cattell das Produkt von flüssiger Intelligenz und Sozialisationseinflüssen in bestimmten Leistungsbereichen und umfasst damit unter anderem auch das über Erfahrung erworbene Wissen einer Per-
3 Intelligenz und Kreativität 17 son. Produkt meint dabei auch, dass eine hohe kristallisierte Intelligenz nur entstehen kann, wenn das Individuum über ein hohes Ausmaß an flüssiger Intelligenz verfügt und in einer förderlichen Lernumwelt lebt. Kristallisierte Intelligenz ist weiter keine einheitliche Fähigkeit, sondern je nach Umwelteinflüssen und Lerngelegenheiten können sich unterschiedliche Fähigkeiten als kristallisierte Intelligenz ausbilden, sodass die Bezeichnung Zweifaktorenmodell etwas irreführend ist. 1.2 Mehrdimensionale Intelligenzmodelle Multidimensionale Modelle konzipieren mehrere unabhängige Intelligenzdimensionen, die bei der Bearbeitung einer konkreten Aufgabe zusammenwirken müssen. Thurstone (30er Jahre) unterschied beispielsweise die sieben Intelligenz-Primärfaktoren Wortverständnis bzw. Wortschatz, Wortflüssigkeit bzw. Worteinfall, Gedächtnis, schlussfolgerndes Denken, Rechenfertigkeiten, räumliches Denken und Wahrnehmungs- oder Auffassungsgeschwindigkeit. Auf Thurstones Vorstellungen beruhen bis heute viele einschlägige Intelligenztests (vgl. Heller & Perleth, 2000). Gardners Abschied vom IQ: Ausweitung oder Verwässerung des Intelligenzbegriffs? Howard Gardner (z. B. 1994) hat mit seinem Buch Abschied vom IQ eine Konzeption von Intelligenz vorgelegt, in der noch wesentlich mehr Bereiche intelligenten Verhaltens aufgeführt werden: Sprachliche Intelligenz: Hiermit sind nicht nur die üblicherweise in den verbalen Skalen von Intelligenztests erfassten Kompetenzen gemeint, sondern auch sprachliche Fähigkeiten, wie sie beispielsweise guten Aufsatzschreibern, Erzählern und Dichtern zugeschrieben werden. Logisch-mathematische Intelligenz: Neben unterschiedlichsten Fertigkeiten im Umgang mit Zahlen werden hierunter auch Aufgabenstellungen der figuralen Intelligenz, dem induktiven Denken eingeordnet (entspricht zum Teil dem g -Faktor der Intelligenz). Räumliche Intelligenz: Hierunter fallen Kompetenzen, sich räumliche Objekte gut vorstellen und im Kopf manipulieren zu können. Architekten, aber auch Ingenieure benötigen solche Fähigkeiten im besonderen Maße. Körperlich-kinästhetische Intelligenz: Hiermit sind psychomotorische Fähigkeiten angesprochen, wie sie in besonderem Maße Tänzern oder Sportlern zukommen, die Bewegungsabläufe sofort erfassen, nachvollziehen, geeignet modifizieren und fein und zielgerichtet ausführen können. Musikalische Intelligenz: Neben Gefühl für Rhythmus und Tonhöhen sind hier auch Fähigkeiten angesprochen, Emotionen mit musikalischen Mitteln auszudrücken (z. B. Musiker) bzw. den emotionalen Ausdruck von Musik zu erfassen (z. B. Musikkritiker).
4 18 Christoph Perleth Intrapersonale Intelligenz: Hierunter wird die Sensibilität gegenüber der eigenen inneren Welt verstanden, worunter auch Selbsterkenntnis und meditative Besinnung auf die eigene Gefühlswelt fallen. Beispielsweise kämen Zen-Meistern diese Fähigkeiten in besonderem Maße zu. Interpersonale Intelligenz: Hiermit ist die Fähigkeit gemeint, die Befindlichkeit anderer differenziert wahrzunehmen und das eigene Verhalten darauf abzustimmen. Interpersonale Intelligenz wird z. B. benötigt, um Verhandlungen erfolgreich bestreiten und abschließen zu können. Die Sichtweise Gardners (1994) hat besonders in den USA eine große Popularität erzielt, obwohl sie wissenschaftlich nur sehr schwach abgesichert ist und in jüngster Zeit (Gardner, 2002) durch eine beliebig anmutende Ausweitung bis hin zur naturkundlichen oder spirituellen Intelligenz wissenschaftlich nicht mehr ganz ernst genommen werden kann. 1.3 Berliner Intelligenzstrukturmodell Das am weitesten entwickelte und am besten empirisch fundierte psychometrische Intelligenzmodell stellt (zumindest im deutschsprachigen Raum) derzeit das von Jäger und Koautoren entwickelte Berliner Intelligenzstrukturmodell (BIS) dar (z. B. Jäger, Süß & Beauducel, 1997). Jäger ordnet hierbei zwölf Intelligenzfaktoren in einer zweidimensionalen Matrix an. g Modalität: Inhalte Numerisch Figural Verbal Verarbeitungskapazität Bearbeitungsgeschwindigkeit Modalität: Operationen Gedächtnis Einfallsreichtum Abbildung 2: Berliner Intelligenz-Strukturmodell
5 Intelligenz und Kreativität 19 Die beiden BIS-Dimensionen ( Modalitäten in der Terminologie des BIS, vgl. Abb. 2) strukturieren diese Faktoren in vier Hauptkomponenten Intelligenz- Operationen und drei Komponenten Inhalte : Modalitäten verstehen die Autoren als unterschiedliche Aspekte, unter denen sich Intelligenzleistungen klassifizieren lassen. In der Modalität Operationen werden die vier Fähigkeitsbündel Bearbeitungsgeschwindigkeit B, Gedächtnis G, Einfallsreichtum E, Verarbeitungskapazität K und in der Modalität Inhalte die Fähigkeitsbündel F (Figural-bildhaft), V (Verbal), N (Numerisch) unterschieden. Damit lässt sich jede Intelligenztestaufgabe einer der 12 Zellen der durch die beiden Modalitäten aufgespannten Matrix zuordnen. Die allgemeine Intelligenz g spielt im BIS die Rolle eines Integrals über alle Komponenten. Die Struktur des Modells ermöglicht es somit, jede Intelligenzaufgabe zweifach einzuordnen, z. B. rasches Markieren aller Buchstabenkombinationen er auf einer Zeitungsseite zu BV, Merken von Zahlen zu GN, figurale Analogien ( : = :??) zu KF, verbaler Einfallsreichtum (möglichst viele Wörter mit bestimmtem Anfangsbuchstaben aufschreiben) zu EV usw. Beziehung zwischen Intelligenztheorien und Intelligenzdiagnostik Besonders in Polemiken gegen den psychologischen Intelligenzbegriff und/ oder die Intelligenzdiagnostik wird gerne unter Bezug auf Boring (1923) darauf verwiesen, Intelligenz sei, was der Intelligenztest messe ( Intelligence is what the test tests, S. 35). Dieses Zitat macht deutlich, dass eine enge Beziehung zwischen Intelligenztheorien und Intelligenztests besteht. Vor Konstruktion eines Intelligenztests muss der Autor genau definieren, welches Verständnis er von Intelligenz hat. Je nachdem, ob er das Konzept einer allgemeinen Intelligenz verfolgt oder Intelligenz in unterschiedlichen Bereichen unterscheidet, wird er andere Aufgaben für den Test auswählen. Das Zitat weist aber mitnichten auf eine wissenschaftliche Fragwürdigkeit des Intelligenzbegriffs oder von Intelligenztests hin. Wenn man über das Ergebnis eines Intelligenztests unterrichtet wird, ist stets zu fragen, welche Theorie dem verwendeten Verfahren zu Grunde liegt. Einordnung und Interpretation eines Intelligenzbefundes hängen entscheidend davon ab, genauso wie vom Anwendungskontext. So wäre es ein Kunstfehler, die allgemeine Intelligenz eines erst seit wenigen Wochen in Deutschland lebenden Migrantenkindes mit einem Test zu erfassen, der überwiegend verbale Anforderungen enthält. Umgekehrt können Befunde zur verbalen Leistungsfähigkeit nützlich sein, um entsprechende Förderprogramme planen zu können. 1.4 Kognitionspsychologische Intelligenzmodelle Kognitionspsychologische Intelligenzmodelle versuchen die Prozesse, die beim Lösen von Intelligenztestaufgaben oder bei intelligenten Leistungen zusammenwirken, zu identifizieren und zu beschreiben. Zwei Konzeptionen, die Zusammen-
6 20 Christoph Perleth wirken und Funktion kognitiver Komponenten und Prozesse beschreiben, sind die von Campione und Brown (1978) und von Sternberg (1991): In der Konzeption von Campione und Brown (1978) spielt die Unterscheidung einer Architektur -Ebene und einer übergeordneten exekutiven Ebene eine zentrale Rolle. Die Unterscheidung dient vor allem der Verdeutlichung, dass die strukturellen Eigenschaften eher stabil und die Kontrollprozesse trainierbar sind. Die Architektur -Ebene, gewissermaßen die Hardware des kognitiven Apparates, umfasst ein Dreispeicher-Gedächtnismodell. Die Eigenschaften dieser Einheiten, nämlich ihre Kapazität (Speichergröße), ihre Speicherdauer und ihre Effizienz sind durch Trainingsmaßnahmen kaum veränderbar. Wichtig für Intelligenzleistungen ist von diesen Komponenten vor allem die operative Effizienz des Systems, d. h. die Geschwindigkeit der Verarbeitung und des Abrufs von Informationen. Manche Autoren (z. B. Oswald & Roth, 1987; in neuer Zeit Neubauer, z. B. 1995) haben die Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit in den Mittelpunkt ihrer theoretischen Modellierung von Intelligenz gestellt. Speichergröße und -dauer stehen mit Intelligenzleistungen in geringerem Zusammenhang, weil sich die meisten Menschen darin nur wenig unterscheiden. Die übergeordnete exekutive Ebene besteht bei Campione und Brown (1978) aus folgenden Komponenten: der Wissensbasis, in der das Weltwissen eines Individuums organisiert und repräsentiert ist, Regeln und Strategien, z. B. Problemlöse- oder Arbeitsstrategien, sowie metakognitivem Wissen und metakognitiven Kontrollprozessen. Metakognitives Wissen umfasst Person-, Regel- und Strategiewissen, also beispielsweise Wissen, welche Strategien bei welchem Problem von der Person erfolgreich eingesetzt werden können. Die metakognitive Regulationskomponente steuert bei Gedächtnisanforderungen, Verstehensprozessen oder beim Problemlösen den Einsatz der Strategien (vgl. Borkowski & Peck, 1986). Die Komponenten der exekutiven Ebene sind starken Entwicklungsprozessen unterworfen und auch trainierbar. Während lernschwache Kinder neben einer geringeren Effizienz des kognitiven Apparates Defizite in allen Komponenten der exekutiven Ebene aufweisen, zeichnen sich hochbegabte Kinder durch eine höhere Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit und eine größere und elaboriertere Wissensbasis aus, wohingegen in Bezug auf Strategien und Metakognition keine klaren Befunde gefunden wurden (vgl. Perleth, 2000). Mit seiner triarchischen Begabungstheorie will Sternberg (z. B. 1991) verschiedene Strömungen der Denk-, Intelligenz- und Begabungsforschung unter einem einheit-
7 Intelligenz und Kreativität 21 lichen theoretischen Bezugsrahmen zusammenfassen. Dazu beleuchtet er intellektuelle Leistungen aus der Sicht dreier Subtheorien: In der Kontext-Subtheorie wird Intelligenz in Bezug zur sozio-kulturellen Umwelt des Individuums gesetzt. Hierbei geht es um die Zielgerichtetheit der Handlungen des Individuums zur Auswahl, Formung und Anpassung an die Lebensumwelt. Nach Ansicht Sternbergs bezieht sich diese Subtheorie vor allem auf praktische (Alltags-)Intelligenz. In der Zwei-Facetten-Subtheorie wird zum einen die Fähigkeit thematisiert, mit neuen, ungewohnten Aufgaben (z. B. Einsichtsproblemen) erfolgreich umzugehen. Zum anderen zeichnen sich gute Problemlöser durch wachsende Automatisierung der Informationsverarbeitung aus, wodurch das Denken entlastet wird und mehr Kapazität für neuartige und schwierige Probleme zur Verfügung steht. Diese Subtheorie soll auch kreative Prozesse mit erklären. Die Informationsverarbeitung im engeren Sinne wird in der Komponenten-Subtheorie genauer beschrieben, wobei mit Komponenten elementare Informationsverarbeitungsprozesse wie Erkennen, Assoziieren oder auch motorische Ausführungen gemeint sind. Diese Subtheorie beschäftigt sich somit vor allem mit analytischer Intelligenz. Sternberg unterscheidet dabei zwischen Performanzkomponenten, Metakomponenten und Wissenserwerbskomponenten. Als Performanzkomponenten bezeichnet Sternberg Basisoperationen wie Kodieren und Dekodieren von Reizen, Kombinieren und Vergleichen, Verknüpfen neuer Information mit altem Wissen, letztlich somit Regelerkennen und Regelfinden. Solche Operationen seien zur Lösung aller Aufgaben des induktiven Denkens erforderlich. Mithilfe der Metakomponenten kontrolliert und steuert das Individuum die Informationsverarbeitung. Schließlich sind für die Ausprägung der Intelligenz insbesondere die Wissenserwerbskomponenten relevant (Unterscheidung wesentlicher von irrelevanter Information; Kombination von Informationen; Vergleich neuer Information mit bereits vorhandenem Wissen; Genaueres hierzu bei Perleth, 2000). Sind Intelligenz und Arbeitsgedächtnis dasselbe? Nicht nur in der Konzeption von Campione und Brown (1978) spielen Merkmale des Arbeitsgedächtnisses eine zentrale Rolle für die intellektuelle Leistungsfähigkeit. Besonders wenn man ein Modell der allgemeinen Intelligenz verwendet, finden sich starke Zusammenhänge zwischen Intelligenzmaßen und Maßen des Arbeitsgedächtnisses. Dies gilt nicht nur, weil manche Intelligenztests typische Maße des Arbeitsgedächtnisses enthalten wie das Zahlennachsprechen, sondern auch weil beides Konzeptionen der zentralen menschlichen Verarbeitungskapazität aus unterschiedlicher Perspektive darstellen. Während das Konzept des Arbeitsgedächtnisses der Allgemeinen Psychologie entstammt, stellt die (allgemeine) Intelligenz ein klassisches Thema der Differenziellen Psychologie dar.
8 22 Christoph Perleth Das populärste Gedächtnismodell stellt die Dreispeicher-Konzeption nach Atkinson und Shiffrin dar (vgl. etwa Zimbardo, 2004), nach der drei Gedächtnissysteme an der Informationsverarbeitung beteiligt sind: Das sensorische Register stellt die unterste Stufe der Informationsverarbeitung dar. Hier werden große Informationsmengen (Sinneseindrücke) für wenige Zehntelsekunden verfügbar gehalten, bevor die Information weiter verarbeitet wird. Im Langzeitgedächtnis, das über eine praktisch unbegrenzte Kapazität und Speicherdauer verfügt, ist das gesamte Wissen einer Person beispielsweise hierarchisch oder in Form von Netzen gespeichert. Das Kurzzeit-, besser Arbeitsgedächtnis, stellt die zentrale Instanz des Gedächtnissystems dar: Hier werden beispielsweise die wahrgenommenen Informationen verarbeitet, mit Inhalten des Langzeitgedächtnisses verglichen und die verarbeitete Information an das Langzeitgedächtnis weitergegeben. Aktuell bemüht man sich die Rolle des Arbeitsgedächtnisses und seiner Komponenten beim Zustandekommen kognitiver Leistungen unterschiedlichster Art (Intelligenz, Lesen, Rechnen usw.) zu klären. 2 Intelligenz- und Leistungsentwicklung 2.1 Entwicklung von Intelligenz Dass die Intelligenz oder kognitive Leistungsfähigkeit bei Kindern und Jugendlichen mit dem Alter ansteigt, ist unstrittig, auch wenn die interindividuellen Differenzen, also die Unterschiede zwischen den Individuen ab Ende der Grundschulzeit relativ konstant bleiben. Unterschiedliche Auffassungen gibt es hingegen darüber, ob die Intelligenz im frühen Erwachsenenalter ihren Höhepunkt erreicht Der Flynn-Effekt In den 80er Jahren publizierte Flynn (1987) eine Studie, nach der in vielen Ländern quer über den Erdball eine Steigerung des durchschnittlichen Intelligenzquotienten von etwa 3 Punkten pro Jahrzehnt zu verzeichnen sei. Dieses Phänomen wird als Flynn-Effekt bezeichnet. Dabei betrifft der Effekt vor allem induktives Denken bzw. figural-räumliche Intelligenzaufgaben und schlägt sich weniger bei verbalen oder quantitativen Aufgaben nieder. Manches deutet darauf hin, dass der Effekt sowohl durch eine gewachsene Vertrautheit mit den Aufgaben von Intelligenztests als auch der Verbreitung von (Lern-)Spielzeug und Übungsmaterial zusammen hängt, mit denen Kompetenzen im Bereich der Intelligenz gefördert werden.
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