DIHK BDI ZDH BDA BdB GDV HDE BGA
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- Franz Böhme
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3 Besonderheit des Umsatzsteuersystems 233a AO sieht die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen für die laufend veranlagten Steuern ESt, KSt, GewSt und USt vor. Die Regelung wurde mit dem Steuerreformgesetz 1990 in die Abgabenordnung eingeführt. Ausweislich der Gesetzesmaterialien soll mit der allgemeinen Verzinsung ein Ausgleich dafür geschaffen werden, dass bei einzelnen Steuerpflichtigen die genannten Steuern aus diversen Gründen zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und damit fällig werden. Die Vorschrift, die als eine Regelung zur sogenannten Vollverzinsung eingeführt wurde, ist daher treffender wohl mit Verzinsung vor Fälligkeit zu bezeichnen. Sie soll den beim Steuerpflichtigen durch die spätere Festsetzung entstandenen Liquiditätsvorteil bzw. den entsprechenden Liquiditätsnachteil des Steuergläubigers ausgleichen. Während die Verzinsung bei den Ertragsteuern durchaus ihre Berechtigung haben kann, sieht dies im Bereich der Umsatzsteuer anders aus, soweit bei der entsprechenden Transaktion durch die Vorsteuerabzugsberechtigung des Empfängers kein endgültiges Steueraufkommen beim Fiskus generiert wird. Etwa bei der Einkommensteuer besteht eine Beziehung hinsichtlich der Besteuerung in der Regel zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Finanzamt. Die Systematik der Umsatzsteuer dagegen sieht typischerweise drei an einem Umsatz beteiligte Personen vor: den leistenden Unternehmer, den Leistungsempfänger sowie den Fiskus bzw. das Finanzamt. Aufgrund der Ausgestaltung als Allphasennetto-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug ist die Umsatzsteuer innerhalb der Unternehmerkette grundsätzlich kostenneutral. Lediglich der private Endverbrauch soll belastet werden. Der leistende Unternehmer weist als Steuerschuldner die Umsatzsteuer in seiner Rechnung aus, erhält sie vom Leistungsempfänger und führt sie an das Finanzamt ab. Der die Leistung empfangende Unternehmer zieht bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen die ihm in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer wieder ab bzw. erhält sie vom Finanzamt erstattet. Innerhalb dieses Dreiecks ist die Umsatzbesteuerung damit letztendlich systemgerecht kostenneutral. Anders als bei den Ertragsteuern fungiert der umsatzsteuerliche Unternehmer nur als Steuereintreiber und die effektive Steuerbelastung tritt erst auf der Stufe des Endverbrauchs ein. Im Bereich der Umsatzsteuer ist die Vollverzinsung nach 233a AO insoweit problematisch, als die Beteiligung von drei Personen an einem Sachverhalt nicht ausreichend beachtet wird. Vielmehr stellt die auch in der Rechtsprechung herrschende Betrachtungsweise isolierend auf die Einbeziehung von lediglich zwei Personen ab: Leistender Unternehmer und Finanzamt einerseits bzw. Leistungsempfänger und Finanzamt anderer- 1/4
4 seits. Damit wird ein Spezifikum des Umsatzsteuersystems ignoriert, was in der Praxis häufig zu ungerechtfertigten Zinsbelastungen der Unternehmen führt. Denn in Fällen der irrtümlichen umsatzsteuerlichen Abwicklung eines Leistungsaustauschs kann es zu einer Verzinsung von Beträgen kommen, obwohl im Vergleich zur richtigen umsatzsteuerlichen Behandlung kein Liquiditätsvorteil zur Verfügung gestanden hat. Es wird ein angeblicher Vorteil verzinst, den es nie gegeben hat, da die Finanzverwaltung für die Bestimmung des Liquiditätsvorteils die Liquiditätssituation der Beteiligten bei richtiger Abwicklung außer Acht lässt. Die Finanzverwaltung hat die Problematik der Verzinsung im Umsatzsteuerrecht grundsätzlich erkannt und versucht, einige Fallgruppen im Wege des Erlassverfahrens zu lösen (siehe Tz zu 233a AEAO). Konkret geregelt wurden insoweit insbesondere die Verzinsung von Umsatzsteuerforderungen aufgrund fehlerhafter Endabrechnungen oder einer fälschlicherweise angenommenen umsatzsteuerlichen Organschaft. Da nicht alle betroffenen Fälle erfasst werden, sind die vorgesehenen Billigkeitsmaßnahmen der Finanzverwaltung nicht ausreichend. Der Ansatz ist auch deshalb unzureichend, weil der Steuerpflichtige derzeit die Darlegungslast für das Vorliegen der Unbilligkeit hat und die Finanzverwaltung in der Praxis entsprechende Erlassanträge aufgrund des vorhandenen Ermessensspielraums regelmäßig ablehnt. Bei Anwendung einer Gesamtbetrachtungsweise ließen sich dagegen auch die nachfolgend geschilderten besonders problematischen Fälle deutlich abmildern bzw. vermeiden. Keine Liquiditätswirkungen bei unzutreffendem Vorsteuerabzug oder unzutreffender Nichtversteuerung Bei einer Massentransaktionssteuer wie der Umsatzsteuer ist nicht auszuschließen, dass sich sowohl der leistende als auch der die Leistung empfangende Unternehmer grundsätzlich rechtstreu verhalten haben, ihnen aber Fehler bei der Beurteilung der Umsatzsteuerpflicht oder aber formelle Fehler bei der Rechnungsstellung unterlaufen sind. Kommt es als Folge hiervon entweder zu einem unzutreffenden Vorsteuerabzug oder zu einer unzutreffenden Nichtversteuerung führen diese bei voller Vorsteuerabzugsberechtigung des Leistungsempfängers weder zu einem Liquiditätsvorteil des Steuerpflichtigen noch zu einem Liquiditätsnachteil des Steuergläubigers. Deutlich wird dies bei einem Vergleich zwischen tatsächlichem und dem gedachten Sachverhalt, wenn Leistender und Leistungsempfänger den Leistungsaustausch umsatzsteuerlich zutreffend abgewickelt hätten. Wirkt sich der Leistungsaustausch in beiden Szenarien auf die Liquidität der Parteien des Leistungsaustauschs identisch aus, ist ein Liquiditätsvorteil bei den Partnern des Leistungsaustauschs nicht ersichtlich. Dies kann an folgenden drei Beispielen veran- 2/4
5 schaulicht werden, die beliebig um weitere Beispielsfälle aus der Praxis ergänzt werden können. In allen Fällen wird unterstellt, dass der Leistungsempfänger zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt ist. Beispiel 1: Erhält der Empfänger einer Rechnung diese auf seinem Standardfax, so ist es für ihn nicht erkennbar, auf welche Weise das Fax versandt worden ist. Grundsätzlich wird er davon ausgehen, dass der Leistende ebenfalls ein Standardfax verwendet hat. Stellt sich später im Rahmen einer Betriebsprüfung beim Versender heraus, dass dies nicht der Fall war, so handelt es sich nach momentaner Auslegung nicht um eine ordnungsgemäß übermittelte Rechnung. Der Empfänger hatte für ihn nicht erkennbar keine Berechtigung, die Vorsteuer aus der empfangenen Rechnung geltend zu machen, was bei ihm zu einer Vollverzinsung führt. Dennoch hat in diesem Fall weder der Fiskus einen Liquiditätsnachteil noch einer der beteiligten Steuerpflichtigen einen tatsächlichen Liquiditätsvorteil. Der Leistungsempfänger hat die von ihm geltend gemachte Vorsteuer als Umsatzsteuer an den leistenden Unternehmer gezahlt und dieser hat sie wiederum an das Finanzamt abgeführt. Bei ordnungsgemäßer Rechnung ergäben sich mit Blick auf die Liquiditätslage bei den Beteiligten keine Unterschiede. Beispiel 2: Berechnet der leistende Unternehmer irrtümlich den Regelsteuersatz anstelle des ermäßigten Steuersatzes, so hat der Leistungsempfänger die zum Vorsteuerabzug begehrte erhöhte Umsatzsteuer an den leistenden Unternehmer gezahlt. Ein Liquiditätsvorteil für den Leistungsempfänger entsteht somit nicht. Dennoch erfolgt in diesem Fall die Vollverzinsung beim Leistungsempfänger, da lediglich auf das Verhältnis zwischen Fiskus und Leistungsempfänger abgestellt und die Zahlung des Betrags an den leistenden Unternehmer ausgeblendet wird. Auch hat der Fiskus keinen Liquiditätsnachteil erlitten. Die vom Leistungsempfänger zunächst als Vorsteuer begehrte erhöhte Umsatzsteuer wurde vom leistenden Unternehmer als Umsatzsteuer an den Steuergläubiger abgeführt. Auch hier würde sich bei ordnungsgemäßer Abrechnung liquiditätsmäßig bei den Beteiligten nichts ändern. Beispiel 3: Bei der irrtümlichen Annahme einer nichtsteuerbaren Geschäftsveräußerung im Ganzen hat der leistende Unternehmer keine Umsatzsteuer an den Fiskus abgeführt, eine solche aber auch nicht dem Leistungsempfänger in Rechnung gestellt. Der leistende Unternehmer hat also keinen Liquiditätsvorteil. Dementsprechend hat auch der Leistungsempfänger keinen Vorsteuerabzug geltend gemacht. Folglich hat auch der Fiskus als Steuergläubiger keinen Liquiditätsnachteil erlitten und der Leistungsempfänger hat keinen Liquiditätsvorteil erlangt. Die Liquiditätslage aller Beteiligten und insbesondere des leistenden Unternehmers entspricht der bei korrekter Behandlung des Umsatzes als steuerpflichtig. Eine Verzinsung der Steuernachforderung gegenüber dem leistenden Unternehmer läuft damit der Intention des 233a AO zuwider. 3/4
6 In allen Beispielen wird sehr deutlich, dass die Anwendung des 233a AO dazu führt, den Unternehmen erhebliche Zinslasten aufzubürden, obwohl ihnen bei einem Liquiditätsvergleich mit der Situation bei zutreffender umsatzsteuerlicher Abwicklung überhaupt kein Liquiditätsvorteil entstanden ist. Ebenso wenig erleidet der Fiskus einen Liquiditätsnachteil. Damit geht die Regelung über die ursprüngliche Intention des Gesetzgebers nämlich etwaige Liquiditätsvorteile auszugleichen hinaus. Verengte Betrachtungsweise ignoriert Neutralitätsgrundsatz der Umsatzsteuer Insbesondere läuft die momentane Handhabung des 233a AO auch dem in der MwStSystRL verankerten Neutralitätsgrundsatz der Umsatzsteuer zuwider, nach dem die Umsatzsteuer Innerhalb der Unternehmerkette kostenneutral sein soll. Wenn die Finanzverwaltung, aber auch die Rechtsprechung, bei der Anwendung der Vollverzinsung lediglich auf das Steuerschuldverhältnis zwischen Steuerpflichtigem und Steuergläubiger abstellen und den systemimmanent dritten Beteiligten an der Umsatzsteuererhebung ausblenden, so setzen sie sich damit im Ergebnis auch über das Prinzip der Neutralität der Umsatzsteuer hinweg. Aufgrund europäischer Vorgaben ist es insbesondere auch nicht zulässig, die Neutralität der Umsatzsteuer durch Verfahren gewährleisten zu wollen, bei denen die Finanzverwaltung einen Ermessensspielraum hat. Denn dies führt im Einzelfall zu einer unklaren Rechtslage. Zudem sind die entsprechenden Entscheidungen der Finanzverwaltung nicht vollumfänglich gerichtlich nachprüfbar. Einführung einer Gesamtbetrachtungsweise Die Spitzenverbände der gewerblichen Wirtschaft setzen sich daher für die Einführung einer Gesamtbetrachtungsweise bei der Vollverzinsung ein. 1 Vieles spricht dafür, dass der Gesetzgeber bei Einführung des 233a AO das System der fraktionierten Erhebung der Umsatzsteuer bei der Formulierung des Paragraphen nicht umfassend bedacht hat. Dieses Versäumnis führt nun zu Zinslasten für die Unternehmen, denen kein tatsächlicher Liquiditätsvorteil gegenüber steht. Eine Gesamtbetrachtungsweise würde dagegen die für die Umsatzsteuer typische Dreierkonstellation leistender Steuerpflichtiger, leistungsempfangender Steuerpflichtiger, Steuergläubiger berücksichtigen. Damit wäre sichergestellt, dass nur in den Fällen die Vollverzinsung einsetzt, in denen dem Steuerpflichtigen auch ein tatsächlicher Liquiditätsvorteil zugeflossen ist bzw. der Fiskus einen definitiven Liquiditätsnachteil erlitten hat. 1 Wir verweisen auch auf eine im Detail noch weitergehende Fachveröffentlichung zu diesem Thema, die am 9. Juli 2010 in der DStR erscheinen wird. 4/4
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